Gott denken

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overkott
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Gott denken

Beitrag von overkott »

Wenn wir über Gott nachdenken, kommen wir nicht umhin uns zu fragen, wie Denken eigentlich funktioniert.

Wir denken in Sprache. Gott wird also auch in unterschiedlichen Sprachen unterschiedlich gedacht. Dennoch ist eine Verständigung über Gott auch über Sprachgrenzen hinweg möglich.

Sprache bezieht sich jedoch keineswegs nur auf Zungenlaute und Schriftzeichen, sondern auf komplexe Zeichensysteme. Zu diesen Zeichensystemen gehört alles um uns herum.

Um das All und damit auch sich selbst zu verstehen, haben schon die ersten Theologen das Hervorgebrachte, das Geschaffene, das Gezeugte, kurz: die Schöpfung, wie ein Buch gelesen.

Auf der Suche nach dem Sinn, haben sie sich auf die Suche nach dem Ursprung und dem Anfang gemacht und den Anfang Gott genannt. Gott ist das Wort für den Anfang des Denkens und allen Seins.

Vom ewigen Wort inspiriert haben sie nicht nur die Schöpfung, sondern auch die Geschichte und sich selbst durchdacht.

Die Bibel als Urkunde und Zeugnis unserer Glaubensgeschichte spiegelt die Vielfalt der Formen theologischen Denkens und Redens wider: lyrisch, literarisch, liturgisch, systematisch, prophetisch.

Schließlich hat Jesus Christus die theologische Tradition von der Liebe her völlig neu durchdacht. Sein Tod und seine Auferstehung sind uns seitdem Zeichen der Hoffnung geworden. Die Evangelisten haben das lebendig dargestellt, Johannes und Paulus klar erkannt.

In dieser Tradition theologischen Denkens stehen Augustinus und Bonaventura. Ihnen ging es keineswegs um theologische Originalität. In der Verkündung des Wortes waren sie eher pastorale Praktiker und nahmen als solche in der Kirche Leitungsfunktionen wahr, statt an der Universität zu bleiben.

Wenn wir heute Bonaventura erneut lesen, erkennen wir, dass es schon im Mittelalter aufgeklärte Christen mit geistlicher Weite und großer Integrationskraft gab. Natürlich dürfen wir auch ihn selbst nicht allzu wörtlich nehmen. Nur wenn wir ihn richtig verstehen, öffnet er uns als Kirchenlehrer und Spiritual die Augen für Gott in der Gegenwart.

Raphaela
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Re: Gott denken

Beitrag von Raphaela »

overkott hat geschrieben:
In dieser Tradition theologischen Denkens stehen Augustinus und Bonaventura. Ihnen ging es keineswegs um theologische Originalität. In der Verkündung des Wortes waren sie eher pastorale Praktiker und nahmen als solche in der Kirche Leitungsfunktionen wahr statt an der Universität zu bleiben.
Gut dass du auch auf Augustinus verweist, von dem der Satz stammt:
Liebe und dann tue, was du willst.

Es geht im Christentum in allererster Linie um die Liebe zu Gott und nicht um all das Denken, und sei es theologisch noch so durchdacht!

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overkott
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Re: Gott denken

Beitrag von overkott »

Raphaela hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:
In dieser Tradition theologischen Denkens stehen Augustinus und Bonaventura. Ihnen ging es keineswegs um theologische Originalität. In der Verkündung des Wortes waren sie eher pastorale Praktiker und nahmen als solche in der Kirche Leitungsfunktionen wahr statt an der Universität zu bleiben.
Gut dass du auch auf Augustinus verweist, von dem der Satz stammt:
Liebe und dann tue, was du willst.

Es geht im Christentum in allererster Linie um die Liebe zu Gott und nicht um all das Denken, und sei es theologisch noch so durchdacht!
Ja, sicher, klar, da hat Augustinus Jesus Christus und das Doppelgebot im Kern verstanden.

Dabei steht er in guter johanneisch-paulinischer Tradition.

