Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Ostkirchliche Themen.
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Anselmus
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Anselmus »

Sempre hat geschrieben:
Nassos hat geschrieben:Für was manche ihre gute Energie vergeuden, das geht auf keine Kuhhaut. Da gibts keine Rechtfertigung für.... :panisch:
Richtig Nassos. Allerdings ist das auf die abstrusen Theorien eines nicht-dreidimensionalen Raumes im Jenseits zu beziehen. Die Beschäftigung mit Solcherlei ist tatsächlich müßig.

Gruß
Sempre
Ich sagte auch nicht, dass sie entbehrlich werden. Aber sie verlieren jedenfalls informationsgehalt, da es insgesamt mehr Informationen über Gegenstände gibt, je mehr Dimensionen es gibt.

Nehmen wir ein Beispiel: Du stehst unter einer Lampe. In der zweidimensionalen Projektion auf den Boden haben die Lampe und du den selben Ort. Im Dreidimensionalen wäre diese Aussage aber höchst irreführend und falsch. Der Deskriptor aus dem 2D-Raum enthält also weniger Informationen als der Deskriptor im 3D-Raum enthalten könnte.

Ich verstehe nicht, warum du dich so auf den 3D-Raum eingeschossen hast. Ich denke mir einfach folgendes: Im Reiche Gottes werden wir Gott schauen und da wüsste ich nicht, wie Gott 3D sein sollte. Gott ist nicht irgendwie räumlich, er hat den Raum ja erst geschaffen. Auch unsere vierte Dimension, die Zeit, hat Gott nicht geschaffen. Deswegen bleibe ich einfach bei der Aussage, dass ich einfach keine Ahnung habe, wie das Reich Gottes geartet ist, jedoch denke ich (und dafür haben wir aus der Schrift durchaus Anhaltspunkte, nicht direkt über das Reich Gottes, aber über Gott selbst), dass es einfach irgendwie anders ist, als hier auf Erden.

Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Raphael hat geschrieben:
Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Wenn man die Energienlehre ablehnt, führt das nicht dazu, dass man Gottes innerstes Wesen für erkennbar hält?
Diese Folgerung ist Unfug, denn in der westlichen Kirche wird die "östliche" Energienlehre nicht explizit gelehrt.
Nichtsdestoweniger bleibt auch in der westlichen Lehre Gottes innerstes Wesen unerkennbar.
Das kann so nicht so einfach gesagt werden. Für die Westkirche gilt der Satz Benedikts XVI.: "Gott ist so, wie er sich zeigt." D.h. z.B. auch, dass nach westlichem Verständnis von Gottes Zornigsein geredet werden kann, ebenso wie von Gottes Gnädigsein. Wenn ich die orthodoxen Beiträge hier im Thread richtig verstanden habe, dann vertritt die Orthodoxie von der Unveränderlichkeit Gottes her (oben wurde auf eine Passage bei St. Antonius aus der Philokalie eingegangen), dass Gott nicht zornig sei etc., weil er keine Veränderung kenne und Zorn etc. wären Veränderungen im Wesen. Für die Ostkirche (wenigstens stellten es die orthodoxen Gesprächspartner in diesem Thread so dar) seien die Aussagen über Gottes Zorn etc. nur metaphorischer Art. D.h. aber: die Ostkirche könnte den Satz Benedikts XVI., dass Gott so ist, wie er sich zeigt, nicht in derselben Weise mittragen, wie dies die Westkirche tut. Anders ausgedrückt: die immanente Trinität (Wesenstrinität) und die ökonomische Trinität (die sich in der Heilsgeschichte offenbarende Trinität) fallen in der Weise auseinander, dass die ökonomische Trinität nicht die Weise ist, wie Gott selber sich zeigt, sondern nur, wie seine Energien (aber eben nicht Gott selber!!) in der Schöpfung wirken. Deshalb auch mein Hinweis auf Gregorios Palamas. Falls ich das falsch verstanden habe, bitte ich Euch, mir hier weiterzuhelfen.

@ Joseph: Übrigens habe ich nicht gesagt, dass manche orthodoxen Kirchen die Lehre von Gregorios Palamas ablehnen, sondern dass seine Lehre nicht in allen orthodoxen Kirchen dasselbe Gewicht, dieselbe Bedeutung hat. Diese Information fand ich in der Theologischen Realenzyklopädie unter "Hesychasmus", einem Artikel, den Fairy von Lilienfeld geschrieben hat. Sie war im (deutschen) evangelischen Bereich die wohl bedeutendste Kennerin der orthodoxen Theologie.

Raphael

Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Raphael »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Das kann so nicht so einfach gesagt werden.
Doch das kann so einfach gesagt werden! :doktor:

Der Punkt ist - und dies geht IMHO aus der bisher geführten Disputation klar hervor -, daß die Ostkirche die (palamatische) Energienlehre dort nutzt, wo die Westkirche die Gnadenlehre anwendet.
Die der Gnadenlehre inhärente (westliche) Unterscheidung zwischen geschaffener Gnade und ungeschaffener Gnade übersteigt jedoch das Abstraktionsvermögen der östlichen Gesprächspartner, weil sie sich a priori auf die eine doktrinäre Energienlehre eingeschworen haben. Sie sitzen also gleichsam in dem von Gregor Palamas bzw. einem selbst geschaffenen "energetischen" Gefängnis.

Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Raphael hat geschrieben:... Der Punkt ist - und dies geht IMHO aus der bisher geführten Disputation klar hervor -, daß die Ostkirche die (palamatische) Energienlehre dort nutzt, wo die Westkirche die Gnadenlehre anwendet.
Die der Gnadenlehre inhärente (westliche) Unterscheidung zwischen geschaffener Gnade und ungeschaffener Gnade übersteigt jedoch das Abstraktionsvermögen der östlichen Gesprächspartner, weil sie sich a priori auf die eine doktrinäre Energienlehre eingeschworen haben. Sie sitzen also gleichsam in dem von Gregor Palamas bzw. einem selbst geschaffenen "energetischen" Gefängnis.
Den ersten Satz kann ich nachvollziehen. Den verstehe ich. Aber was Du dann in den folgenden Sätzen sagen willst, verstehe ich nicht ganz. :hae?: Deine Skizze ist etwas knapp. Führe sie doch etwas aus, damit ich besser folgen kann. :ja:

Aber trotzdem noch einmal: "Gott ist so, wie er sich zeigt." (Benedikt XVI.) Eine prinzipielle Verborgenheit von Gottes innerstem Wesen kann ich so in der Hl. Schrift nicht erkennen. Gottes "innerstes Wesen" (Raphael) ist die Liebe (1 Joh 4,16). Die hat er uns in Jesus Christus gezeigt ; sie ist "erschienen" (1 Joh 4,9). Und trotzdem ist Gott auch der Zornige, der uns seinen Zorn im Gesetz offenbart. Er ist der Gerechte, der sein einmal gesprochenes Gebot nicht mehr zurücknimmt, sondern einfordert. So hat sich Gott auch gezeigt. Deshalb ist er auch so. Und genau dies scheint, wenn ich die orthodoxen Gesprächspartner recht verstehe, so in der Orthodoxie nicht gelehrt zu werden.

Was uns in der Tat verborgen ist, ist das Geheimnis, wie in Gott Gerechtigkeit und Gnade, Gesetz und Evangelium geeint sind, denn wir müssen beide unterscheiden. Aber eines Tages werden wir auch ihn erkennen, gleichwie wir erkannt sind (1 Kor 13,12).

Raphael

Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Raphael »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:... Der Punkt ist - und dies geht IMHO aus der bisher geführten Disputation klar hervor -, daß die Ostkirche die (palamatische) Energienlehre dort nutzt, wo die Westkirche die Gnadenlehre anwendet.
Die der Gnadenlehre inhärente (westliche) Unterscheidung zwischen geschaffener Gnade und ungeschaffener Gnade übersteigt jedoch das Abstraktionsvermögen der östlichen Gesprächspartner, weil sie sich a priori auf die eine doktrinäre Energienlehre eingeschworen haben. Sie sitzen also gleichsam in dem von Gregor Palamas bzw. einem selbst geschaffenen "energetischen" Gefängnis.
Den ersten Satz kann ich nachvollziehen. Den verstehe ich. Aber was Du dann in den folgenden Sätzen sagen willst, verstehe ich nicht ganz. :hae?: Deine Skizze ist etwas knapp. Führe sie doch etwas aus, damit ich besser folgen kann. :ja:

Aber trotzdem noch einmal: "Gott ist so, wie er sich zeigt." (Benedikt XVI.) Eine prinzipielle Verborgenheit von Gottes innerstem Wesen kann ich so in der Hl. Schrift nicht erkennen. Gottes "innerstes Wesen" (Raphael) ist die Liebe (1 Joh 4,16). Die hat er uns in Jesus Christus gezeigt ; sie ist "erschienen" (1 Joh 4,9). Und trotzdem ist Gott auch der Zornige, der uns seinen Zorn im Gesetz offenbart. Er ist der Gerechte, der sein einmal gesprochenes Gebot nicht mehr zurücknimmt, sondern einfordert. So hat sich Gott auch gezeigt. Deshalb ist er auch so. Und genau dies scheint, wenn ich die orthodoxen Gesprächspartner recht verstehe, so in der Orthodoxie nicht gelehrt zu werden.

Was uns in der Tat verborgen ist, ist das Geheimnis, wie in Gott Gerechtigkeit und Gnade, Gesetz und Evangelium geeint sind, denn wir müssen beide unterscheiden. Aber eines Tages werden wir auch ihn erkennen, gleichwie wir erkannt sind (1 Kor 13,12).
Eigentlich führt es zu weit vom Thread-Thema weg, aber sei's drum .....

Gott ist die Liebe in dem Sinne, daß die Liebe die Relation zwischen den drei göttlichen Personen ist. Da die Trinität prä-existent ist, sind auch die innergöttlichen Relationen präexistent und damit die Liebe.

