Stephen Dedalus hat geschrieben:
Richtig. Wir können mit der Feier der Liturgie nur in dieses einmalige Opfer Christi eintreten. Wenn ich aber "vorlegen" hier als "darbringen" verstehe, so widersprechen sich beide Aussagen nicht. Wir bringen in der Eucharistie dieses eine Opfer immer wieder erneut dar.
Damit haben wir eine weitgehend gegen Mißverständnisse geschützte Formel. Weitgehend - aber wohl nicht vollständig. Ich zitiere dazu Pius XII.:
Mediator Dei hat geschrieben:285. (...) Damit in dieser wichtigen Frage nicht ein verhängnisvoller Irrtum entstehe, müssen Wir den Ausdruck „Darbringung des Opfers“ in seiner eigentlichen Bedeutung genau abgrenzen. Die unblutige Hinopferung, wobei kraft der Wandlungsworte Christus im Zustand des Opferlammes auf dem Altare gegenwärtig wird, ist das Werk des Priesters allein, insofern er die Person Christi vertritt, nicht aber insofern er die Person der Gläubigen darstellt. Dadurch aber, daß der Priester das göttliche Opferlamm auf den Altar legt, bringt er es Gott dem Vater als Opfergabe dar zur Ehre der Heiligsten Dreifaltigkeit und zum Wohl der ganzen Kirche. An dieser Opferdarbringung im strengen Sinne nehmen die Gläubigen auf ihre Art und in zweifacher Hinsicht teil: sie bringen nämlich das Opfer dar, nicht nur durch die Hände des Priesters, sondern gewissermaßen zusammen mit ihm; durch diese Teilnahme wird auch die Darbringung des Volkes in den liturgischen Kult selbst einbezogen.
286. Daß die Gläubigen das Opfer durch die Hände des Priesters darbringen, geht aus folgendem hervor: Der Diener des Altares vertritt die Person Christi als Haupt, das im Namen aller Glieder opfert; deshalb kann man auch mit Recht sagen, die gesamte Kirche vollziehe durch Christus die Darbringung der Opfergabe. Die Behauptung aber, das Volk bringe zugleich mit dem Priester das Opfer dar, hat nicht etwa den Sinn, als ob die Glieder der Kirche ebenso wie der Priester selbst die sichtbare liturgische Handlung vollzögen, denn das ist ausschließlich Aufgabe des von Gott dazu berufenen Dieners; das bedeutet vielmehr, daß das Volk seine Gesinnungen des Lobes, der Bitte, der Sühne und der Danksagung mit den Gesinnungen oder der inneren Meinung des Priesters, ja des Hohenpriesters selbst, zu dem Zwecke vereinigt, daß sie in der eigentlichen Opferdarbringung auch durch den äußeren Ritus des Priesters Gott dem Vater entboten werden. Der äußere Opferritus muß nämlich seiner Natur nach den inneren Kult zum Ausdruck bringen: Das Opfer des Neuen Bundes stellt aber jene höchste Huldigung dar, in welcher der hauptsächlich Darbringende, nämlich Christus, und zusammen mit ihm sowie durch ihn alle seine mystischen Glieder Gott verherrlichen durch den ihm gebührenden Ehrenerweis.
Daher habe ich auch ein gewisses Verständnis für die im Pius-Umfeld gebräuchliche "Erkennungsmarke", in der ich eine Reaktion auf die weitgehende Infragestellung von Opfer und Erlösung einerseits sowie Priesteramt andererseits durch einige moderne Theologen sehe.
Wer von Matthias Gaudron "Die Messe aller Zeiten" zur Hand hat, findet dort auf S. 256 ff. die Abwehr der Bruderschaft gegen dieses reduktionistische Verständnis umfassend ausgebreitet. Ich habe im Moment keine Zeit, das einzuscannen und hier zu posten. Vielleicht ein andermal, es würde die Mühe schon lohnen, die einzelnen Argumente auf ihre Stichhaltigkeit oder auch Verfehltheit abzuklopfen. Denn wie immer, wenn jemand versucht, etwas richtiges gegen Verzerrungen in Schutz zu nehmen, steht auch Gaudron in der Gefahr, zu sehr zur anderen Seite hin abzukippen.