Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Rund um den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gemeinschaften.
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taddeo
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von taddeo »

cantus planus hat geschrieben:Nun sagt aber sowohl ein Dr. Wolfgang Waldstein - um einen in Tradikreisen bekannten Autor von gutem Ruf zu erwähnen - in einem seiner Bücher, wie auch ein Bischof Gerhard Ludwig Müller in seiner Dogmatik, dass das II. Vaticanum uns aus der Sackgasse der "nachtridentinischen Opfertheorien befreit" habe.
Ich vermute mal, daß das auch richtig und gut sein dürfte - die "nachtridentinischen Opfertheorien" scheinen mir genau das zu sein, was der Papst wie oben zitiert mit den nicht mehr recht überzeugenden "Meßopfer-Theorien des 19. und 20. Jahrhunderts" meint. Ich hab die Dissertation noch nicht gelesen, aber ich schätze mal, daß Augustinus und Trient näher beisammen sind als das, was im 19. und 20. Jahrhundert teilweise aus Trient gemacht wurde. Es scheint auch eine theologische "Neugotik" gegeben zu haben, die nicht annähernd an die Qualität des Originals hinkam.

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Pit
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Pit »

cantus planus hat geschrieben: ...
Vielleicht liegt das Problem also wirklich in der Masse. Wie Libertas Ecclesiae anmerkt, haben sich viele nie ernsthaft für den Glauben entschieden, ...
canntus, da ist sicher viel Wahres dran, denn gerade in den ländlichen Regionen- ob in Bayern oder Westfalen- war man früher katholisch, weniger aus Überzeugung als viel mehr, weil es Eltern und Grosseltern auch waren- "das war eben so!".
Gerade in den Diasporagemeinden gab und gibt es die überzeugten Katholiken- nicht traditionalistisch aber im besten Sinne traditionsbewusst und -treu, denn die konnten und können sich einen Glauben light nicht leisten.
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cantus planus
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von cantus planus »

Pit hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben: ...
Vielleicht liegt das Problem also wirklich in der Masse. Wie Libertas Ecclesiae anmerkt, haben sich viele nie ernsthaft für den Glauben entschieden, ...
canntus, da ist sicher viel Wahres dran, denn gerade in den ländlichen Regionen- ob in Bayern oder Westfalen- war man früher katholisch, weniger aus Überzeugung als viel mehr, weil es Eltern und Grosseltern auch waren- "das war eben so!".
Gerade in den Diasporagemeinden gab und gibt es die überzeugten Katholiken- nicht traditionalistisch aber im besten Sinne traditionsbewusst und -treu, denn die konnten und können sich einen Glauben light nicht leisten.
Es würde zu meiner etwas überraschenden Beobachtung passen, dass es dem Katholizismus an sich in der Diaspora besser zu gehen scheint. :hmm:
Wir hatten das hier ja auch schon einmal mit dem Katholizismus in der DDR und seinem rasenden Niedergang nach der Wiedervereinigung, über den hier u. a. Robert berichtet hat.
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Lupus
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Lupus »

[quote="taddeo"][quote="cantus planus"] "nachtridentinischen Opfertheorien"quote]

Was versteht man darunter?

handelt es sich um die Opfertheorie des Konzils von Trient oder
geht es um Opfertheorien, die in der Folgezeit, also nachtridentinisch, ähnlich unserer nachvatikanischen Zeit entstanden?

+L.
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taddeo
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von taddeo »

Lupus hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben: "nachtridentinischen Opfertheorien"
Was versteht man darunter?

handelt es sich um die Opfertheorie des Konzils von Trient oder
geht es um Opfertheorien, die in der Folgezeit, also nachtridentinisch, ähnlich unserer nachvatikanischen Zeit entstanden?

+L.
Tja, das müßte man wohl die Herren Waldstein, Müller oder auch Ratzinger fragen, was sie darunter verstehen.
Ich habe bisher keines der genannten Werke von den dreien gelesen und kann das deshalb nicht beantworten.

Ich vermute, daß hier diejenigen Deutungen der tridentinischen Konzilsdokumente gemeint sind, die in der Folgezeit unter den Theologen entstanden sind. Es scheint so, daß es schon damals keine einheitliche und "authentische" Interpretation "des Konzils" gab, sonst könnte man gar nicht von unterschiedlichen Theorien reden. Das wäre übrigens ein weiteres Indiz dafür, daß das II. Vaticanum mit seiner um Jahrzehnte verzögerten und umstrittenen "authentischen" Rezeption keineswegs ein Einzelfall in der Kirchengeschichte ist.

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Libertas Ecclesiae
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Libertas Ecclesiae »

cantus planus hat geschrieben:Nun sagt aber sowohl ein Dr. Wolfgang Waldstein - um einen in Tradikreisen bekannten Autor von gutem Ruf zu erwähnen - in einem seiner Bücher, wie auch ein Bischof Gerhard Ludwig Müller in seiner Dogmatik, dass das II. Vaticanum uns aus der Sackgasse der "nachtridentinischen Opfertheorien befreit" habe.
Lupus hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben: "nachtridentinischen Opfertheorien"
Was versteht man darunter?

handelt es sich um die Opfertheorie des Konzils von Trient oder
geht es um Opfertheorien, die in der Folgezeit, also nachtridentinisch, ähnlich unserer nachvatikanischen Zeit entstanden?

