Regeln für Leben und Arbeit

Klöster, Klerus, Laienschaft. Besondere Nachfolge.
Edith
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Regeln für Leben und Arbeit

Beitrag von Edith »

Ein neues Buch von P. Anselm Bilgri, OSB ist im Buchhandel.
Es stellt die “Andechser Schule des Führens” vor.
Daraus:
“Das Konzept steht auf drei wesentlichen Säulen der benediktinischen Spiritualität: dem Gehorsam, der Discretio und der Demut. (....)

Aus Gehorsam wird “Höre genau hin!” und “Kommuniziere!”
Die Discretio steht für “Finde das rechte Maß!” und “Unterscheide!”
Und Demut übersetzen wir mit “Erkenne dich selbst!” und “Diene!”


Ich würde gerne mal diskutieren, ob und wie sich Grundsätze klösterlichen Lebens auf den Alltag von "uns Weltleut" übertragen lassen.

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Ermi
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Titel

Beitrag von Ermi »

Glaube kommt vom Hören

Unterscheidung der Geister

Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst
Gott ist mittendrin!

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Ich kenne mich nicht aus in der benediktinischen Spiritualität, aber ich denke, dass man die Grundlagen des Klosterlebens, also die 3 evangelischen Räte, in der Welt höchstens in abgeschwächter Form mehr oder weniger konkret leben kann.

Keuschheit kann man sicher leben, bei Gehorsam wird es schwierig - man muss ihn tatsächlich abschwächen zu "genauem Hinhören". Ich kenne auch Menschen, die sich bemühen, die Armut zu leben, d.h. nicht mehr Geld auszugeben, als notwendig und den Rest großzügig spenden. Aber auch das ist eher eine abgeschwächte Form der Armut, eine "Bedürfnislosigkeit", während man im Kloster ja seinen ganzen Besitz abgibt.

Man kann sich sicher auch in der Welt an den Prinzipien des Klosterlebens orientieren, aber das Klosterleben ist meiner Meinung nach mehr, es ist Berufung.

Jojo
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Beitrag von Jojo »

Dirk, das sehe ich auch so.
Für mich stellt sich auch nicht die Frage, wie ich Grundsätze klösterlichen Lebens in den Alltag übertragen kann, sondern wie ich die Grundsätze des Evangeliums übertragen kann.

mal
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Beitrag von mal »

Gehorsam mit "Hör genau hin" zu übersetzen, finde ich ... erstmal schön. Aber, ...auf wen? Nur auf Gott, immer auf Gott, auf einen Oberen, ab und zu auf Gott und auf den Oberen (wer ist das bei einem 'Weltleut-Menschen')
Hören auf mich selbst?
Auf meine verborgenen Motivationen?
Auf das Evangelium?
Auf Rom?
Auf meinen Pastor (Um Gottes Willen!!)
??
hm
Geht Gehorsam überhaupt bei einem Weltleute-Menschen?
Pax et Bonum
mal
Ein Heiliger ist ein Mensch im Vollbesitz seiner Menschlichkeit. Thomas Merton

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

mal hat geschrieben: Geht Gehorsam überhaupt bei einem Weltleute-Menschen?
OK, ich oute mich jetzt mal. Seit etwa einem halben Jahr denke ich darüber nach, in eine gerade erst gegründete Gemeinschaft einzutreten, die nach den evangelischen Räten leben möchte, also sozusagen ein neuer Orden. Da alles noch nicht so klar ist, wie dieses Leben nach den evangelischen Räten konkret aussehen soll, macht man sich so seine Gedanken. z.B. die Frage "vita communis, oder nicht?" Kann man die evangelischen Räte überhaupt leben, wenn man in der Welt lebt? Es war eigentlich schnell klar, dass die vita communis dafür notwendig ist.
Wie gesagt kenne ich Menschen, die das in der Welt versuchen, aber irgendwie kommt mir das inkonsequent vor - man kauft sich halt einen Golf, keinen BMW, man kauft einen billigen, ungarischen Rotwein, statt einen teuren Bordeaux, man gibt den Zehnten, etc. Und Gehorsam? Wie soll das gehen?

Ich bin gerade dabei, all diese Fragen für mich persönlich zu klären - bin ich berufen, die evangelischen Räte zu leben, oder nicht (rein menschlich gesehen gibt es für mich sonst keine Hinderungsgründe, dort einzutreten)? und ich kann für mich sagen, wenn ich wirklich zu den evangelischen Räten berufen bin, wären mir die Möglichkeiten, das in der Welt zu leben, zu beschränkt. Eigentlich etwas qualitativ völlig anderes.
Das Ganze ist also für mich ein relativ aktuelles Thema :)

