Was gehört alles zur Orthodoxen Orthopraxie?

Ostkirchliche Themen.
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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Ich kenne die Orthodoxie ja auch nur von außen, aber ich habe das Gefühl, daß es in der Orthodoxie doch etwas anderes ist. So spielt meiner Meinung nach auch der ständige Beichtvater in der Orthodoxie eine größere Rolle, es geht nicht nur darum, daß er die Beichte abnimmt. Aber so ein geistlicher Vater kann auch ein Laie sein. Aber seine Ratschläge muß man befolgen, auch wenn es z.B. um das Gebet oder das Fasten geht.
So habe ich es jedenfalls verstanden.

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songul
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Beitrag von songul »

Hallo alle zusammen,

ich will mal versuchen auf meine Art eine Antwort zu geben, was für mich Orthopraxie bedeutet.
Also, als orthodoxer „Normal-Christ“ habe ich gelernt, die täglichen Gebete zu sprechen; morgens und abends, auch mal aus dem Stundengebet, wer möchte.
Mindestens Sonntags in die Kirche zu gehen; wann immer es geht zu kommunizieren, nicht ohne vorher gebeichtet zu haben und nüchtern zu sein.
Die Fasttage unter der Woche einzuhalten (Mittwochs und Freitags), ebenso die vier Fastenzeiten durchs Jahr.
Die Hochfeste zu feiern, wann immer es von Berufswegen möglich ist.
Die Ikonen zu verehren; zu Hause eine Ikonen-Ecke zu haben in der man seine Andacht verrichten kann. Das Jesus-Gebet gehört unbedingt dazu.
Möglichst täglich im Synaxarion (Chronik der Heiligen gemäß ihrer Gedenktage) lesen, dazu Literatur der Kirchenväter-Alte wie Neue, natürlich auch in der Bibel: tägliche Lesung usw.
Eine große Liebe zum Mönchtum, ohne deren Inspiration man in der Orthodoxie auch nicht auskommt. Wer kann besucht gerne Klöster.
Auch ist es wichtig, eine persönliche Beziehung zu seinem Beichtvater (geistlichen Vater) zu pflegen.
Der orthodoxe Christ wird sicherlich den Anweisungen der Apostel in den diversen Briefen eher in seinem Leben folge leisten, da sein ganzes Dasein vom Glauben, der Religion durchdrungen ist. Es ist ihm bewusst, dass solches Tun ihn immer mehr auf sich selbst zurückwirft und er dadurch Gott näher kommt.
Das betrifft vor allem auch Dinge der Moral und dem Umgang mit den Mitmenschen im täglichen Leben.
Mit einer solchen Einstellung, einem solchen Verhalten wird es einem orthodoxen Gläubigen viel schwerer fallen, die Allmacht Gottes in Frage zu stellen oder gar einfach zu übergehen.
Mit dieser Art der Orthopraxie fühlen wir eine direkte Verbindung zu den frühesten Christen in dem Bewusstsein der doch ziemlich ungebrochenen Tradition die bis heute besteht.
Das mag vielleicht simpel und naiv klingen, aber in der Einfachheit liegt oft mehr Wahrheit als in komplizierten theologischen Erklärungen -Vorstellungen zumal diese meist dann entstehen, wenn man dieser (der Einfachheit) überdrüssig geworden ist.
Das was ich oben geschildert habe, gehört mehr oder weniger zum Leben eines jeden orthodoxen Christen.
In den Ländern in denen die Orthodoxie Hauptkonfession ist, kommen natürlich noch jede Menge Sitten und Gebräuche, Feste und Feiern dazu.
Das ist kurz gefasst was mir so einfällt zur Orthopraxie.

Grüße
Songul

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Sebastian
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Beitrag von Sebastian »

Was mir meine Väter rieten:

Was Du tust, tue es aus Liebe zu Christus. Sei es das Gebet, der Dienst in der Gemeinde, die Unterordnung, der Dienst am Nächsten, sei es die Verbeugung, die Du vor dem Herrn verrichtest (tue sie aus Liebe zu Jesus und nicht zur Selbstdarstellung), der sonntägliche Kirchgang, das Fasten, das "Hüten der Zunge", der Verzicht uvm. Tue all dies aus Liebe zu Christus, nicht weil Du musst (im Sinne eines Zwanges, Frondienstes), sondern weil Du Dich in der Liebe zu Christus bemühst. Was Du kannst, tue im Verborgenem. Sei bescheiden.
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Sind eigentlich alle Orthodoxen hier im deutschsprachigen Raum so, ehem "orthodox", oder gibt es auch laue? Ich meine, es gibt ja auch viele laue Katholiken.