+L.
Vorsicht Missverständnis: Das mit der angeblichen (!) Befreiung von "nachtridentinischen Opfertheorien" stammt von E. J. Lengeling, den Waldstein in einem Aufsatz lediglich zitiert. Waldstein macht sich Lengelings Anschauungen über den angeblichen nachkonziliaren liturgischen Fortschritt natürlich nicht zu eigen, sondern zitiert ihn im Gegenteil als abschreckendes Beispiel dafür, wie man es eben gerade nicht verstehen sollte:

http://www.pro-missa-tridentina.de/upload/Waldstein.pdf [hier auf Seite 3]
„Die letzte Messe ist noch nicht gelesen.“
(Jelena Tschudinowa)

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ottaviani
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von ottaviani »

taddeo hat geschrieben:
Lupus hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben: "nachtridentinischen Opfertheorien"
Was versteht man darunter?

handelt es sich um die Opfertheorie des Konzils von Trient oder
geht es um Opfertheorien, die in der Folgezeit, also nachtridentinisch, ähnlich unserer nachvatikanischen Zeit entstanden?

+L.
Tja, das müßte man wohl die Herren Waldstein, Müller oder auch Ratzinger fragen, was sie darunter verstehen.
Ich habe bisher keines der genannten Werke von den dreien gelesen und kann das deshalb nicht beantworten.

Ich vermute, daß hier diejenigen Deutungen der tridentinischen Konzilsdokumente gemeint sind, die in der Folgezeit unter den Theologen entstanden sind. Es scheint so, daß es schon damals keine einheitliche und "authentische" Interpretation "des Konzils" gab, sonst könnte man gar nicht von unterschiedlichen Theorien reden. Das wäre übrigens ein weiteres Indiz dafür, daß das II. Vaticanum mit seiner um Jahrzehnte verzögerten und umstrittenen "authentischen" Rezeption keineswegs ein Einzelfall in der Kirchengeschichte ist.
Was tut ein neo konservativer Papalist nicht alles um seine heile pseudo welt zu erhalten Waldstein soll gegen die tridentinische Opfertheologie sein lächerlich

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taddeo
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von taddeo »

ottaviani hat geschrieben:Was tut ein neo konservativer Papalist nicht alles um seine heile pseudo welt zu erhalten Waldstein soll gegen die tridentinische Opfertheologie sein lächerlich
:hae?:
Reg Dich ab, ottaviani. Ich kenn den Herren überhaupt nicht, ich habe nur cantus' Zitat von ihm gelesen. Was weiß ich, in welchem Zusammenhang das steht? :achselzuck:
[Edit: ich seh grad, Libertas Ecclesiae hat dieses Mißverständnis aufgeklärt.]

Im übrigen scheinst Du mir genauso erpicht darauf zu sein, Deine heile kaputte Tradipseudowelt zu erhalten, wie ich meine. Nur, daß Du Dich an der Bosheit der Außenwelt anscheinend ergötzst, während ich an ihre Änderbarkeit glaube.

Wenzel
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Wenzel »

Zitat: """ ... denn gerade in den ländlichen Regionen- ob in Bayern oder Westfalen- war man früher katholisch, weniger aus Überzeugung als viel mehr, weil es Eltern und Grosseltern auch waren- "das war eben so!". """


Und es gab nur "die Messe", gelesen von dem Pfarrer, der oftmals, gerade in ländlichen Gebieten, jahrzehntelang in einer Gemeinde tätig war und oftmals auch noch den Religionsunterricht in der Volksschule hielt.
Da hing es dann sehr von der "Kompatibilität" des einzelnen Gläubigen zu dem Pfarrer ab, wie das Verhältnis sich entwickelte. Von der Schulzeit, Erst Kommunion, Beichte, Messdiener, Firmkatechese, Trauung, Kindstaufe und Beerdigungen - praktisch von der Wiege bis zur Bahre war man, auch da Umzüge seltener waren und Mess-Tourismus unmöglich war, an einen Geistlichen gebunden.
Ein lautes Nachdenken über die Art und Weise der Messlesung oder über die Arbeit des Pfarrers waren doch ehr selten und je nach Bildungsstand (aber das ist heute ja auch noch so) wurden die Liturgie nicht reflektiert, sondern es wurde gebetet - wie es immer war.

Gleichzeitig war aber auch viel emotionale Sicherheit in dieser Unwandelbarkeit - es war immer so und es wird immer so sein "Per omnia saecula saeculorum".

Dieses Sicherheit haben meine Großeltern, westfälische Landwirte (Jahrgänge zwischen 1896 und 1914) trotz der Veränderungen im persönlichen Leben und Krisen in der Welt und trotz der Messe nach dem II.Vaticanum immer behalten. Der Pfarrer, der die Kath. Kirche hier vor Ort vertritt, sichert durch die Messlesung unser Seelenheil, war die Ansicht.

Zu dieser Sicherheit trug ebenfalls Morgen-, Abend- und Tischgebet bei, ebenso wie ein bewußtes erinnern der Heiligengedenktage und feiern der Namenstage und eine jährliche Wallfahrt. Eine Volksfrömmigkeit die zum Leben dazu gehörte und das Leben trug.
In die nächsten Generation, (Eltern, Onkel und Tanten), Jahrgänge 1935 bis 1949 passt zum größten Teil der Satz aus dem Eingangsposting: "alles war so furchtbar".

