Kommentar zu Summorum Pontificum

Rund um den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gemeinschaften.
Stephen Dedalus
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Stephen Dedalus »

Gamaliel hat geschrieben:Die wichtigste Wurzel des NOM liegt in den ökumenistischen und protestantisierenden Tendenzen seiner Macher. In diesem Sinne läge seine entfernte "Ursache" in der Konfessionsspaltung 1517, die die Ökumeniker des letzten Jahrhunderts auf liturgischer Ebene zu überwinden trachteten.
Hier eine Kausalität herstellen zu wollen, wäre sicherlich verfehlt.

Richtig dürfte hingegen wohl sein, daß Entwicklungen, die in der Antwort auf die Reformation ihre Ursache haben, schließlich dazu führten, daß der NOM so ohne größere Probleme durchgesetzt werden konnte.

Im Konzil von Trient setzte sich - aus Angst vor der enormen Anziehungskraft des Protestantismus - ein Zentralismus durch, dessen eine Seite ein liturgischer Uniformismus war, die andere Seite hingegen eine Stärkung des Papsttums in den Kirchentümern, die in Gemeinschaft mit Rom verblieben. Dies fand seinen vorläufigen Abschluß im Ersten Vatikanum mit der juristischen und dogmatischen Überhöhung des Papstamtes. Sicher ist richtig, daß die Änderung der liturgischen Praxis der gesamten Kirche durch den Federstrich eines einzigen Mannes in der Geschichte ohne Beispiel (ebenso ohne Legitimation) ist. Möglich war dies aber nur durch den Zentralismus, der zu diesem Zeitpunkt bereits so verankert war, daß widerständigen Bischöfen nur der Weg ins Schisma blieb.

Die Kirchenspaltung von 1517 wirkte hierin wohl nicht mehr nach. Vielmehr kam hier eine Bewegung zum Zuge, die weit über die Grenzen der römischen Kirche hinaus an Einfluß gewonnen hatte: Die liturgische Bewegung, die einen guten Teil ihrer Inspiration aus dem Rückgriff auf die Alte Kirche gewann (sog. "Archäologismus"). Wir finden diese Entwicklungen nicht nur in der liturgischen Bewegung unter Pius Parsch, wir finden sie ebenso im evangelischen Bereich (Stichwort Michaelbruderschaft, Hochkirchliche Bewegung etc.) und international (vgl. Liturgie der Kirche von Südindien 1947 etc.).

Die Liturgiereform der katholischen Kirche griff mithin dieselben Impulse auf, die auch in anderen kirchlichen Traditionen wirkten. Es ist nicht verwunderlich, daß man hierin einen möglichen Weg sah, in dem Rückgriff auf (zum Teil vermeintliche) gemeinsame Traditionen auch einen Weg aufeinander zu beschreiten zu können.
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Robert Ketelhohn
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich stimme dir im wesentlichen zu, Stephen, möchte aber ergänzen, daß der Zug der liturgischen Bewegung von kirchenfremden Kräften und Interessen geradezu geentert wurde.

Zu von den Vorrednern seit Fiores langem Beitrag wäre auch manches zu erwidern oder zu ergänzen. Ich will bloß wenige Stichwörter aufgreifen:

Die immer wieder traktierte „organische Entwicklung“ der Liturgie ist natürlich formal der Liturgie gemäß – im Gegensatz zu revolutionären Brüchen –, aber weder Selbstzweck noch Garantie gegen Irrwege. Sie muß sich also auch immer wieder hinterfragen, prüfen und ggf. korrigieren lassen.

Die Synodalfragen würde ich an dieser Stelle nicht weiter traktieren und nach ganzen oder halben Jahrtausenden aufrechnen. Die ökumenischen Synoden des ersten halben Jahrtausends der Kirche kann man schwerlich mit der römischen Generalsynoden des dritten gleichsetzen. Andererseits wären die Regionalsynoden und deren fast vollständiges Verschwinden im vierten halben Jahrtausend zu bedenken, ähnlich das Herabsinken der Kirchenprovinzen zu faktischer Bedeutungslosigkeit. Die Übersteigerung des römischen Primatsanspruchs wurde ja schon angesprochen, ohne welche die liturgische Revolution Pauls VI. nie möglich gewesen wäre. Daß diese aber einen langen Vorlauf hatte, darauf hat Fiore zu Recht hingewiesen.

Das Thema dieses Strangs aber ist die Kommentierung des benediktschen Motu proprio Summorum pontificum. Dazu gehört, meine ich, elementar die Frage nach der Absicht Benedikts. Fiore hat das klar auf einen Nenner gebracht:
FioreGraz hat geschrieben:Benedikt versucht eigentlich mit seiner Reform der Reform nicht nur wieder auf längerer Sicht einen echten Ritus zu etablieren, sondern damit auch wieder eine Reform der Kirche an Haupt und Gliedern durchzuführen.
Exakt dies, die berühmte „Reform an Haupt und Gliedern“, halte auch ich für unbedingt nötig. Um aber nicht gleich meine eigenen Vorstellungen davon in die Debatte zu trompeten, verweise ich auf einen Text des Kardinals Joseph Ratzinger: Una Compagnia sempre riformanda. Ratzinger hat diesen Vortrag 1990 beim Meeting der Ciellini in Rimini gehalten. Es geht um das Verständnis von reformation als ablatio. Ich empfehle wärmstens die Lektüre (mit Bitte um Nachsicht, daß ich keine Übersetzung liefern kann), denn der Text enthält auch noch für den nunmehrigen Papst Benedikt zentrale Gedanken, die seine Amtsführung und „Kirchenpolitik“ zu verstehen helfen.
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Bernado
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Bernado »

FioreGraz hat geschrieben:Aber das meinte ich ja mit Defeckt, 1500 Jahre lies man eine organische Entwicklung zu, und die letzten 500 Jahre null, nada, da entwickelt sich ein Stau den man mit den NOM beheben wollte künstlich. Und ich schrieb ja im Schlussatz das Trient durch sein rigoroses Eingreifen am Chaos mitschuld ist.
Das ist sachlich so nicht haltbar. Die Entwicklung der ersten 500 Jahre ist uns nur schattenhaft zugänglich, aber wir wissen, daß der Kanon zur Zeit Gregors des Großen schon als uralt galt. Danach hat sich die Entwicklung nur noch sehr langsam vollzogen, allerdings war sie uneinheitlich, wegen der vielen Lokalriten und -varianten.