Jojo
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Beitrag von Jojo »

mal hat geschrieben:Gehorsam mit "Hör genau hin" zu übersetzen, finde ich ... erstmal schön. Aber, ...auf wen? Nur auf Gott, immer auf Gott, auf einen Oberen, ab und zu auf Gott und auf den Oberen (wer ist das bei einem 'Weltleut-Menschen')
Hören auf mich selbst?
Auf meine verborgenen Motivationen?
Auf das Evangelium?
Auf Rom?
Auf meinen Pastor (Um Gottes Willen!!)
??
hm
Geht Gehorsam überhaupt bei einem Weltleute-Menschen?
Pax et Bonum
mal
Ich glaube, solche Bücher sind auch eher als Lebenshilfe gedacht, und ich denke schon, dass man nützliche Impulse aus der monastischen Tradition gewinnen kann.
Dass Begriffe, die man von einen Kontext in einen anderen überträgt, nicht mehr den ursprünglichen Gehalt haben, ist klar, muss aber nicht unbedingt stören.
Nimmt man z.B. den Gehorsam, so kann man den sicher auch umdeuten, ich bin sicher, was du da aufgezählt hast, kommt auch so oder so ähnlich in dem Buch vor (naja, vielleicht nicht grad das mit dem Pastor ;-) )
Das sind dann Impulse für Weltleute um ihr Leben zu gestalten und das kann ja hilfreich sein.
Wenn du den ursprünglichen Kontext von Gehorsam willst, musst du natürlich ins Kloster gehen

martin
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Beitrag von martin »

Es gibt doch auch Institutionen des geweihten Lebens, die nicht gemeinschaftlich, näherhin klösterlich sind. Als erstes Beispiel sei die geweihte Jungfrau genannt, weiter Drittordensleute mit Gelübten. Diese alle verpflichten sich den Evangelischen Räten. Terziare sind dem jeweiligen Ordensoberen unterstellt, Gottgeweihte Jungfrauen dem Diözesanbischof. Konkret kenne ich zwei Frauen recht gut, die dieses Leben gewählt haben und einen Dominikanerterziar mit Noviziat und Gelübten. Alle sind meiner Ansicht nach vorbildlich.
Ein bekanntes historisches Beispiel ist die hl. Catherina von Siena. Sie bewohnte, vor ihren ausgedehnten apostolischen Reisen, in ihrem Elternhaus eine Zelle als Mitglied des "Ordens der Büßerinnen des hl. Dominikus". Zum Gehorsam war sie gegenüber den Dominikanerbrüdern verpflichtet. Keuschheit und Armut lebte sie bekanntlich auch.

Allerdings würde ich persönlich nicht das Buch von Anselm Bilgri empfehlen, um sich mit christlichen Lebensformen außerhalb der Ehe zu befassen. Als erstes ein Blick in den Katechismus, anschließend eine Vertiefung des Themas mit den altbewährten Wüstenvätern oder dem Russischen Pilger.

Edith
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Beitrag von Edith »

Nochmal ein Zitat aus dem Buch, Kapitel "Finde das rechte Maß" (=Discretio):

Wenn wir uns in eine Sache verrennen, setzt die maßvolle Unterscheidung manchmal aus. Dann brauchen wir jemanden, der uns hilft, das rechte Maß abzuschätzen. Gerade wenn wir besonders ehrgeizig auf ein Ziel zusteueren, uns etwas in den Kopf gesetzt haben, verlieren wir den Blick für das Ganze (...)
Manche Menschen kennen kein Maß mehr. Sie gefährden ihre berufliche Karriere, riskieren Freundschaften´oder zerstören sogar ihre Partnerschaft.


Kennen wir das nicht auch, aus dem Arbeitsalltag?

Edith
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Beitrag von Edith »

Dirk hat geschrieben: Keuschheit kann man sicher leben, bei Gehorsam wird es schwierig - man muss ihn tatsächlich abschwächen zu "genauem Hinhören".
Ich finde eher, das ist eine Verstärkung, statt einer Abschwächung.
Eben weil es mal nicht so sehr auf der Hand liegt, "wem man gehorchen soll". Man muß sich da sehr viel stärker hinterfragen und sehr aufmerksam werden und bleiben. Ein gehöriges Quantum Demut brauchts dafür auch... weil man dann aufmerksam sein muß, durch wen einem Gott etwas sagt. Kann ein Kollege sein, auch mal ein jüngerer Kollege....
aber... Gehorsam ist doch mehr, als nur "tun was der Obere sagt", oder?

"genau Hinhören" oder "Zuhören lernen" finde ich da ganz wesentlich.
(Übrigens auch fürs Ordensleben).
Ich wiederhole, was mir einmal eine Äbtissin antwortete, als ich ihr sagte, daß ich immer gut hinhöre, wenn sie mir etwas sagt. "Da tun sie mehr, als die meisten meiner Schwestern."

Ähnliches gilt auch fürs Büro, für die Ehe. Höre ich immer gut zu?
Wenn mein Chef, meine Frau, oder auch die junge Kollegin an der Rezeption etwas sagt? Nehme ich das überhaupt ernst? Oder wähne ich mich "drüber"?

Noch ein Wort zum "ursprünglichen Kontext" des Gehorsams:
Gehorsam ist man gegen Gott. Und die Kunst ist es, zu hören, wann Gott durch einen Menschen zu mir spricht. Mich anrühren, wachrütteln, mir eine Richtung, Neuorientierung zu geben, mich aus meinem "eigenen Saft" herausziehen will..... ich sehe nicht ein, warum das für mich nicht mindestens genauso wichtig ist, wie für eine Ordensfrau?

Ich sehe allerdings, daß wir zur Bequemlichkeit neigen. Praktisch, wenn wir genau wissen, wer uns was zu sagen hat (was natürlich auch wichtig ist, und von mir nicht bestritten wird). Nur ..... Gehorsam geht viel weiter...


