Wozu brauchen wir Reliquien ?

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Pit
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Wozu brauchen wir Reliquien ?

Beitrag von Pit »

Hallo !

Wozu sind Reliquien nötig ?
Im Rahmen der Seligsprechung Kardinal von Galens habe ich gelesen, daß Reliquien entnommen werden sollen ?
Warum ??
Reliquien, also Knochen von Verstorbenen bewirken nichts, können niemanden erlösen und stellen, wenn sie "entnommen" werden, nichts weiter dar als eine Störung der Totenruhe.
Also:
Welchen biblisch-christlich begründbaren Zweck haben sie ?
Und bitte keine Erklärungen mit dem CIC § xy, denn mit Kirchenrecht und Traditionen lies sich selbt die Verbrennung von "Hexen" "rechtfertigen".

Gruß, Pit
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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Verzeiht mir die Wiederholung eines früheren Beitrags:
Alexander hat geschrieben: Die toten Leiber der Heiligen lassen zuweilen selbt Tote auferstehen. Zweifel?
"Da aber Elisa gestorben war, und man ihn begraben hatte, fielen die Kriegsleute der Moabiter ins Land desselben Jahres. Und es begab sich, daß sie einen Mann begruben; da sie aber die Kriegsleute sahen, warfen sie den Mann in Elisas Grab. Und da er hin kam und die Gebeine Elisas anrührete, ward er lebendig und trat auf seine Füße." (2. Könige 13:20-21)
Bild
Die hl. Reliquien, von denen viele unverwest geblieben sind, sind eine immerwährende Quelle von Heilungen und anderen Gnadenwirkungen, sie sind ein großer Schatz, ein kostbares Geschenk Gottes, es ziemt sich, vor ihnen niederzufallen und sie mit größter Ehrfurcht zu küssen. Nicht von ungefähr feiern wir die Eucharistie auf ihren Reliquien!

Wenn Du die Worte des hl. Basilius und vieler anderen Heiligen Väter zu diesem Thema kenntest und ein bißchen hagiographisch bewandert wärest, wie fern läge es dir, solch eine Frage zu stellen.

Wie oft passieren da Heilungen! Vor ein paar Jahren waren Bekannte von mir Zeugen der Heilung eines krebskranken Mädchens an den Reliquien des hl. Nikolaus von Myra in Lykien, die jetzt in Bari in Italien liegen. Aber Heilungen sind bei weitem nicht alles. Sündige Leidenschaften werden geheilt und Menschen zu richtigen Christen gewandelt.
Zuletzt geändert von Alexander am Donnerstag 6. Oktober 2005, 20:51, insgesamt 2-mal geändert.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

Tacitus
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Beitrag von Tacitus »

Pit hat geschrieben:Reliquien, also Knochen von Verstorbenen bewirken nichts, können niemanden erlösen und stellen, wenn sie "entnommen" werden, nichts weiter dar als eine Störung der Totenruhe.
Also:
Welchen biblisch-christlich begründbaren Zweck haben sie ?
Keinen, Pit, Du hast recht.

Wohl aber können sie in uns einen Blick in die Tiefe des christlichen Glaubens werfen lassen, der zu einer spirituellen Erfahrung werden kann.
Ich erinnere mich an eine Ausstellung in München ("Rom in Bayern" - mit Rom war die röm.-kath. Kirche gemeint) besucht zu haben, in der auch ein Mantel des hl. Ignatius von Loyola ausgestellt war. Ich war erschrocken über die Emotion, die dieser Mantel in mir hervorrief. Es war mir als stünde der Mann, von dem ich so viel schon gelesen hatte und den ich sehr verehrte, wenige Meter vor mir - die Jahrhunderte zeitlicher Differenz waren aufgehoben. Und da die Zeit aufgehoben zu sein schien, war mir (war uns) auch Gott sehr nah: für mich ein spirituelles Erlebnis der besonderen Art.

So mag es auch bei dem gewesen sein, was unser orthodoxer Bruder raunt:
Alexander hat geschrieben:Wie oft passieren da Heilungen! Vor ein paar Jahren waren Bekannte von mir Zeugen der Heilung eines krebskranken Mädchens an den Reliquien des hl. Nikolaus von Myra in Lykien, die jetzt in Bari in Italien liegen. Aber Heilungen sind bei weitem nicht alles. Sündige Leidenschaften werden geheilt und Menschen zu richtigen Christen gewandelt.
Der Glaube wirkt, Alexander, nicht die Hinterlassenschaft des Entschlafenen. Der Anblick der Reliquie mag diesen Glauben geweckt haben.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Warum hat im NT das Schweisstuch des Paulus, das zwar keine Reliquie im üblichen Sinne damals war, Menschen geheilt?
Irgendwie scheint nicht dir nicht klar zu sein, dass es nicht die Materie an sich ist, die hier Wirkungen entfaltet, sondern dass es sich hier um den Glauben handelt, der aber auch mittels Reliquien entfacht werden kann.

Deine Meinung ist eher freikirchlich oder evangelisch, wobei ich das nicht einmal verallgemeinern will, da ich von einem Fall in einer Freikirche weiß, wo jemand durch ein gesegnetes Taschentuch geheilt wurde.

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Pit
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Beitrag von Pit »

Hallo Tacitus,

danke für Deine Ausführungen.
So ist es für mich durchaus verständlicher.

