Ein interessanter Artikel

Rund um den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gemeinschaften.
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Maurus
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Maurus »

Peregrin hat geschrieben:
Maurus hat geschrieben: Es geht sogar noch ärger: Bekanntlich lehnen viele "den Konservativismus" ja pauschal ab. Die "Tridentinische Messe" wird ebenfalls pauschal abgelehnt. Und dennoch hört man plötzlich von den selben Leuten Sätze, in denen sie sich über das dauernde Gerede in der Messe beklagen etc. Dinge also, die eigentlich Kritikpunkte der Konservativen/ Traditionalisten sind. Vielleicht gibt es sogar größere Schnittmengen, als man meint. Warum also die Gegensätze? Da fällt mir nur die Ideolgie als Erklärung ein.
Ich sehe da die Gehirnwäsche durch kirchenfeindliche Religionslehrer. Wenn ein Kind jahrelang nur hört, wie böse die "Amtskirche" allgemein und "Rom" im besonderen ist, und dafür die "Erneuerung im Geist des Konzils" bejubelt und die Befreiungstheologie als reinste Ausformung der christlichen Lehre verherrlicht wird, dann kommen eben solche Beißreflexe heraus.
Das kommt auch noch dazu.

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cantus planus
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von cantus planus »

Mir hat unser lieber Ottaviani damals in Wien beim Bier mal erklärt, dass ausgerechnet die "Neokonservativen" diejenigen sind, die die größten Schwierigkeiten mit der Tradition haben. Das ist in der Tat richtig. Da kommt genau das zum Tragen, was Klaus Berger kritisierte: bei diesen Leuten reicht die Tradition bis zum II. Vaticanum. Ich würde anfügen: und bis zum Bejubeln von Papst Johannes Paul II.

Paradebeispiel unter den deutschen Bischöfen ist Müller in Regensburg. In fast keinem Bistum hatte es die Alte Messe schwerer. Nach dem Motu proprio und einer Schrecksekunde war es dann Bischof Müller, der sich in wahren Elogen über die Außerordentliche Form erging.

Da sieht man das Problem der konservativen Modernisten, wie es hier unlängst jemand treffend formulierte.
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Raimund J.
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Raimund J. »

Ich vermute auch darin einen Hauptgrund für die derzeitigen Querschüsse gegen Rom, daß etliche Bischöfe immer noch darüber beleidigt sind, daß ihnen mit der Komission Ecclesia Dei eine Instanz vorgesetzt wurde an die sich Gläubige direkt wenden können. Deshalb wird von ihnen jetzt auch immer wieder das hohe Lied der Ortskirche und der Subsidiarität gepredigt.
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Linus
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Linus »

cantus planus hat geschrieben:Mir hat unser lieber Ottaviani damals in Wien beim Bier mal erklärt, dass ausgerechnet die "Neokonservativen" diejenigen sind, die die größten Schwierigkeiten mit der Tradition haben. Das ist in der Tat richtig. Da kommt genau das zum Tragen, was Klaus Berger kritisierte: bei diesen Leuten reicht die Tradition bis zum II. Vaticanum. Ich würde anfügen: und bis zum Bejubeln von Papst Johannes Paul II.
nein, lieber cantus planus, die tradition der Neokonservativen beginnt mit dem 2. Vatikanum und der 1969er Liturgiereform ("wie die Urchristen Messe Feiern, deshalb gibts auch den Hypollit-Canon") :/
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Lupus
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Lupus »

Kann mir mal jemand erklären, was das heißt ein Neokonservativer zu sein. Bin ich auch einer oder nicht. Jedenfalls bemühe ich mich in der rechten lehre der Kirche zu stehen.
Ich habe den Eindruck, als ob diese Bezeichnungen Altliberale, Neoliberale, Neokonservative etc. genau so verwerflich und schädlich sind, wie das unsägliche "Fundamentalisten"!