Mit dem Aufkommen der Franziskaner und ihrer Verbreitung verbreitete sich dann auch der stadtrömische Ritus in Windeseile über ganz Westeuropa, und seit Beginn des 14. Jh hat sich im Missale fast nichts mehr geändert. Die Revision von Pius V. entspricht weitestgehend dem über hundert Jahre älteren Missale Curiae Romanae. Und sie wurde auch immer wieder geändert, um neue Heilige oder Veränderungen des Kalenders szu berücksichtigen.

Das Problem des Ritus in der nachtridentinischen Zeit liegt weniger darin, daß sich das Missale zu wenig verändert hätte, sondern darin, daß sich die Praxis zuviel und vor allem in unguter Richtung veränderte, und das in einer Tendenz, die schon vor Trient einsetzt: Die Orientierung auf die Stille Messe des einzelnen Priesters.

Die Grundform des römischen Ritus ist das Pontifikalamt mit Leviten, Schola, Altardienst und Volk. Das war natürlich nicht überall zu machen, und aus praktischer Notwendigkeit einerseits und aus Unterschätzung der Bedeutgung der Feier im vollen Ritus (Bugnini-Vorläufer schon hier?) wurde die Stille Messe zum de-facto-Standard. Diese Entwicklung setzte sich auch nach Trient ungebrochen fort und brachte ungute Akzentverschiebungen in die gesamte Theologie des Messopfers.

Genau an dieser Stelle setzte denn auch die Liturgische Bewegung in ihrer ersten Phase an, die dem Vollzug der Liturgie da, wo sie verlorengegangen war, ihre Würde zurückgeben und die aktive Teilnahme des betenden Volkes stärken wollte. Große Veränderungen im Ritus oder gar tiefe Eingriffe ins Missale hielt dafür niemand für erforderlich. Die kamen erst mit den liturgischen Revolutionären der Bugnini-Ära und der Nouvelle Theologie, die ja, wie man heute immer deutlicher sehen kann, eine neue Kirche schaffen wollten. Das hat aber mit einem vermeintlichen Reformstau seit Trient nur wenig zu tun.
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Niels
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Niels »

:daumen-rauf:
Bernado hat geschrieben:Bugnini-Vorläufer schon hier?
:panisch: :(
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Gamaliel
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Gamaliel »

Bernado hat geschrieben:Große Veränderungen im Ritus oder gar tiefe Eingriffe ins Missale hielt dafür niemand für erforderlich. Die kamen erst mit den liturgischen Revolutionären der Bugnini-Ära und der Nouvelle Theologie, die ja, wie man heute immer deutlicher sehen kann, eine neue Kirche schaffen wollten. Das hat aber mit einem vermeintlichen Reformstau seit Trient nur wenig zu tun.
Dazu ergänzend die berühmte Aussage von Jean Guitton (einem Freund von Papst Paul VI.) in einer Radiodiskussion des französischen Senders "Lumiere 101" vom 19. Dezember 1993:
"Paul VI. hat alles in seiner Macht Stehende getan, um die katholische Messe - über das Konzil von Trient hinweg - dem protestantischen Abendmahl anzunähern. ... Es gibt bei Paul VI. eine ökumenische Absicht, all das, was es in der Messe an allzu Katholischem im traditionellen Sinn gibt, auszulöschen oder wenigstens zu korrigieren, oder wenigstens abzumildern, um die katholische Messe, ich wiederhole es, der kalvinistischen Messe anzunähern."

Auch diese Aussage erschwert es, der These von der bruchlosen Genese des Missale 1970 Glauben zu schenken. Es läge an den Vertretern der "Hermeneutik der Kontinuität" einmal überzeugend darzulegen, wie sich ein protestantisierendes Missale bruchlos aus dem Missale 1962 entwickeln konnte/kann.

Stephen Dedalus
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Stephen Dedalus »

Gamaliel hat geschrieben: Auch diese Aussage erschwert es, der These von der bruchlosen Genese des Missale 1970 Glauben zu schenken. Es läge an den Vertretern der "Hermeneutik der Kontinuität" einmal überzeugend darzulegen, wie sich ein protestantisierendes Missale bruchlos aus dem Missale 1962 entwickeln konnte/kann.
Die Auffassung, der NOM sei protestantisch oder wenigstens "protestantisierend" ,wird vor allem in Traditionalistenkreisen kolportiert. Die Vertreter der "Hermeneutik der Kontinuität" machen sich diese Sicht nicht zueigen und werden daher kaum dazu zu bewegen sein, den entsprechenden Beweis zu führen.
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Gamaliel
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Gamaliel »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
Gamaliel hat geschrieben: Auch diese Aussage erschwert es, der These von der bruchlosen Genese des Missale 1970 Glauben zu schenken. Es läge an den Vertretern der "Hermeneutik der Kontinuität" einmal überzeugend darzulegen, wie sich ein protestantisierendes Missale bruchlos aus dem Missale 1962 entwickeln konnte/kann.
Die Auffassung, der NOM sei protestantisch oder wenigstens "protestantisierend" ,wird vor allem in Traditionalistenkreisen kolportiert. Die Vertreter der "Hermeneutik der Kontinuität" machen sich diese Sicht nicht zueigen und werden daher kaum dazu zu bewegen sein, den entsprechenden Beweis zu führen.
Daß diese Auffassung insbesondere in Traditionalistenkreisen vertreten wird ist richtig; gleichwohl sagt dies natürlich nichts über ihre Wahr- bzw. Falschheit aus. Allerdings gab/gibt es auch außerhalb dieser Kreise namhafte Vertreter einer solchen Sichtweise:

"Ein bekanntes Periodikum, das für Bischöfe bestimmt ist und deren Verlautbarungen enthält, faßte sein Urteil über den neuen Ritus folgendermaßen zusammen: ,Hier will man mit der gesamten Theologie der Messe ,tabula rasa' machen. Im Grunde nähert man sich hier der protestantischen Theologie, die das Meßopfer zerstört hat.'" --- Soweit die Ausführungen der Kardinäle Ottaviani und Bacci in der "Kurzen kritischen Untersuchung des neuen ,Ordo Missae'".

Auch wenn sich die Vertreter der "Hermeneutik der Kontinuität" diese Sicht (verständlicherweise) nicht zu eigen machen, dürfte es doch auch aus ihrer Sicht keine ganz unnütze Aufgabe sein, die eigene Sichtweise einmal sachlich zu begründen. Sie könnten damit sowohl die Falschheit der Argumente ihrer "Gegner" aufzeigen, wie auch die Chance ergreifen durch argumentative Überzeugungsarbeit den einen oder anderen "Gegner" für ihre Position zu gewinnen. Und abgesehen von allen Nützlichkeitserwägungen, scheint es mir auch ein Gebot der Höflichkeit zu sein einen sachlich vorgebrachten Einwand einer Antwort zu würdigen.
Einfach nur zu dekretieren "Es gibt keinen Bruch", ist zwar auch eine Antwort, aber weder eine überzeugende, noch eine die aufgeworfenen Probleme lösende.

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FioreGraz
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von FioreGraz »

@Gamaliel
Ohne seine Künstlichkeit gäbe es den NOM gar nicht, denn der (gesunde) sensus fidelium käme nie auf die Idee so etwas wie den NOM hervorzubringen!
Womit wir ja wieder bei meiner These wären alleine dass er existieren kann ist schon dem Irrweg, weg vom synodalen Prinzip zu verdanken. 13xx hätten einige Bischöfe und Prälaten und so manche Lokalsynoden solche eine "Kompetenzüberschreitung" Roms zurückgewiesen.
Die wichtigste Wurzel des NOM liegt in den ökumenistischen und protestantisierenden Tendenzen seiner Macher. In diesem Sinne läge seine entfernte "Ursache" in der Konfessionsspaltung 1517, die die Ökumeniker des letzten Jahrhunderts auf liturgischer Ebene zu überwinden trachteten.
Hmm, die wichtigste Wurzel liegt denke ich in der Änderung der Denkweise der Menschen und in der liturgischen Bewegung mit ihrer romantische Aufbruchstimmung ala "back to the roots". Das die Ökumeniker hier gewisse Ansatzpunkte sahen Gemeinsamkeiten zu betonen kann schon sein. Die Anliegen der liturgischen Bewegung war nicht unlauterer wie die anderer Reforbewegungen in der Krichengeschichte und auch in so manchen Punkten angebracht, was jedoch nicht rechtfertigt was man dann daraus gemacht hat. Allerding meines erachtens erklärbar, Vat II. wollte eine geistige Verstopfung der Kirche lösen und in den Nachwehen hat man dann leider in desen Namen es möglicherweise etwas zu gut gemeint.

@Bernardo
Das ist sachlich so nicht haltbar. Die Entwicklung der ersten 500 Jahre ist uns nur schattenhaft zugänglich, aber wir wissen, daß der Kanon zur Zeit Gregors des Großen schon als uralt galt. Danach hat sich die Entwicklung nur noch sehr langsam vollzogen, allerdings war sie uneinheitlich, wegen der vielen Lokalriten und -varianten.
Was ja auch erklärbar ist in den ersten 500 JAhren hat und wird sich wahnsinnig viel entwickelt haben, außer du behauptest das 120 in Rom schon eine schola erschalte. Logischerweise kam es hier zu starken umbrüchen die Kirche wuchs von einem Synagogenanhängsle, zu einer Untergrundbewegung, zur Staatskirche, das veränderte das Verständnis der Kirche und der MEnschen in ihr von sich selbst. Zu so großen Verständnisumbrüchen und Denkmusterumbrüchen kam es in der Folgezeit ja dann nicht mehr, daher nur "schleppende" Entwicklung.
Zu großen Umbrüchen im Denken und Verständnis kam es aber wieder, die weltliche Macht Roms war mit Luther dem Untergang geweiht, die Aufklärung führte die Menschen vom mittelalterlichen kollektivverantwortlichleits und Aufgabendenken in die individuelle Verantwortung, die Wissenschaft machte Riesenfortschritte etc. Das krampfhafte festhalten an der alten Ordnung in Rom, dort lebte man ja diesbezüglich in einer Zeitkapsel, führte zu einem Reformstau, da sich der Glaube und das Verständnis der Kirche bzw. der Gläubigen aber auch und insbesondere in der Liturgie ausdrückt, gab es logischerweise auch hier einen Stau bzw. bedürfnisse für Änderungen.
Die Grundform des römischen Ritus ist das Pontifikalamt mit Leviten, Schola, Altardienst und Volk. Das war natürlich nicht überall zu machen, und aus praktischer Notwendigkeit einerseits und aus Unterschätzung der Bedeutgung der Feier im vollen Ritus (Bugnini-Vorläufer schon hier?) wurde die Stille Messe zum de-facto-Standard. Diese Entwicklung setzte sich auch nach Trient ungebrochen fort und brachte ungute Akzentverschiebungen in die gesamte Theologie des Messopfers.
Gerade die stille Messe zeigt meines Erachtens schön den Irrweg auf, der Klerus als Herr der Sakramente versuchte diese immer mehr und mehr dem immer selbstbewusster werdenden "Pöbel" zu entziehen, sich einzuigeln, alles in alem ein soziologisches denn ein theolgisches Phänomen, bzw. waren die theologischen Entwicklungen als Ausruck derer die Liturgie zu werten ist, gegenläufig. Die Gruppe des Klerus und die Gruppe der Gläubigen lief in verschiedne Richtungen. Der Versuch der Liturgiereform dies wieder zu bereinigen war gut, die Umsetzung "S c h e i ß e".