Als ich vor einigen Jahren in Rom war, hatte ich ein "wahnsinnig" (nicht wörtlich gemeint) intensives Gefühl, als ich am Petrusgrab war. In diesem Grab lag der Apostel Jesu, der immerhin auch mein Namenspatron ist.
Oder ähnlich ging es mir schon häufiger, wenn ich in Telgte im Heimathaus das (Priester)gewand des von mir sehr verehrten Kardinals von Galen sah.
Ich dachte daran, was dieser großartige Mann bewirkt hat.
Soweit eben gut, aber - und da hast Du auch recht, können die Reliquien selber eben nichts bewirken, in dem sie jemanden heilen oder gar erlösen können, denn - da stimme ich auch zu - Reliquien sind quasi Symbole/Zeichen. Mehr eben nicht.
Sakramentalien, wie es die Kirche selber nennt.
Deswegen erfüllt für mich z.B. das Gewand des Kardinals vonGalen auch seinen Zweck oder wie bei Schwester Eutymia ein Gebetbuch, daß - von ihr völlig "zerbetet" - im Mutterhaus der Clemensschwestern hier aufbewahrt wird, im Gedenken an sie.
Da mus es nicht ein Mittelhandknochen oder so sein.

Gruß, Kephas

Tacitus hat geschrieben:
Pit hat geschrieben:Reliquien, also Knochen von Verstorbenen bewirken nichts, können niemanden erlösen und stellen, wenn sie "entnommen" werden, nichts weiter dar als eine Störung der Totenruhe.
Also:
Welchen biblisch-christlich begründbaren Zweck haben sie ?
Keinen, Pit, Du hast recht.

Wohl aber können sie in uns einen Blick in die Tiefe des christlichen Glaubens werfen lassen, der zu einer spirituellen Erfahrung werden kann.
Ich erinnere mich an eine Ausstellung in München ("Rom in Bayern" - mit Rom war die röm.-kath. Kirche gemeint) besucht zu haben, in der auch ein Mantel des hl. Ignatius von Loyola ausgestellt war. Ich war erschrocken über die Emotion, die dieser Mantel in mir hervorrief. Es war mir als stünde der Mann, von dem ich so viel schon gelesen hatte und den ich sehr verehrte, wenige Meter vor mir - die Jahrhunderte zeitlicher Differenz waren aufgehoben. Und da die Zeit aufgehoben zu sein schien, war mir (war uns) auch Gott sehr nah: für mich ein spirituelles Erlebnis der besonderen Art.

So mag es auch bei dem gewesen sein, was unser orthodoxer Bruder raunt:
Alexander hat geschrieben:Wie oft passieren da Heilungen! Vor ein paar Jahren waren Bekannte von mir Zeugen der Heilung eines krebskranken Mädchens an den Reliquien des hl. Nikolaus von Myra in Lykien, die jetzt in Bari in Italien liegen. Aber Heilungen sind bei weitem nicht alles. Sündige Leidenschaften werden geheilt und Menschen zu richtigen Christen gewandelt.
Der Glaube wirkt, Alexander, nicht die Hinterlassenschaft des Entschlafenen. Der Anblick der Reliquie mag diesen Glauben geweckt haben.
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Tacitus
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Beitrag von Tacitus »

Edi hat geschrieben:Irgendwie scheint nicht dir nicht klar zu sein, dass es nicht die Materie an sich ist, die hier Wirkungen entfaltet, sondern dass es sich hier um den Glauben handelt, der aber auch mittels Reliquien entfacht werden kann.
Sag ich doch.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Nur nebenbei: Es gibt auch ein Blutwunder der Reliqiue des heiligen Januarius.

http://www.heiligenlexikon.de/start.htm ... eapel.html

Stephen Dedalus
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Re: Wozu brauchen wir Reliquien ?

Beitrag von Stephen Dedalus »

Pit hat geschrieben:Reliquien, also Knochen von Verstorbenen bewirken nichts, können niemanden erlösen und stellen, wenn sie "entnommen" werden, nichts weiter dar als eine Störung der Totenruhe.

Keine Materie oder Knochen sind tot und wirkungslos, wenn der Geist Gottes sie belebt und durch sie wirkt!

Die wichtigsten Reliqien in England sind die Gebeine des Heiligen Märtyrers Alban in St. Alban's Cathedral, die Dank der Großzügigkeit der Erzbischofs von Köln dort jetzt auch wieder verehrt werden können.

*Heiliger Alban, bitte für uns*
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Stephen Dedalus
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Re: Wozu brauchen wir Reliquien ?

Beitrag von Stephen Dedalus »

Alexander hat geschrieben:Die hl. Reliquien, von denen viele unverwest geblieben sind, sind eine immerwährende Quelle von Heilungen und anderen Gnadenwirkungen, sie sind ein großer Schatz, ein kostbares Geschenk Gottes, es ziemt sich, vor ihnen niederzufallen und sie mit größter Ehrfurcht zu küssen. Nicht von ungefähr feiern wir die Eucharistie auf ihren Reliquien!