+L.
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cantus planus
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von cantus planus »

Die Begriffe sind natürlich problematisch, unscharf und eigentlich für die innerkirchliche Diskussion unbrauchbar.
Wenn du, lieber Lupus, in Treue zum Papst und zur Kirche stehst, die Heilige Schrift kennst, dich in eine lange und gesunde Tradition stellst, dies den Menschen authentisch vermittelst und ihnen darin Hirte bist und dich um stete Selbstheiligung bemühst, bist du eindeutig... katholisch. :breitgrins:
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taddeo
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von taddeo »

Lupus hat geschrieben:Kann mir mal jemand erklären, was das heißt ein Neokonservativer zu sein. Bin ich auch einer oder nicht. Jedenfalls bemühe ich mich in der rechten lehre der Kirche zu stehen. ...
+L.
Wenn Du in der "rechten" Lehre der Kirche stehen willst und nicht in der "linken", dann bist Du automatisch neokonservativ. :blinker:

Und allein die Tatsache, daß und wie Du im Kreuzgang auftrittst, outet Dich schon als Neokonservativen - wobei man vielleicht noch über das "Neo-" streiten könnte ...

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Firmian
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Firmian »

Das "Neo" impliziert normalerweise, daß bestimmte Gegenbewegungen bereits antizipiert wurden, im Gegensatz zu Alt-Konservativen, die diese Gegenbewegungen lediglich ignorieren.

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Lupus
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Lupus »

...und bin so klug als wie zuvor! :achselzuck:

+L.
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ar26
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von ar26 »

Ich würde mal versuchen, mir das vom Wortsinn her zu erschließen.
Neo=neu, konservativ=bewahrend, erhaltend

Daher könnte man sagen, Neokonservatismus heißt das Neue bewahren. Das ergibt natürlich nur Sinn, wenn man "das Neue" irgendwie definieren kann. Im Bereich der Kirche kann man das aus dem Kontext wohl schon. Das Neue sind hier die Reformen der sechziger Jahre. Im Gegensatz zu progressiven Bewegungen, die eine permanente Änderung der Kirche in Lehre und Liturgie anstreben ("Wir sind Kirche" zum Beispiel) will man Quasi auf dem Stand von 1970 oder meinetwegen 2005 bleiben. Daher grenzt sich der Neokonservatismus sowohl gegen progressive als auch gegen restaurativ empfundene Bestrebungen ab.

Fixpunkt dieser Haltung zwischen 1970 und 2005 ist ein unhinterfragter Autoritätspositivismus, moralische Spießigkeit (und keine Überzeugungstreue) verbrämt katholisches Gehabe (insbesondere Erscheinungsgeilheit). Kurz gesagt, will man allenfalls beim 6. Gebot unpopulär sein, ansonsten aber mit der Zeit gehen. Daher auch besondere Sympathien für Päpste, die nur beim 6. Gebot unpopulär sind ansonsten aber den Jubel der Zeit produzieren.

Was dem kath. Neokonservativsmus eindeutig fehlt, ist eine plausible philosophische Methode bzw. jegliches Denken in diese Richtung. Andernfalls käme man womöglich auf die Idee, die herzegowinischen Erscheinungen mal am Maßstab der Tradition zu messen o.ä bzw. die Bedeutung von Erscheinungen allgemein in der Lehre der Kirche anzuerkennen.
...bis nach allem Kampf und Streit wir dich schaun in Ewigkeit!

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Firmian
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Firmian »

(also, das glaube ich nicht, daß sprachlich mit "neokonservativ" "das Neue bewahren" gemeint sein soll. Aber im Grunde kann ja jeder seine Gedankengänge nennen, wie er will.)

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taddeo
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von taddeo »

Ich glaube, es ist in der gegenwärtigen Zeit etwas zu simpel, den Begriff "neokonservativ" nur von seiner etymologischen Seite her zu sehen.