Es muß etwas "kaputt" gegangen sein, etwas, daß sich nicht nur mit dem Konzil und seinen Nachwirkungen erklären lassen kann. Was kann so "furchbar" gewesen sein, daß diese Generation es dann nicht mehr ertragen kann, was die Generation oder Generationen davor nicht bemerkt hat - bzw. was es für diese Generation nicht gegeben hat. Da die Lebensumstände sich so schnell auf dem Land nicht veränderten und auch das soziale Gefüge und die auf dem Land übliche "Soziale Kontrolle" nicht plötzlich weg fiel, ebenso die 68er-Revolution auf westfälischen Dörfern nicht stattfand, kann ich nicht glauben, daß dies die entscheidenden Punkte sind.

Übrigens: In der Enkelgeneration gibt es nur zwei Positionen. Entweder Tradi oder Indifferenz.
Pange, lingua, gloriosi corporis mysterium (Thomas von Aquin)
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Melody
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Melody »

Wenzel hat geschrieben:In die nächsten Generation, (Eltern, Onkel und Tanten), Jahrgänge 1935 bis 1949 passt zum größten Teil der Satz aus dem Eingangsposting: "alles war so furchtbar".

Es muß etwas "kaputt" gegangen sein, etwas, daß sich nicht nur mit dem Konzil und seinen Nachwirkungen erklären lassen kann. Was kann so "furchbar" gewesen sein, daß diese Generation es dann nicht mehr ertragen kann, was die Generation oder Generationen davor nicht bemerkt hat - bzw. was es für diese Generation nicht gegeben hat.
Keine Ahnung, aber Du sagst z. B. selbst, dass damals ein Messtourismus nicht möglich war und die Leute quasi von Geburt bis Beerdigung in ein und derselben Pfarrei zu Hause waren.
Sie kannten also einfach nichts anderes.
Gar nichts.

Ich weiß nicht, ab wann genau Dinge wie Radio, Kino, Fernsehen, Telefon Einzug in unser Leben hielten.
Jedenfalls macht es halt einen Unterschied, ob man nur das kennt, was es vor der Tür gibt, und auch von nichts anderem hört, oder ob man mitbekommt, wie es vielleicht woanders ist und man vergleichen kann.

Wenn wir uns hier nicht alle im Internet in diversen Foren über all das Schreckliche unterhalten würden und nicht wüssten, wie es in anderen Gemeinden so ausschaut, wären wir wohl auch alle viel glücklicher mit unserer Kirche... ;)
Ewa Kopacz: «Für mich ist Demokratie die Herrschaft der Mehrheit bei Achtung der Minderheitenrechte, aber nicht die Diktatur der Minderheit»

Wenzel
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Wenzel »

Ich weiß nicht, ab wann genau Dinge wie Radio, Kino, Fernsehen, Telefon Einzug in unser Leben hielten

Je nach finanzieller Lage und Aufgeschlossenheit Radio schon in den 1920er / frühen 1930er Jahren, in die gleich Zeit fällt auch Kino (zwar nicht auf dem Dorf aber in der nächst größern Stadt oder Lichtspielvorführungen in Gasthäusern - kenn ich auch nur aus Erzählungen :) )

Fernsehen und Telefon Mitte bis Ende der 50er / Anfang der 60er Jahre.
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Sempre
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Sempre »

@Wenzel

Meine Familie ist mit gleichen Jahrgängen wie bei Dir seit der Großelterngeneration verstreut im ganzen Land in Nord und Süd, Ost und West. Ich wüsste keinen, der sein Leben an nur einem Ort verbracht hätte. Dennoch trifft Deine Beschreibung weitenteils auch auf uns zu.

Wenzel hat geschrieben:Es muß etwas "kaputt" gegangen sein, etwas, daß sich nicht nur mit dem Konzil und seinen Nachwirkungen erklären lassen kann. Was kann so "furchbar" gewesen sein, daß diese Generation es dann nicht mehr ertragen kann, was die Generation oder Generationen davor nicht bemerkt hat - bzw. was es für diese Generation nicht gegeben hat.
Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, war so gut wie alles ganz furchtbar. Auf weitere Nachfrage konkret genannt wurde allerdings bloß ein strenger Gott, ein strenger Blick des Pfarrers wegen Kicherns in der Kirche und dergleichen.

Die Idee, dass die Kirche früher ganz furchtbar war, wurde nun auch von Seiten des Klerus, der Hierarchie gefördert. Und sowieso wurde der Blick der Kirche auf die Welt und den Menschen um 180° gedreht. Ein Beispiel dafür ist die Enzyklika Pacem in terris von Papst Johannes XXIII. von 1963, die die Rede vom Jammertal abschafft und ein ganz neues, eher paradiesähnliches Weltbild verkündet.
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

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Clemens
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Clemens »

Ich bin ja auch noch viel zu jung, um das alles selbst erlebt haben zu können, auch sind die entsprechenden Erfahrungen auf evangelischer Seite nicht gleich, sondern nur ähnlich, aber ich wage dennoch, meinen Senf dazu zu geben:

Das Lebensgefühl der Menschen hat sich seit den 1930er bis zu den 1960er Jahren massiv gewandelt. Nicht auf einen Schlag, aber doch schrittweise. Bestimmt auch in Niederbayern und im Münsterland.
- Eine Demokratie, die das "es geht auch anders - und ich muss mich selbst entscheiden, wie"-Gefühl zu wecken beginnt.
- Eine Partei, die das Leben zu dominieren versucht.
- Ein Krieg, der ungeahnte menschliche Abgründe zeigt, die Theodizeefrage neu ins Bewusstsein bringt, das ganze Volk zu einer "Schicksalsgemeinschaft" zusammenschweißt und auch durch die nachfolgende Flüchtlingswelle Milieus durcheinanderwirbelt.
- Eine Besatzungsmacht, die ganz neue Horizonte zeigt.
- Eine Musikkultur, die zum Streit zwischen Jung und Alt führt (gab es m.W. vorher noch nie!), also der Beginn des erstmaligen Entstehens einer ausgeprägten Jugendkultur.
- Die Verunsicherung der herrschenden Generation, die Macht, die ihre Eltern und Großeltern selbstverständlich und unhinterfragt ausgeübt hatten, auch selbst auszuüben. Der Widerstand dagegen war zu ungewohnt.(typischer Satz: "sowas hätten wir uns nie getraut")
- Massenmedien, die der Jugend neue Vorbilder zeigten und zur Rebellion ermutigten.
- Die sexuelle Revolution, die ja nicht erst mit der Pille begann, sondern in den Städten schon in den 30er Jahren, schaffte in immer breiter werdenen Massen ein schlechtes Gewissen, das nur entweder durch Buße und Umkehr, oder durch Emanzipation vom bisherigen Werterahmen "geheilt" werden konnte.
Der Krieg (mit Gefangenschaft) und die dadurch massenhaft für Jahre getrennten oder zerstörten Familien, die vielen vaterlosen Kinder, die vielen entfremdeten Ehen, die vielen aus der seelischen Not motivierten Ehebrüche (daheim und im Feld, "Onkelehen", Vergewaltigungen) taten das Ihre dazu.
- Brandts "Mehr Demokratie wagen" war ja nicht seine eigene Idee, sondern spiegelte das Lebensgefühl der damals jungen Generationen.

Die jahrhundertealte Sozialform von Kirche passte dazu nicht mehr und dass der theologische Aufbruch in den 60er Jahren zum nachträglichen gefühlsmäßigen Abwerten des bisherigen führte ("alles ganz furchtbar"), ergibt sich fast von selbst.

Der teilweise chaotische und richtungslose Aufbruch wiederum (den hatten wir Prottis ja auch, wenn auch nicht durch ein Konzil) ist verständlich aus der Neuheit der Aufgabe und der Hilfllosigkeit der Versuche, das neue Lebensgefühl mit den alten Inhalten kompatibel zu machen (konservativ), bzw. die Inhalte neu zu sortieren, welche noch zum neuen Lebensgefühl passen (revolutionär).

Aber nicht alles, was schlecht gelungen ist, war auch schlecht gemeint!

new
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von new »

Wenn ich mir eine Zusammenfassung erlauben darf:

- bis etwa zum zweiten Weltkrieg war mehrheitlich "alles bestens", d.h. der Glaube wurde praktiziert und "geglaubt" wie es immer war und ... immer sein sollte
- Aus vielerlei hier erwähnten Gründen wollte "man" diesen Glauben mehrheitlich dann nicht mehr bis hin zu den heutigen Zuständen, in denen praktisch nur noch "Tradis" und "Neo-Konsis" wissen was im KKK steht.

So?

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Niels
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Niels »

Vermutlich darf man in diesem Zusammenhang auch die sog. "liturgische Bewegung" nicht vernachlässigen, die schon seit den 3er Jahren stark war: http://www.catholicapedia.net/Documents ... ue_44p.pdf
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

Wenzel
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Wenzel »

new hat geschrieben:Wenn ich mir eine Zusammenfassung erlauben darf:

- bis etwa zum zweiten Weltkrieg war mehrheitlich "alles bestens", d.h. der Glaube wurde praktiziert und "geglaubt" wie es immer war und ... immer sein sollte
- Aus vielerlei hier erwähnten Gründen wollte "man" diesen Glauben mehrheitlich dann nicht mehr bis hin zu den heutigen Zuständen, in denen praktisch nur noch "Tradis" und "Neo-Konsis" wissen was im KKK steht.