Wie oft passieren da Heilungen! Vor ein paar Jahren waren Bekannte von mir Zeugen der Heilung eines krebskranken Mädchens an den Reliquien des hl. Nikolaus von Myra in Lykien, die jetzt in Bari in Italien liegen. Aber Heilungen sind bei weitem nicht alles. Sündige Leidenschaften werden geheilt und Menschen zu richtigen Christen gewandelt.
Danke für diesen Bericht! Amen dazu!

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Pit hat geschrieben: Soweit eben gut, aber - und da hast Du auch recht, können die Reliquien selber eben nichts bewirken, in dem sie jemanden heilen oder gar erlösen können, denn - da stimme ich auch zu - Reliquien sind quasi Symbole/Zeichen. Mehr eben nicht.
@Pit, @Tacitus, Ihr zeigt da eine typische Zeugen-Jehovas-Denkweise --- "wenn eine Antwort kommt, die meinem Weltbild nicht entspricht, dann tue ich so, als hätte ich sie nicht gehört".
In der von mir angeführten Bibelstelle bekommt ein Toter, dessen Leichnahm zufällig zu den Knochen Elisas geworfen wird, sein Leben zurück. Woran man sehen kann, daß Gott nicht nur durch seine Heiligen Wunder wirkt, sondern auch durch ihre toten Leiber, schon zu Lebzeiten zu Gefäßen der Gnade geworden.

Es ist also nicht nur der historische "Eindruck", den man bei der Ansicht der Reliqiuen bekommt, wichtig. Vielmehr kann man an ihnen Gnadenwirkungen und Wunder erleben. Nicht alle Christen tun Zeichen, nicht alle haben die Gabe der Heilungen, wie es ja auch der Apostel Paulus sagt, sondern eben nur einige, welche diese Gnade bekommen haben. Der Tod tut der Sache keinen Abbruch, was uns die erwähnte Bibelstelle und die Erfahrung zeigt.

Der Glaube tut übrigens keine Wunder, nur Gott kann das -- der Glaube macht den Menschen empfänglich für die Gnade.

@Edi -- Die Schweißtücher Pauli sind doch ein ganz typisches Beispiel für Reliquien, auch im klassischen Sinne.
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Mellon
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Beitrag von Mellon »

Daß Reliquien den Glauben stärken und auf diese Weise dieses und jenes "bewirken" können, stimmt gewiß. Doch im Falle des hier schon von Alexander erwähnten alttestamentlichen Wunders kann von Glauben im Zusammenhang mit der "Anwendung" der Reliquien des Eliasa doch keine Rede sein! Die Leute, die den Leichnam in das Grab des Elisa warfen, taten das nicht "aus Glauben", außer vielleicht aus dem "Glauben" heraus, daß es besser wäre, schnellstens den besagten Leichnam loszuwerden und um sein eigenes Leben zu laufen bzw. noch schnell sein eigen Hab und Gut vor den einfallenden Rotten der Moabiter in Sicherheit zu bringen. Und der Tote, der wieder erweckt wurde, wurde nicht auf Grund seines gestärkten Glaubens erweckt.
Ist es nicht so, daß auch den Gebeinen der vollendeten Gerechten und sogar Gegenständen (wie Taschentüchern) sozusagen in übertragbarer Weise die Kraft des Hl. Geistes innewohnen kann?
Er kennet seine Scharen / am Glauben, der nicht schaut / und doch dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut;
der aus dem Wort gezeuget / und durch das Wort sich nährt / und vor dem Wort sich beuget / und mit dem Wort sich wehrt.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Mellon hat geschrieben: Ist es nicht so, daß auch den Gebeinen der vollendeten Gerechten und sogar Gegenständen (wie Taschentüchern) sozusagen in übertragbarer Weise die Kraft des Hl. Geistes innewohnen kann?

Est!

Tacitus
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Beitrag von Tacitus »

Est et non est!

Est: Euer Leib ist ein Tempel des Heiligen Geistes. (Rö 12)
Non est: Zu glauben, Gott wohne in Gegenständen, hat was von Animismus.

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Mellon
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Beitrag von Mellon »

Tacitus hat geschrieben:Non est: Zu glauben, Gott wohne in Gegenständen, hat was von Animismus.
Es grundsätzlichzu bestreiten, hat was von Gnostizismus. ;)
Er kennet seine Scharen / am Glauben, der nicht schaut / und doch dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut;
der aus dem Wort gezeuget / und durch das Wort sich nährt / und vor dem Wort sich beuget / und mit dem Wort sich wehrt.

Tacitus
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Beitrag von Tacitus »

Weshalb denn das, Mellon?

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Pit
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Beitrag von Pit »

Hallo Mellon,

in gewisser Hinsicht gebe ich Tacitus recht.
Reliquien - sinnvoll verehrt - stellen für mich eine Möglichkeit dar, im Glauben gestärkt zu werden.
Das heißt, als ich damals in Rom am Grab des Apostels Petrus gebetet habe, wurde mir bewusst, wie sehr sich Petrus für den Glauben an den HERRN eingesetzt hat. Und dadurch wurde mein Glaube gestärkt. Aber ich war nicht einen Augenblick der Meinung und Überzeugung, daß ich z.B. von meiner Behinderung geheilt würde, wenn ich nur das Grab des Petrus berühren würde. Denn das Grab, bzw. die Grabmahl selber können - da es sich um tote Gegenstände handelt - garnichts bewirken.
Denn wenn ich auf nichtwissenschaftliche Weise geheilt worden wäre, wäre das auf Grund von Gottes Gnade geschehen.
Übrigens wurde es früher - speziell im Mittelalter - oftmals extem übertrieben mit der Reliquienverehrung. Oder glaubt hier jemand, daß irgendwo in Reliquienschreinen "die Tränen der Mutter Gottes", "die Windeln Jesu" oder - kein Witz: "die Vorhaut Jesu" aufbewahrt werden ?
Reliquien hin oder her:
Die Verehrung ansich kommt Gott/Christus selber zu.