Eigentlich sollte man ihn dort belassen, wo er herkommt, nämlich in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion in den USA. Eine halbwegs nachvollziehbare Aufbereitung dieses Aspektes findet man etwa unter http://de.wikipedia.org/wiki/Neokonservatismus. So gilt zB G. W. Bush als typischer "Neokonservativer".

Bei uns hier, vor allem im christlichen bzw. katholischen oder kirchlichen Kontext, hat sich der Gebrauch des Wortes "neokonservativ" längst völlig verselbständigt. Es ist zu einem ausnahmslos negativ besetzten, inhaltslosen Schimpf- bzw. Schmähwort gegen alle diejenigen geworden, die sich (selbstverständlich aus der Sicht derer, die diesen Titel "neokonservativ" vergeben) einerseits nicht völlig dem Modernismus verschreiben, andererseits aber auch nicht bedingungslos "traditionalistisch" sind.

Nur am Rande sei bemerkt, daß das Wort zB auf +.net geradezu inflationär gegen alle benutzt wird, die den Betreibern nicht passen. So werden in den dortigen Artikeln (nicht Userbeiträgen!) u. a. folgende Personen oder Institutionen als "neokonservativ" bezeichnet, gelegentlich zusammen mit dem Prädikat "traditionsfeindlich":

- kath.net
- gloria.tv
- stjosef.at
- Stift Heiligenkreuz
- Abt Gregor Henkel von Donnersmarck
- Bischof Gerhard Ludwig Müller
- Bischof Walter Mixa
- Bischof Reinhard Marx
- Kardinal Meisner
- die "Legionäre Christi"
- das "Opus Dei"
- der Journalist Guido Horst
- und viele andere mehr.

Problematisch dabei ist, daß dort einerseits der Terminus durchaus korrekt für politische Themen aus den USA verwendet wird, gleichzeitig (oft sogar im selben Artikel) aber auch in der o. g. völlig undifferenzierten Totschlag-Variante gegen alles, was nicht "ultrakonservativ" ist (um mal ein anderes Schlagwort zu gebrauchen).

Lieber Lupus, ich glaube also kaum, daß Du neokonservativ bist oder sein willst. Bleib einfach konservativ, das reicht völlig. ;D

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taddeo
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von taddeo »

ar26 hat geschrieben:Ich würde mal versuchen, mir das vom Wortsinn her zu erschließen.
Neo=neu, konservativ=bewahrend, erhaltend

Daher könnte man sagen, Neokonservatismus heißt das Neue bewahren.
Mit Verlaub, aber etymologisch ist das Blödsinn. Wenn schon, dann ist ein "Neokonservativer" einer, der neu dazu gekommen ist, konservativ zu sein, und das nicht schon immer war. Das Neokatechumenat ist ja auch keine Taufe des Neuen, sondern das neu bewußt werden seiner (schon längst geschehenen) Taufe.

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Leguan
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Leguan »

Also neokonservativ im kirchlichen Sinne ist für mich die Gruppe, die zwar treu katholisch ist, aber mit der Tradition der Kirche nicht viel anzufangen weiß.
Das ist das Problem der momentanen Situation in der Kirche, man muß sich entscheiden, ob man die Kirche so nimmt, wie sie jetzt ist, oder so, wie sie bis zum 2. Vatikanum war.

Da ihnen das Fundament der Tradition fehlt, sucht diese Gruppe ihre Orientierung einzig und allein beim Papst, verehrt ihn wie einen Popstar ("Santo Subito") und schmeißt dafür auch gerne konsequentes Denken über Bord. So z.B. die, die bis 1994 Mädchen als Ministranten ganz schlimm fanden, und denen, die diese einsetzten Vorwürfe machten, seit 1994 aber Ministranten ganz toll finden, und denjenigen, die sie ablehnen mangelnde Papsttreue vorwerfen.
Ein weiteres Beispiel wären z.B. die die jahrelang denjenigen, die die gefälschte Übersetzung des "pro multis" bemängelten, "Ultradtraditionalismus" vorwarfen, jetzt aber schon immer gewußt haben, wie man das eigentlich übersetzt. Oder der Moderator des kath.net-Forums, der Jahrelang einen Thread mit dem Titel "Traditionalismus - Mainstream" führte und auf jeder zweiten Seite voller Schadenfreude darauf hinwies, daß Traditionalismus eine verurteilte Häresie sei, um in der Woche nach der Aufhebung der Exkommunikation der Piusbischöfe in "Tradition - Mainstream" umzubenennen. Ja wat nu - jetzt auf einmal keine Häresie mehr?