So?
Im großen und ganzen JA!
Ob bis zum zweiten Weltkrieg alles besser war - vielleicht mit Einschränkungen. Die religiöse Bildung war sicherlich in breiten Gesellschaftskreisen nicht so fundiert - das ist sie aber heute auch nicht. Das wurde aber durch eine bodenständige Volksfrömmigkeit ersetzt - Religion und Kirche waren identifikationsstiftend - soziale Gemeinschaft speiste sich aus der Zugehörigkeit zu einer Religion und dem Besuch einer bestimmte Kirchengemeinde.
Kritik an Glaubenssätzen war ausser in großstädtischen, intellektuellen Millieus nicht möglich, ohne die soziale Gemeinschaft mit seinem Umfeld zu gefährden bzw. wurde Kritik von Parteien instrumentalisiert (sowohl SPD, KPD, NSDAP), was dann wieder eine Anti-Kirchen Gemeinschaft schaffte.
Innerkirchliche Kritik, oder ernsthafte Kritik am örtlichen Pfarrer war so gut wie unmöglich.
Dann die Bruchstelle ---- die zu definieren ist.
Nach dieser Bruchstelle - auch mit Hilfe von "Pacem in terris" und II. Vaticanum - verlaufen sich die Gläubigen. Die älteste Generation bleibt in der Kirche - sei es aus Gewohnheit, sei es aus Glaube. Die ältere Generation (aktive Kriegsgeneration) zweifelt, sei es aus den gemachten Erfahrungen heraus, sei es aus Restbeständen der Parteienindoktrination - bleibt jedochgroßteilig in der Kirche. In der Generation der Kriegskinder und frühen Nachkriegskinder ist der Satz verbreitet "Früher war alles so schrecklich" . Das ist die Generation die zum einen Teil heute "Wir sind Kirche", "Kirche von unten" usw. hauptsächlich trägt, die aber auch ganz emsig Gebetskreise und Andachten fordert und Gottesdienste besucht, aber auch in weiten Teilen gar keinen Kontakt mehr mit Kirche hat.

Ergänzung: Die nächste Generation (1960er bis Mitte 1980er) entscheidet sich für oder gegen eine Religion - oder auch Religionselemente. Religion ist weitestgehend Privatsache, hat mit Beruf, Partnerwahl, Wohnort usw nichts mehr zu tun. Viele erschaffen sich eine angenehme Wellness-Religion, oftmals vermischt mit Esoterik, New Age. Nur noch kleine Teile dieser Generation hat ein starkes Interesse an Religion. "Streng" katholisch sind in dem Sinne nur noch die Tradis und Neo-Kons.
Für die Generation der Mitte 1980er bis heute mag ich keine Beschreibung liefern. Teilweise wohl noch geprägt durch das entsprechende Elternhaus - aber was aus eigenen Überzeugungen entsteht ...... Die Initiative von Papst Benedikt ein Jahr der Neuevangelisation auszurufen ist wohl berechtigt
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ottaviani
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von ottaviani »

Niels hat geschrieben:Vermutlich darf man in diesem Zusammenhang auch die sog. "liturgische Bewegung" nicht vernachlässigen, die schon seit den 3er Jahren stark war: http://www.catholicapedia.net/Documents ... ue_44p.pdf
auf deren guten Teilen die Tradis aufbauen konnten Schott ect

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holzi
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von holzi »

Gut, das mag vielleicht die Situation in Deutschland, sagen wir Mitteleuropa erklären. Das Phänomen der Ablehnung der althergebrachten Formen zieht sich aber als globales Phänomen durch die Weltkirche.

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ad-fontes
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von ad-fontes »

cantus planus hat geschrieben:Reform des Messbuches im Geist der Tradition
:daumen-rauf:
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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ad-fontes
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von ad-fontes »

Wenzel hat geschrieben:Zitat: """ ... denn gerade in den ländlichen Regionen- ob in Bayern oder Westfalen- war man früher katholisch, weniger aus Überzeugung als viel mehr, weil es Eltern und Grosseltern auch waren- "das war eben so!". """


Und es gab nur "die Messe", gelesen von dem Pfarrer, der oftmals, gerade in ländlichen Gebieten, jahrzehntelang in einer Gemeinde tätig war und oftmals auch noch den Religionsunterricht in der Volksschule hielt.
Da hing es dann sehr von der "Kompatibilität" des einzelnen Gläubigen zu dem Pfarrer ab, wie das Verhältnis sich entwickelte. Von der Schulzeit, Erst Kommunion, Beichte, Messdiener, Firmkatechese, Trauung, Kindstaufe und Beerdigungen - praktisch von der Wiege bis zur Bahre war man, auch da Umzüge seltener waren und Mess-Tourismus unmöglich war, an einen Geistlichen gebunden.
Ein lautes Nachdenken über die Art und Weise der Messlesung oder über die Arbeit des Pfarrers waren doch ehr selten und je nach Bildungsstand (aber das ist heute ja auch noch so) wurden die Liturgie nicht reflektiert, sondern es wurde gebetet - wie es immer war.

Gleichzeitig war aber auch viel emotionale Sicherheit in dieser Unwandelbarkeit - es war immer so und es wird immer so sein "Per omnia saecula saeculorum".

Dieses Sicherheit haben meine Großeltern, westfälische Landwirte (Jahrgänge zwischen 1896 und 1914) trotz der Veränderungen im persönlichen Leben und Krisen in der Welt und trotz der Messe nach dem II.Vaticanum immer behalten. Der Pfarrer, der die Kath. Kirche hier vor Ort vertritt, sichert durch die Messlesung unser Seelenheil, war die Ansicht.

Zu dieser Sicherheit trug ebenfalls Morgen-, Abend- und Tischgebet bei, ebenso wie ein bewußtes erinnern der Heiligengedenktage und feiern der Namenstage und eine jährliche Wallfahrt. Eine Volksfrömmigkeit die zum Leben dazu gehörte und das Leben trug.
In die nächsten Generation, (Eltern, Onkel und Tanten), Jahrgänge 1935 bis 1949 passt zum größten Teil der Satz aus dem Eingangsposting: "alles war so furchtbar".