Es ist eigentlich ganz einfach: seit ich in monastischen Texten "Bruder" durch "Kollege", "Abt" durch "Chef" , "Kloster" durch "Firma" ersetze.... gehen mir die Augen auf.... und ich staune, wie anwendbar das alles in meinem Leben ist. (Und wieviel es da zu beichten gibt :shock: )
:)
Zuletzt geändert von Edith am Montag 24. Mai 2004, 11:27, insgesamt 1-mal geändert.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Jojo hat geschrieben:Wenn du den ursprünglichen Kontext von Gehorsam willst, musst du natürlich ins Kloster gehen
Aber Jojo ... hast du da nicht zum einen die Weltpriester, die Laiengemeinschaften, die Missionare, die Orden, die in der Welt tätig sind vergessen? All die, die ohne Klostermauern leben? Der ursprüngliche Kontext von Gehorsam ist die verbindung mit Gott. Diese glaubt man vielleicht leichter leben zu können, weil man sich unter einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten wähnt und eine Strukturierung des Lebens vor findet, in die man eingliedern kann - die vorgegeben ist. Dies ist aber erstmal eine Äußerlichkeit, die einem sicher zur Innerlicherkeit im Gehorsam führen kann, aber nicht notwendigerweise bei jedem funktioniert.

Man denkt ja manchmal wirklich, all diese Dinge seien von Jesus fürs Klosterleben gesprochen worden :roll: - Die evangelischen Räte sind aber nicht für Klöster ausgesprochen worden, sondern die Klöster haben diese natürlich zu ihrer Grundlage gemacht. Die Wertigkeit der evangelischen Räte kommt jedoch woanders her und ihr Ruf gilt für alle Menschen.

Für mich heißt Gehorsam einfach - wer mein Jünger sein will, der folge mir nach. Alles andere ist für mich Überbau.

Und die 1:1 Abkupferung des Klosterlebens auf die Weltleute (die dann notwendigerweise durch den falschen Denkansatz schlechter abschneiden) finde ich dermaßen daneben ...

Ich hab recht wenig Lust, mir diese Meßlatte anlegen zu lassen. Ich kann mich in meinem Alltag nicht in einen gesicherten frommen Bereich zurückziehen und die Kapuze hochschlagen - ich brauch da andere Arten und Weisen, um mich in Gott zu verankern. Die Berufung, in der Welt Gottes Ruf zu folgen, benediktinische Spiritualität als Weltmensch zu entwickeln und damit eine eigene Identität unabhängig von der Klostervorgabe, ist eine echte Lebensaufgabe ...und die Klöster erachte ich dabei nicht einmal unbedingt als sonderlich hilfreich.

Geronimo

Edith
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Beitrag von Edith »

Dirk hat geschrieben:Ich kenne mich nicht aus in der benediktinischen Spiritualität, aber ich denke, dass man die Grundlagen des Klosterlebens, also die 3 evangelischen Räte, in der Welt höchstens in abgeschwächter Form mehr oder weniger konkret leben kann.
Ist das Dein Ernst?
Man kann evangeliumsgemäß in der Welt nur in abgeschwächter Form leben? Dirk, ich denke, da mußt Du aber Dein Christsein in der Welt neu entdecken.
Wers in der Welt nicht kann, kanns im Kloster auch nicht, behaupte ich mal. 8)

Was sagst Du denn zu dem Zitat über die Discretio? (die maßvolle Unterscheidung). Ist das für Dich anwendbar im Alltag?

Edith
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Beitrag von Edith »

mal hat geschrieben:Gehorsam mit "Hör genau hin" zu übersetzen, finde ich ... erstmal schön. Aber, ...auf wen? Nur auf Gott, immer auf Gott, auf einen Oberen, ab und zu auf Gott und auf den Oberen (wer ist das bei einem 'Weltleut-Menschen')
Hören auf mich selbst?
Auf meine verborgenen Motivationen?
Auf das Evangelium?
??
Das ist genau der Punkt.
Auf wen oder was höre ich überhaupt?

Hinhören, aufmerksam sein. Es hilft einem keine Regel, kein Abt... man muß das selber mit gespitzen Ohren herausfinden.
Das halte ich durchaus für eine zutiefst christliche Lebensaufgabe.
Nichts hören... noch nichts hören... heißt aber nicht, daß man mit dem Platz den man jetzt hat nicht zufrieden sein darf, sich irgendwo hinwünscht, wo man heilig leben kann.....
heilig lebe ich hier - oder auch sonst nirgends.

Dazu finde ich aber die Literatur und Erfahrung des monastischen Lebens sehr inspirierend. Wenngleich man vieles uminterpretieren muß, damit es lebbar wird in der "Klausur" meiner Arbeitswelt. Ich kann mir nicht die Kutte eines anderen anziehen, ich muß schon meine eigene tragen.
Das Leben wird dadurch nicht einfacher, aber echter, ganzer,... es erhält Fülle.
Zuletzt geändert von Edith am Montag 24. Mai 2004, 13:57, insgesamt 1-mal geändert.

