Germanus hat geschrieben:Der röm. Ritus war eigentlich durch die Jahrhunderte hindurch recht konservativ und hatte deshalb lange seine ältesten Elemente bewahren können. Die 65er Reform hat an der Form wenig geändert. Eine große Änderung war eigentlich nur die Sprache: Dass eben auch in der Landessprache zelebriert werden konnte. Das "Übergewicht" an Heiligengedenktagen glich früher das Fehlen von eigenen Formularen der Wochentage aus, wo oft das Sonntagsoffizium der Messe (samt Lesungen) genommen werden mußte. Das hat seinen Grund auch in der Tradition, denn die Eucharistie wurde in der alten Zeit am Sonntag und an den Heiligengedenktagen gefeiert. Der röm. Ritus war also sehr traditionsbewußt, wenn er deshalb die Meßformulare auch nur für diese Tage (und für die geprägten Zeiten etc.) im Meßbuch verzeichnet hatte. Nach der 65er Reform wollte man der Praxis und den Wünschen der Konzilsväter gerecht werden und hat deshalb für jeden Tag des Jahres Lesungstexte etc. ausgewählt. Die Heiligen waren daher nicht mehr so wichtig, zumal die Kommemorationspraxis geändert wurde (die eigentlich durchaus ihre Berechtigung hatte!). Alles zusammen ergab nach 1970 ein ziemlich dürftiges Ganzes, in dem sich ein gesundes liturgisches Leben nicht unbedingt wiederfindet.
Gruß G.
Dass der römische Ritus per se konservativ (bewahrend) ist, ist ja geradezu zwingend ... Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe (1Kor 15,3)!
Die These, dass die Heiligenfeste allein bzw. vor allem dazu gedient haben sollen die fehlender Werktagslesungen auszugleichen halte ich für etwas schief. Sicherlich richtig, dass es zusehens (vor allem dann im 19. Jh.) immer wieder geradezu gezielte Kampagnen gab bestimmte Feste einzuführen, die meist nach etwa folgendem Muster abliefen:
Zuerst wurde eine bestimmte Frömmigkeitsform bzw. ein Heiliger lokal bzw. in einer bestimmten Gemeinschaft gepflegt und der Hl. Stuhl wurde ersucht, diese Andacht auch liturgisch "abzusegnen". Folge: der Papst erleubte einer bestimmten Diözese/orden die Feier eines Festes.
Nach einer Weile begann dann die Kampagne mit gehäuften Ersuchen, doch die Feier auf die ganze Kirche auszudehnen. Man könnte fast meinen, die Auffassung bestand damals, dass nur die Feste etwas "taugten", die auch im Generalkalender verzeichnet waren. Jeder wollte gern "seinen" Ordensgründer oder Patron im Gesamtkalender finden. Der kurze Dienstweg zum einen und eine gewisse organisierte Blüte andererseits führten dann (auch) dazu, dass die Franzosen und vor allem die Italiener fleißig im Kalender vertreten waren.
Eine gewisse Internationalisierung brachte die Wende zum 20. Jh., wo die Missaionare Deutschlands, Englands und der Slawen in den Kalendereingang fanden, sowie die großen östlichen Kirchenlehrer.
Die seelsorgerliche Not in dieser Zeit bewegte wohl auch die Päpste, namentlich Leo XIII. dazu, dieser Ausdehnung der Heiligenverehrung nachzugeben, aber nicht so sehr um des Fehlens einer Werktagsleseordung, sondern weil an einfachen Ferialtagen das Berevier im Vergleich zu einem Heiligenfest deutlichst umfangreicher war (in der Matutin waren 12 ganze, zumeist recht lange Psalmen zu beten, an Heiligenfesten nur neun relativ kurze ... um nur ein Beispiel zu nennen).
Im Ritus von 1965 gab es dann auch - dem Wunsch der Konzilsväter nach einem reicher bereiteten Tisch des Gotteswortes (SC 51) - erste Ansätze einer "Perikopenordnung für die Messfeier an Wochentagen", die auch an Festen 3. Klasse zu gebrauchen war, wenn ein Fest nicht explizite eigenlesungen hatte. Diese Ordnung aus dem Jahr 1966 brachte ein Mehr an Lesungen (ein zweijahreszyklus für die Lesung und einen Einjahreszyklus für das Evangelium) OHNE die bestehende Perikopenordnung zu ändern: Die Sonntagslesungen und die Lesungen für die Werktage der Fasten- und Passionszeit, soeiwe die Quatembertage etc. blieben unangetastet.
Leider wurde dieser Weg dann in der Folge verlassen und ein laus liturgischer Sicht monströses Lesungssystem am grünen Exegetentisch zu schaffen. Ohne mich in Deteils zu verlieren halte ich den ersten Versuch für prinzipiell "richtiger", als den zweiten. Wieso?
1. Das Prinzip des römischen Ritus ist, wie von Germus so schön beschrieben, das Bewahren des Empfangenen. Das Konzil mahnte doch noch, dass nichts geändert werden sollte, wenn es nicht wirklich einen pastoralen Nutzen hätte. Worin lag aber der Nutzen im Abbruch des traditionellen, bis in die Spätantike/Frühmittelalter zurückreichenden Lektionssystem? Nicht zuletzt schadete es sogar der Ökumene! Viele lutherische Gemeinschaften machten die Abkehr von der traditionellen Leseordnung nicht mit. auch wen sich die luth. und die kath. Ordnung in der Nachpfingstzeit gegeneinander verschoben war, so gab es dennoch eine weitgehende Übereinstimmung da aus der gleichen Wurzel kommend.
2. Dass dem "Otto-normal-Messgänger" nur eine Schonkost der biblischen Botschaft präsentiert wurde (jeder Sonntag hatte sein Lektionspaar, dass alljährlich wiederkehrte), zeigt die mütterliche Fürsorge der Kirche:
Besser, ein einfacher Gläubige hört "ständig" die gleichen Texte, die dann aber auch im Gedächtnis und - viel wichtiger - ins Herz wandern (vgl. Lk 2,19: Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.), als dass in einem dem normalen Messbesucher nicht überschaubaren Dreijahreszyklus immer neue Texte präsentiert werden (noch dazu nach dem Willen der Schöpfer eine Lesung mehr als früher). Wer es fassen kann, der fasse es ... aber was ist mit denen (und es sind derer viele), die es nicht in diesem maß fassen können?
3. Denen, die es fassen können ... oder wollen, gab die Werktagsordng von 1966 die Möglichkeit, sich täglich vom Tisch des Gotteswortes nähren zu lassen: sei es durch den Besuch der Mese, oder durch die Betrechtung der entsprechenden Texte zuhause, wi es interessierte Laien mit "dem Schott" ja taten.
In Christo sunt omnes thesauri sapientiæ et scientiæ absconditi. (Col 2,3)