@Gamaliel
Dazu ergänzend die berühmte Aussage von Jean Guitton (einem Freund von Papst Paul VI.) in einer Radiodiskussion des französischen Senders "Lumiere 101" vom 19. Dezember 1993:
"Paul VI. hat alles in seiner Macht Stehende getan, um die katholische Messe - über das Konzil von Trient hinweg - dem protestantischen Abendmahl anzunähern. ... Es gibt bei Paul VI. eine ökumenische Absicht, all das, was es in der Messe an allzu Katholischem im traditionellen Sinn gibt, auszulöschen oder wenigstens zu korrigieren, oder wenigstens abzumildern, um die katholische Messe, ich wiederhole es, der kalvinistischen Messe anzunähern."
So würde ich es nicht sehen, das nach der "Überbetonung" des Opfercharakters auch wieder der "Herrenmahlcharakter" zurückkommen musste war klar, aber man hätte diese beiden Aspekte sicher besser verbinden können indem man der Agape, die ja Abundzu gerne mal als kleiner Umtrunk nach der Messe insbesondere zu Weihnachten genutzt wird, einen höheren Stellewert und einen festen Liturgischen Platz verpasst hätte. Der jetzige Anspruch sowohl Mahl wie auch Opfer is "net Fisch, net Fleisch" und verkommt daher wirklich oft zu prottestantischen Kekserlmampfen.

@Robert
Die immer wieder traktierte „organische Entwicklung“ der Liturgie ist natürlich formal der Liturgie gemäß – im Gegensatz zu revolutionären Brüchen –, aber weder Selbstzweck noch Garantie gegen Irrwege. Sie muß sich also auch immer wieder hinterfragen, prüfen und ggf. korrigieren lassen.
JA logisch aber das schrieb ich ja auch, das die Kriche dann ab und an in Entwicklungen eingreifen und wieder auf Spur bringen muss. Nur dafür muss sie erstmal Entwicklung zulassen, prüfen und das gute behalten, das es da zu Irrwegen kommen kann und kommen wird ist logisch, doch die Kirche ist stark genug, das hat sie bewiesen auch den IRrtuum auszuhalten. JEdoch der Anssatz alles von vornherein zu Ersticken aus Angst vor dem IRrtuum ist der Falsche Ansatz. Jegliche Entfaltung vom ersten Konzil bis zum letztem war eine Geschichte und Reaktion auf leute die zuviel nachdachten und sich irrten, ohne die christologischen Irrtümer hätte sich womöglich keiner genaue Gedanken über das Wesen Christi gemacht und wir hätten keine Defintionen die teilweise eine geisitge Leistung darstellen die schwer zu überbieten ist.
Am Weg zur Erkenntnis sowohl des Einzelner wie auch vieler ist der IRrtuum ein notwendiger Begleiter.

LG
Fiore
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Bernado
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Bernado »

FioreGraz hat geschrieben:Gerade die stille Messe zeigt meines Erachtens schön den Irrweg auf, der Klerus als Herr der Sakramente versuchte diese immer mehr und mehr dem immer selbstbewusster werdenden "Pöbel" zu entziehen, sich einzuigeln, alles in alem ein soziologisches denn ein theolgisches Phänomen, bzw. waren die theologischen Entwicklungen als Ausruck derer die Liturgie zu werten ist, gegenläufig. Die Gruppe des Klerus und die Gruppe der Gläubigen lief in verschiedne Richtungen.
Diese Interpretation kann ich nicht teilen - die Demokratie- bzw. emanzipierungsfrage hier hereinzubringen halte ich für völlig verfehlt.

Die stille Messe erfreute sich auch in der Zeit des schwächer werdenden Glaubens beim Volk großer Beliebtheit. Sie war kurz, man brauchte nichts zu tun, man mußte auch nicht kommunizieren (und vorher beichten), und die Gnade sprang automatisch auf alle über, die sich in den hinteren Bänken zur Ruhe gesetzt hatten. Mit Klerikalisierung kommst du da nicht viel weiter.
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Gamaliel
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Gamaliel »

FioreGraz hat geschrieben:@Gamaliel
Ohne seine Künstlichkeit gäbe es den NOM gar nicht, denn der (gesunde) sensus fidelium käme nie auf die Idee so etwas wie den NOM hervorzubringen!
Womit wir ja wieder bei meiner These wären alleine dass er existieren kann ist schon dem Irrweg, weg vom synodalen Prinzip zu verdanken. 13xx hätten einige Bischöfe und Prälaten und so manche Lokalsynoden solche eine "Kompetenzüberschreitung" Roms zurückgewiesen.
Kleine Präzisierung: Wir kommen zwar beide zum selben Ergebnis, aber nicht auf dem Weg der gleichen These. Sie argumentieren mit - zweifellos richtigen - "kirchenpolitischen" Überlegungen, während ich mich auf das theologische Element vom sensus fidelium stütze. Beide Argumentationslinien (und es gibt sicher auch noch andere) führen allerdings, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, zum selben Ergebnis.