Raphael

Re: Gott denken

Beitrag von Raphael »

overkott hat geschrieben:Wenn wir über Gott nachdenken, kommen wir nicht umhin uns zu fragen, wie Denken eigentlich funktioniert.
Wenn Du denkst, Du denkst, dann denkst Du nur Du denkst! ;)
overkott hat geschrieben:Wir denken in Sprache. Gott wird also auch in unterschiedlichen Sprachen unterschiedlich gedacht. Dennoch ist eine Verständigung über Gott auch über Sprachgrenzen hinweg möglich.
Deus = Gott = God = Dieu
usw.
overkott hat geschrieben:Sprache bezieht sich jedoch keineswegs nur auf Zungenlaute und Schriftzeichen, sondern auf komplexe Zeichensysteme. Zu diesen Zeichensystemen gehört alles um uns herum.
Sprache ist ein wesentlicher Teil der zwischenmenschlichen Kommunikation. Zur Verständigung kann jedoch auch anderes beitragen.
overkott hat geschrieben:Um das All und damit auch sich selbst zu verstehen, haben schon die ersten Theologen das Hervorgebrachte, das Geschaffene, das Gezeugte, kurz: die Schöpfung, wie ein Buch gelesen.
Ich glaube nicht, daß sich die ersten Theologen selbst als Naturwissenschaftler verstanden haben.
Was sie jedoch spürten war, daß die Schöpfung gut ist, war und bleibt. Und, daß sie auf den Schöpfer verweist.
overkott hat geschrieben:Auf der Suche nach dem Sinn, haben sie sich auf die Suche nach dem Ursprung und dem Anfang gemacht und den Anfang Gott genannt. Gott ist das Wort für den Anfang des Denkens und allen Seins.
Gott hat ein eigenes Sein, welches das endliche Sein übersteigt.
overkott hat geschrieben:Vom ewigen Wort inspiriert haben sie nicht nur die Schöpfung, sondern auch die Geschichte und sich selbst durchdacht.
Man nennt das auch »transzendieren«, wobei nicht nur der Mensch die Schöpfung transzendiert, sondern auch Gott die Schöpdung auf transzendente Weise gestaltet.
overkott hat geschrieben:Die Bibel als Urkunde und Zeugnis unserer Glaubensgeschichte spiegelt die Vielfalt der Formen theologischen Denkens und Redens wider: lyrisch, literarisch, liturgisch, systematisch, prophetisch.

Schließlich hat Jesus Christus die theologische Tradition von der Liebe her völlig neu durchdacht. Sein Tod und seine Auferstehung sind uns seitdem Zeichen der Hoffnung geworden. Die Evangelisten haben das lebendig dargestellt, Johannes und Paulus klar erkannt.

In dieser Tradition theologischen Denkens stehen Augustinus und Bonaventura. Ihnen ging es keineswegs um theologische Originalität. In der Verkündung des Wortes waren sie eher pastorale Praktiker und nahmen als solche in der Kirche Leitungsfunktionen wahr, statt an der Universität zu bleiben.

Wenn wir heute Bonaventura erneut lesen, erkennen wir, dass es schon im Mittelalter aufgeklärte Christen mit geistlicher Weite und großer Integrationskraft gab. Natürlich dürfen wir auch ihn selbst nicht allzu wörtlich nehmen. Nur wenn wir ihn richtig verstehen, öffnet er uns als Kirchenlehrer und Spiritual die Augen für Gott in der Gegenwart.
In der Bezugnahme auf Jesus Christus kann jeder Gläubige Anderen die Augen öffnen ........

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overkott
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Beitrag von overkott »

Die Frage nach Glaube und Vernunft ist zunächst einmal die Frage, wie wir überhaupt erkennen.

Erkennen ist zunächst einmal eine sinnliche Wahrnehmung, die wir interpretieren.

Interpretation ist ein seelischer Vorgang.

In der Seele gibt es nichtrationale und rationale Vorgänge.

Die ersten Vorgänge sind nichtrational: sowohl beim Menschen als auch in seiner Geschichte.

Ein Säugling sieht ein Lächeln und versteht es positiv.

Mit der Entwicklung der Sprache entwickelt sich das Denken.

Nichtrationale Vorgänge reagieren vor allem auf Bilder und drücken sich in Bildern aus.

Rationale Vorgänge beruhen auf abstrakteren Bildern und drücken sich in abstrakten Zeichen aus: Schriftzeichen vor allem.

