Die Theologie von Joseph Ratzinger im Lichte der Tradition

Rund um den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gemeinschaften.
iustus
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von iustus »

Es handelt sich also tatsächlich um eine reine Interpretation Tissiers, deren Begründung sehr interessieren würde.

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Gamaliel
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Gamaliel »

iustus hat geschrieben:Es handelt sich also tatsächlich um eine reine Interpretation Tissiers, deren Begründung sehr interessieren würde.
Nein, es handelt sich um eine Aussage von Sempre, die sich allerdings eng an den verlinkten Artikel anlehnt.

Bischof Tissier de Mallerais behandelt vorwiegend die Philosophie Professor/Kardinal Ratzinger´s in ihrer Beziehung zu seiner Theologie.

(Warum Sempre den FAZ-Artikel verlinkt hat, mußt Du ihn selber fragen; mit dem Traktat von Bischof Tisser hat der Artikel nicht viel zu tun.)

iustus
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von iustus »

Gamaliel hat geschrieben:
iustus hat geschrieben:Es handelt sich also tatsächlich um eine reine Interpretation Tissiers, deren Begründung sehr interessieren würde.
Nein, es handelt sich um eine Aussage von Sempre, die sich allerdings eng an den verlinkten Artikel anlehnt.
Also um eine nicht näher begründete Interpretation von Sempre.

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Sempre
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

@Iustus

Das Ratzingerzitat "[wir brauchen eine] Ethik des Universalen Friedens, der praktischen Nächstenliebe und der nötigen Überwindung des Eigenen" stammt (nicht aus einem Interview, sondern) aus einem längeren Artikel von Joseph Kardinal Ratzinger mit dem Titel "Der angezweifelte Wahrheitsanspruch - Die Krise des Christentums am Beginn des dritten Jahrtausends", der am 8.1.2000 in der FAZ erschien.

Ein Abschnitt daraus ist auf teilhard.de wiedergegeben. Im ersten Block unter dem Foto am Anfang der Seite findet sich ein hervorgehobener Link mit dem Text "Kardinal Ratzinger zum Thema ...", der zu dem Abschnitt weiter unten auf derselben Seite springt.

Der gesamte Artikel findet sich auch hier (PDF).

Der Artikel steht in engem Zusammenhang mit der Regensburger Rede und es handelt sich durchaus um ein zentrales Ansinnen Ratzingers. Kirche und Theologie hätten heute die Frage zu stellen, ob der Anspruch des Christentums, religio vera zu sein, durch den Fortgang der Aufklärung überholt sei. Ratzinger selbst hat einstweilen keine Antwort auf diese Frage und betont die Notwendigkeit einer "Ethik des Universalen Friedens", die die heutige Philosophie nicht zustande bringt.

Tissier erklärt, wie Ratzinger/Benedikt Glaube und (aufgeklärte) Vernunft durch gegenseitige Bereinigung beider unter eine Decke bringen will (Intoleranz des Glaubens vs. blinde Autonomie der aufgeklärten Vernunft). Es lohnt sich, das zu lesen.

Gruß
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Libertas Ecclesiae
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Libertas Ecclesiae »

Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:Der Versuch, in dieser Krise der Menschheit dem Begriff des Christentums als religio vera wieder einen einsichtigen Sinn zu geben, muss sozusagen auf rechtes Handeln (Orthopraxie) und rechten Glauben (Orthodoxie) gleichermaßen setzen.
Was soll an dieser Aussage problematisch oder gar häretisch sein?
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cantus planus
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von cantus planus »

Ich kann mich auch nur wundern, was einige Leute in die Texte des früheren Kardinals hineinlesen... Es ist nun einmal so: wenn man vor der Suppe sitzend lange genug den Kopf schüttelt, findet man irgendwann auch ein Haar darin. :roll:
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

Libertas Ecclesiae hat geschrieben:
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:Der Versuch, in dieser Krise der Menschheit dem Begriff des Christentums als religio vera wieder einen einsichtigen Sinn zu geben, muss sozusagen auf rechtes Handeln (Orthopraxie) und rechten Glauben (Orthodoxie) gleichermaßen setzen.
Was soll an dieser Aussage problematisch oder gar häretisch sein?
Wen fragst Du das, und warum fragst Du das?

Gruß
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Sempre
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

cantus planus hat geschrieben:Ich kann mich auch nur wundern, was einige Leute in die Texte des früheren Kardinals hineinlesen... Es ist nun einmal so: wenn man vor der Suppe sitzend lange genug den Kopf schüttelt, findet man irgendwann auch ein Haar darin. :roll:
Und Roß und Reiter? Wer liest was in welchen Text hinein?