Gruß, Pit
Mellon hat geschrieben:
Tacitus hat geschrieben:Non est: Zu glauben, Gott wohne in Gegenständen, hat was von Animismus.
Es grundsätzlichzu bestreiten, hat was von Gnostizismus. ;)
carpe diem - Nutze den Tag !

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Mellon hat geschrieben:
Tacitus hat geschrieben:Non est: Zu glauben, Gott wohne in Gegenständen, hat was von Animismus.
Es grundsätzlichzu bestreiten, hat was von Gnostizismus. ;)
Sehe ich auch so.

Die materielle Welt generell als Mittel und Kanal von Gottes Heilswirken auszuschließen, hat wirklich was von antiken gnostischen Häresien.

@Pit
Niemand von uns glaubt, daß die Gräber oder Knochen aus sich heraus wirksam sind. Es ist immer Gottes Kraft, die in ihnen lebendig und wirksam ist. Aber eben in und durch sie. Das ist letztlich eine Konsequenz einer soliden inkarnatorischen Theologie. Und wenn auch im Mittelalter vielleicht der Reliquienkult seltsame Blüten trieb, gilt immer noch der alte Grundsatz *abusus non tollet usus*!

Gruß
Stephen

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Herr, hilf meiner sündigen Schwäche Worte zu finden zu deiner Verehrung!

Die Materie ist eine Schöpfung Gottes, somit auch teilhaftig am göttlichen Leben --- so war es jedenfalls vor dem Sündenfall. Nach dem Sündenfall ist die Welt zu einer Behausung der Dämonen geworden. Jesus Christus ist gekommen und hat den Teufel besiegt. Doch hat dieser immernoch einen gewissen Handlungsrahmen.
Weihwasser ist ein Beispiel für verklärte Schöpfung, bar der dämonischen Enrgien, dafür aber voll von göttlichen Energien.

Gnostiker haben gedacht, daß die Materie etwas böses sei. Sie könne an göttlichem Leben nicht teilhaben.

Irenäus von Lyon hat zurecht bemerkt, daß alle Häresien der Geschichte bestimmte Aspekte der Gnosis wiederbeleben. Nicht alle Seiten der Gnosis, aber so manches.

Protestantismus, zu dem Tacitus angehört, und durch den Pit sehr beeinflußt ist, ist auch eine "vergeistlichte" Religion.

Das katholische (ihr wißt, wie ich's meine) Christentum hat immer darauf bestanden, daß Christus die ganze Schöpfung zu Gott führt, nicht etwa nur den Geist. Gott ist Fleisch geworden.

@Pit, Du hast Dich schon wieder hinweggesetzt über die Bibelstelle. Bloße Berührung mit einem heiligen Leib, ja mit einem Heiligenbild, kann Heilungen zur Folge haben, selbst Tote stehen zuweilen auf. Und das sind nur die weniger wichtigen groben Zeichen. Viel wichtiger ist die Einwirkung der Gnade auf den inneren Menschen, die auf die Gebete des Heiligen geschieht.

Es ist Gott, der das bewirkt. Unser Gott Jesus Christus hat manchmal mittels Materie geheilt (Teig aus Staub und Speichel), außerdem hat er im Alten und Neuen Bund Menschen auserwählt, denen er die Gnade der Heilungen und anderer Wunder gegeben hat. In den beiden Epochen der Heilsgeschichte gab es Leute, die durch ihre Gebete Tote zum Leben brachen, vor und nach dem eigenen Tode. AT: Elias, Elisa. NT: Jesus, Apostel u.a.

Die Wunder wirkt also Gott auf die Gebete der Heiligen, einerlei ob vor oder nach ihrem Heimgang.
Zuletzt geändert von Alexander am Donnerstag 13. Oktober 2005, 18:13, insgesamt 2-mal geändert.
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Mellon
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Beitrag von Mellon »

Tacitus hat geschrieben:Weshalb denn das, Mellon?
Lieber Tacitus,
ich habe bewußt vorsichtig formuliert: nicht „ist gnostizistisch“, sondern „hat was von Gnostizismus“.