Marlene
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Beitrag von Marlene »

Geronimo hat geschrieben:Die Berufung, in der Welt Gottes Ruf zu folgen, benediktinische Spiritualität als Weltmensch zu entwickeln und damit eine eigene Identität unabhängig von der Klostervorgabe, ist eine echte Lebensaufgabe ...und die Klöster erachte ich dabei nicht einmal unbedingt als sonderlich hilfreich.
Wie sollten sie auch - kein Mönch und keine Nonne macht die Erfahrungen der "freien Wildbahn".

Ich bin immer wieder verblüfft, was da so von Klosterseite an nicht ganz passenden Hinweisen für mein benediktinisches Oblatenleben kommt. Und auf der anderen Seite rufe ich beim Konvent aber auch immer wieder Verblüffung hervor mit meinen Umsetzungen der Benediktsregel in meinen nicht-klösterlichen Alltag. Aber genau daraus entsteht ja dann auch ein fruchtbares Miteinander.

Marlene
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Beitrag von Marlene »

Dirk hat geschrieben:Ich kenne mich nicht aus in der benediktinischen Spiritualität, aber ich denke, dass man die Grundlagen des Klosterlebens, also die 3 evangelischen Räte, in der Welt höchstens in abgeschwächter Form mehr oder weniger konkret leben kann.
Hallo Dirk,

Armut, Keuschheit und Gehorsam gelten für uns alle und werden doch auch immer wieder neu bedacht, interpetiert ... sei durch die Geschichte der Jahrhunderte, sei es in den unterschiedlichen Lebenskreisen.

Natürlich muss ich mir überlegen, was das für mich heißt.

Armut hat für mich auch ganz stark etwas mit dem Bewusstsein meiner geistlichen Armut zu tun. Armut heißt doch auch, dass ich mir klar mache, dass ich nicht wirklich etwas mein Eigentum nennen kann, alles ist Geschenk, alles kann mir jederzeit genommen werden.

Keuschheit: Heißt natürlich für einen Menschen im Kloster was anderes als für einen Ehepartner. Ohne das jetzt breit treten zu wollen, aber es gibt eben kalten Sex und leidenschaftliche Liebe. Und kalter Sex ist unkeusch, da kannst du noch so sehr verheiratet sein.

Zum Gehorsam ist hier ja schon viel gesagt worden. Für mich ist es in erster Linie der Versuch, das Wort Gottes immer wieder neu zu hören, es immer wieder neu auf mein Leben zu beziehen. Und dann natürlich auch die Menschen, die mir begegnen , zu hören.

Auch wenn Anselm Grün bei vielen Augenrollen verursacht - ich bin ja auch nur ein Teil-Fan - aber es gibt von ihm und Andrea Schwarz ein Buch mit den Titel "Alles lassen, weil er mich nicht lässt". Für mich war es ein wunderbarer Zugang zu den drei evangelischen Räten.

Gruß
Marlene[/b]

Edith
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Beitrag von Edith »

Marlene hat geschrieben: Armut hat für mich auch ganz stark etwas mit dem Bewusstsein meiner geistlichen Armut zu tun. Armut heißt doch auch, dass ich mir klar mache, dass ich nicht wirklich etwas mein Eigentum nennen kann, alles ist Geschenk, alles kann mir jederzeit genommen werden.
Armut ist für mich ein Hinweis, daß es zwei Weisen gibt, mit den Dingen umzugehen. man kann sie haben, oder sein lassen. (jetzt im Sinne von E.Fromm).

Unter haben verstehe ich dann eher ein "Nicht-frei-sein" vom Besitzen, haben-wollen.
Denn ganz offenbar reicht es doch nicht, nur rechtlich nicht der Eigentümer zu sein, aber alles nutzen zu können. Der Fürstin Gloria von Thurn und Taxis gehört das Vermögen auch nicht.... sie verwaltet es nur. 8)
Also kommts doch darauf an, welche Haltung ich den Dingen gegenüber einnehme?
Besitzen sie mich, oder besitze ich sie?
(Übrigens eine Freiheit, die ich der Fürstin tatsächlich zutraue. :ja: )

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Marlene hat geschrieben:
Geronimo hat geschrieben:Die Berufung, in der Welt Gottes Ruf zu folgen, benediktinische Spiritualität als Weltmensch zu entwickeln und damit eine eigene Identität unabhängig von der Klostervorgabe, ist eine echte Lebensaufgabe ...und die Klöster erachte ich dabei nicht einmal unbedingt als sonderlich hilfreich.
Wie sollten sie auch - kein Mönch und keine Nonne macht die Erfahrungen der "freien Wildbahn".

Ich bin immer wieder verblüfft, was da so von Klosterseite an nicht ganz passenden Hinweisen für mein benediktinisches Oblatenleben kommt. Und auf der anderen Seite rufe ich beim Konvent aber auch immer wieder Verblüffung hervor mit meinen Umsetzungen der Benediktsregel in meinen nicht-klösterlichen Alltag. Aber genau daraus entsteht ja dann auch ein fruchtbares Miteinander.
Nun, damit waren eigentlich weniger die Menschen im Kloster selbst gemeint als der Lebensentwurf Kloster ganz allgemein ... wie es auch hier teilweise angeklungen ist, als ob die konkrete Ausführung der evangelischen Räte alleinig dem Lebensentwurf Kloster vorbehalten sei und alles andere eben nur abgeschwächt daherkomme.