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cantus planus
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von cantus planus »

Bischof Tissier de Mallerais.
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

Libertas Ecclesiae hat geschrieben:
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:Der Versuch, in dieser Krise der Menschheit dem Begriff des Christentums als religio vera wieder einen einsichtigen Sinn zu geben, muss sozusagen auf rechtes Handeln (Orthopraxie) und rechten Glauben (Orthodoxie) gleichermaßen setzen.
Was soll an dieser Aussage problematisch oder gar häretisch sein?
Wenn ich auch diese Aussage nicht zu irgendeinem Zweck ins Feld geführt habe, so kann ich doch -da Du sie anführst- anmerken, dass es mich enttäuscht, dass der Präfekt der Glaubenskongregation der Auffassung ist, dass das Christentum zur Zeit nicht in der Lage sei, seinen Anspruch als religio vera mit der Vernunft zu verteidigen und sich darauf zurückziehen müsse, mittels Orthopraxie und Orthodoxie einstweilen durchzuhalten. Der Grund dafür liegt wohl darin, dass Ratzinger die Philosophien von Kant & Co. akzeptiert, die einst auf den Index gesetzt wurden.

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Zuletzt geändert von Sempre am Montag 8. März 2010, 23:40, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

cantus planus hat geschrieben:Bischof Tissier de Mallerais.
Und was liest er in welchen Text hinein?

Gruß
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cantus planus
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von cantus planus »

Bischof Tissier de Mallerais, Bernard, Piusbruderschaft, liest in das Gesamtwerk von Ratzinger, Joseph, heute: Benedikt XVI., Häresien hinein, indem er selektiv Sätze aus dem Zusammenhang reißt, die in der Tat für sich genommen mißverständlich sein können. Sie sind jedoch im Blick auf das Gesamtwerk und vor allem auf das Lebenswerk Ratzingers zu sehen.

Einen wirklich skandalösen Satz, wegen dem seine "Einführung" damals in einigen Diözesen auf dem Index landete, hat er nachträglich präzisiert und korrigiert (die unglückliche Wortwahl vom "Mythos" im Zusammenhang mit der Gottesmutter).
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Beitrag von Sempre »

cantus planus hat geschrieben:Bischof Tissier de Mallerais, Bernard, Piusbruderschaft, liest in das Gesamtwerk von Ratzinger, Joseph, heute: Benedikt XVI., Häresien hinein, indem er selektiv Sätze aus dem Zusammenhang reißt, die in der Tat für sich genommen mißverständlich sein können. Sie sind jedoch im Blick auf das Gesamtwerk und vor allem auf das Lebenswerk Ratzingers zu sehen.
Soweit hatte ich Dich verstanden. Nun sag doch bitte auch, welche Häresie Tissier in welchen Satz hineinliest. Einstweilen liest sich Deine Behauptung wie Dreckwerferei - hauptsache es bleibt was kleben.

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Gamaliel
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Gamaliel »

cantus planus hat geschrieben:Bischof Tissier de Mallerais, Bernard, Piusbruderschaft, liest in das Gesamtwerk von Ratzinger, Joseph, heute: Benedikt XVI., Häresien hinein, indem er selektiv Sätze aus dem Zusammenhang reißt, die in der Tat für sich genommen mißverständlich sein können.
Bischof Tissier hat die wichtigsten Werke von Kardinal Ratzinger gelesen, er hat sie analysiert und legt nun sein Ergebnis vor. Dieses Ergebnis stützt er mit Zitaten aus den Büchern Ratzingers ab. Es kann kaum erwartet werden, daß er alle Bücher Ratzingers als Fußnote abdruckt, nur um dem Verdacht der selektiven Zitation vorzubeugen.
Niemand ist gezwungen Bischof Tissier´s Analyse zu teilen, doch wer sich mit ihr redlich auseinandersetzen möchte, sollte von Polemik und Pauschalurteilen absehen und sachlich seine konkreten Einwände vorbringen; möglicherweise sind sie berechtigt.
cantus planus hat geschrieben:Sie sind jedoch im Blick auf das Gesamtwerk und vor allem auf das Lebenswerk Ratzingers zu sehen.
Nein, so ist die Kirche nie bei der Beurteilung von Büchern vorgegangen.

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cantus planus
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von cantus planus »

Gamaliel hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Bischof Tissier de Mallerais, Bernard, Piusbruderschaft, liest in das Gesamtwerk von Ratzinger, Joseph, heute: Benedikt XVI., Häresien hinein, indem er selektiv Sätze aus dem Zusammenhang reißt, die in der Tat für sich genommen mißverständlich sein können.
Bischof Tissier hat die wichtigsten Werke von Kardinal Ratzinger gelesen, er hat sie analysiert und legt nun sein Ergebnis vor. Dieses Ergebnis stützt er mit Zitaten aus den Büchern Ratzingers ab. Es kann kaum erwartet werden, daß er alle Bücher Ratzingers als Fußnote abdruckt, nur um dem Verdacht der selektiven Zitation vorzubeugen.
Niemand ist gezwungen Bischof Tissier´s Analyse zu teilen, doch wer sich mit ihr redlich auseinandersetzen möchte, sollte von Polemik und Pauschalurteilen absehen und sachlich seine konkreten Einwände vorbringen; möglicherweise sind sie berechtigt.
Das nehme ich mir für morgen vor. Jetzt bin ich schon zu müde. :ja:
Außerdem ist das alles auf Englisch. Das kann ich nicht. :breitgrins:
Gamaliel hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Sie sind jedoch im Blick auf das Gesamtwerk und vor allem auf das Lebenswerk Ratzingers zu sehen.
Nein, so ist die Kirche nie bei der Beurteilung von Büchern vorgegangen.
Hier wird aber kein Buch beurteilt, sondern eine persönliche Theologie untersucht.
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Gamaliel
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Gamaliel »