Ich bin kein Anhänger des Neokonservatismus, aber muß doch sagen, daß den Neokonservativen ihre Einstellung nicht übelnehmen kann - es ist nicht ihre Verantwortung, daß sich die Kirche momentan in dieser Situation befindet.
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Peregrin
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Peregrin »

Leguan hat geschrieben: Da ihnen das Fundament der Tradition fehlt, sucht diese Gruppe ihre Orientierung einzig und allein beim Papst, verehrt ihn wie einen Popstar ("Santo Subito") und schmeißt dafür auch gerne konsequentes Denken über Bord.
Das ist, glaube ich, eine recht treffende Charakterisierung. Eine weitere häufige Folge dieser Einstellung ist, daß "neokonservative" Bischöfe zwar (oft von Rom durch Erlässe erst auf die Idee gebracht) durchaus im Sinn der kirchlichen Lehre handeln, aber auf Nachfrage von empörten "Laienvertretern" oder Journalisten nahezu regelmäßig nicht in der Lage sind, bzw. nicht auf die Idee kommen, für ihre Maßnahmen eine theologische oder sonstige Begründung abzugeben, sondern sich immer nur, manchmal geradezu entschuldigend, auf das "Edikt aus Rom" berufen. Was feige wirkt und den Papst unter Druck setzt, statt ihn zu entlasten.
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ar26
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von ar26 »

Ob meine Ethymologie Blödsinn ist, ist mir eigentlich egal, weil es inhaltlich richtig ist. Wenn die Neo-Konservativen die neu Hinzugestoßenen wären, wäre der Kreuzgang ein äußerst neokonservatives Forum. Dem ist aber eher nicht so. Die Neocons sind diejenigen, die aus dem Neuen das (vermeintlich) Konservative gemacht haben.
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Robert Ketelhohn
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Lupus hat geschrieben:Kann mir mal jemand erklären, was das heißt, ein Neokonservativer zu
sein. Bin ich auch einer oder nicht. Jedenfalls bemühe ich mich in der
rechten Lehre der Kirche zu stehen. Ich habe den Eindruck, als ob diese
Bezeichnungen Altliberale, Neoliberale, Neokonservative etc. genau so
verwerflich und schädlich sind, wie das unsägliche "Fundamentalisten"!
Wie Ar26 mit dem Begriff Neocon schon andeutet, stammt das aus dem
Amerikanischen. Gemeint sind die Vertreter der „konservativen Revolu-
tion“ im geistigen Gefolge eines Leo Strauss, wie sie in den Neunzigern
mit Personen wie Newt Gingrich, Francis Fukuyama, Samuel Hunting-
ton oder Bill Kristol und ihrem Think Tank, dem American Enterprise In-
stitute
(AEI) die Machtergreifung des Bush-Régimes vorbereiteten, das
ganz von ihnen bestimmt war; Wolfowitz oder Perle seien bloß als pro-
minenteste Namen genannt.

Auf die politisch-ideologischen Inhalte will ich jetzt nicht weiter einge-
hen, das wäre ein Thema für sich. Mit traditionell konservativen Posi-
tionen haben diese Neocons jedenfalls wenig zu tun. Als Vertreter der
konservativen Tradition sei Pat Buchanan genannt: zwischen solchen
echten Konservativen und den Neocons gibt es praktisch keine Brük-
ken.