Abgeschwächt kann niemals Berufung bedeuten ... dann ist es eben keine Ernsthaftigkeit.

Dass Keuschheit und Stabilitas sogar anders definiert werden müssen für Weltleute (und zwar individuell verschieden), ist sogar unverzichtbar. Alle Bemühungen, die sich stur am Klosterleben orientieren, laufen sonst in die Richtung "verkürztes Mönchsleben". Das kann's nicht sein.

Man muss sich auch vor Augen halten, dass der größte Teil der Benediktusregeln sich um den Tagesablauf im Kloster und dessen Strukturierung dreht und somit völlig uninteressant für die Struktuierung des Alltags von Weltbenediktinern ist.

Geronimo

Edith
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Beitrag von Edith »

Ich will mich mit dem Thema auch nicht als "Hobby-Nonne" verstanden wissen, sondern ich suche nach Hilfen, meine Berufung (als Christ in der Welt, nicht die Berufung anderer!) ernsthaft zu leben. Da greife ich gerne auf Erfahrungen zurück, die mich sehr ansprechen.

Mir gefällt an der Benediktsregel die "Bodenständigkeit" die Konkretheit - die es mir ermöglicht, sie sehr gut auf mein Leben anzuwenden, ohne eine "Feierabend-Benediktinerin" werden zu wollen.
Je länger ich mich damit beschäftige, umso klarer werden mir die Parallelen.

Natürlich interessiert mich nicht, welcher Psalm an welcher Stelle der Matutin zu beten ist.... aber mich interessiert wie ich mit Menschen umgehe, mit mir selber, mit den Dingen. Wie ich auf Gott in meiner Lebenswirklichkeit - im Beruf, in der Familie - höre.
Höre - ein Schlüsselwort der Regel.

Wer nicht hören kann,.... verliert das Maß...
Wenn wir uns in eine Sache verrennen, setzt die maßvolle Unterscheidung manchmal aus. Dann brauchen wir jemanden, der uns hilft, das rechte Maß abzuschätzen. Gerade wenn wir besonders ehrgeizig auf ein Ziel zusteueren, uns etwas in den Kopf gesetzt haben, verlieren wir den Blick für das Ganze (...)
Manche Menschen kennen kein Maß mehr. Sie gefährden ihre berufliche Karriere, riskieren Freundschaften´oder zerstören sogar ihre Partnerschaft.
Zitat aus o.g. Buch

Jojo
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Beitrag von Jojo »

Edith hat geschrieben:Es ist eigentlich ganz einfach: seit ich in monastischen Texten "Bruder" durch "Kollege", "Abt" durch "Chef" , "Kloster" durch "Firma" ersetze.... gehen mir die Augen auf.... und ich staune, wie anwendbar das alles in meinem Leben ist. (Und wieviel es da zu beichten gibt :shock: )
:)
Da freut sich sicher jeder Chef! 8)

Jojo
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Beitrag von Jojo »

Geronimo hat geschrieben:
Jojo hat geschrieben:Wenn du den ursprünglichen Kontext von Gehorsam willst, musst du natürlich ins Kloster gehen
Aber Jojo ... hast du da nicht zum einen die Weltpriester, die Laiengemeinschaften, die Missionare, die Orden, die in der Welt tätig sind vergessen? All die, die ohne Klostermauern leben?
Hast recht, es sind natürlich alle Institutionen des geweihten Lebens gemeint gewesen.

Jojo
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Beitrag von Jojo »

Ich finde den Vergleich mit dem BMW und dem Golf gar nicht mal schlecht und kann das absolut nachvollziehen. Wenn du mit dem Gedanken spielst, Ordensmann oder Priester zu werden, dann willst du ja genau das. Radikal Ernst machen mit der Nachfolge, konsequent sein, "eines aber fehlt dir noch. Wenn du mir nachfolgen willst...." Dann kommt dir alles andere nur wie ein billiger Kompromiss vor. Ich finde, das ist eine ganz wichtige Motivation.
Aber ich denke schon, dass man sich auch aus dem BMW Teile ausbauen und sie sinnvoll verwenden kann, das kann ja jeder tun, wie er möchte.

mal
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Beitrag von mal »

Wenn ich mir die Beiträge so durchlese, fällt mir auf, dass viele anscheinend der Meiung sind, dass der Ort, die Herausforderung der drei evangelischen Räte zu beantworten, das KLoster oder eine geistl. Gemeinschaft o.ä. ist.
Aber ich denke: der Ort bin ICH. Das Kloster oder die Gemeinschaft oder die Firma oder die Ehe oder was auch sonst ist nur der RAHMEN, in den ich gestellt bin und der alles nuanciert und die Schwerpunkte strukturiert.
Generell gilt doch für jeden, Jesus und dem Willen des Vaters zu gehorchen, alles zu besitzen, als besäße man nicht und Ihn allein zu lieben aus ganzer Seele und ganzem Herzen und den Nächsten wie sich selbst.
Pax et Bonum
mal
Ein Heiliger ist ein Mensch im Vollbesitz seiner Menschlichkeit. Thomas Merton

Biggi
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Beitrag von Biggi »