cantus planus hat geschrieben:Außerdem ist das alles auf Englisch. Das kann ich nicht. :breitgrins:
Oh, Du Armer! Vielleicht findest Du ja irgendwo eine Menschenseele in Deiner Nähe, die Englisch spricht und Dir behilflich sein kann :breitgrins:
cantus planus hat geschrieben:
Gamaliel hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Sie sind jedoch im Blick auf das Gesamtwerk und vor allem auf das Lebenswerk Ratzingers zu sehen.
Nein, so ist die Kirche nie bei der Beurteilung von Büchern vorgegangen.
Hier wird aber kein Buch beurteilt, sondern eine persönliche Theologie untersucht.
Diese Theologie wird aber anhand von einzelnen Büchern beurteilt. Jedes von ihnen muß in sich stimmig sein, denn "Retractationes" sind mir von Papst Benedikt noch keine bekannt.

Eine angenehme Nachtruhe :nuckel:

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cantus planus
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von cantus planus »

Gamaliel hat geschrieben:Diese Theologie wird aber anhand von einzelnen Büchern beurteilt. Jedes von ihnen muß in sich stimmig sein, denn "Retractationes" sind mir von Papst Benedikt noch keine bekannt.

Eine angenehme Nachtruhe :nuckel:
Doch. Einzelne Aussagen hat er schon korrigiert. Z. B. die Sache mit dem "Mythos", den ich oben erwähnte.

So, jetzt wird es wirklich Zeit. Morgen mehr davon! :gaehn:
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Raphael

Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Raphael »

Gamaliel hat geschrieben:Bischof Tissier hat die wichtigsten Werke von Kardinal Ratzinger gelesen, er hat sie analysiert und legt nun sein Ergebnis vor. Dieses Ergebnis stützt er mit Zitaten aus den Büchern Ratzingers ab. Es kann kaum erwartet werden, daß er alle Bücher Ratzingers als Fußnote abdruckt, nur um dem Verdacht der selektiven Zitation vorzubeugen.
Niemand ist gezwungen Bischof Tissier´s Analyse zu teilen, doch wer sich mit ihr redlich auseinandersetzen möchte, sollte von Polemik und Pauschalurteilen absehen und sachlich seine konkreten Einwände vorbringen; möglicherweise sind sie berechtigt.
Gib doch 'mal eine Kurzzusammenfassung von Tissier's Analyse:
Welches philosophische System vertritt der Theologe Josef Ratzinger?
Wie sieht Tissier bei Ratzinger das Verhältnis von Theologie und Philosophie?
An welchen Stellen in seinen Schriften rückt Ratzinger nach Meinung Tissier's von dem katholischen Glauben als der religio vera ab?
Welche Methodologie nutzt Tissier, um zu seiner Einschätzung über das Werk Ratzingers zu gelangen?

Und bedenke bitte: Wir sind hier in einem Internet-Forum und keinem theologischen Proseminar!

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Gamaliel
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Gamaliel »

Raphael hat geschrieben:Gib doch 'mal eine Kurzzusammenfassung von Tissier's Analyse:
Welches philosophische System vertritt der Theologe Josef Ratzinger?
Wie sieht Tissier bei Ratzinger das Verhältnis von Theologie und Philosophie?
An welchen Stellen in seinen Schriften rückt Ratzinger nach Meinung Tissier's von dem katholischen Glauben als der religio vera ab?
Welche Methodologie nutzt Tissier, um zu seiner Einschätzung über das Werk Ratzingers zu gelangen?

Und bedenke bitte: Wir sind hier in einem Internet-Forum und keinem theologischen Proseminar!
Das ist mir ehrlicherweise gesagt zu zeitaufwändig. Schon jetzt wird (wie z.B. von cantus planus) beanstandet, daß Bischof Tissier sehr verkürzend argumentiert, was wird da erst an "Beschwerden" folgen, wenn davon eine Kurzfassung erstellt wird...

Außerdem fehlt mir der "masochistische" Trieb die potentiellen "Gegner" der Arbeit von Bischof Tissier durch eine Zusammenfassung überhaupt erst in die Lage zu versetzen diese zu kritisieren und dann auch noch die vorgebrachte Kritik (sofern möglich) auszuräumen. :neinfreu:

Die Abhandlung von Bischof Tissier ist ohne Vorwort und Fußnoten gerade einmal 70 Seiten lang. Das durchzulesen dürfte für jemanden, den die Dinge interessieren überhaupt kein Problem sein.