FioreGraz hat geschrieben:@Gamaliel
Dazu ergänzend die berühmte Aussage von Jean Guitton (einem Freund von Papst Paul VI.) in einer Radiodiskussion des französischen Senders "Lumiere 101" vom 19. Dezember 1993:
"Paul VI. hat alles in seiner Macht Stehende getan, um die katholische Messe - über das Konzil von Trient hinweg - dem protestantischen Abendmahl anzunähern. ... Es gibt bei Paul VI. eine ökumenische Absicht, all das, was es in der Messe an allzu Katholischem im traditionellen Sinn gibt, auszulöschen oder wenigstens zu korrigieren, oder wenigstens abzumildern, um die katholische Messe, ich wiederhole es, der kalvinistischen Messe anzunähern."
So würde ich es nicht sehen, das nach der "Überbetonung" des Opfercharakters auch wieder der "Herrenmahlcharakter" zurückkommen musste war klar,... [...] Der jetzige Anspruch sowohl Mahl wie auch Opfer is "net Fisch, net Fleisch" und verkommt daher wirklich oft zu prottestantischen Kekserlmampfen.
Können Sie Ihre These etwas mehr erläutern? Mich würde interessieren:

1. Wann, wodurch und in welcher Weise (d.h. wie äußert sich diese) kam es Ihrer Meinung nach zu einer "Überbetonung" des Opfercharakters? (Ich bezweifle nämlich eine solche "Überbetonung".)
2. Gibt es auch (rechtgläubige) Vertreter der Kirche bzw. maßgebliche Theologen, die diese Meinung teilen?
3. Was halten Sie von der These: "Die hl. Messe ist ein Opfer, aber sie hat ein Mahl"?

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FioreGraz
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von FioreGraz »

Die stille Messe erfreute sich auch in der Zeit des schwächer werdenden Glaubens beim Volk großer Beliebtheit. Sie war kurz, man brauchte nichts zu tun, man mußte auch nicht kommunizieren (und vorher beichten), und die Gnade sprang automatisch auf alle über, die sich in den hinteren Bänken zur Ruhe gesetzt hatten. Mit Klerikalisierung kommst du da nicht viel weiter.
Diese Sichtweise würde ich jetzt nicht gerade als Vorzug der "stillen" Messe herausheben, hier wird die Gnade schon wie magisches Tandwerk behandelt.
Bequemlichkeit im Glauben, Der Wortstamm Communio, Gemeinschaft auch unser kommunizieren Kommunikation kommt davon, zeigt schon an das es hier mit "still sitzen und begnaden lassen" nicht getan sein sollte. Die Dreifaltigkeit in sich ist auch ein höschtes Maß an Kommunikation in sich, kein Stilles absolutes Prinzip, so ist auch die Liturgie eben Kommunikation mit Gott der Gemeinde die ja auch von ihm gewünscht wird. DEmzufolge war es sehr wohl Richtig das mehr "Mitwirkungsmöglichkeiten" für das Volk besteht, natürlich ohne das Kapserltheater was heute oft aufgeführt wird.
1. Wann, wodurch und in welcher Weise (d.h. wie äußert sich diese) kam es Ihrer Meinung nach zu einer "Überbetonung" des Opfercharakters? (Ich bezweifle nämlich eine solche "Überbetonung".)
Einen direkten Zeitpunkt kann man hier sicher nicht angeben, aber es begann meines Erachtens mit der Erstarkung der Kirche. Wenn wir uns die das was wir über die frühchristliche Liturgie wissen anschauen, dann hatte diese Leute ein sehr ehrfurchtsvolles Verhältniss zum Leib Christi aber auch einen viel lockereren oder sagen wir besser natürlicheren pragmatischen Umgang mit ihm. Da wurde das Herrenmahl gefeiert bis man die Agape abtrennte (ca. 3./4. Jhdt), da nahm man die Kommunion mit nach Hause ...... kaum 1000 Jahre später diskutiert man über die Kelchkommunion, über die Partikelfrage und und und.
Die Entwicklung war klar um eine breitenwirksame Bewegung zu werden eignete sich die Kirche automatisch einen rituelleren "erhabeneren" interkulturelleren Stil an. Sie war auch sicher Gott gewollt, er wollte sicher nicht das das Christentum ein "Nischenprodukt" seines Handelns bleibt und damit sein HAndeln ad absurdum führt, es war auch sicher notwendig um uns das Ausmaß seines göttlichen HAndelns bewusst zu machen. Aber man darf nicht die andere Seite vergessen, Gottt wurde MEnsch.
2. Gibt es auch (rechtgläubige) Vertreter der Kirche bzw. maßgebliche Theologen, die diese Meinung teilen?
Nunja rechtgläubig, ... , eine Thomas von Aquin wird man zu solch einer Aussage nicht bewegen können und modernere Theologen stehen bei euch TRadis leider immer im Ruf sowieso verkommen zu sein. Aber sagen wirs mal so, das Vat II hat ja die Liturgiekonstitution angenommen, auch Lefebre hat sie unterschrieben. Damals konnte ja keiner ahnen was man daraus macht, jedoch sah anscheinend auch das Konzil hier "Handlungsedarf", es spricht ja sowohl vom Opfer wie auch HErrenmahl und Vom Opfer das als Herrenmal genossen werden soll.

