Fragen zur Zelebrationsrichtung

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Robert Ketelhohn
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Bernado hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:4. Woher kommt dieser neuartige Brauch, das Evangelienbuch aufzustellen statt hinzulegen?
Das ist für mich die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang. …
Für mich hängen die neueren Gebräuche um das Evangelienbuch (die übrigens teilweise auch eine Tradition haben, aber wohl früher nie so massiv auftraten) mit dem Verblassen des Glaubens an die Realpräsenz zusammen: So ein Evangelienbuch ist was handfestes, das kann man sehen und anfassen …
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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ad-fontes
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von ad-fontes »

Florianklaus hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:
Die Institutio Generalis, die ihre Existenz mit einer unverholenen Häresie begann und nicht ohne Grund alle zehn Jahre überarbeitet wird, ist weitaus mehr noch als der Ordo selbst die Quelle der Mißstände um die neue Liturgie.
Welche Häresie meinst Du?
Ich denke, Bernado meint, dass dort die symbolischen Weisen der Gegenwart Christi nicht von seiner real[symbolisch]en in der Eucharistie unterschieden wird.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Berolinensis
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von Berolinensis »

Florianklaus hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben: Die Institutio Generalis, die ihre Existenz mit einer unverholenen Häresie begann und nicht ohne Grund alle zehn Jahre überarbeitet wird, ist weitaus mehr noch als der Ordo selbst die Quelle der Mißstände um die neue Liturgie.

Welche Häresie meinst Du?
Ich nehme an, Bernardo bezieht sich darauf, daß die Institutio die Messe (unter Ausblendung des Opfercharakters) ursprünglich lediglich wie folgt definierte:
Cena dominica sive Missa est sacra synaxis seu congregatio populi Dei in unum convenientis, sacerdote præside, ad memoriale Domini celebrandum
Diese Ausgabe ließ Paul VI. einstampfen und die Definition wie folgt ergänzen:
In Missa seu Cena dominica populus Dei in unum convocatur, sacerdote
præside personamque Christi gerente, ad memoriale Domini seu sacrificium
eucharisticum celebrandum.

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ad-fontes
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von ad-fontes »

Bernado hat geschrieben:das Evangelienbuch
Gibt es überhaupt Evangeliare im Buchandel (ich meine keine Faksimiles)?

Denn bei den verschiedenen Ausgaben des sog. Evangeliars durch das Kath. Bibelwerk handelt es sich genau genommen um Evangelistare.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Florianklaus
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von Florianklaus »

Danke!

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Florianklaus
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von Florianklaus »

ad-fontes hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:das Evangelienbuch
Gibt es überhaupt Evangeliare im Buchandel (ich meine keine Faksimiles)?

Denn bei den verschiedenen Ausgaben des sog. Evangeliars durch das Kath. Bibelwerk handelt es sich genau genommen um Evangelistare.

Was bitte ist der Unterschied?

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Robert Ketelhohn
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ein Evangeliar ist ein Evangelienbuch. Es enthält die vier Evangelien, i. d. R. mit
einigen Zusätzen, wie Eusebs Konkordanzlisten, den Einleitungen des Hieronymus
und einer Perikopenliste. – Ein Evangelistar ist dagegen ein Perikopenbuch.
(Die von dir zitierte Aussage von „Ad-fontes“ kommt mir spanisch vor; Evangeliar
und Evangelistar verwechselt?)
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ad-fontes
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von ad-fontes »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:4. Woher kommt dieser neuartige Brauch, das Evangelienbuch aufzustellen statt hinzulegen?
Das ist für mich die entscheidende Frage in diesem Zusammenhang. …
Für mich hängen die neueren Gebräuche um das Evangelienbuch (die übrigens teilweise auch eine Tradition haben, aber wohl früher nie so massiv auftraten) mit dem Verblassen des Glaubens an die Realpräsenz zusammen: So ein Evangelienbuch ist was handfestes, das kann man sehen und anfassen …
Es ist in dem Zusammenhang gewiß nicht unerheblich, darauf hinzuweisen, daß gemäß den einschlägigen Ordines Romani das Evangelienbuch nach der Verlesung und Verehrung durch den Zelebranten durch einen Subdiakon in die Sakristei verbracht wurde.
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Robert Ketelhohn
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von Robert Ketelhohn »

ad-fontes hat geschrieben:… in die Sakristei verbracht wurde.
Wie heißt denn „verbracht“ im lateinischen Original?
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ad-fontes
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von ad-fontes »

ad-fontes hat geschrieben: Gibt es überhaupt Evangeliare im Buchandel (ich meine keine Faksimiles)?