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Haiduk
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Haiduk »

Gamaliel hat geschrieben:Die Abhandlung von Bischof Tissier ist ohne Vorwort und Fußnoten gerade einmal 70 Seiten lang. Das durchzulesen dürfte für jemanden, den die Dinge interessieren überhaupt kein Problem sein.
Wie ist denn der Titel dieser Abhandlung und wo könnte man sie bestellen?
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Mt. 5, 37)
Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. (2. Kor. 10,4)

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Gamaliel
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Gamaliel »

Haiduk hat geschrieben:Wie ist denn der Titel dieser Abhandlung und wo könnte man sie bestellen?
siehe: viewtopic.php?p=359622#p359622

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Robert Ketelhohn
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Sempre hat geschrieben:
Libertas Ecclesiae hat geschrieben:
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:Der Versuch, in dieser Krise der Menschheit dem Begriff des Christentums als religio vera wieder einen einsichtigen Sinn zu geben, muss sozusagen auf rechtes Handeln (Orthopraxie) und rechten Glauben (Orthodoxie) gleichermaßen setzen.
Was soll an dieser Aussage problematisch oder gar häretisch sein?
Wenn ich auch diese Aussage nicht zu irgendeinem Zweck ins Feld geführt habe, so kann ich doch – da Du sie anführst – anmerken, dass es mich enttäuscht, dass der Präfekt der Glaubenskongregation der Auffassung ist, dass das Christentum zur Zeit nicht in der Lage sei, seinen Anspruch als religio vera mit der Vernunft zu verteidigen und sich darauf zurückziehen müsse, mittels Orthopraxie und Orthodoxie einstweilen durchzuhalten. Der Grund dafür liegt wohl darin, dass Ratzinger die Philosophien von Kant & Co. akzeptiert, die einst auf den Index gesetzt wurden.
Was du da herausliest, steht in Ratzingers Satz nicht drin. In keiner Weise. Dein Mißverständnis scheint an einer völlig schiefen Sicht der heutigen Welt und des heutigen Menschen zu tun zu haben. Mich überrascht (und bestürzt) das und läßt mich einigermaßen ratlos, weil ich dich hier als jemanden kennengelernt habe, der die Dinge um uns herum mit klarem Blick beobachtet.

Nicht die Kirche oder die Christenheit ist nach Ratzingers zitiertem Satz »nicht in der Lage«, den Glauben vernünftig zu begründen, sondern der heutige Mensch ist zuallermeist nicht mehr in der Lage, die vernünftige Begründung des Glaubens zu erfassen, anzunehmen und nachzuvollziehen.

Dies Phänomen steht in eklatantem Gegensatz zur Situation vor, sagen wir, achtzehnhundert Jahren, als die Kirche auch mit ihrer vernunftgemäßen Begründung des Glaubens offene Türen bei den „Intellektuellen“ einrannte, sich als die wahre Aufklärung erzeigte und so auch von den Menschen angenommen wurde.

Wir müssen uns also fragen, warum das heute nicht mehr so ist. Dem kurzen Satz Ratzingers, dessen Kontext ich nicht kenne, entnehme ich den wichtigen Hinweis, daß zur vernunftgemäßen Begründung das lebendige Vorbild treten muß. Ja, vielleicht sogar eher umgekehrt, was unsre Wahrnehmung seitens der Welt betrifft. Solange die Welt nicht sieht, wie und was wir glauben und warum, solange kommen unsere Argumente nicht an. Sie durchdringen schon die äußere Schutzhülle der durch Medien und Umwelt gegen Gnade und Wahrheit und Vernunft imprägnierten Menschen nicht. Es muß erst Interesse erwachen, Neugier auf etwas anderes, ihnen bislang Fremdes.

Da müssen wir uns fragen, ein jeder für sich, was die Welt an ihm von der Verheißung wahrnehmen kann, die mir und dir zuteil wurde. Fragt mich einer nach der Hoffnung, die mich bewegt, kann ich dann frei und munter sprechen: »Komm und sieh«?
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Sempre
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:
Libertas Ecclesiae hat geschrieben:
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:Der Versuch, in dieser Krise der Menschheit dem Begriff des Christentums als religio vera wieder einen einsichtigen Sinn zu geben, muss sozusagen auf rechtes Handeln (Orthopraxie) und rechten Glauben (Orthodoxie) gleichermaßen setzen.
Was soll an dieser Aussage problematisch oder gar häretisch sein?
Wenn ich auch diese Aussage nicht zu irgendeinem Zweck ins Feld geführt habe, so kann ich doch – da Du sie anführst – anmerken, dass es mich enttäuscht, dass der Präfekt der Glaubenskongregation der Auffassung ist, dass das Christentum zur Zeit nicht in der Lage sei, seinen Anspruch als religio vera mit der Vernunft zu verteidigen und sich darauf zurückziehen müsse, mittels Orthopraxie und Orthodoxie einstweilen durchzuhalten. Der Grund dafür liegt wohl darin, dass Ratzinger die Philosophien von Kant & Co. akzeptiert, die einst auf den Index gesetzt wurden.
Was du da herausliest, steht in Ratzingers Satz nicht drin. In keiner Weise. Dein Mißverständnis scheint an einer völlig schiefen Sicht der heutigen Welt und des heutigen Menschen zu tun zu haben. Mich überrascht (und bestürzt) das und läßt mich einigermaßen ratlos, weil ich dich hier als jemanden kennengelernt habe, der die Dinge um uns herum mit klarem Blick beobachtet.
Ja, stimmt, in dem Satz allein steht das nicht drin. Allerdings war es auch nicht meine Absicht, das, was ich schrieb, allein aus diesem Satz herauszulesen. Es war hier wohl in jüngster Zeit zu oft vom Mißbrauch einzelner herausgerissener Sätze die Rede, so dass sich diese falsche Idee aufdrängen mag. Libertas Ecclesiae zitiert aus dem Artikel Kardinal Ratzingers, aus dem ich weiter oben bereits zitiert hatte, und hat die Quelle nicht nocheinmal angegeben. Der Satz ist der drittletzte in dem Artikel.