Und ich denke mal nicht das die MEhrheit der Konzilsbischöfe Modernisten waren.
3. Was halten Sie von der These: "Die hl. Messe ist ein Opfer, aber sie hat ein Mahl"?
Eine treffender und bessere Bezeichnung als sie ist Opfer und MAhl zugleich, denn auch bei den Vätern und der Didache z.B. geht hervor das beides stattfand, entweder getrennt im Zeitlichen Ablauf oder das Mahl war in der Liturgie eingebetet, aber beides war nicht einfach vermischt bzw. das gleiche. Mit dem verschwinden des Leibesmahls bzw. der Agape verschwand meines Erachtens automatisch dieser nicht unbedeutende Aspekt. Und die Agapen was heutzutage gefeiert werden stehen in der Regel nicht mehr in dem Kontext und gehören in dieser Form verboten, zumindest das man sie Agape nennt.

LG
Fiore
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Niels
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Niels »

Gero P. Weishaupt rezensiert weiteren kanonistischen Kommentar zu Summorum Pontificum
(Martin Rehak: Der außerordentliche Gebrauch der alten Form des römischen Ritus.Kirchenrechtliche Skizze zum Motu Proprio):
http://www.kathnews.de/content/index.ph ... #more-375
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Gregorio Magno
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Gregorio Magno »

Gamaliel hat geschrieben:Hat schon jemand die Gelegenheit gefunden, die Arbeit von P. Weishaupt durchzulesen?

Als eines seiner Teilanliegen gibt der Verfasser an: „Die vorliegende Interpretation und Kommentierung dieses universalkirchlichen Rechtstextes soll ein Beitrag sein zu seinem richtigen Verständnis und seiner rechtmäßigen Umsetzung in der kirchlichen Praxis.“

Unter diesem Gesichtspunkt halte ich etwa die Arbeit von P. Weishaupt für mangelhaft.
Um ein Beispiel zu nennen:

Ganz gemäß dem Text des Motu prorio STATUIERT auch P. Weishaupt an mehreren Stellen einfach, daß es zwischen dem Missale von 1962 und dem von 1970 keinen (theologischen) Bruch gäbe.
Er gibt damit die Auffassung von Papst Benedikt zweifelsohne korrekt wieder. Da es aber der Papst bisher nicht für notwendig erachtet hat seine These näher zu begründen, wäre es jedenfalls im Rahmen einer umfangreichen Kommentierung zu erwarten gewesen, daß der Autor – der diese These vorbehaltlos teilt – das eine oder andere Argumente dafür beibrächte.

Um so mehr ist dies gefordert, da es sich weder um eine evidente, noch um eine unumstrittene These handelt.

Zum Beleg möge beispielsweise die „Kurze kritische Untersuchung des neuen ‚Ordo Missae’“ zitiert sein, in der es im Punkt VI. heißt: „Es ist offensichtlich, daß der Novus Ordo nicht mehr den Glauben von Trient darstellen will. An diesen Glauben jedoch ist das katholische Gewissen für immer gebunden.“
Gleichermaßen ging und geht seit 40 Jahren ein Teil der Liturgiereformkritik seitens der Piusbruderschaft (einem nicht unwichtigen „Anlaßfall“ für die Verabschiedung des Motu proprio) genau in die gleiche Richtung.

In dieser inhaltlich (und historisch) sehr wichtigen und zentralen Frage, ist der Kommentar (zumal mit Rücksicht auf das vom Verfasser selbst gesteckte Ziel, nämlich zum Verständnis des Motu proprio beizutragen) defizitär.

Auch in manchen weiteren Punkten (theologischer, wie kirchenrechtlicher Natur) scheint mir der Kommentar – trotz seines quantitativen Umfangs – ungenügend.

Mich würde interessieren, wie dies andere Leser der Arbeit von P. Weishaupt sehen.

ich kenne sehr viel von hw gero und es hat alles hand und fuß und ist nicht irgendwas dahergeschriebenes. die aussage, dass es einen garstig breiten graben gibt, kann zwar nicht ganz von der hand gewiesen werden, doch steht auch der nom durch die traditio (vgl. Weitergabe, Weitererzählen) zusammen mit der offenbarungslehre in kontinuität. ich weiß, dass ich nun von 1000enden zerfleischt werde, doch muss das ganze - von der liturgie und der theologie her - betrachtet werden. vgl man nämlich die originalausgaben mit den verschiedenen landessprachlichen bücher des nom so stellt man fest, dass dadurch der graben um km verbreitert wurde. die urfassung ist noch näher dran, glaubts mir. :breitgrins:

hw geros kommentar ist zum mp das, was man seit langem erwarten darf. es stammt nicht aus der feder von einem prof, der alles zerreden will; vielmehr soll die angelegenheit von der ratio des rechtsstatus betrachtet werden.
"solis instar sola regnet caritas" gregor d. gr.

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Gamaliel
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Gamaliel »

Artikel von Hw. Dr. Gero Weishaupt zu:

Die Umsetzung von “Summorum Pontificum”

Daraus:
... Eine im Vergleich zur bisherigen Gesetzgebung wesentliche Neuerung durch “Summorum Pontificum” besteht darin, dass die Entscheidung darüber nicht beim Bischof liegt, sondern beim Priester vor Ort. Der Pfarrer braucht hierfür kein Indult des Bischofs mehr.

Für diese Änderung des Systems mögen zwei Gründe ausschlaggebend gewesen sein:

Einerseits die Anwendung des Subsidiaritätsprinzip insofern die Entscheidungskompetenz von den Ordinariaten nun auf die Pfarrer verlagert wird und die Bischöfe von der Entscheidung über die in den letzten Jahren vermehrten Anfragen von Priestern und Gläubigen entlastet werden sollen, andererseits aber auch die negativen Erfahrungen im restriktiven Umgang mit der Gewährung des Indultes seitens der bischöflichen Behörden, obwohl Papst Johannes Pauls II. in seinem Motu Proprio “Ecclesia Dei adflicta” von 1988 die Bischöfe zu einem großzügigen Umgang mit der Indultgewährung aufgerufen hatte.
Diese Begründungen halte ich für völlig oberflächlich, um nicht zu sagen für phantastisch (was den Bezug zum Subsidiaritätsprinzip betrifft).