Denn bei den verschiedenen Ausgaben des sog. Evangeliars durch das Kath. Bibelwerk handelt es sich genau genommen um Evangelistare.
Herder.
http://www.herder.de/Gemeinde-Praxis/pr ... tur=958919
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Robert Ketelhohn
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Verstanden, du meinst die aktuellen Lektionare (hatte an irgendwelche Facsimilia
gedacht). Ja, haste völlig recht, das sind Lektionare, und zwar hier konkret für die
evangelischen Perikopen, also Evangelistare. Die Bezeichnung als „Evangeliar“
ist falsch. Aber was soll man sagen, die Sprache lebt, wächst und gedeiht wie der
schönste Darmkrebs.
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ad-fontes
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von ad-fontes »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Ein Evangeliar ist ein Evangelienbuch. Es enthält die vier Evangelien, i. d. R. mit
einigen Zusätzen, wie Eusebs Konkordanzlisten, den Einleitungen des Hieronymus
und einer Perikopenliste. – Ein Evangelistar ist dagegen ein Perikopenbuch.
(Die von dir zitierte Aussage von „Ad-fontes“ kommt mir spanisch vor; Evangeliar
und Evangelistar verwechselt?)
Was heutzutage als "Evangeliar" im Umlauf ist, das sind allesamt Perikopenbücher.

M.a.W. Etikettenschwindel, der aber bei dem symbolischen Gebrauch eines Evangeliars (insbesondere bei der Diakonen- und Bischofsweihe, Krankensalbung) auch theologische Implikationen hat, da nicht die Fülle des heiligen Textes dageboten wird, sondern ein excarptum.
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ad-fontes
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von ad-fontes »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Verstanden, du meinst die aktuellen Lektionare (hatte an irgendwelche Facsimilia
gedacht). Ja, haste völlig recht, das sind Lektionare, und zwar hier konkret für die
evangelischen Perikopen, also Evangelistare. Die Bezeichnung als „Evangeliar“
ist falsch. Aber was soll man sagen, die Sprache lebt, wächst und gedeiht wie der
schönste Darmkrebs.
Was den Namen betrifft, sei's drum. Bedauerlich ist, daß das Ding nicht mehr existiert.
(Und selber layouten und in den Druck geben, ist auch nicht so einfach; die Anordung recto et verso muß ja zu den Bögen passen; kann sein, daß man das mit quarkexpress hinkriegt, aber nichts für Einsteiger und auch nicht ganz billig.)
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michaelis
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von michaelis »

Zunächst mal Danke für die Weiterbildung. :klatsch:
Der Unterschied zwischen Evangeliar und Evangelistar war mir bisher unbekannt.

ad-fontes hat geschrieben:(Und selber layouten und in den Druck geben, ist auch nicht so einfach; die Anordung recto et verso muß ja zu den Bögen passen; kann sein, daß man das mit quarkexpress hinkriegt, aber nichts für Einsteiger und auch nicht ganz billig.)
Seit es "print-on-demand" gibt, dürfte das kein Problem mehr sein.

Einfach beim Anbieter das Blattformat und die erforderlichen Seitenränder erfragen, Word oder Publischer dementsprechend einstellen, Text setzen und zum Schluß als pdf-Datei abschicken - fertig!
(Dürfte zwar "etwas" länger dauern, aber machbar sollte es sein.)

Das größere Problem dürften das Copyright und das Imprimatur sein.

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ad-fontes
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von ad-fontes »

michaelis hat geschrieben:
Das größere Problem dürften das Copyright und das Imprimatur sein.
Ob die das auch als ungeleimten Buchblock ausliefern?
(Einbände wie oben gibt es bei print-on-demand ja nicht; müßte man also ebenfalls selber entsprechend tätig werden.)

Imprimatur: Wieso das denn? Es soll ja nicht vertrieben werden.

Copyright: Nun bis heute ist mir immer noch nicht klar, welcher Übersetzung ich den Vorzug geben soll...
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holzi
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von holzi »

ad-fontes hat geschrieben:
michaelis hat geschrieben:Das größere Problem dürften das Copyright und das Imprimatur sein.
Ob die das auch als ungeleimten Buchblock ausliefern?
(Denn Einbände s.o. gibt es bei print-on-demand ja nicht; muß man also auch selber entsprechend tätig werden.)
Imprimatur: Wieso das denn? Es soll ja nicht vertrieben werden.
Copyright: Nun bis heute ist mir immer noch nicht klar, welcher Übersetzung ich den Vorzug geben soll...
Allioli ist lang genug tot. Den kann man ohne juristisches Bauchweh nehmen, hat die Päpstliche Druckerlaubnis.
Ist eigentlich irgendwo festgeschrieben, welche deutsche Übersetzung in der Liturgie zu verwenden ist? De facto hat der Einheitsverlag Herder die Einheitsübertzung durchgesetzt, aber ist das auch irgendwo geregelt, ob andere Übersetzungen verboten würden? Nicht daß ich wüsste, oder?