Parallel zu den politischen Neocons entstanden auch sich theologisch
oder religiös gerierende Ableger, manchmal scherzhaft als Theocons be-
zeichnet. Neben dem protestantischen Prediger-Typus gibt es da auch
eine katholisierende Schiene; dafür mögen Namen stehen wie Michael
Novak, Richard John Neuhaus oder George Weigel. Man gibt sich be-
tont „papsttreu“ (vor allem unter John Paul Two) und moralisch (à la
pro life), aber es ist wenig Substanz dahinter. Politisch setzt man auf
Bushism, Kriegspolitik etc.

Wenn der Begriff in Europa angewandt wird, dann in eben diesem
Sinn: „Papsttreue“, Antilinke und Pro-Life-Aktivisten mit Bush-Faible
und Anti-Terror-Kriegs-Trara, die gern mal endlich ein von „el-Qaida“-
Terror-Islamisten gekapertes vollbesetztes Passagierflugzeug abschös-
sen, oder so ähnlich. Typus Biermeier-Noé.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Leguan
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Leguan »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:[Samuel Huntington
Ich weiß nicht, ich habe den "Kampf der Kulturen" zumindest teilweise gelesen, und war sehr überrascht, was darin stand. Samuel Huntington wird von der deutschen Linken immer vorgeworfen er habe den Kampf der Kulturen "herbeigeschrieben" - in Wirklichkeit hat er die Entwicklung zwar vorausgesagt, aber davor gewarnt.
In dem Buch schreibt er, der einzige Weg, den Kampf der Kulturen zu verhindern sei, daß der Westen akzeptiere, daß seine Werte eben nicht in der ganzen Welt gelten, und von der Idee Demokratie und Menschenrechte zu exportieren, ob mit Waffen oder auf andere Art, Abstand nähme.
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ar26
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von ar26 »

In wieweit man Huntington politisch hierzu zählen kann, entzieht sich meiner Beurteilung. Man sollte aber noch ergänzen, daß viele der von Robert genannten Neocons aus einem eher linksliberalen politischen Millieu stammen und in den 60/70 Jahren irgendwo auf dem progressiven Flügel der Democrate Party beheimatet waren. Was sie von den Linken geschieden hat, war dann vor allem die Außenpolitik, weniger die sogenannten "social issues".

Richtig ist, daß klassischer Konservatismus was anderes ist. Pat Buchanan (auch Tradi) ist dafür ein gutes Beispiel.
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conscientia
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von conscientia »

Danke, jetzt weiß ich endlich, was ein Neokonservativer ist und in welche Fraktion die ganzen Johannes Paul II.-Anhänger zu stecken sind.

Was ist aber ein "Konservativer"? Einer, der wie Edmund Burke die Französische Revolution und ihre Folgen ablehnt, statt dessen für eine evolutionäre und pragmatische Weiterentwicklung des (politischen, kirchlichen, kulturellen - wie auch immer) Systems plädiert, immer getragen von einer als wertvoll erkannten Tradition?
Dann wäre ein Konservativer also auch die Kombination österreichischer Legitimist u. christlich-sozial, bis hin zur berufsständischen Ordnung à la Quadragesimo anno?

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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von conscientia »

Vielleicht könnte Ihr alle hier mir einmal auf die Sprünge helfen:

Was ist aber innerkirchlich ein "Altliberaler"
Was ein "Neoliberaler"?

Politisch kann ich mir darunter etwas vorstellen, aber in der Kirche...