Der Gedankengang des Kardinals sieht grob so aus (auf die Schnelle durch selektives Zitieren herausgestellt):
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:
Der angezweifelte Wahrheitsanspruch
Die Krise des Christentums am Beginn
des dritten Jahrtausends
Von Joseph Kardinal Ratzinger
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.01.2000, Nr. 6, Bilder und Zeiten, Seite I
[...]
Zunächst stellt sich immer mehr die Frage, ob der Begriff Wahrheit sinnvollerweise überhaupt auf die Religion angewandt werden könne, mit anderen Worten, ob es dem Menschen gegeben ist, die eigentliche Wahrheit über Gott und die göttlichen Dinge zu erkennen. Das Christentum befindet sich für das heutige Denken keineswegs in einer positiveren Perspektive als die anderen Religionen - im Gegenteil: Mit seinem Wahrheitsanspruch scheint es besonders blind zu sein gegenüber der Grenze all unserer Erkenntnis des Göttlichen. Über seinem Sohnesbewusstsein; der Ursprung der Kirche in Jesus erscheint zweifelhaft und so fort.
[...]
Die philosophische Grundlage des Christentums ist durch das "Ende der Metaphysik" problematisch geworden, seine historischen Grundlagen stehen infolge der modernen historischen Methoden im Zwielicht. So liegt es auch von daher nahe, die christlichen Inhalte ins Symbolische zurückzunehmen, ihnen keine höhere Wahrheit zuzusprechen als den Mythen der Religionsgeschichte
[...]
Genau dies sagt heute die Aufklärung: Die Wahrheit als solche kennen wir nicht; in unterschiedlichen Bildern meinen wir doch dasselbe.
[...]
Ist demnach der Anspruch des Christentums, religio vera zu sein, durch den Fortgang der Aufklärung überholt? [...] Dies ist die eigentliche Frage, der sich heute Kirche und Theologie zu stellen haben.
[...]
Ich versuche zum Schluss nur einen Ausblick, der die Richtung zeigen könnte. Wir hatten gesehen, dass die ursprüngliche, freilich nie ganz unbestrittene Beziehungseinheit zwischen Aufklärung und Glaube, die schließlich bei Thomas von Aquin auf eine systematische Form gebracht worden war, weniger durch die Entwicklung des Glaubens als vielmehr durch die neuen Schritte der Aufklärung zerrissen worden ist. [...] Die durch das christliche Denken vollzogene Trennung von Physik und Metaphysik wird immer mehr zurückgenommen. Alles soll wieder "Physik" werden. [...] Eine umfassend das Ganze alles Wirklichen erklärende Evolutionstheorie ist zu einer Art "erster Philosophie" geworden, die sozusagen die eigentliche Grundlage für das aufgeklärte Verständnis der Welt darstellt.
[...]
Ist damit das letzte Wort gesprochen, sind Vernunft und Christentum demnach definitiv voneinander getrennt? Jedenfalls führt an dem Disput über die Reichweite der Evolutionslehre als erster Philosophie und über die Ausschließlichkeit positiver Methode als einziger Weise von Wissenschaft und von Rationalität kein Weg vorbei. Dieser Disput muß daher von beiden Seiten sachlich und hörbereit in Angriff genommen werden, was bisher nur in geringem Maß geschehen ist.
[...]
Letzten Endes geht es um die Frage, ob die Vernunft beziehungsweise das Vernünftige am Anfang aller Dinge und auf ihrem Grunde steht oder nicht. Es geht um die Frage, ob das Wirkliche auf Grund von Zufall und Notwendigkeit, also aus dem Vernunftlosen entstanden ist, ob mithin die Vernunft ein zufälliges Nebenprodukt des Unvernünftigen und im Ozean des Unvernünftigen letztlich auch bedeutungslos ist oder ob wahr bleibt, was die Grundüberzeugung des christlichen Glaubens und seiner Philosophie bildet: In principio erat verbum - am Anfang aller Dinge steht die schöpferische Kraft der Vernunft.
[...]
Durch seine Option für den Primat der Vernunft bleibt das Christentum auch heute "Aufklärung".
[...]
Zu einer Ethik des Universalen Friedens, der praktischen Nächstenliebe und der nötigen Überwindung des Eigenen, die wir brauchen, ist dies alles wenig tauglich.
Der Versuch, in dieser Krise der Menschheit dem Begriff des Christentums als religio vera wieder einen einsichtigen Sinn zu geben, muss sozusagen auf rechtes Handeln (Orthopraxie) und rechten Glauben (Ortho-doxie) gleichermaßen setzen. Sein Inhalt wird heute - letztlich wie damals - im Tiefsten darin bestehen müssen, dass Liebe und Vernunft als die eigentlichen Grundpfeiler des Wirklichen zusammenfallen. Die wahre Vernunft ist die Liebe, und die Liebe ist die wahre Vernunft. In ihrer Einheit sind sie der wahre Grund und das Ziel alles Wirklichen. [Ende]
Kardinal Ratzinger stellt die Frage, ob der Anspruch des Christentums, religio vera zu sein, durch den Fortgang der Aufklärung überholt sei. Dieser Frage hätten sich Kirche und Theologie heute zu stellen. Eine Antwort auf diese Frage hat er nicht. Er versucht nur eine Richtung anzugeben, in der man einen Ausweg aus dem Dilemma suchen müsse.