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ad-fontes
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von ad-fontes »

Der Vorzug von Herder besteht in der Schrifttype.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Bernado
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Re: Ein Bischof ändert die Zelebrationsrichtung

Beitrag von Bernado »

Berolinensis hat geschrieben: Ich nehme an, Bernardo bezieht sich darauf, daß die Institutio die Messe (unter Ausblendung des Opfercharakters) ursprünglich lediglich wie folgt definierte:
Cena dominica sive Missa est sacra synaxis seu congregatio populi Dei in unum convenientis, sacerdote præside, ad memoriale Domini celebrandum
Diese Ausgabe ließ Paul VI. einstampfen und die Definition wie folgt ergänzen:
In Missa seu Cena dominica populus Dei in unum convocatur, sacerdote
præside personamque Christi gerente, ad memoriale Domini seu sacrificium
eucharisticum celebrandum.
Exakt. Das war die einzige, in der Tat unumgängliche Folge der sog. "Ottaviani-Intervention", die allerdings noch weitere höchst bedenkliche Punkte aufzählte.

Hier wie an anderen Beispielen wird deutlich, daß Papst Paul VI. vielfach den von ihm eingesetzten/bestätigten Amtswaltern ein ungerechtfertigt hohes Maß an Vertrauen entgegen brachte und sich dann manchmal erst im allerletzten Moment zu einer Notbremsung entschloss.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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Galilei
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von Galilei »

Bernado hat geschrieben:Die gemeinsame Hinwendung von Zelebrant und Gemeinde zum Altar und dem wiederkommenden Christus war fast 2000 Jahre lang eine Selbstverständlichkeit, von der nur da abgewichen wurde, wo besonders bedeutende Märtyrergräber, geographische Besonderheiten oder dominierende Vorgängerbauten eine andere Orientierung verlangten.
Kürzlich machte mich folgender Absatz aus einem Reiseführer zur Toskana stutzig (ohne Bezug auf einen konkreten Kirchbau):
Romanik
[…]
Weitreichende Folgen für die Malerei hatte eine Veränderung in der Liturgie: Dadurch, dass der Priester die Messe nicht mehr hinter, sondern vor dem Altar las, konnte dieser mit einem Tafelbild, einem so genannten Retabel, geschmückt werden. Für die Malerei ergab sich daraus eine neue Aufgabenstellung.
Wie ist die hier implizierte Angabe zur Zelebrationsrichtung zu verstehen? :hmm:

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Robert Ketelhohn
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Das ist der alte Irrtum, die überholte, von den gewesteten römischen Basiliken
ausgehende Ansicht, welche besagte, man habe ursprünglich, „hinter dem Altar
stehend“, versus populum zelebriert.

In Wahrheit hat man versus orientem zelebriert. Das Volk stand dann zwar „vor
dem Priester“ (eigentlich wohl eher in den Seitenschiffen), aber es starrte ihn
nicht an, sondern wandte sich gleich ihm gen Osten.
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overkott
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von overkott »

Galilei hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:Die gemeinsame Hinwendung von Zelebrant und Gemeinde zum Altar und dem wiederkommenden Christus war fast 2000 Jahre lang eine Selbstverständlichkeit, von der nur da abgewichen wurde, wo besonders bedeutende Märtyrergräber, geographische Besonderheiten oder dominierende Vorgängerbauten eine andere Orientierung verlangten.
Kürzlich machte mich folgender Absatz aus einem Reiseführer zur Toskana stutzig (ohne Bezug auf einen konkreten Kirchbau):
Romanik
[…]
Weitreichende Folgen für die Malerei hatte eine Veränderung in der Liturgie: Dadurch, dass der Priester die Messe nicht mehr hinter, sondern vor dem Altar las, konnte dieser mit einem Tafelbild, einem so genannten Retabel, geschmückt werden. Für die Malerei ergab sich daraus eine neue Aufgabenstellung.
Wie ist die hier implizierte Angabe zur Zelebrationsrichtung zu verstehen? :hmm:
An erster Stelle stellt sich die Frage nach dem Quellenwert eines kunsthistorischen Begleiters und seinem theologischen Programm. Als dann kann man fragen, wie sich die Emmausliturgie über die Liturgie in den Hausgemeinden bis hin zur Pflege römischer Altäre und Kulttraditionen etwa am Forum und den christlichen Basiliken veränderte und weiter entwickelte. Warum wurde der Gottesdienst nach der Erhebung zur Ehre der Altäre als Hochamt und öffentlicher Dienst verstanden? Welche öffentliche Funktion hatte der Gottesdienst schon vor der christlichen Liturgie und inwieweit traten dabei Gottes- und Nächstenliebe in den Vordergrund?