Gnosis
[griechisch »Erkenntnis«] die, -… Schon im späten Hellenismus und besonders dann im Frühchristentum differenzierte sich … die ursprüngliche allgemeine Bedeutung in eine Reihe von verschiedenen Variationen. Gnosis in diesem Sinne (auch Gnostizismus genannt) dient als zusammenfassende Bezeichnung einer Reihe spätantiker religiöser dualistischer Bewegungen, die im Neuen Testament wie in vielen altchristlichen Gruppen nachweisbar sind. … Grundlegend ist die Vorstellung von einem Sturz der Seele in die niedere, materielle Welt, die nicht vom höchsten, sondern von einem niederen Gott (Demiurg) geschaffen ist und als aktive, böse Macht vorgestellt wird: Die Materie ist gottfeindlich und zu überwinden (Dualismus). In dieser Welt sind Teile des jenseitigen Lichts eingeschlossen, die erlöst werden müssen. Das Licht schickt Gesandte, die die zerstreuten Lichtteile erwecken, sammeln und in die Lichtheimat zurückführen. Erlöser ist v.a. Christus, dessen Ruf jedoch nur die den »Geist« (griechisch pneuma) besitzenden »pneumatischen« Naturen folgen. Andere, in nichtgnostischen Gemeinden verharrende, gelangen nur bis zum »Glauben« statt zur wahren, vollen »Erkenntnis« oder verharren völlig im Sinnlichen.
((c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2004)

Gott würde sich nach gnostizistischer Lehre natürlich niemals „materieller Dinge“ bedienen, um das Heil zu vermitteln. Bei diesen „materiellen Dingen“ wäre zuerst natürlich an die Sakramente zu denken, die ja Materie haben.
Aber in unseremFall denke ich auch an Knochen und Taschentücher, also an Reliquien 1. und 2. Klasse.
Es gibt vor allem im Protestantismus (der m. E. einen erheblichen Schuß gnostizistischen Blutes in seinen Adern zu kreisen hat) eine starke Neigung, ernstgemeint zur höheren Ehre Gottes sich dagegen zu verwahren, daß Gott sich in Seinem Handeln solch schnöder materieller Dinge bedient. Man meint, daß sich das für Gott nicht gehört. Aber es ist nicht unsere Aufgabe, Gott vorzuschreiben, was Ihm ziemt und was nicht. Gott handelt in der Regel nicht unmittelbar, sondern mittelbar an uns. Er benutzt Dinge wie Wasser, Öl, Brot und Wein um an uns zu handeln. Er benutzt Menschen, um an Menschen zu handeln. Wem das nicht fromm genug ist, der will frömmer sein als Gott.

Ich bin ein evangelisch-hochkirchlicher Christ. Wenn man mich gelegentlich fragte, was das hochkirchliche Anliegen sei, antwortete ich gerne kurz und sagte: „Hochkirchliches Christentum ist Christentum, das die Leiblichkeit Gottes in der Welt ernst nimmt!“ Eine „eine solide inkarnatorische Theologie“, wie der treffliche Stephen Dedalus es hier nannte, ist – Gott sei Dank – allerdings keineswegs auf evangelisch-hochkirchliche Theologen beschränkt.
Man mag es mir nachsehen, daß ich hier den evangelisch-hochkirchlichen Theologen Helmut Echternach zitiere:

„Im Mittelpunkt alles Christseins steht das große Geheimnis der Inkarnation. Von Gott im Himmel wissen auch die Heiden; das Neue Testament verkündet Gott, der auf die Erde kam. An Gott im Himmel glauben ist leicht, denn es ist ziemlich unverbindlich. Der Glaube an Gott, der in die irdische Wirklichkeit einging, fordert alle Kräfte. Denn daß Gott einging in den Leib eines Menschen, daß er weiter gegenwärtig ist im Taufwasser, Brot und Wein besagt ja, daß er die ganze irdische Wirklichkeit durchdringen und erlösen will; daß er sie damit auch als sein Eigentum beansprucht. Gott, der in die Wirklichkeit einging, legt damit seine Hand auf alles – nicht nur auf die geistigen Bereiche, sondern auch auf den Leib, auf den Besitz, auf alle Gedanken und Wünsche. Nur wer sich so von ihm überwältigen ließ, versteht die großen Verheißungen: die Auferstehung des Fleisches, die Wiederherstellung der ganzen leiblichen Wirklichkeit. Darum beruhen im Grunde alle Häresien aller Zeiten darauf, daß das große Geheimnis der Inkarnation nach der einen oder anderen Seite abgeschwächt wird. Ob man Christus zum bloßen Menschen oder zum bloßen Gottwesen macht, ob man die Heilstaten ins Symbolische verflüchtigt oder die Sakramente als gleichnishafte Handlungen umdeutet – in jedem Falle will man im geheimen Gott auf höfliche Weise aus der Welt hinauskomplimentieren. Alle Häresien besagen zuletzt: für ihn der Himmel, für uns die Erde.
...
(Hier) kommt das Geheimnis der Kirche in Sicht. In ihr setzt sich fort, was in Bethlehem geschah: das Eingehen Gottes in die irdische Wirklichkeit, in Materie und Alltag, in Schmerz und Tod. In ihr beginnt die große Verwandlung aller Dinge.“
(Helmut Echternach: Kirchenväter, Ketzer und Konzilien)

Hier ist in der Tat der Mittelpunkt des Christseins: Verbum caro factum est et habitavit in nobis.
Das Wort wurde Fleisch. Gott hat sich leiblich offenbart. Es ist Seine Gnade, daß Er auch uns in der Leiblichkeit und Dinglichkeit begegnet. Denn das Wunder Seiner Fleischwerdung „als die Zeit erfüllt ward“ und das Wunder der sakramentalen Wirklichkeit heute gehören zusammen.

