Dompfaff hat geschrieben:Ich erneuere meine Frage: Welche Glaubensfundamente greift dieser Papst an?
Ich weiß nicht, ob ich recht viel mehr dazu schreiben kann als ich schon getan habe, da es ja nicht meine Meinung ist sondern die vermutete Meinung derer, die den Papst kritisieren.
Insofern wäre es natürlich hilfreich, wenn von solchen Leuten eine Bestätigung bzw. Richtigstellung erfolgen würde.
Was ich zu sagen versuchte, ist ungefähr dies:
Es wurde oft gesagt, dass mit Vat II eine Verschiebung des Selbstverständnisses der Kirche von "societas perfecta" hin zu "Wanderndes Gottesvolk" erfolgt ist.
"Societas perfecta" (vollkommene Gesellschaft) meint eben, dass die Kirche von Gott die Fülle der Offenbarung und der Gnadenmittel übertragen bekommen hat, welche sie an die Gläubigen austeilt. In dieser societas perfecta ist der Papst der oberste Hüter und Lehrer der Offenbarung.
"Wanderndes Gottesvolk" ist demgegenüber sehr viel weniger leicht zu beschreiben, weil es dynamischer ist (und ein statischer Zustand ist immer leichter zu beschreiben als ein dynamischer).
Man wird aber wohl sagen können, dass "Wanderndes Gottesvolk" ungefähr dem Selbstverständnis Franziskus' entsprechen dürfte.
Aus traditioneller Sicht, die Kirche als "societas perfecta" betrachtend, wird man also evtl. sagen, dass das Fundament, welches Franziskus angreift, das Papstamt selber ist, da er sich wenig als Oberster Hüter und Lehrer der Offenbarung gebärdet: Er legt wenig Wert darauf, die Lehre der Kirche zu strittigen Themen (Homosexuelle...) klar zu betonen und sucht den Kontakt zu Fernstehenden bis zu einem Grad, der von einigen als Aufweichung des Glaubens verstanden wird (etwa im Interview mit Scalfari zum Thema Gewissen).
Wie gesagt: Es ging mir in meinem Beitrag nicht um die Frage, ob Franziskus richtig oder falsch handelt, sondern darum, warum er bei einigen traditionellen Katholiken so heftige Reaktionen hervorruft; eine Heftigkeit, die mir mit der Reaktion von Evangelikalen, wenn die Irrtumslosigkeit der Schrift angegriffen wird, vergleichbar scheint.
Eine Religiosität nach dem Schema "Gott offenbart sich in einem bestimmten Bereich (Schrift / Kirche) und wir bauen unser Leben auf dieses Fundament" kann es eben nicht zulassen, dass dieses Fundament angegriffen wird, indem etwa auf Fehler in der Schrift hingewiesen wird oder indem der Papst selbst sich nicht entsprechend der ihm zugeschriebenen Rolle verhält.
Wer einen Menschen verurteilt, kann irren. Wer ihm verzeiht, irrt nie. (Heinrich Waggerl)