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taddeo
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von taddeo »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Das ist der alte Irrtum, die überholte, von den gewesteten römischen Basiliken
ausgehende Ansicht, welche besagte, man habe ursprünglich, „hinter dem Altar
stehend“, versus populum zelebriert.

In Wahrheit hat man versus orientem zelebriert. Das Volk stand dann zwar „vor
dem Priester“ (eigentlich wohl eher in den Seitenschiffen), aber es starrte ihn
nicht an, sondern wandte sich gleich ihm gen Osten.
Wenn es sich überhaupt wo hinwandte, das Volk. Im Gegensatz zur heutigen Praxis war ja das Kirchenschiff weitgehend "leer" und wurde für die liturgischen Zeremonien benötigt, das Volk stand zum größten Teil in den Seitenschiffen der Kirchen, also "immer an der Wand lang". Von dort dürfte man sich wohl mit Blickrichtung zum Hauptschiff gewandt haben, und dann eben zeitweise eher Richtung Altar, zeitweise eher Richtung Osten.

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Niels
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von Niels »

"Diese gemeinsame Gebetsrichtung ist Ausdruck des Weges, auf dem wir alle gemeinsam zu Gott hin pilgern": http://www.dersonntag.at/glaube/themen/ ... detailinfo
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Melody
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von Melody »

Niels hat geschrieben:"Diese gemeinsame Gebetsrichtung ist Ausdruck des Weges, auf dem wir alle gemeinsam zu Gott hin pilgern": http://www.dersonntag.at/glaube/themen/ ... detailinfo
Vor dem von Dir zitierten Satz steht:
Darf ein Priester den Gottesdienstteilnehmern abgewandt Gottesdienst feiern, auch wenn es einen Volksaltar in dieser Kirche/Kapelle gibt?

Feulner: Beide Zelebrationsrichtungen sind also berechtigt. Nach der geltenden liturgischen Ordnung kann daher jeder Priester bei der Eucharistiefeier selbstverständlich (ab der Gabenbereitung) auch an der Vorderseite des Volksaltars stehend die Messe „zum Herrn hin” feiern, d. h. mit der Gemeinde gleichgewendet, was einer alten Tradition der Christen seit der Antike entspricht.
Wieso (erst) "ab der Gabenbereitung"?! :hae?:
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von cantus planus »

Berechtigte Frage. Allerdings hat der Kleriker heute während des Wortgottesdienstes auch teilweise nichts mehr zu tun. Eröffnung und Dinge wie "Dominus vobiscum" werden ohnehin zum Volk gewandt gesprochen, und das Evangelium auch so verkündet. Gepredigt wird normalerweise auch zum Volke hin. Es sei denn, das Volk nutzt die Predigt um im Wirthaus rasch ein Achtel zu trinken, wie es überlieferter Brauch aus unvordenklicher Zeit ist. :breitgrins:

Insofern ergibt sich das gewissermaßen automatisch.
Nutzer seit dem 13. September 2015 nicht mehr im Forum aktiv.

‎Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky

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Niels
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von Niels »

Das hat mich auch stutzig gemacht. Ich habe mir daraufhin gerade die "Allgemeine Einführung" im Messbuch angeschaut. Dort wird der Eindruck erweckt, das Tagesgebet werde vom "Priestersitz" aus vorgetragen.
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Melody
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von Melody »

Niels hat geschrieben:Das hat mich auch stutzig gemacht. Ich habe mir daraufhin gerade die "Allgemeine Einführung" im Messbuch angeschaut. Dort wird der Eindruck erweckt, das Tagesgebet werde vom "Priestersitz" aus vorgetragen.
Stimmt, Du hast recht.
Im Novus Ordo geht der Priester ja tatsächlich erst ab der Gabenbereitung an den Altar. Das war mir gerade gar nicht mehr so bewusst.
Ewa Kopacz: «Für mich ist Demokratie die Herrschaft der Mehrheit bei Achtung der Minderheitenrechte, aber nicht die Diktatur der Minderheit»