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Nicht die Kirche oder die Christenheit ist nach Ratzingers zitiertem Satz »nicht in der Lage«, den Glauben vernünftig zu begründen, sondern der heutige Mensch ist zuallermeist nicht mehr in der Lage, die vernünftige Begründung des Glaubens zu erfassen, anzunehmen und nachzuvollziehen.
Das ist Deine und meine Meinung, nicht aber die Meinung Ratzingers. (Wenngleich der von Libertas Ecclesia zitierte Satz separat auch anders gelesen werden kann.)
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Dies Phänomen steht in eklatantem Gegensatz zur Situation vor, sagen wir, achtzehnhundert Jahren, als die Kirche auch mit ihrer vernunftgemäßen Begründung des Glaubens offene Türen bei den „Intellektuellen“ einrannte, sich als die wahre Aufklärung erzeigte und so auch von den Menschen angenommen wurde.

Wir müssen uns also fragen, warum das heute nicht mehr so ist.
Schön, wenn Kardinal Ratzinger die Sache so sähe wie Du. Er sieht aber eine tatsächliche Diskrepanz zwischen Glaube und Vernunft. Dabei spricht er u.a. auch von `moderner Vernunft'.

Während Du sagst, dass der heutige Mensch zuallermeist nicht mehr in der Lage ist, die vernünftige Begründung des Glaubens zu erfassen, anzunehmen und nachzuvollziehen sieht Ratzinger ein tiefergehendes Problem. Die Philosophie der Aufklärung, die `moderne Vernunft' habe den hl. Thomas zerrissen (nach dem die Päpste, zuletzt JPII, riefen, weil er ein authentisches Vorbild für alle ist, die nach der Wahrheit suchen; [Fides et Ratio]). Ratzinger meint, die Kirche muss zwar, sei aber zur Zeit nicht in der Lage dazu, den Anspruch, religio vera zu sein, vor der `modernen Vernunft' zu verteidigen.

Zu Problemen, die sich ergeben, wenn man die `moderne Vernunft' und den Glauben unter einen Hut bringen will, schreibt Bischof Tissier de Mallerais.

Gruß
Sempre
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

Raphael

Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Raphael »

@ sempre

Mir scheint, Du machst den Fehler, den Bernardo an anderer Stelle schon einmal bei manchen Leuten diagnostiziert hatte, die sich mit Ratzingers theologischen Schriften befassen:
Aus den Passagen, in denen Ratzinger den Gegner zu Wort kommen läßt, siehst Du eine eigene Meinungsäußerung Ratzingers.

In Wahrheit handelt es sich aber um die gute alte scholastische Methode, die der Aquinat auch in der Summa contra gentiles anwendet:
Zunächst wird die gegnerische Position erläutert und daran anschließend der eigene Denkansatz geschildert, mit dem diesen Häresien entgegnet werden kann.
In diesen Entgegnungen ist - meiner Einschätzung nach - der Theologe Josef Ratzinger immer sehr milde in der Formulierung.

Vielleicht ist es das, was Dich stört ...................

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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

Raphael hat geschrieben:Mir scheint, Du machst den Fehler, den Bernardo an anderer Stelle schon einmal bei manchen Leuten diagnostiziert hatte, die sich mit Ratzingers theologischen Schriften befassen:
Aus den Passagen, in denen Ratzinger den Gegner zu Wort kommen läßt, siehst Du eine eigene Meinungsäußerung Ratzingers.
Kannst Du das bitte aufzeigen?! In welchen Passagen, in denen Ratzinger den Gegner zu Wort kommen läßt, sehe ich eine eigene Meinungsäußerung Ratzingers?

Gruß
Sempre
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

Raphael

Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Raphael »

Du schreibst bspw.:
sempre hat geschrieben:Kardinal Ratzinger stellt die Frage, ob der Anspruch des Christentums, religio vera zu sein, durch den Fortgang der Aufklärung überholt sei.
Durch die Frage in dem von Dir davor zitierten FAZ-Artikel sagt Ratzinger jedoch lediglich, daß die Anfrage an das Christentum lautet: Ist der Anspruch des Christentums [religio vera zu sein] überholt?
Dies ist aber lediglich die ("zitierte") Anfrage, die sich das Christentum in dieser Welt gefallen lassen muß und die es aus der Tradition und der Hl. Schrift, aus der Orthodoxie und der Orthopraxie heraus zu beantworten hat.
Ratzinger macht sich jedoch nirgendwo den Zweifel, der sich hinter dieser Anfrage an das Christentum verbirgt, zu eigen.