Edith hat geschrieben:
Dirk hat geschrieben:Ich kenne mich nicht aus in der benediktinischen Spiritualität, aber ich denke, dass man die Grundlagen des Klosterlebens, also die 3 evangelischen Räte, in der Welt höchstens in abgeschwächter Form mehr oder weniger konkret leben kann.
Ist das Dein Ernst?
Man kann evangeliumsgemäß in der Welt nur in abgeschwächter Form leben? Dirk, ich denke, da mußt Du aber Dein Christsein in der Welt neu entdecken.
Wers in der Welt nicht kann, kanns im Kloster auch nicht, behaupte ich mal. 8)

Was sagst Du denn zu dem Zitat über die Discretio? (die maßvolle Unterscheidung). Ist das für Dich anwendbar im Alltag?
Hm, ich warte schon die ganze Zeit darauf, dass Dirk selbst darauf eingeht, aber der scheint heute hier nicht aufzutauchen. Dann erlaube ich mir mal, darauf zu antworten (er kann mich ja korrigieren oder ergänzen, wenn ich was Falsches oder Einseitiges sage). Da ich Dirk zwar nur wenig, aber seinen spirituellen Background doch etwas mehr kenne, bin ich sicher, dass er seine Bemerkung nicht so meinte, dass man nur in abgeschwächter Form in der Welt evangeliumsgemäß leben kann. Zur Heiligkeit berufen sind wir schließlich bereits durch die Taufe und nicht erst durch eine „Sonderberufung“ ins Kloster oder zum Priestertum. Und Heiligkeit bedeutet evangeliumsgemäß leben, Jesus Christus nachfolgen – in den jeweils eigenen Lebensumständen, und das heißt für die allermeisten Christen: mitten in der Welt, mitten in ihrer Familie, ihrem Beruf etc.

Was anderes ist es mit den sogenannten evangelischen Räten, die ja für Ordensleute eine herausgehobene Bedeutung haben und den Kern ihrer spezifischen Berufung ausmachen. Auch wenn alle Christen – auf die ihrer eigenen Situation und Berufung entsprechende Weise – Armut (Loslösung von den materiellen Gütern), Keuschheit (Integration der Sexualität in die gesamte Person, bei Unverheirateten incl. Enthaltsamkeit) und Gehorsam („Horchen“ auf den Anruf Gottes in jeder Situation, ggf. Gehorsam gegenüber einer geistlichen Begleitung) leben sollen, so haben diese Tugenden für „Weltleute“ doch keine besonders herausgehobene Bedeutung, sondern stehen gleichwertig und gleich wichtig neben anderen: Arbeitsamkeit, Hilfsbereitschaft, Kollegialität, Treue, Gerechtigkeit etc. etc. – Ich schätze mal, dass Dirk diese Aspekte mit „abgeschwächter Form“ gemeint hat. Und darin stimme ich ihm zu (und wenn er’s nicht gemeint hat, ist es allemal meine Meinung!).

Ganz abgesehen davon: so sehr ich die Bedeutung von benediktinischer, franziskanischer, dominikanischer, ignatianischer... Spiritualität auch für „Weltleute“ für berechtigt halte: es gibt daneben auch noch viele andere Wege zu Gott, ohne Anlehnung an einen Orden. Es kommt halt auf die je eigene Berufung an... (Womit ich aber hier – im Ordensboard – kein neues Thema aufmachen möchte!)

LG
Biggi
Das Christentum nimmt den Menschen, wie er ist, und macht ihn zu dem, was er sein soll.
(Adolph Kolping, Patron des XX. Weltjugendtags 2005)

Edith
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Beitrag von Edith »

Jojo hat geschrieben:
Edith hat geschrieben:Es ist eigentlich ganz einfach: seit ich in monastischen Texten "Bruder" durch "Kollege", "Abt" durch "Chef" , "....
Da freut sich sicher jeder Chef! 8)
nunja.... die Reaktionen sind gemischt.....- zunächst sind sie erstaunt, wie ernst man sie in ihrer Verantwortung nimmt, denn der Abt (Chef) soll sich ja bewußt sein, wie und warum - ihn man (so) anredet.... und soll mehr durch Vorbild als durch Wort mahnen... wenn er sich aber müht.... und ich mich auch mühe... kann das eine wunderbare Zusammenarbeit sein - ohne Sägen am Stuhl des anderen.

Edith
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Beitrag von Edith »

Jojo hat geschrieben: Hast recht, es sind natürlich alle Institutionen des geweihten Lebens gemeint gewesen.
warum nur die?
Ist Gehorsam für Dich kein Thema?