Es muß etwas "kaputt" gegangen sein, etwas, daß sich nicht nur mit dem Konzil und seinen Nachwirkungen erklären lassen kann. Was kann so "furchbar" gewesen sein, daß diese Generation es dann nicht mehr ertragen kann, was die Generation oder Generationen davor nicht bemerkt hat - bzw. was es für diese Generation nicht gegeben hat. Da die Lebensumstände sich so schnell auf dem Land nicht veränderten und auch das soziale Gefüge und die auf dem Land übliche "Soziale Kontrolle" nicht plötzlich weg fiel, ebenso die 68er-Revolution auf westfälischen Dörfern nicht stattfand, kann ich nicht glauben, daß dies die entscheidenden Punkte sind.

Übrigens: In der Enkelgeneration gibt es nur zwei Positionen. Entweder Tradi oder Indifferenz.

Das ist alles sehr aufschlußreich! So läßt sich dies und das vom Hörensagen noch besser einordnen, vergleichen und verstehen. Bitte mehr und schon an dieser Stelle ganz herzlichen Dank für deine bisherigen Beiträge! :daumen-rauf:
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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cantus planus
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von cantus planus »

ottaviani hat geschrieben:Was tut ein neo konservativer Papalist nicht alles um seine heile pseudo welt zu erhalten Waldstein soll gegen die tridentinische Opfertheologie sein lächerlich
Das hat niemand behauptet. Ich habe lediglich aus einem seiner (Waldsteins) Bücher eine Passage zitiert, in der er wörtlich sagt: "Pater [Odo] Casel zeigt uns den Ausweg aus den Sackgassen der nachtridentinischen Opfertheorien", ähnlich Bischof Müller über das Konzil in seiner Dogmatik. Es wäre eben zu erhellen, was die Herren genau meinen. Ohne Erläuterung sind solche Bemerkungen, wie ich darstellte, äußerst gefährlich, zumal wenn man sieht, was Casel wollte und wer sich später auf ihn berief. Die Reduktion auf den Mahlcharakter der Messe ist in diesem Stadium der Liturgischen Bewegung unübersehbar.

Zu deiner Bemerkung, das sei lächerlich, hier der Beleg zum Nachprüfen, bei dem es sich nicht um den von Libertas Ecclesiae verlinkten Aufsatz handelt:
Wolfgang Waldstein, Hirtensorge und Liturgiereform, Schaan (Liechtenstein) 1977;
daselbst im Abschnitt über Odo Casel.

Ich freue mich jedenfalls, dass er sich offensichtlich von dieser doppeldeutigen Aussage später distanziert hat, womit auch das geklärt wäre. Der von L. E. verlinkte und mir bisher unbekannte Aufsatz lässt diesbezüglich keine Fragen offen.

Die Stelle in Müllers Dogmatik, die problematisch bleibt, möge man selbst heraussuchen. Ich habe sie gerade nicht zur Hand. Vielleicht kann das auch jemand nachtragen, der sie griffbereit hat.

Was das Ganze jetzt mit neokonservativem Papalismus zu tun haben soll, verstehe ich nicht ganz.
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cantus planus
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von cantus planus »

Nachtrag: Zur Frage der Müller'schen Dogmatik habe ich noch einmal einen Aufsatz von Dr. David Berger aus "Theologisches" herausgesucht, der - unbeschadet der beklagenswerten Entwicklung seines Autors seither - ja nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat:
Theologisches hat geschrieben:Auffällig ist dabei der große Raum, den die Darstellung der Theologiegeschichte einnimmt. Ebenso wie es erstaunt, dass gerade in diesem Teil des Traktates, der offensichtlich an die Stelle des klassischen Traditionsbeweises gerückt ist, sich in postmoderner Versöhntheit Dokumente des kirchlichen Lehramtes, Texte der bzw. über die Väter und Kirchenlehrer ebenso finden wie jene von Häretikern (in besonderer Häufigkeit: Martin Luther) oder zweifelhafter neuerer Autoren (Karl Rahner, Gustavo Gutiérrez, Edward Schillebeeckx, Hans Urs von Balthasar usw.). Reichlich wird also aus der Theologiegeschichte geschöpft, aber zumeist so, dass es sich in das neue Gesamtschema einordnet und vieles, auch Widersprüchliches so freundlich bzw. im Sinne des Grundschemas interpretiert wird, dass es sich gut zusammenfügt. Diese freundliche Interpretation kommt in den seltensten Fällen der Neuscholastik zugute (5), sie fällt vielmehr besonders bezüglich der Befreiungstheologie sowie der „nouvelle théologie“ und verwandter Strömungen auf: So werden etwa – ein Beispiel von vielen – Theologen wie Karl Rahner, Henri de Lubac, Otto H. Pesch und Gisbert Greshake dafür gelobt, dass sie die Gnadenlehre aus den „Aporien“ der nachtridentinischen Gnadentheologie herausgeführt hätten (809). Die Frage muss erlaubt sein, ob die Gnadenlehre Rahners, die einen bedenklichen und folgenreichen Schlingerkurs zwischen Allerlösungs- und Selbsterlösungslehre darstellt, ob die Aufstellungen Greshakes, die einer Rehabilitation des von der Kirche verurteilten Pelagianismus das Wort reden, wirklich echte Lösungen der Probleme des Streits de auxillis darstellen.
[Hervorhebung von mir.]