Ich will natürlich nicht Auswüchse des Reliquienkultes verteidigen. Sie können sich jedenfalls nicht auf die Heilige Schrift berufen: Nachdem der Tote nach der Berührung der Gebeine des Elisa wieder lebendig wurde, scheint es jedenfalls keine Auswüchse gegeben zu haben. Das hätte ja nahe gelegen: man hätte die Reliquien des heiligen Propheten zerstückeln und im Land verteilen können. Der Tod wäre kein Problem mehr in Israel gewesen.
Oder: Opa ist tot und die Familie ist traurig. Also sagt die Famile: Laßt uns den Opa in das Grab des Elisa werfen und dann lebt er wieder ... ;)
Er kennet seine Scharen / am Glauben, der nicht schaut / und doch dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut;
der aus dem Wort gezeuget / und durch das Wort sich nährt / und vor dem Wort sich beuget / und mit dem Wort sich wehrt.

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Edi, Stephen Dedalus, Mellon --- die Orthodoxe Kirche ist das, wo ihr eigentlich zu Hause wärt. Man sieht es immer deutlicher.
Also, Leute --- kämpft vor zur Apostolischen Überlieferung --- viel Erfolg. Unsere Pforten stehen offen.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
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Edi
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Beitrag von Edi »

Es gibt noch einige Beispiele in der Schrift, u.a.: Die Heilung der blutflüssigen Frau durch das Berühren des Kleides Jesu.

Lukas 8,43-44: "Und eine Frau hatte den Blutfluß seit zwölf Jahren; die hatte alles, was sie zum Leben hatte, für die Ärzte aufgewandt und konnte von keinem geheilt werden. Die trat von hinten an ihn heran und berührte den Saum seines Gewandes; und sogleich hörte ihr Blutfluß auf."

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Mellon
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off topic

Beitrag von Mellon »

Alexander hat geschrieben:Edi, Stephen Dedalus, Mellon --- die Orthodoxe Kirche ist das, wo ihr eigentlich zu Hause wärt. Man sieht es immer deutlicher.
Also, Leute --- kämpft vor zur Apostolischen Überlieferung --- viel Erfolg. Unsere Pforten stehen offen.
Hier gibt es vor Ort keine "Orthodoxe Gemeinde" ... jedenfalls kenne ich keine.
Zudem genügt es zum Beispiel gewiß nicht, das "filioque" aus dem Credo zu streichen, ausschließlich die Ökumenischen Konzilien des ersten Jahrtausends anzuerkennen und Ikonen aufzuhängen, um ein "orthodoxer Christ" zu werden. Dazu gehört gewiß eine Menge mehr.

Aber das ist eigentlich nicht dem hier besprochenen Thema zugehörig ...
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Beitrag von Mellon »

Edi hat geschrieben:Es gibt noch einige Beispiele in der Schrift, u.a.: Die Heilung der blutflüssigen Frau durch das Berühren des Kleides Jesu.

Lukas 8,43-44: "Und eine Frau hatte den Blutfluß seit zwölf Jahren; die hatte alles, was sie zum Leben hatte, für die Ärzte aufgewandt und konnte von keinem geheilt werden. Die trat von hinten an ihn heran und berührte den Saum seines Gewandes; und sogleich hörte ihr Blutfluß auf."
"Und Jesus fragte: Wer hat mich berührt? Als es aber alle abstritten, sprach Petrus: Meister, das Volk drängt und drückt dich.
Jesus aber sprach: Es hat mich jemand berührt; denn ich habe gespürt, daß eine Kraft von mir ausgegangen ist.
Als aber die Frau sah, daß es nicht verborgen blieb, kam sie mit Zittern und fiel vor ihm nieder und verkündete vor allem Volk, warum sie ihn angerührt hatte und wie sie sogleich gesund geworden war.
Er aber sprach zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh hin in Frieden!"

Einerseits sagt Jesus, daß von Ihm eine Kraft ausgegangen wäre, (obwohl die Frau nur den Saum Seines Gewandes berührt hatte). Andererseits sagt Jesus ausdrücklich von ihr, daß ihr Glaube ihr geholfen hätte.

Das ist ein besonders interessantes Beispiel der Heiligen Schrift.

Ein bißchen Ironie ist m. E. schon dabei, wenn der Arzt Lukas (Kol 4,14) schreibt, daß die Frau alles, was sie zum Leben hatte, für die Ärzte aufgewandt hatte und doch von keinem geheilt werden konnte.
Er kennet seine Scharen / am Glauben, der nicht schaut / und doch dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut;
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Re: off topic

Beitrag von Alexander »

Mellon hat geschrieben: Hier gibt es vor Ort keine "Orthodoxe Gemeinde" ... jedenfalls kenne ich keine.
Zudem genügt es zum Beispiel gewiß nicht, das "filioque" aus dem Credo zu streichen, ausschließlich die Ökumenischen Konzilien des ersten Jahrtausends anzuerkennen und Ikonen aufzuhängen, um ein "orthodoxer Christ" zu werden. Dazu gehört gewiß eine Menge mehr.
Nur eins noch --- man unterstellt sich einem orthodoxen Bischof. Ansonsten reicht das von Dir Aufgezählte. Dann beginnt aber erst das orthodoxe geistliche Leben, in welchem man zu einem richtigen Christen heranwächst.
Aber das ist wirklich ein eigenes Thema.
Zuletzt geändert von Alexander am Donnerstag 13. Oktober 2005, 22:42, insgesamt 2-mal geändert.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

Wie ist es eigentlich mit Reliquien in anderen Religionen?