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Linus
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Beitrag von Linus »

anneke6 hat geschrieben:Sind eigentlich alle Orthodoxen hier im deutschsprachigen Raum so, ehem "orthodox", oder gibt es auch laue? Ich meine, es gibt ja auch viele laue Katholiken.
Es gibt auch laue. (ich kenne einige, aber die Diadsporasituation ist fürs Fahne zeigen begünstigend) Es ist halt das gleiche Phänomen: in Christlichen Foren tummeln sich immer die, dies ernst nehmen.
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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Alexander hat geschrieben: Nun aber ist im Westen das filioque eingefügt worden... Und dann noch die Existenz der ungeschafenen Energien Gottes verworfen --- und damit auch die Theosis. @Robert, @Juergen, seht Ihr diesen schrecklichen Tatbestand?

....

Und dann noch die Sache mit den unerschaffenen Energien... Wehe-wehe.

Hochinteressant!!
Aber das mit den unerschaffenen Energien kenne ich noch nicht.
Kann man mir das bitte erklären?

Danke,
Clemens

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songul
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Beitrag von songul »

anneke6 hat folgendes geschrieben:
Sind eigentlich alle Orthodoxen hier im deutschsprachigen Raum so, ehem "orthodox", oder gibt es auch laue? Ich meine, es gibt ja auch viele laue Katholiken.
Natürlich gibt es unter den Orthodoxen auch jede Menge Laue bis wenig Interessierte; das gilt vor allem für diejenigen die hierzulande in orthodoxe Familien hineingeboren worden sind.
Trotzdem ist eine solche Verflachung des religiösen Bewusstseins wie es in West-Christlichen Breiten üblich geworden ist, wohl nicht möglich.
In der Regel lassen die Leute sich taufen, heiraten kirchlich und verzichten selten auf ein christliches Begräbnis.
Orthodoxe Jugendliche sind genauso „hip“ wie die anderen auch, dennoch stellen sie den Glauben viel seltener in Frage, und zu Ostern feiern alle mit.
Ich kenne eine Menge Leute die politisch ziemlich links stehen, aber eine Ikone darf zu Hause nicht fehlen.
Selbst Homosexuelle aus orthodoxen Ländern gehen sicher ihren Neigungen nach, kommen aber niemals auf die Idee von Seiten der Religion Zustimmung für ihr Tun zu verlangen.
Ich denke das hat alles damit zu tun, dass die orthodoxe Lehre nie so weit ging und auch nicht gehen wird, solche Zugeständnisse an die so genannte Modernität und Aufgeklärtheit zu machen wie das hier im Westen geschieht.
Das ist sicher deswegen so, weil man sich der Originalität der Lehre und der ungebrochenen Tradition des Glaubens von Anfang an bewusst ist.
Dagegen haben weder Kreuzritter noch Osmanen oder Kommunisten etwas ausrichten können.
Man mag sich darüber streiten ob in den Kirchen nun Stuhlreihen sein sollen oder nicht, Frauen mit Kopfbedeckung Ja oder Nein, und sonst was noch, aber selbst der kleinste Pope würde nicht auf die Idee kommen aus der Liturgie ein Happening zu kreieren. Im Gegenteil, gerade von Seiten der Gläubigen wird sehr darauf geachtet, dass alles seinen würdigen Lauf geht. Und es komme bloß keiner auf den Gedanken zu sagen, es kämen ja eh nur Alte, Konservative oder welche mit Problemen in unsere Kirchen; es gibt wohl kaum Kirchen wie in den Unsrigen, in denen es so viele teure bis teuerste „Modelabels“ herumlaufen.
Die Orthopraxie ist das was alle Gläubigen miteinander und mit Gott verbindet; etwas was im Westen eigentlich schon lange Verloren gegangen ist.