Eine wesentlicher Grund war vielmehr, daß die Unterdrückung der "tridentinischen" Messe ein schweres Unrecht war; dies hat Papst Benedikt erkannt und versucht dafür Abhilfe zu schaffen.

Einen weiteren wichtigen Grund nennt der vormalige Kardinal Ratzinger beispielsweise in "Salz der Erde":
Ich bin zwar der Meinung, daß man viel großzügiger den alten Ritus all denen gewähren sollte, die das wünschen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, was daran gefährlich oder unannehmbar sein sollte. Eine Gemeinschaft, die das, was ihr bisher das Heiligste und Höchste war, plötzlich als strikt verboten erklärt und das Verlangen danach geradezu als unanständig erscheinen läßt, stellt sich selbst in Frage. Denn was soll man ihr eigentlich noch glauben? Wird sie nicht morgen wieder verbieten, was sie heute vorschreibt?
Eine Messe die allgemeinrechtlich erlaubt ist und für die man daher auch kein Indult braucht, ist selbstverständlich in die Entscheidungskompetenz des Priesters vor Ort gegeben und nicht (mehr) in die des Bischofs. Dieser Hintergrund ist völlig ausreichend zur Erklärung der "Änderung des Systems". Der tiefere Sinn der gekünstelten "Begründungen" von Hw. Weishaupt erschließt sich mir nicht.

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ottaviani
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von ottaviani »

Aus praktischen Gründen ist das MP sehr zu begrüssen aber auch nicht mehr

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cantus planus
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von cantus planus »

Etwas optimistischer würde ich es schon sehen: immerhin ist es der Schlüssel zur Wiederherstellung der kirchlichen Normalität nach vierzig Jahren Reformkrampf. Und erste gute Früchte sind schon zu erkennen.
Allerdings hast du vollkommen recht, dass man das MP nicht überbewerten darf. Der Probleme sind nach wie vor viele, und es ist derzeit nicht klar zu erkennen, wohin die Kirche treibt. Gerade in Deutschland ist ja bisher von Reformen nichts zu bemerken. Ganz im Gegenteil! In England und Frankreich hingegen sehr wohl. In Italien vermutlich auch, allerdings kann ich dazu nichts aus eigener Anschauung beitragen.
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Gamaliel
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Gamaliel »

Man muß hier wohl zwischen praktischer und theoretischer Ebene unterscheiden.

Praktisch hat das MP die erwähnten Vorteile und auch erste zaghafte Auswirkungen. Theoretisch müssen aber Vorbehalte gegen das MP angemeldet werden, insofern man es auch als "lehrmäßige" Aussage auffaßt.
Die Behauptung z.B., daß die außerordentliche und ordentliche Form inhaltlich (= glaubensmäßig) denselben Ritus verkörpern, wäre schlichtweg falsch.

Natürlich könnte man derartige Spannungen vermeiden, indem man erstens nicht auf "dogmatischen" Aussagen des MP beharrt und zweitens das MP als Durchgangsstadium zu einer Normalisierung vorstellt. Der Papst (und die FSSPX) wäre dafür wohl zu gewinnen, das Problem sehe ich eher bei den Neokonservativen.

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cantus planus
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von cantus planus »

Gamaliel hat geschrieben:Natürlich könnte man derartige Spannungen vermeiden, indem man erstens nicht auf "dogmatischen" Aussagen des MP beharrt und zweitens das MP als Durchgangsstadium zu einer Normalisierung vorstellt. Der Papst (und die FSSPX) wäre dafür wohl zu gewinnen, das Problem sehe ich eher bei den Neokonservativen.
Ich vermute allerdings, dass die Reise genau dahinführt. Das MP wird nur ein erster Schritt sein.
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Gamaliel
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Gamaliel »

cantus planus hat geschrieben:Ich vermute allerdings, dass die Reise genau dahinführt. Das MP wird nur ein erster Schritt sein.
Dein Wort in Gottes Ohr! :)

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Niels
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von Niels »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Um aber nicht gleich meine eigenen Vorstellungen davon in die Debatte zu trompeten, verweise ich auf einen Text des Kardinals Joseph Ratzinger: Una Compagnia sempre riformanda. Ratzinger hat diesen Vortrag 199 beim Meeting der Ciellini in Rimini gehalten. Es geht um das Verständnis von reformation als ablatio. Ich empfehle wärmstens die Lektüre (mit Bitte um Nachsicht, daß ich keine Übersetzung liefern kann), denn der Text enthält auch noch für den nunmehrigen Papst Benedikt zentrale Gedanken, die seine Amtsführung und „Kirchenpolitik“ zu verstehen helfen.
Diesen Vortrag gibt's endlich auf Deutsch: http://www.vatican-magazin.de/archiv/2 ... ta411.pdf
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civilisation
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von civilisation »

Niels hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Um aber nicht gleich meine eigenen Vorstellungen davon in die Debatte zu trompeten, verweise ich auf einen Text des Kardinals Joseph Ratzinger: Una Compagnia sempre riformanda. Ratzinger hat diesen Vortrag 199 beim Meeting der Ciellini in Rimini gehalten. Es geht um das Verständnis von reformation als ablatio. Ich empfehle wärmstens die Lektüre (mit Bitte um Nachsicht, daß ich keine Übersetzung liefern kann), denn der Text enthält auch noch für den nunmehrigen Papst Benedikt zentrale Gedanken, die seine Amtsführung und „Kirchenpolitik“ zu verstehen helfen.
Diesen Vortrag gibt's endlich auf Deutsch: http://www.vatican-magazin.de/archiv/2 ... ta411.pdf
Danke für den Hinweis. :daumen-rauf:

Ich kannte diesen Vortrag bislang nicht und mir scheint es, daß diejenigen, die jetzt so lauthals von "Reform und Dialog" schreien - seien es die deutschen Bischöfe oder die sich anmaßenden Oberfunktionäre und ihre Schreihälse - diesen Artikel auch nicht gelesen haben.