Nichtrationale und rationale Vorgänge stehen also in einem Zusammenhang und bedingen sich gegenseitig.

Geisteswissenschaftler nennen diesen Zusammenhang auch hermeneutischen Zirkel.

Schon der heilige Augustinus drückte diesen hermeneutischen Zirkel aus: Ich glaube, um zu erkennen; ich erkenne, um besser zu glauben.

Unser Glaube beruht tatsächlich auf Naturbeobachtung und Naturinterpretation.

Sicher waren die ersten Theologen Naturwissenschaftler, wenn auch nicht im modernen Sinn. Die Differenzierung des Denkens und der Wissenschaften setzte erst später ein.

Vor allem waren die ersten Theologen jedoch archaische Geisteswissenschaftler, die die Natur nicht als sinnlose Materie sahen, sondern als ein komplexes Zeichensystem, das bestimmten Gesetzen folgt und das es zu übersetzen gilt.

Sie schauten nach oben, sahen den Himmel, Sonne, Mond und Sterne und verstanden ihn als Bild für einen geistigen Himmel, für die Unermesslichkeit und Ewigkeit.

Und sie sahen Größe und Elend des Menschen: seine geistigen Fähigkeiten und seine körperlichen Grenzen.

Und sie lebten aus der Erfahrung, dass Grenzen überschritten werden können, dass es hinter dem Horizont weitergeht.

Wie?

Das können wir nur glauben, ahnen, projezieren.

Naive Vorstellungen sind häufig konkret, gegenständlich, materialistisch. Auch in der Religion. Das zeigt sich im Glauben an ein fetischistisches Eucharistieverständnis oder an eine physikalische Auferstehung.

Erwachsene Vorstellungen sind häufig abstrakt, symbolisch, idealistisch. Das zeigt sich im platonischen Verständnis der Transsubstantiationslehre und im Glauben an die Auferstehung in einem geistigen Leib.

Raphael

Beitrag von Raphael »

overkott hat geschrieben:Unser Glaube beruht tatsächlich auf Naturbeobachtung und Naturinterpretation.
Das scheint mir der Kasus Knacksus zu sein:
Nach meinem Verständnis beruht der katholische Glaube auf der Offenbarung des dreieinigen Gottes, welcher als Jesus Christus Mensch geworden ist!

Und die Offenbarung Gottes greift weiter als die in den Worten Jesu überlieferte Interpretation der geschaffenen Natur.

Raphaela
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Beitrag von Raphaela »

@ overkott
Du denkst zu viel! Solange du keine persönliche Beziehung zu Gott (oder auch Menschen hast) kannst du darüber nachdenken, solange du willst, da Wichtigste fehlt aber!

Raimund J.
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Registriert: Dienstag 3. April 2007, 09:33

Beitrag von Raimund J. »

Der Thread kommt ja gerade recht :) , auch Erzbischof Ludwig empfiehlt in seinem

Hirtenbrief zur Fastenzeit
Denken Sie in der ersten Fastenwoche über Gott nach
Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Nec laudibus, nec timore

Raphael

Beitrag von Raphael »

overkott hat geschrieben:Nichtrationale und rationale Vorgänge stehen also in einem Zusammenhang und bedingen sich gegenseitig.

Geisteswissenschaftler nennen diesen Zusammenhang auch hermeneutischen Zirkel.

Schon der heilige Augustinus drückte diesen hermeneutischen Zirkel aus: Ich glaube, um zu erkennen; ich erkenne, um besser zu glauben.
Einige Anmerkung noch zu dem "hermeneutischen Zirkel":
1. Zunächst einmal ist der hermeneutische Zirkel gar kein Zirkel.
Ein Zirkel verweist in seiner wörtlichen Bedeutung auf etwas kreisförmig Abgeschlossenenes, etwas Endliches. Erkenntnis jedoch ist niemals abgeschlossen, sowenig wie der Glaube ..........
2. Wie eingangs festgestellt wurde, erfolgt Denken in Sprache. Sprache ist zunächst einmal ein selbstreferenzielles System. D.h. der eine Systembestandteil (=Wort) ist aus anderen Systembestandteilen ableitbar. Diesen Vorgang nennt man auch Definition.
3. Das unter zwei Gesagte kann man nun jedoch aufbrechen und damit den "hermeneutischen Zirkel" übersteigen. Nämlich, indem man die Definition nicht nur syntaktisch versteht, sondern auch auf einer semantischen Ebene. D.h.: Das selbe Wort kann in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedliche Bedeutungen besitzen.
4. IMHO haben diese Überlegungen zu der schwer verständlichen Sprachphilosophie des Ludwig Wittgenstein in seinen späten Lebensjahren geführt. Das System "Sprache" läßt sich wissenschaftlich in keinen Rahmen zwängen, der einer streng logischen Gesetzmäßigkeit folgen würde. Vergleichbar ist dies mit den Gödel'schen Unvollständigkeitssätzen für arithmetisch-logische Zahlensysteme.