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Beitrag von Mellon »

Ragnar hat geschrieben:Wie ist es eigentlich mit Reliquien in anderen Religionen?
In Kandy Perahera auf Sri Lanka gibt es einen Schrein mit einer Zahnreliquie Buddhas. Der Zahn Buddhas soll vom Scheiterhaufen Buddhas gerettet worden sein und von einer Nonne im Haar versteckt von Indien nach Sri Lanka geschmuggelt. Um ihn wurden wohl auch schon Kriege geführt ...
Er kennet seine Scharen / am Glauben, der nicht schaut / und doch dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut;
der aus dem Wort gezeuget / und durch das Wort sich nährt / und vor dem Wort sich beuget / und mit dem Wort sich wehrt.

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Mellon hat geschrieben:
Ragnar hat geschrieben:Wie ist es eigentlich mit Reliquien in anderen Religionen?
In Kandy Perahera auf Sri Lanka gibt es einen Schrein mit einer Zahnreliquie Buddhas. Der Zahn Buddhas soll vom Scheiterhaufen Buddhas gerettet worden sein und von einer Nonne im Haar versteckt von Indien nach Sri Lanka geschmuggelt. Um ihn wurden wohl auch schon Kriege geführt ...
In Istanbul habe ich ein Barthaar Mohammeds gesehen, sein Bogen und Schwert sind ausgestellt und in einer Truhe wird sein Mantel aufbewahrt.

In Moskau wird nach wie vor der Kandaver der Bestie Lenin konserviert.

Warum wohl haben die Russen in den 70-er Jahren die schäbigen und unvorzeigbaren Reste Addis verbrannt und in die Elbe gekippt?

In Reliquien ist Macht; da ändert auch die Aufklärung nichts. Der Animismus ist eine anthropologische Konstante.

Tacitus
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Beitrag von Tacitus »

Mellon hat geschrieben:Wenn man mich gelegentlich fragte, was das hochkirchliche Anliegen sei, antwortete ich gerne kurz und sagte: „Hochkirchliches Christentum ist Christentum, das die Leiblichkeit Gottes in der Welt ernst nimmt!“
Schön formuliert, Mellon, könnte von mir sein. Ich würde aber sagen, dass dies nicht nur hochkirchliches Christentum charakterisiert, sondern Christentum oder Luther generell.

Trotzdem (da ich wenig Zeit habe) ganz kurz einige Gedanken ins Unreine:
Ich glaube man sollte zwischen Natur und Gnade unterscheiden. In beiden ist Gott präsent, in der Natur durch die Schöpfung, in der Gnade durch Christus/den Heiligen Geist. Gott verbindet sich mit dem Fleisch/der Materie in der Person des Glaubenden (Rö 12) und im Abendmahl. Für beides gibt es sowohl aus der Schrift als auch aus der Tradition klare Kriterien, wie es zu dieser Einheit kommen kann.
Und genau darin liegt des Pudels Kern: Wie lauten (aus der Schrift) die Kriterien für die Präsenz Gottes in den Reliquien? Wirken Reliquien stets? Wenn nein, weshalb nicht?
Ist es nicht so, wie ich es weiter oben schon gesagt habe: der Glaube ist's, der wirkt. Wer etwas anderes behauptet - verwechselt der nicht die Gnade Gottes mit einer Tüte Pommes?

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Edi
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Beitrag von Edi »

Tacitus hat geschrieben:Und genau darin liegt des Pudels Kern: Wie lauten (aus der Schrift) die Kriterien für die Präsenz Gottes in den Reliquien? Wirken Reliquien stets? Wenn nein, weshalb nicht?
Ist es nicht so, wie ich es weiter oben schon gesagt habe: der Glaube ist's, der wirkt. Wer etwas anderes behauptet - verwechselt der nicht die Gnade Gottes mit einer Tüte Pommes?
Richtig. Aber dabei entsteht auch die Frage welcher Glaube denn wirkt. Ist es nur der Glaube dessen, der die Reliquie als solche ansieht oder ist in den Reliqiuen auch etwas vom Glauben dessen manifest, von dem diese stammt oder gar beides?

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Mellon
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Beitrag von Mellon »

Tacitus hat geschrieben:
Mellon hat geschrieben:Wenn man mich gelegentlich fragte, was das hochkirchliche Anliegen sei, antwortete ich gerne kurz und sagte: „Hochkirchliches Christentum ist Christentum, das die Leiblichkeit Gottes in der Welt ernst nimmt!“
Schön formuliert, Mellon, könnte von mir sein. Ich würde aber sagen, dass dies nicht nur hochkirchliches Christentum charakterisiert, sondern Christentum oder Luther generell.
Darum schrieb ich auch: "Eine „eine solide inkarnatorische Theologie“, wie der treffliche Stephen Dedalus es hier nannte, ist – Gott sei Dank – allerdings keineswegs auf evangelisch-hochkirchliche Theologen beschränkt."
Es wäre schlimm, wenn es anders wäre.
Tacitus hat geschrieben:Wie lauten (aus der Schrift) die Kriterien für die Präsenz Gottes in den Reliquien? Wirken Reliquien stets? Wenn nein, weshalb nicht?
Ist es nicht so, wie ich es weiter oben schon gesagt habe: der Glaube ist's, der wirkt. Wer etwas anderes behauptet - verwechselt der nicht die Gnade Gottes mit einer Tüte Pommes?
Ob das bißchen, das in der Bibel wie beiläufig zu den Reliquien steht, dazu reicht, solche Kriterien herauszudestillieren?
Als Gehasi in 2 Kön 4 den Stab Elisas gemäß der Anweisung Elisas auf das Gesicht eines toten Kindes legte, wurde das Kind nicht wieder lebendig. Es ist anzunehmen, daß Elisa das allerdings beabsichtig hatte. Es wird jedoch nicht gesagt, warum es nicht „funktionierte“.