Songul

ieromonach
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Beitrag von ieromonach »

Hallo Raphaela,
Du schreibst eine Ausbildung für "geistliche Begleitung" gemacht zu haben. Das ist kein Kriterium für einen "geistlichen Vater(Mutter)." Geistliche Vater (Mutter)schaft ist ein Charisma, ein Geschenk des Hl. Geistes und ist nicht abhängig von Geschlecht oder gar Alter. Dieses kann man nicht akademische erlernen. Wichtig ist folgendes: Niemand kann geistl. Vater (Mutter) sein, ohne vorher lange Zeit geistlichen Kind gewesen zu sein. Ein Kriterium um einen geistlichen Vater (Mutter) zu erkennen ist die Sanftmut und Liebe. Unterscheiden sollte man auch zwischen Beichtvater und geistlichem Vater. Letzteres ist nicht gebunden am
Priestertum. + P.Theodoros

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Linus
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Beitrag von Linus »

Lieber Vater Theodor,

die(nichtakademische) Ausbildung zum geistlichen Begleiter ist im Wesentlichen nur ein " formales Qualitätssicherungsmerkmal". Damit soll gwährleistet werden, daß geistliche Begleitung potentiell auch solche bleibt, und keine (Pseudo-)Psychotherapeutischen oder Hagiotherapeutischen Züge aufweist. Über die Qualität des einzelnen Vaters/Mutter läßt sich dann trefflich streiten. Manche haben doch diese Ausbildung, aber selbst scheinbar , nein richtig: anscheinend derartig wenig Gebetspraxis, daß vernünftige geistliche begleitung nicht möglich ist.
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ieromonach
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Die Sakristei

Beitrag von ieromonach »

Carisseme Linus,
Du begrüst mich mit "Lieber Vater Th.". Vielleicht bin ich gar icht so "lieb". Ein geistlicher Vater zeichnet sich durch "Sanftmut und Liebe" aus, aber ich? --- Trotzdem, ich hab mich gefreut, endlich sagt mal jemand "lieber", tut ganz gut. In einigen Beitragen bin ich von orth. Brüdern als "schismatisch" als "Sektierer" und "unkanonisch" bezeichnet worden. Du aber nennst ich "Lieber V.Th". Ist man vielleicht bei vielen "Nichtorthodoxen" der Orthopraxie näher als bei einigen "Rechtgläubigen"? Bei einem meiner Lehrer, in Holland, habe ich gelernt (das war der hl. Johann Maximowitsch und Bischof Jakob) das der Begriff Jurisdiktion tödlich sein kann. Beide sagten m ir damals: " Peterleinchen, denk immer darann, wenn jemand mit dir beten will ist alles ok, wenn nichtt auch ok, aber vergiß niemals die Liebe." Dir Linus vielen Dank in der Liebe IC XCti + P.Theodoros

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Linus
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Re: Die Sakristei

Beitrag von Linus »

ieromonach hat geschrieben: Vielleicht bin ich gar icht so "lieb". Ein geistlicher Vater zeichnet sich durch "Sanftmut und Liebe" aus, aber ich? --- Trotzdem, ich hab mich gefreut, endlich sagt mal jemand "lieber", tut ganz gut.
Dignissime!
Lieber Vater Theodoros,

Bitte gern geschehen. Geistliche Väter zeichnen sich durch Sanftmut und Liebe aus? Gut zu wissen. Der meinige ist zwar lieb, (man spürt ihm gehts um mein Heil) aber sanftmütig? Naja, kann man "geistliche Tritte in den Allerwertesten" (und ich brauch die, denn ein Sack Kartoffel ist manchmal bewegungsfreudiger als ich) sanft austeilen? (Wenn ja, bitte ums Rezept, ich werds weiterreichen ;) )

Ich gestehe aber das "Lieber" ist mir zur Standardanrede geworden im persönlichen schriftlichen Verkehr - gerade mit Geistlichen. Auch wenn am Kuvert der Hochwürdige Herr, die Exzellenz oder die Eminenz adressiert wird.

Was die innerorthodoxen Streitereien angeht, ist es mir egal. Es betrifft mich nicht. Deine Weihe werden sie dir wohl nicht abstreiten, also gilt für mich Lateiner, daß du jedenfalls geweiht bist, und "Anrecht" auf "Titulatur" hast.

Lieben Gruß in Christo

Linus

(PS. Einen (kath.) Priester rede ich am Adressfeld mit der höchsten und förmlichsten Möglichkeit an, im Brief selbst wird "runterlizitiert" )
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