Denn wenn man die Vorschläge der letztgenannten Gruppierungen betrachtet, so scheinen zwischen diesen und den Gedanken des damaligen Kardinals Welten zu liegen.

Aber eigentlich bin ich schon wieder OT.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Exakt dies, die berühmte „Reform an Haupt und Gliedern“, halte auch ich für unbedingt nötig. Um aber nicht gleich meine eigenen Vorstellungen davon in die Debatte zu trompeten, verweise ich auf einen Text des Kardinals Joseph Ratzinger: Una Compagnia sempre riformanda. Ratzinger hat diesen Vortrag 1990 beim Meeting der Ciellini in Rimini gehalten. Es geht um das Verständnis von reformatio als ablatio. Ich empfehle wärmstens die Lektüre (mit Bitte um Nachsicht, daß ich keine Übersetzung liefern kann), denn der Text enthält auch noch für den nunmehrigen Papst Benedikt zentrale Gedanken, die seine Amtsführung und „Kirchenpolitik“ zu verstehen helfen.
Inzwischen habe ich draus doch ein Stück übersetzt:
Joseph Ratzinger, Una Compagnia sempre riformanda (Auszüge, deutsch)

Die reformatio – diejenige, die allezeit nötig ist – besteht nicht darin, daß wir uns „unsere“ Kirche immer von neuem so zurechtmodellieren können, wie sie uns besser gefällt, daß wir sie erfinden können, sondern darin, daß wir immer wieder neu unsere eigenen Hilfskonstruktionen wegkehren zugunsten des reinsten Lichts, das von oben kommt und das zugleich der Einbruch der reinen Freiheit ist.

Laßt mich mit einem Bild sagen, was ich meine. Es ist ein Bild, das ich bei Michelangelo gefunden habe, der dabei seinerseits alte Gedanken der christlichen Mystik und Philosophie aufnimmt. Mit dem Blick des Künstlers sah Michelangelo schon im Stein, der sich vor ihm befand, das ihn leitende Bild, das verborgen wartete, befreit und ans Licht gebracht zu werden. Die Aufgabe des Künstlers war für ihn nur wegzunehmen, was noch das Bild verdeckte. Michelangelo begriff das echt künstlerische Tun als ein Ans-Licht-Bringen, ein Wieder-in-Freiheit-Setzen, nicht als ein Machen.

Dieselbe Vorstellung, jedoch auf den anthropologischen Bereich angewandt, findet sich bereits beim heiligen Bonaventura, der den Weg erklärt, auf welchem der Mensch echt er selbst wird, indem er vom Vergleich mit dem Bildschnitzer ausgeht, also mit dem Bildhauer. Der Bildhauer macht nicht etwas, sagt der große franziskanische Theologe. Vielmehr ist sein Werk eine ablatio: Es besteht im Beseitigen, im Wegnehmen dessen, was unecht ist.

Auf diese Weise, auf dem Weg der ablatio, tritt die nobilis forma zutage, die kostbare Gestalt. So muß auch der Mensch, damit das Bild Gottes in ihm widerscheine, vor allem und zuerst jene Reinigung empfangen, mittels welcher der Bildhauer, also Gott, ihn von all jenen Schlacken befreit, die das echte Erscheinungsbild seines Seins verdunkeln, indem sie ihn nur als einen rohen Block von Stein erscheinen lassen, während doch die göttliche Gestalt in ihm wohnt.

Wenn wir es recht verstehen, können wir in diesem Bild auch das Leitmodell für die kirchliche Reform finden. Gewiß wird die Kirche stets neuer menschlicher Stützbauten bedürfen, um in jeder geschichtlichen Epoche reden und handeln zu können. Solche kirchlichen Einrichtungen samt ihrer rechtlichen Ausgestaltung sind weit entfernt, etwas Schlechtes zu sein, im Gegenteil, in einem gewissen Maß sind sie einfach nötig und unverzichtbar.

Aber sie veralten, sie drohen, sich als das Wesentlichere auszugeben und lenken so den Blick weg von dem, was das wirklich Wesentliche ist. Darum müssen sie immer wieder abgetragen werden, wie überflüssig gewordene Gerüste. Reform ist immer von neuem ablatio: ein Wegnehmen, damit die nobilis forma sichtbar werde, das Antlitz der Braut, und mit ihm zugleich das Antlitz des Bräutigams selbst, der lebendige Herr.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

maliems
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Re: Kommentar zu Summorum Pontificum

Beitrag von maliems »

Niels hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Um aber nicht gleich meine eigenen Vorstellungen davon in die Debatte zu trompeten, verweise ich auf einen Text des Kardinals Joseph Ratzinger: Una Compagnia sempre riformanda. Ratzinger hat diesen Vortrag 199 beim Meeting der Ciellini in Rimini gehalten. Es geht um das Verständnis von reformation als ablatio. Ich empfehle wärmstens die Lektüre (mit Bitte um Nachsicht, daß ich keine Übersetzung liefern kann), denn der Text enthält auch noch für den nunmehrigen Papst Benedikt zentrale Gedanken, die seine Amtsführung und „Kirchenpolitik“ zu verstehen helfen.
Diesen Vortrag gibt's endlich auf Deutsch: http://www.vatican-magazin.de/archiv/2 ... ta411.pdf
dooooooof, der link ist ungültig geworden. Weiß jemand, wo das vatican-magazin heute zu finden ist?

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