Raimund J.
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von Raimund J. »

Melody hat geschrieben:
Niels hat geschrieben:Das hat mich auch stutzig gemacht. Ich habe mir daraufhin gerade die "Allgemeine Einführung" im Messbuch angeschaut. Dort wird der Eindruck erweckt, das Tagesgebet werde vom "Priestersitz" aus vorgetragen.
Stimmt, Du hast recht.
Im Novus Ordo geht der Priester ja tatsächlich erst ab der Gabenbereitung an den Altar. Das war mir gerade gar nicht mehr so bewusst.
Nein, ich habe schon an vielen Hl. Messen im Novus Ordo teilgenommen, die ad orientem zelebriert wurden.

Der Priester geht natürlich sofort nach dem Einzug zum Altar (Altarkuss). Sowohl Kyrie u. Gloria als auch Tagesgebet wurden, was ich immer als absolut passend empfand, zum Altar hin gebetet. In der GRM heißt es dazu auch "Nach alter Tradition der Kirche wird das Tagesgebet in der Regel an Gott, den Vater, durch Christus im Heiligen Geist gerichtet.
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von Kilianus »

Diese Formulierung bezieht sich auf die Formulierung des Gebets, nicht auf die räumliche Ausrichtung.

Tatsache ist: Im neuen Ordo ist der Priestersitz tatsächlich der Ort, von dem aus der Priester Kyrie, Gloria und die Tagesoration beten sollte. Zugleich ist der Sitz aber auch ein Ort, von dem aus der Priester zur Gemeinde spricht: beim Eröffungsgruß zum Beispiel, und bei den einführenden Worten. Wenn man sich die Platzierung der Sedilien in Kirchen anschaut, merkt man auch schnell, daß angesichts dieser Ambivalenz vielfach keine überzeugende Lösung gefunden worden ist. Und: Wird der neue Ordo ad orientem gefeiert, wird das Problem erst recht deutlich.

Wenn ich mich nicht täusche, wäre in der ao. Form im Falle eines Pontifikalamts und eines in der Apsis platzierten Throns die Oration zur Kathedra hin zu sprechen ...

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Melody
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von Melody »

Raimund Josef H. hat geschrieben:Der Priester geht natürlich sofort nach dem Einzug zum Altar (Altarkuss). Sowohl Kyrie u. Gloria als auch Tagesgebet wurden, was ich immer als absolut passend empfand, zum Altar hin gebetet. In der GRM heißt es dazu auch "Nach alter Tradition der Kirche wird das Tagesgebet in der Regel an Gott, den Vater, durch Christus im Heiligen Geist gerichtet.
Der Altarkuss ist klar.

Aber danach geht der Priester an seinen Priestersitz, selbst wenn kein Volksaltar vorhanden ist. Von dort aus wird, Richtung Gemeinde, das Kyrie und das Tagesgebet gebetet. So kenne ich es.

Ich könnte mich jetzt nicht bewusst erinnern, dass ich es einmal gesehen hätte, dass der Priester NICHT an seinen Priestersitz geht bzw. Kyrie/Tagesgebet vom Volk abgewandt betet?! Wie war es denn bloß in Wigratzbad... grübel... :hmm: :achselzuck:
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Raimund J.
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von Raimund J. »

Kilianus hat geschrieben:Diese Formulierung bezieht sich auf die Formulierung des Gebets, nicht auf die räumliche Ausrichtung.
:patsch: Ja, wird denn hier alles wörtlich genommen, was man postet ...

Selbstverständlich bezieht sich das auf die Formulierung des Gebets! Aber es wurde ja in zig Büchern und Aufsätzen zur Zelebrationsrichtung immer wieder „der faktische Verlust der Gottbezogenen Zelebrationsrichtung" beklagt. Und meiner Meinung nach, sollte halt auch die Richtung entsprechend dem Gebet "stimmen". Und eben das habe ich schon oft in Hl. Messen, die ad orientem zelebriert wurden auch erleben dürfen. Ich habe lediglich von der Praxis berichtet.
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Raimund J.
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Re: Fragen zur Zelebrationsrichtung

Beitrag von Raimund J. »

Und selbst wenn versus populum zelebriert wird, steht eigentlich immer der Priester beim Kyrie und Gloria am Altar (=Volksaltar). Da habe ich doch schon tausendmal runtergeschaut, wenn ich an der Orgel auf meinen Einsatz gewartet habe.
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
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