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

conscientia hat geschrieben:Was ist aber innerkirchlich ein "Altliberaler"

Das ist eine redaktionelle kreuz.net-Sprachregelung. Überlagert sich seit einiger Zeit teilweise mit der Etikettierung gewisser kirchlicher Personen als „neokonservativ“.
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Raimund J.
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Raimund J. »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Lupus hat geschrieben:Kann mir mal jemand erklären, was das heißt, ein Neokonservativer zu
sein. Bin ich auch einer oder nicht. Jedenfalls bemühe ich mich in der
rechten Lehre der Kirche zu stehen. Ich habe den Eindruck, als ob diese
Bezeichnungen Altliberale, Neoliberale, Neokonservative etc. genau so
verwerflich und schädlich sind, wie das unsägliche "Fundamentalisten"!
Wie Ar26 mit dem Begriff Neocon schon andeutet, stammt das aus dem
Amerikanischen. Gemeint sind die Vertreter der „konservativen Revolu-
tion“ im geistigen Gefolge eines Leo Strauss, wie sie in den Neunzigern
mit Personen wie Newt Gingrich, [...]
http://www.kath.net/detail.php?id=22294
Newt Gingrich, der bekannte US-Politiker der Republikaner, möchte zur katholischen Kirchen konvertieren. Dies berichtet die New York Times (NYT).
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Linus
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Linus »

ar26 hat geschrieben:Ich würde mal versuchen, mir das vom Wortsinn her zu erschließen.
Neo=neu, konservativ=bewahrend, erhaltend

Daher könnte man sagen, Neokonservatismus heißt das Neue bewahren. Das ergibt natürlich nur Sinn, wenn man "das Neue" irgendwie definieren kann. Im Bereich der Kirche kann man das aus dem Kontext wohl schon. Das Neue sind hier die Reformen der sechziger Jahre. Im Gegensatz zu progressiven Bewegungen, die eine permanente Änderung der Kirche in Lehre und Liturgie anstreben ("Wir sind Kirche" zum Beispiel) will man Quasi auf dem Stand von 1970 oder meinetwegen 2005 bleiben. Daher grenzt sich der Neokonservatismus sowohl gegen progressive als auch gegen restaurativ empfundene Bestrebungen ab.

Fixpunkt dieser Haltung zwischen 1970 und 2005 ist ein unhinterfragter Autoritätspositivismus, moralische Spießigkeit (und keine Überzeugungstreue) verbrämt katholisches Gehabe (insbesondere Erscheinungsgeilheit). Kurz gesagt, will man allenfalls beim 6. Gebot unpopulär sein, ansonsten aber mit der Zeit gehen. Daher auch besondere Sympathien für Päpste, die nur beim 6. Gebot unpopulär sind ansonsten aber den Jubel der Zeit produzieren.

Was dem kath. Neokonservativsmus eindeutig fehlt, ist eine plausible philosophische Methode bzw. jegliches Denken in diese Richtung. Andernfalls käme man womöglich auf die Idee, die herzegowinischen Erscheinungen mal am Maßstab der Tradition zu messen o.ä bzw. die Bedeutung von Erscheinungen allgemein in der Lehre der Kirche anzuerkennen.
:kugel:
Gefällt mir durchaus. Bloß: Neokonservativ heißt nicht unbedingt Freund und Förderer des Südbosniakischen Fremdenverkehrs zu sein. (Gut viele (die meisten? :achselzuck: ) sinds. Bei Leibe aber nicht alle.)
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Beitrag von ottaviani »

Leider hat sich dieser größte Schwindel des 20 Jhd. wie die Pest in Neokonservativen Kreisen ausgebreitet

conscientia
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von conscientia »

Merkwürdig.

Zur Philosophie: Ob ich Aristoteliker oder Platoniker, Thomist oder Augustinist bin, dürfte sich meiner Einschätzung nach kaum auf die kirchenpolitische Einstellung auswirken.

Ich selbst würde, wenigstens in Bezug auf die Eucharistiefeier, für noch entschiedenere Reformschritte plädieren, als bereits geschehen sind (= regelmäßige Kommunion unter beiden Gestalten), meine aber, eine christliche Spiritualität sollte das regelmäßige Gebet (Chorgebet), die Betrachtung, die Gewissenserforschung nicht vernachlässigen, was oft geschieht.