Die Aufklärung hat sich der Methode verschrieben, Fragen zu stellen, die kaum verhüllt die Zweifel erkennen lassen, ob es denn überhaupt eine sinnvolle Antwort auf die von der Aufklärung selbst gestellten Fragen gibt. Ja, es gibt sogar philosophische Extrempositionen, die einen Sinn in diesem Universum verneinen.
Spaemann hat AFAIR 'mal geschrieben, daß noch von den Aufklärern des 18. Jahrhunderts Gott und Wahrheit als absolute Werte nicht in Frage gestellt worden sind. Dies gelang erst den Solipsisten am Beginn des 19. Jahrhunderts und den Nihilisten am Ende des 19. Jahrhunderts.

Dann schreibst Du:
Sempre hat geschrieben:Eine Antwort auf diese Frage hat er nicht. Er versucht nur eine Richtung anzugeben, in der man einen Ausweg aus dem Dilemma suchen müsse.
Natürlich hat er eine Antwort, die er in seinem Lebensvollzug auch mitteilt.
Orthopraxie: Sein Leben als Priester!
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Sempre
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

Raphael hat geschrieben:Du schreibst bspw.:
sempre hat geschrieben:Kardinal Ratzinger stellt die Frage, ob der Anspruch des Christentums, religio vera zu sein, durch den Fortgang der Aufklärung überholt sei.
Durch die Frage in dem von Dir davor zitierten FAZ-Artikel sagt Ratzinger jedoch lediglich, daß die Anfrage an das Christentum lautet: Ist der Anspruch des Christentums [religio vera zu sein] überholt? Dies ist aber lediglich die ("zitierte") Anfrage, die sich das Christentum in dieser Welt gefallen lassen muß und die es aus der Tradition und der Hl. Schrift, aus der Orthodoxie und der Orthopraxie heraus zu beantworten hat.
Ratzinger macht sich jedoch nirgendwo den Zweifel, der sich hinter dieser Anfrage an das Christentum verbirgt, zu eigen.
Ja, er macht sich persönlich nicht den Zweifel zu eigen, ob nun das Christentum die religio vera sei oder nicht. Er ist davon überzeugt, was er im letzten Satz sagt: Die wahre Vernunft ist die Liebe, und die Liebe ist die wahre Vernunft. In ihrer Einheit sind sie der wahre Grund und das Ziel alles Wirklichen.

Allerdings sieht er die Frage nicht nur als eine von außen an das Christentum herangetragene:
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:Alle Krisen im Inneren des Christentums, beruhen nur ganz sekundär auf institutionellen Problemen. Die Probleme der Institutionen wie der Personen in der Kirche rühren letztlich von der gewaltigen Wucht dieser Frage her. Dies ist die grundsätzliche Herausforderung am Beginn des dritten christlichen Jahrtausends.

Mein Punkt ist nun nicht, dass Kardinal Ratzinger persönliche Zweifel bzgl. der religio vera habe. Mein Punkt ist, dass er das Christentum nicht in der Lage sieht, den Anspruch zur Zeit angemessen zu vertreten.

Die Frage, auf die Ratzinger keine Antwort hat, ist folgende ...
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:Das Christentum, könnten wir vereinfachend sagen, überzeugte durch die Verbindung des Glaubens mit der Vernunft und durch die Ausrichtung des Handelns auf die Caritas, auf die liebende Fürsorge für die Leidenden, Armen und Schwachen, über alle Standesgrenzen hinweg.

Die Kraft des Christentums, die es zur Weltreligion werden ließ, bestand in seiner Synthese von Vernunft, Glaube und Leben; genau diese Synthese ist in dem Wort von der religio vera zusammenfassend ausgedrückt. Umso mehr drängt sich die Frage auf: Warum überzeugt diese Synthese heute nicht mehr? Warum gelten heute im Gegenteil Aufklärung und Christentum als einander widersprechend, ja ausschließend? Was hat sich an der Aufklärung, was am Christentum geändert, dass es so ist?
... und das ist sein Grund warum:
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:Diese Letztfrage [Primat des Logos vor der Materie] kann nicht mehr durch naturwissenschaftliche Argumente entschieden werden, und auch das philosophische Denken stößt hier an seine Grenzen. In diesem Sinn gibt es eine letzte Beweisbarkeit der christlichen Grundoption nicht.
Zu eigen macht sich Ratzinger die jüngere Philosophie und kommt so zu dem Schluss, dass die traditionellen Beweise der Vernünftigkeit der christlichen Grundannahme nicht mehr ziehen.

Raphael hat geschrieben:Dann schreibst Du:
Sempre hat geschrieben:Eine Antwort auf diese Frage hat er nicht. Er versucht nur eine Richtung anzugeben, in der man einen Ausweg aus dem Dilemma suchen müsse.
Natürlich hat er eine Antwort, die er in seinem Lebensvollzug auch mitteilt.
Orthopraxie: Sein Leben als Priester!
Orthodoxie: Pars pro toto seine Enzyklika "Deus caritas est"!
Das ist die Antwort auf die Frage, wie einstweilen zu verfahren sei, während Kirche und Theologie gerufen sind, sich dem Problem zu widmen. Und diese Antwort
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:bedeutet beileibe nicht, dass man sich dem intellektuellen Anspruch des Problems mit dem Verweis auf den notwendigen Praxisbezug entziehen dürfte.
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Sempre
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Raphael

Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Raphael »

Vielleicht beseitigt folgender Vortrag des vormaligen Präfekten des Glaubenskongregation Deine Bauchschmerzen:
Der Sieg der Einsicht über die Welt der Religionen

Außerdem sei noch auf die Gespräche mit Habermas an der Katholischen Akademie Bayerns hingewiesen:
Vorpolitische moralische Grundlagen eines freiheitlichen Staates

Oder sein Buch mit dem italienischen Senatspräsidenten: Ohne Wurzeln: Der Relativismus und die Krise der europäischen Kultur

Er war eben schon vor seiner Zeit als Pontifex ein Brückenbauer, und dies gerade weil eben der katholische Glauben mit der Vernunft vereinbar bleibt, auch wenn Tissier an der Hermeneutik des Papstes herumkrittelt.

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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Libertas Ecclesiae »

@ Gamaliel

Sorry, ich bezog mich auf diese Aussage von Sempre:
Sempre hat geschrieben:Tissier schreibt über den Spagat Ratzingers: ein Bein in der Kirche, das andere in Welt. A.D. 2 hat Ratzinger in der FAZ knapp formuliert, was sein zentrales Ansinnen ist: "[wir brauchen eine] Ethik des Universalen Friedens, der praktischen Nächstenliebe und der nötigen Überwindung des Eigenen" (teilhard.de).
Dann hat Sempre also Tissier, nein falsch, nicht Tissier, sondern Ratzinger missverstanden?

Um Tissier zu verstehn, muss man also das hier lesen:

http://www.truerestoration.blogspot.com ... erais.html

Geht das nicht kürzer? Worauf will Tissier eigentlich hinaus?
Zuletzt geändert von Libertas Ecclesiae am Dienstag 9. März 2010, 19:12, insgesamt 1-mal geändert.
„Die letzte Messe ist noch nicht gelesen.“
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Gamaliel »

Libertas Ecclesiae hat geschrieben:Ich glaube kaum, dass Tissier, auch vor dem Hintergrund des hier zuletzt von Sempre Reflektierten, dem Anliegen des damaligen Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre und gegenwärtigen Papstes gerecht wird.
Libertas, hast Du den Aufsatz von Bischof Tissier schon gelesen?
Libertas Ecclesiae hat geschrieben:Das, was Tissier hier wiedergibt [meine Hervorhebung], war und ist nie das "zentrale Ansinnen" Ratzingers gewesen (schon eher das von Hans Küng mit seinem "Projekt Weltethos").
Hast Du, bevor Du diese Bemerkung gemacht hast, die vorhergehenden Postings gelesen, nämlich

das: viewtopic.php?p=360736#p360736
und das: viewtopic.php?p=360741#p360741
und schließlich das: viewtopic.php?p=360777#p360777

:hmm:

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Sempre
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

Raphael hat geschrieben:Vielleicht beseitigt folgender Vortrag des vormaligen Präfekten des Glaubenskongregation Deine Bauchschmerzen:
Der Sieg der Einsicht über die Welt der Religionen
Leider nein. Wie auch? Es handelt sich ja um denselben Text, nur am Anfang etwas ausführlicher.

Raphael hat geschrieben:Außerdem sei noch auf die Gespräche mit Habermas an der Katholischen Akademie Bayerns hingewiesen:
Vorpolitische moralische Grundlagen eines freiheitlichen Staates
Bischof Tissier de Mallerais behandelt auch die dortige (Seite 5) Stellungnahme von Joseph Kardinal Ratzinger.

Ich hatte weiter oben geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Tissier erklärt, wie Ratzinger/Benedikt Glaube und (aufgeklärte) Vernunft durch gegenseitige Bereinigung beider unter eine Decke bringen will (Intoleranz des Glaubens vs. blinde Autonomie der aufgeklärten Vernunft). Es lohnt sich, das zu lesen.
Das bezieht sich auf die Gespräche mit Habermas. Wer's nicht kennt, dem empfehle ich wenigsten die Zusammenfassung Ratzingers zu lesen (Seite 7, links unten, 'Ergebnisse').

Raphael hat geschrieben:Oder sein Buch mit dem italienischen Senatspräsidenten: Ohne Wurzeln: Der Relativismus und die Krise der europäischen Kultur
Das habe ich nicht gelesen, die Kurzbeschreibung verrät allerdings, dass es sich hier neben den Habermas-Gesprächen um einen weiteren Beleg dafür handelt, dass der heutige Papst seit längerem auf der Suche nach einer "Ethik des Universalen Friedens, der praktischen Nächstenliebe und der nötigen Überwindung des Eigenen" ist, wie er in dem FAZ-Artikel sagt.

Gruß
Sempre
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Raphael

Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Raphael »

Libertas Ecclesiae hat geschrieben:Worauf will Tissier eigentlich hinaus?
Eine mögliches Ziel könnte sein, die theologische Kompetenz des Theologen Josef Ratzinger zu unterminieren.
Dies würde zu der von der FSSPX ausgegebenen Parole "Wir müssen den Vatikan zum wahren Glauben zurückführen!" passen und gleichzeitig die Lücke schaffen, in die dann eine ideologisierte Theologie wie die der FSSPX stoßen könnte.

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