In der Begebenheit von dem Toten, der durch Kontakt mit den Reliquien des Elisa wieder lebendig wurde, (2 Kön 13) kann m. E. von Glauben nicht die Rede sein. Weder der Tote glaubte, daß er durch Berührung von Reliquien wieder lebendig werden würde, noch glaubte es die Bestattungsgesellschaft. Denn die warfen ihn nicht aus Glauben in das Gab des Elisa, sondern weil sie die Leiche schnell loswerden wollten. In diesem Fall „wirkten“ die Reliquien m. E. unabhängig vom Glauben. Es wird allerdings nicht berichtet, wie es weiterging. Ob andere es mit ihren Toten auch noch einmal „versucht“ haben … nichts, was uns dazu interessieren könnte, wird gesagt.

Aber es gibt gewiß auch andere „Wirkungen“ von Reliquien als „Wunder“.
Er kennet seine Scharen / am Glauben, der nicht schaut / und doch dem Unsichtbaren, als säh er ihn, vertraut;
der aus dem Wort gezeuget / und durch das Wort sich nährt / und vor dem Wort sich beuget / und mit dem Wort sich wehrt.

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Alexander hat geschrieben:(...)In der von mir angeführten Bibelstelle bekommt ein Toter, dessen Leichnahm zufällig zu den Knochen Elisas geworfen wird, sein Leben zurück. Woran man sehen kann, daß Gott nicht nur durch seine Heiligen Wunder wirkt, sondern auch durch ihre toten Leiber, schon zu Lebzeiten zu Gefäßen der Gnade geworden.(...)
Aus dieser alttestamentarischen Erzählung den "Beweis" für die Wundertätigkeit von Reliquien ableiten zu wollen halte ich für sehr gewagt.

Die Mutter einer Bekannten saß 20 Jahre lang querschnittsgelähmt im Rollstuhl, dann stürzte sie samt Rollstuhl eine Treppe hinunter.

In der Nacht darauf spürte sie auf einmal ihre Zehen, und heute kann sie völlig ohne Gehhilfe gehen.

Das Ganze ist aus ärztlicher Sicht vollkommen unerklärlich, es erfüllt alle Kriterien eines Wunders.

Trotzdem kann man nun nicht hergehen und behaupten, das Stürzen von Treppen sei ein Gefäß, durch das Gott seine Gnade den Menschen zuteil werden lässt.

Warum auch immer der Mann in dem AT-Bericht wieder "auferstand", vielleicht war er gar nicht wirklich tot gewesen, vielleicht war es tatsächlich ein Wunder, wir werden es nie wissen.

Was wir aber wissen (sollten) ist, daß man mit diesem Vorfall nicht die Wundertätigkeit von Reliquien "beweisen" kann.

Für mich ahben Reliquien auch mehr den geist(l)ichen Aspekt, daß sie an besondere, heilige Menschen erinnern und so durchaus im Glauben stärken können.

Wenn man aber Reliquien wegen ihrer "Wundertätigkeit" verehrt, wird sehr oft die Grenze zum Aberglauben sehr verwaschen.

Werner

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Na, es wäre auch nicht zu erwarten, daß ein praktizierender Homosexueller, der sich römisch-katholisch wähnt, das auch wirklich ist. Das ginge ja gar nicht. Tja, ich bin angesichts meiner Sünden auch nicht wirklich und voll orthodox...
Nun denn, die Bibel erachten wir Christen für göttliche Offenbarung. Wenn Gott uns mittels die Biebel kundtut, der Mann sei tot, dann ist er auch tot. Wenn es heißt, Elisa hätte noch zu Lebzeiten einen Toten auferstehen lassen, und viele anderen Heilungen vollbracht, dann ist es auch wahr. Tote stehen aber bekanntlich unmöglich auf. Es war eindeutig ein Wunder.
Die Apostolische Überlieferung in Gestalt ihrer Heiligen --- wie Basilius des Großen u.v.m --- lehrt, daß die Reliquien verehrt werden sollen, daß sie Wunder wirken. Eigentlich brauche ich nicht einmal diese Krücken, zu häufig geschehen derartige Wunder in der Orthodoxen Kirche. Ich selber habe an einer Ikone Heilung erfahren.

Wer die Reliquien nicht verehrt, ist im besten Fall ein Prostestent, und eigentlich ein Klein- bis Ungläubiger, da er der Bibel und der christlichen Erfahrung keinen Glauben schenkt.
Zuletzt geändert von Alexander am Montag 17. Oktober 2005, 13:59, insgesamt 2-mal geändert.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

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