Hier sehen wir also - im Gegensatz zu meiner früheren Aussage, die ich revidieren muss - Dr. Waldstein und Bischof Müller in einem interessaten Widerspruch.
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ad-fontes
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von ad-fontes »

cantus planus hat geschrieben:Es wäre eben zu erhellen, was die Herren genau meinen.
Ich hatte vor längerem einen Text eines Salzburger Oberhirten zum Thema gelesen (1900, 1930?). Wenn ich den fände, würde man wissen, was mit "Sackgasse" gemeint ist.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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cantus planus
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von cantus planus »

ad-fontes hat geschrieben:
cantus planus hat geschrieben:Es wäre eben zu erhellen, was die Herren genau meinen.
Ich hatte vor längerem einen Text eines Salzburger Oberhirten zum Thema gelesen (1900, 1930?). Wenn ich den fände, würde man wissen, was mit "Sackgasse" gemeint ist.
Es ist eine Sackgasse, wenn du den Text nicht findest, mein Lieber. :pfeif:
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Bernado
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Bernado »

Clemens hat geschrieben: Das Lebensgefühl der Menschen hat sich seit den 1930er bis zu den 1960er Jahren massiv gewandelt. Nicht auf einen Schlag, aber doch schrittweise. Bestimmt auch in Niederbayern und im Münsterland.
- Eine Demokratie, die das "es geht auch anders - und ich muss mich selbst entscheiden, wie"-Gefühl zu wecken beginnt.
- Eine Partei, die das Leben zu dominieren versucht.
- Ein Krieg, der ungeahnte menschliche Abgründe zeigt, die Theodizeefrage neu ins Bewusstsein bringt, das ganze Volk zu einer "Schicksalsgemeinschaft" zusammenschweißt und auch durch die nachfolgende Flüchtlingswelle Milieus durcheinanderwirbelt.
- Eine Besatzungsmacht, die ganz neue Horizonte zeigt.
- Eine Musikkultur, die zum Streit zwischen Jung und Alt führt (gab es m.W. vorher noch nie!), also der Beginn des erstmaligen Entstehens einer ausgeprägten Jugendkultur.
- Die Verunsicherung der herrschenden Generation, die Macht, die ihre Eltern und Großeltern selbstverständlich und unhinterfragt ausgeübt hatten, auch selbst auszuüben. Der Widerstand dagegen war zu ungewohnt.(typischer Satz: "sowas hätten wir uns nie getraut")
- Massenmedien, die der Jugend neue Vorbilder zeigten und zur Rebellion ermutigten.
- Die sexuelle Revolution, die ja nicht erst mit der Pille begann, sondern in den Städten schon in den 30er Jahren, schaffte in immer breiter werdenen Massen ein schlechtes Gewissen, das nur entweder durch Buße und Umkehr, oder durch Emanzipation vom bisherigen Werterahmen "geheilt" werden konnte.
Der Krieg (mit Gefangenschaft) und die dadurch massenhaft für Jahre getrennten oder zerstörten Familien, die vielen vaterlosen Kinder, die vielen entfremdeten Ehen, die vielen aus der seelischen Not motivierten Ehebrüche (daheim und im Feld, "Onkelehen", Vergewaltigungen) taten das Ihre dazu.
- Brandts "Mehr Demokratie wagen" war ja nicht seine eigene Idee, sondern spiegelte das Lebensgefühl der damals jungen Generationen.

Die jahrhundertealte Sozialform von Kirche passte dazu nicht mehr und dass der theologische Aufbruch in den 60er Jahren zum nachträglichen gefühlsmäßigen Abwerten des bisherigen führte ("alles ganz furchtbar"), ergibt sich fast von selbst.
Die hier aufgezählten Erscheinungen (und auch die meisten, die von anderen Beiträgern zusätuzlich benannt wurden) lassen sich grob unter einem Begriff, einem Aspekt zusamenfassen: Es ist der der "Machbarkeit". Wo früher das Schicksaal und oder Gott eine für jeden unmittelbar einsichtige Größe darstellten, kann jetzt alles auf den Menschen als Akteuer zurückgeführt werden. Selbst das Erdbebebn und der Tsunami von Fukushima: Es interessiert nur der (vermeintlich) von Menschen zu verantwortende Teil der Katastrophe im Atomkraftwerk - die vielen Tausend unmittelbaren Opfer der Naturkatastrophe spielen keine Rolle. (Randbemerkung: Die gewaltigen von Menschen gemachten Katastrophen des vegangenen Jahrhunderts wie Oktoberrevolution mit Klassenvernichtung in Russland, Faschismus mit Rassenvernichtung in Deutschland bis hin zu Hiroshima haben dabei natürlich auch eine Rolle gespielt; Heutige Schlachtfelder in den Abtreibungskliniken und Umfeld ebenso)

"Machbarkeit" und der daraus resultierende "Machbarkeitswahn" sind die stärksten Triebkräfte der Säkularisierung, sie zerstören für die meisten Menschen jedes Sensorium dafür, daß es etwas gibt, das über dem Menschen steht und ihm vorausgeht. Sie machen jedes erschließbare "Naturrecht" und jedes offenbarte Glaubensgut verdächtig und unglaubwürdig - real und relevant ist nur das, was der Mensch selbst in "freier" Entscheidung zu schaffen vermag. Das ist die neue Sozialform des 20. und 21. Jh.