Werner Wolff
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Registriert: Mittwoch 2. Mai 2007, 18:32

Beitrag von Werner Wolff »

Wenn hier schon über Gott nachgedacht wird, möchte ich, ohne mich weiters in die Diskussion einzumischen, - sie ist mir zu hoch-, darauf hinweisen, dass es nicht heißen kann

"AM ANFANG..."

sondern richtigerweise

"IM ANFANG ..."!

Vielleicht denkt ein homo philosophicus, von denen es hier so wimmelt, einmal darüber nach, warum das so ist!

W.W.

Raphael

Beitrag von Raphael »

Werner Wolff hat geschrieben:Wenn hier schon über Gott nachgedacht wird, möchte ich, ohne mich weiters in die Diskussion einzumischen, - sie ist mir zu hoch-, darauf hinweisen, dass es nicht heißen kann

"AM ANFANG..."

sondern richtigerweise

"IM ANFANG ..."!

Vielleicht denkt ein homo philosophicus, von denen es hier so wimmelt, einmal darüber nach, warum das so ist!

W.W.
Der Johannes-Prolog sagt aus, daß das Wort von Gott zu den Menschen gekommen ist!
Es ist die Ausgießung des Geistes von Gott aus über die Menschen. Vor der Ausgießung des Geistes war das Wort in Gott; daher im Anfang oder auch die Bezeichnung "Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende." aus der Apokalypse des Johannes 22, 13.

Mit der Menschwerdung Jesu ist das Wort dann Fleisch geworden und nahm Knechtsgestalt an.

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overkott
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Beitrag von overkott »

Raphael hat geschrieben:
Werner Wolff hat geschrieben:Wenn hier schon über Gott nachgedacht wird, möchte ich, ohne mich weiters in die Diskussion einzumischen, - sie ist mir zu hoch-, darauf hinweisen, dass es nicht heißen kann

"AM ANFANG..."

sondern richtigerweise

"IM ANFANG ..."!

Vielleicht denkt ein homo philosophicus, von denen es hier so wimmelt, einmal darüber nach, warum das so ist!

W.W.
Der Johannes-Prolog sagt aus, daß das Wort von Gott zu den Menschen gekommen ist!
Es ist die Ausgießung des Geistes von Gott aus über die Menschen. Vor der Ausgießung des Geistes war das Wort in Gott; daher im Anfang oder auch die Bezeichnung "Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende." aus der Apokalypse des Johannes 22, 13.

Mit der Menschwerdung Jesu ist das Wort dann Fleisch geworden und nahm Knechtsgestalt an.
Gott ist das Wort:

das hervorbringende Wort, das inkarnierte Wort und das gehauchte Wort.

Daher war das Wort am Anfang und im Anfang...

Das lateinische Wort principium für Anfang lässt uns verstehen, dass Gott das personale Prinzip der Welt ist.

In höchster Vollkommenheit bringt die christliche Lehre von Gott die Wahrheit über den Anfang und das Ziel zum Ausdruck:

über den Geist und den Körper, über den Willen und das Schaffen, über das Leben und das Zusammenleben.

Als dem Wesen Gottes entsprechend, versteht der Theologe, was er als Wesen der Schöpfung und des Geschöpfes erfährt.

Der christliche Theologe versteht die Welt und sich selbst prinzipiell und final als gut.

Tatsächlich erweist die Dreifaltigkeitsspekulation in Christus den Menschen als göttlichen Abglanz.

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