Edith
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Beitrag von Edith »

Biggi hat geschrieben: Was anderes ist es mit den sogenannten evangelischen Räten, die ja für Ordensleute eine herausgehobene Bedeutung haben und den Kern ihrer spezifischen Berufung ausmachen. Auch wenn alle Christen – auf die ihrer eigenen Situation und Berufung entsprechende Weise – Armut (Loslösung von den materiellen Gütern), Keuschheit (Integration der Sexualität in die gesamte Person, bei Unverheirateten incl. Enthaltsamkeit) und Gehorsam („Horchen“ auf den Anruf Gottes in jeder Situation, ggf. Gehorsam gegenüber einer geistlichen Begleitung) leben sollen, so haben diese Tugenden für „Weltleute“ doch keine besonders herausgehobene Bedeutung, sondern stehen gleichwertig und gleich wichtig neben anderen: Arbeitsamkeit, Hilfsbereitschaft, Kollegialität, Treue, Gerechtigkeit etc. etc. – Ich schätze mal, dass Dirk diese Aspekte mit „abgeschwächter Form“ gemeint hat.
Ich finde diese Wortwahl misverständlich, wenn nicht gefährlich. Wenn ich an meinem Platz die Nachfolge Christi in abgeschächter Form lebe, habe ich ein grundsätzliches Problem.
Und dann wird das an einem anderen Platz genauso laufen. Vieleicht in einem anderen Gewande. Es mag Euch nicht bewußt sein,... aber man kann seine Nachfolge auch im Kloster "abgeschwächt" oder halbherzig verfolgen. Löst Euch mal von der "besondern Heiligkeit" anderer Lebensweisen... und lebt die Heiligkeit Eurer Lebensweise. Wo ich heilig bin, ist völlig egal. 8)

Fragt mal einen Mönch, der vielleicht Gastmeister ist, und einem Rudel weltlicher Angestellter vorsteht..... was er in seiner Führungsaufgabe, im alltäglichen Miteinander anders macht als ihr.

Edith
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Beitrag von Edith »

Das ist es doch was zählt: wie mache ich Christus am Schreibtisch gegenwärtig? Nein?
Wenn nicht... dann brauch ich mir nichts vormachen... dann kann ich das in der Messe vermutlich auch nicht. Egal was ich anhabe (Habit oder Jeans).

Wenn man nicht sicher ist, frage man die Kinder... die können das noch.
Die erkennen eine "fromme Show" sofort. Wenn die anders ist, als die Wirklichkeit.... sagen die einem das.

Edith
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Beitrag von Edith »

mal hat geschrieben: Aber ich denke: der Ort bin ICH.
Das Kloster oder die Gemeinschaft oder die Firma oder die Ehe oder was auch sonst ist nur der RAHMEN, in den ich gestellt bin und der alles nuanciert und die Schwerpunkte strukturiert.
Ja, danke... das wollte ich sagen. :ja:

Es macht daher für mich keinen Sinn, die Rahmen sozusagen in eine Rangfolge zu bringen (dieser Rahmen ist frömmer als jener).... weil es darauf nicht ankommt.
Es kommt darauf an, was ICH in diesem Rahmen mache.

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Edith hat geschrieben:
Dirk hat geschrieben:Ich kenne mich nicht aus in der benediktinischen Spiritualität, aber ich denke, dass man die Grundlagen des Klosterlebens, also die 3 evangelischen Räte, in der Welt höchstens in abgeschwächter Form mehr oder weniger konkret leben kann.
Ist das Dein Ernst?
Man kann evangeliumsgemäß in der Welt nur in abgeschwächter Form leben? Dirk, ich denke, da mußt Du aber Dein Christsein in der Welt neu entdecken.
Wers in der Welt nicht kann, kanns im Kloster auch nicht, behaupte ich mal. 8)

Was sagst Du denn zu dem Zitat über die Discretio? (die maßvolle Unterscheidung). Ist das für Dich anwendbar im Alltag?
Hallo Edith, Du hast mich (wie Biggi schon festgestellt hat), falsch verstanden. Ich konnte gestern nicht mehr antworten, weil ich meinen Computer an der Uni gelassen habe. Natürlich kann man in der Welt dem Evangelium gemäß leben. Es gibt aber einen Unterschied, und das ist die Radikalität, die aus einer Berufung folgt.

Als Beispiel nehme ich mal den reichen Jüngling. Man kann diese Begegnung auf verschiedene Weise interpretieren. Dieses "Verkaufe alles, was Du hast und gib es den Armen, dann folge mir nach" kann man dahingehend verstehen, dass man sein Herz nicht an die Dinge dieser Welt hängen soll, dass man innerlich frei werden soll von seinem Besitz, dass man Überfluss meidet, etc. Man kann sich da ganz konkrete Regeln geben. So lässt sich das Evangelium im Alltag umsetzen. Man lebt dann die Armut als Nachfolge Jesu in dem Maß, wie es die persönlichen Pflichten in der Welt zulassen (Familie, Beruf, sonstige Aufgaben, die man in der Welt nachgeht).

Man kann diese Begebenheit mit dem reichen Jüngling aber auch als persönliche Berufung, als persönlichen Ruf Jesu verstehen, tatsächlich seinen Besitz zu verkaufen und dann Jesus in der Armut nachzufolgen. Daraus folgt eine Radikalität, die man im ersten Fall nicht leben kann.

Also der Unterschied ist: im ersten Fall lebt man seine Berufung als Christ, man richtet sein Leben nach dem Evangelium aus und setzt das Evangelium ins alltägliche Leben um. Im zweiten Fall jedoch lebt man die Armut (und so kann man das bei allen evangelischen Räten machen) aufgrund einer persönlichen Berufung radikal. Wenn man in einen Orden eintritt, entscheidet man sich i.d.R. für diese Radikalität.

Natürlich kann man diese Radikalität auch in der Welt leben und nicht nur in der Gemeinschaft (wenn man die evangelischen Räte nicht alleine leben kann, kann man es auch nicht in der Gemeinschaft), aber nicht als Weltmensch.