Das Wesentliche an den früheren Stadien der Volksreligiosität, über die hier viel zutreffendes Schlechtes zu lesen ist, liegt jedoch nicht in deren Unzulänglichkeiten, sondern in deren positivem Hauptaspekt: Dem verbreiteten Wissen darum, daß der Mensch eben nicht der Schöpfer seiner selbst und seiner Welt ist, sondern darum, daß ihm sein Schöpfer als unhintergehbare und durch nichts wegkonstruierbare oder weg-demokratisierbare übergeordnete Autorität vorausgesetzt ist.

Die Wiedererweckung dieses Bewußtseins muß im Kern das Ziel der "Neuevangelisierung" sein - ansonsten kann man sich jede Mühe in dieser Richtung sparen.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

Wenzel
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Wenzel »

http://www.vatican-magazin.de/index.php ... e/aktuell2

Ein treffender Zustandsbericht von Alexander Kissler über die Motivation "Aufbrüche wagen" zu müssen und die Tradition aus Angst abzulehnen - Am Beispiel von Aloys Glück. Der aus einer katholischen Sozialisation hervorgekommen ist und der Generation angehört, die starke Vorbehalte gegen eine Belebung der Tradition hat.
Pange, lingua, gloriosi corporis mysterium (Thomas von Aquin)
Westliche Wertegemeinschaft: Kinder- und Alten-Euthanasie, Genderwahn, Homoterror, Abtreibung, Ökowahn, Überwachungsmonströsität, political correctness ....

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Yeti
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Yeti »

Wenzel hat geschrieben:http://www.vatican-magazin.de/index.php ... e/aktuell2

Ein treffender Zustandsbericht von Alexander Kissler über die Motivation "Aufbrüche wagen" zu müssen und die Tradition aus Angst abzulehnen - Am Beispiel von Aloys Glück. Der aus einer katholischen Sozialisation hervorgekommen ist und der Generation angehört, die starke Vorbehalte gegen eine Belebung der Tradition hat.
Ein sehr guter Artikel. Über diesen Artikel bin ich auch sehr froh. Mich würden wirklich die Gründe interessieren, weshalb dies im einen Fall so normal und im anderen so abnorm sein soll?! Ist das wirklich "nur" kulturgeschichtlicher Selbsthass?
#gottmensch statt #gutmensch

new
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von new »

http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/fern ... ier_id=475

Ja es ist interessant: Hätte man den Beitrag über die FSSPX gemacht wäre er voll gewesen mit Kritik, obwohl "Altgläubige" Katholiken wie auch gläubige Juden letztlich sich einfach an die 1 Gebote und ihre Tradition halten.

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lifestylekatholik
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von lifestylekatholik »

Ja, das ist auch so ein seltsamer Doppeldenk. Bei den Orthodoxen bewundert alle Welt deren erhabene Riten (ebenso bei den Tibetern usw.). Aber bei der westlichen Kirche gibt’s dafür keine Bewunderung oder auch nur Achtung, sondern das ist böse, »finsteres Mittelalter« usw. Die sind gut dressiert, die Aufgeklärten.

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cantus planus
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von cantus planus »

Das hat aus der Beobachterperspektive allerdings etwas ungemein Erheiterndes. :D
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‎Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky

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anneke6
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von anneke6 »

new hat geschrieben:http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/fern ... ier_id=475

Ja es ist interessant: Hätte man den Beitrag über die FSSPX gemacht wäre er voll gewesen mit Kritik, obwohl "Altgläubige" Katholiken wie auch gläubige Juden letztlich sich einfach an die 10 Gebote und ihre Tradition halten.
Zumindest kann ich die Frage beantworten, warum die Juden ihre eigene Ambulanz brauchen: Um die Verletzung des Sabbaths möglichst gering zu halten. Allgemein gilt, daß am Sabbath nicht Auto gefahren werden darf. Wenn es darum geht, ein Leben zu retten, darf (muß!) der Sabbath allerdings verletzt werden…aber nur für die Hinfahrt. Nachdem der Patient im Krankenhaus eingeliefert wurde, lassen die Männer den Krankenwagen stehen und gehen zu Fuß zurück. Werden Sie erneut benötigt, sorgt ein eng gewobenes Netz von Fahrgemeinschaften dafür, daß sie wieder zurück zu ihrem Krankenwagen kommen.
Übrigens ist öfters die Frage diskutiert worden, ob man den Sabbath auch verletzen darf, um das Leben eines Goj zu retten. In der Regel wird diese Frage mit Ja beantwortet…aber nicht von allen.

Allgemein denke ich, daß wenn die SSPX oder ein anderes Tradi-Organ eine Ambulanz unterhalten würde, die Sorge trägt, daß bei der Versorgung von Notfallpatienten die katholische Morallehre eingehalten wird…es einen Aufruhr geben würde. :pfeif:
???

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Gallus
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Re: Gründe für die Ablehnung der Tradition ...

Beitrag von Gallus »

Tradis medial diskreditieren für Anfänger: Eine Viertelstunde standen die vor der Kirche und haben alle möglichen, meist gut gelaunten O-Töne gesammelt. Und jetzt hört Euch mal an, was sie daraus gemacht haben...

http://ondemand-mp3.dradio.de/file/drad ... b2ccce.mp3

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