Ansonsten habe ich den Eindruck, oft geht es gar nicht um Ismen (Traditionalismus-Modernismus, Progressismus-Konservatismus), sondern um Sachkenntnis: Wer hat - in einer gemeindlichen Gesprächsrunde - Ahnung? Von der Lehre der Kirche, dem Kirchen- und Liturgierecht?

Noch ne Frage: Warum sollte Papst Johannes Paul II. beim 6. Gebot unpopulär gewesen sein, ansonsten aber mit der Zeit gegangen? Ich würde es andersrum sehen: Er ist oft genug nicht mit der Zeit gegangen, und beim 6. Gebot war er doch gar nicht so rückständig.

Gruß
c.

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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Firmian »

(Die Medjugorje-Fans kriegen's ja von allen Seiten ab - den Linken ist eine Marienwallfahrt per se suspekt, und von rechts ist's "der größte Schwindel" ...)

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ottaviani
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von ottaviani »

Sie haben es sich redlich verdient in den letzten 28 jahren glaub es mir

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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Linus »

Firmian hat geschrieben:(Die Medjugorje-Fans kriegen's ja von allen Seiten ab - den Linken ist eine Marienwallfahrt per se suspekt, und von rechts ist's "der größte Schwindel" ...)
(und argumentieren deshalb daß weil sie beiderseits Angegriffen würden kanns gar nicht falsch sein, vor allem wenn man die Früchte (nein nicht [Pferde-]Äpfel und (Krumm-)Birnen) betrachtet. :tuete: *seuftz*
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Lupus »

Eiderdautz, da hab ich ja mit meiner Anfrage etwas angestellt!+

Als ich vor nunmehr 25 Jahren als Pfarrer investiert wurde, habe ich im Anschluss an das Nicaenokonstantinopolitanische Glaubensbekenntnis folgenden Eid abgelegt:
"Auch was die Kirche über die Glaubens- und Sittenlehre durch feierliche Lehrentscheidung oder durch ihr ordentliches Lehramt vorträgt und festlegt, nehme ich im Ganzen und im Einzelnen an und halte daran fest, so wie es die Kirche vorlegt, insbesondere die Lehrstücke über das Glaubensgeheimnis der heiligen Kirche Christi und ihre Sakramente, das Messopfer und den Primat des Papstes. Auf dem Fundament dieses Bekenntnisses und in Gemeinschaft mit dem Glauben der Kirche will ich meinen Auftrag in diesen Gemeinden erfüllen."

Daran mich zu halten versuche ich täglich. Egal, ob man mich nun irgendwie benamst.

+L.
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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von Florianklaus »

Würden das doch nur alle Pfarrer versuchen.........................

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Re: Ein interessanter Artikel

Beitrag von ottaviani »

Lupus hat geschrieben:Eiderdautz, da hab ich ja mit meiner Anfrage etwas angestellt!+

Als ich vor nunmehr 25 Jahren als Pfarrer investiert wurde, habe ich im Anschluss an das Nicaenokonstantinopolitanische Glaubensbekenntnis folgenden Eid abgelegt:
"Auch was die Kirche über die Glaubens- und Sittenlehre durch feierliche Lehrentscheidung oder durch ihr ordentliches Lehramt vorträgt und festlegt, nehme ich im Ganzen und im Einzelnen an und halte daran fest, so wie es die Kirche vorlegt, insbesondere die Lehrstücke über das Glaubensgeheimnis der heiligen Kirche Christi und ihre Sakramente, das Messopfer und den Primat des Papstes. Auf dem Fundament dieses Bekenntnisses und in Gemeinschaft mit dem Glauben der Kirche will ich meinen Auftrag in diesen Gemeinden erfüllen."

Daran mich zu halten versuche ich täglich. Egal, ob man mich nun irgendwie benamst.

+L.
wieso hast du was angestellt

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