Ich hoffe, ich habe einigermaßen verständlich beschrieben, wie ich das meine. Der Unterschied ist meiner Meinung nach also die persönliche Berufung, die auf die Berufung als Christ aufbaut, diese allgemeine Berufung konkretisiert. Diese Qualität als persönliche Berufung verlieren die Regeln aus dem Kloster, wenn man sie als Weltmensch lebt. Deshalb verlieren sie auch an Radikalität. Was aber nicht heißt, dass man die Berufung zu den evangelischen Räten nicht auch in der Welt leben kann, man kann es aber eben nicht als Weltmensch.

Über die Discretio sage ich noch was, wird jetzt zu viel auf einmal...

Gottes Segen,
Dirk

Edith
Beiträge: 2544
Registriert: Sonntag 5. Oktober 2003, 20:38

Beitrag von Edith »

Dirk hat geschrieben:
Über die Discretio sage ich noch was, wird jetzt zu viel auf einmal...

Gottes Segen,
Dirk
Danke soweit, Dirk. Freue mich schon auf Deine Ausführungen zur Discretio :ja: :ja:

Jojo
Beiträge: 251
Registriert: Dienstag 11. November 2003, 19:12

Beitrag von Jojo »

Edith hat geschrieben:
Jojo hat geschrieben: Hast recht, es sind natürlich alle Institutionen des geweihten Lebens gemeint gewesen.
warum nur die?
Ist Gehorsam für Dich kein Thema?
Im Sinne der Räte nicht, nein.
Alles, was hier behauptet wurde, war ja nur, dass diese, wenn überhaupt, nur in abgeschwächter Form für Weltmenschen lebbar sind, ob man nun aus "Gehorsam" das "genau Hinhören" oder "Kommunizieren" macht oder Armut und Ehelosigkeit überträgt, wie Biggi aufgeführt hat.
Es hat niemand gesagt, dass Weltmenschen das Evangelium in abgeschwächter Form leben sollen.
Es sagt auch niemand, dass man durch die Räte heiliger lebt als ohne, der Punkt ist, dass sie prinzipiell radikaler angelegt sind. Alles verlassen ist radikaler als es nicht zu tun.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Jojo hat geschrieben:
Edith hat geschrieben:
Jojo hat geschrieben: Hast recht, es sind natürlich alle Institutionen des geweihten Lebens gemeint gewesen.
warum nur die?
Ist Gehorsam für Dich kein Thema?
Im Sinne der Räte nicht, nein.
Alles, was hier behauptet wurde, war ja nur, dass diese, wenn überhaupt, nur in abgeschwächter Form für Weltmenschen lebbar sind, ob man nun aus "Gehorsam" das "genau Hinhören" oder "Kommunizieren" macht oder Armut und Ehelosigkeit überträgt, wie Biggi aufgeführt hat.
Es hat niemand gesagt, dass Weltmenschen das Evangelium in abgeschwächter Form leben sollen.
Es sagt auch niemand, dass man durch die Räte heiliger lebt als ohne, der Punkt ist, dass sie prinzipiell radikaler angelegt sind. Alles verlassen ist radikaler als es nicht zu tun.
Ja, Jojo, aber auch die Orden eintretende verlassen ja oft nicht alles - Armut und Gehorsam sind auch in Klöstern relative Größen. Aber ich glaube, darum gehts eigentlich in der Diskussion gar nicht. Es ging ja nur um den Begriff "abgeschwächt", der -obwohl Dirk das sicher nicht so sagen wollte - implizierte, dass eben "draussen" keine radikale Nachfolge möglich sei.
Ich bin eigentlich auch dagegen, die drei evangelischen Räte inhaltlich so zu verbiegen, dass sie auf all und jede Situation irgendwo im weltlichen Leben noch anwendbar sind. Ich setze mal beim Gehorsam an und da bin ich der Meinung, dass dieser Gehorsam für jeden Christen, der radikal genug ist, lebbar ist - ganz einfach, weil es die Radikalität zur eigenen Berufung beinhaltet und das Anerkennen dessen, was Gott von einem will. Ob das nun sich so darstellt, dass man die Lebensform Kloster wählt oder die Familie oder das keusche Leben in der Welt oder was auch immer, ist eigentlich sekundär. Das einzige, was zählt, ist die Hingabe
Deshalb halte ich auch Überlegungen, wem wir in der Welt Gehorsam schulden, für nebensächlich und verwirrend. Wie auch im Kloster schulde ich Gott Gehorsam. Dass sich dies durch andere Menschen mir vermitteln kann, ist möglich, aber nicht die Essenz.
Ich würde Dirk auch davor warnen, sich dem Gedanken hinzugeben, die evangelischen Räte seien im Kloster per se radikaler lebbar. Das wäre wünschenswert, aber die Erfahrung zeigt, dass weder Armut noch Gehorsam im Kloster radikaler sein müssen als woanders - und oft auch nicht sind, sondern dass häufig Mittel und Wege gefunden werden, diese Dinge zu verwässern und aufzuweichen.

Mir geht es also auch nicht um ein Gegenüberstellen von mehr oder weniger heilig, sondern allein um die Radikalität in der Nachfolge.

Geronimo

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