Das gallikanischste, was es damals noch gab, dürfte der Ritus von Lyon sein. Der hatte aber eine sehr ähnlich Form wie der römische Ritus; wie in vielen außerrömischen Riten auch fand allerdings die Gabenbereitung nicht beim Offertorium, sondern während des Graduale statt, wie es heute noch der Fall im Dominikanerritus ist. Das Pax Domini vor dem Agnus Dei nahm - wie im Ritus von Salisbury und bis ins 16. Jhd. auch im Prämonstratenserritus - eine feierliche Segensform an (vergleichbar dem feierlichen Schlußsegen im NOM), während der Schlußsegen in vielen Fällen nicht gespendet wurde. (Die Dominikaner hatten in ihren Anfangszeiten in Südfrankreich auch keinen Schlußsegen und beschlossen auf einem Generalkapitel, ihn dort zu spenden, wo das Volk das erwartet.)Fragesteller hat geschrieben:Das gilt aber doch nicht für die unmittelbar vortridentinische Zeit, von der Prostasius spricht?taddeo hat geschrieben:Naja, sooo einheitlich war das nicht. Da gab es schon Abweichungen, die mehr als nur Kleinigkeiten betrafen, siehe den gallikanischen Ritus. [...]Protasius hat geschrieben:Die Form der Messe (und selbstverständlich der Meßkanon selbst) waren ja auch durch quasi ganz Europa einheitlich.
Der eigentliche gallikanische Ritus, wie er im ca. 4. - 7. Jhd. in Gallien gefeiert wurde, ist uns ja mangels Quellen kaum zugänglich. Die Pilgerin Egeria sagt in ihrem Bericht über die Feierlichkeiten der Kar- und Osterwoche, daß die Liturgie in Gallien auf die gleiche Weise gefeiert wird; mithin hatte vor den Einheitlichkeitsbemühungen Karls des Großen Gallien wohl eine den orientalischen Liturgien ähnliche Meßfeier.
Wirklich eigenständige lateinische Riten gab es neben den vielen, vielen Gebräuchen des römischen Ritus in der unmittelbar vortridentinischen Zeit mW nur im mozarabischen Ritus in Spanien und im ambrosianischen Ritus in Mailand.