In einem zweiten Schritt möchte ich diese innergöttliche Liebe mit einer Lichtquelle vergleichen, wobei das Licht in die menschliche Seele fällt. Insoweit diese Lichtquelle innergöttlich ist, ist sie ungeschaffen (= ungeschaffene Gnade).
Fällt dieses Licht jedoch in die Seele, gehört es zu den geschaffenen Dingen. Das Licht verliert also auf seinem Weg in die Seele, die ja ein Teil der Schöpfung ist, die Qualität des Ungeschaffenseins; mithin wird es zur geschaffenen Gnade. Es behält aber seine überwältigende Macht.

Was sie Unerkennbarkeit Gottes anbetrifft möchte ich lediglich Johannes von Damaskus zitieren. Mir scheint, in diesem Zitat ist alles wesentliche gesagt:
Daß Gott ohne Anfang und Ende ist, ewig und immerwährend, ungeschaffen, unwandelbar, unveränderlich, einfach, nicht zusammengesetzt, unkörperlich, unsichtbar, ungreifbar, unbegrenzt, unendlich, unbegreiflich, uneingeschränkt, unfaßbar, gut, gerecht, Bildner aller Geschöpfe, allmächtig, allherrschend, allsehend, allsorgend, Machthaber und Richter — das erkennen und bekennen wir. Und daß nur ein Gott ist, d. h, eine Wesenheit; daß er in drei Personen erkannt wird und ist, nämlich im Vater, Sohn und Hl. Geist; daß der Vater, Sohn und der Hl. Geist in allem eins sind, ausgenommen das Ungezeugtsein, das Gezeugtsein und das Hervorgehen; daß der eingeborene Sohn und Logos Gottes und Gott "aus herzinnigem Erbarmen“2 unseres Heiles wegen durch den Willen des Vaters und die Mitwirkung des allheiligen Geistes ohne Samen empfangen, unbefleckt aus der heiligen Jungfrau und Gottesgebärerin Maria durch den Hl. Geist geboren worden und als vollkommener Mensch aus ihr hervorgegangen ist; daß derselbe vollkommener Gott und vollkommener Mensch zugleich ist, [bestehend] aus zwei Naturen, Gottheit und Menschheit, und in zwei Naturen, die vernünftig, wollend, wirkend, selbstmächtig, mit einem Wort vollkommen sind, eine jede in der ihr zukommenden Bestimmtheit und Beschaffenheit, in der Gottheit und Menschheit nämlich, aber in einer zusammengesetzten Person [Hypostase]; daß er hungerte und dürstete und müde ward, gekreuzigt wurde, drei Tage lang Tod und Grab kostete, in den Himmel aufstieg, von wo er auch zu uns gekommen und am Ende wiederkommen wird — dafür sind Zeuge die Hl. Schrift und der ganze Chor der Heiligen [= der Väter].

Was aber das Wesen Gottes ist, oder wie er in allem ist, oder wie der eingeborene Sohn und Gott sich selbst entäusserte und aus jungfräulichem Blute Mensch wurde, durch ein anderes als das Naturgesetz gebildet, oder wie er trockenen Fußes auf dem Wasser gewandelt3 , das erkennen wir nicht und können es nicht sagen. Es ist also, abgesehen von dem, was uns von Gott durch die göttlichen Aussprüche des Alten und Neuen Testamentes verkündet oder mitgeteilt und geoffenbart worden ist, nicht möglich, etwas von Gott zu sagen oder überhaupt zu denken.

Quelle
Insbesondere der letzte Absatz gibt das wieder, was ich meinte.

Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Johannes von Damaskus hat geschrieben:"... Es ist also, abgesehen von dem, was uns von Gott durch die göttlichen Aussprüche des Alten und Neuen Testamentes verkündet oder mitgeteilt und geoffenbart worden ist, nicht möglich, etwas von Gott zu sagen oder überhaupt zu denken...
Auf den Schluss kommt es an: "...abgesehen von dem, was uns von Gott durch die göttlichen Aussprüche des Alten und Neuen Testamentes verkündet etc." ist! Damit sagt St. Johannes von Damaskus, dass das innere Wesen Gottes eben für uns doch nicht grundsätzlich unerkennbar ist, wie Du es gesagt hast, sondern "abgesehen von dem, was Gott uns" duch die Hl. Schrift offenbart hat. Das ist ein wesentlicher Unterschied!

Explizit sagt St. Johannes von Damaskus dies ja ganz zu Anfang des Kapitels:
Johannes von Damaskus hat geschrieben:"Wer von Gott reden oder hören will, muß sich klar sein, daß in der Gotteslehre [also bei Aussagen über die Wesenstrinität] wie in der Heilsveranstaltung [also bei Aussagen über die ökonomische Trinität] weder alles unaussprechbar noch alles aussprechbar, weder alles unerkennbar noch alles erkennbar ist."
Und genau das meint ja Benedikt XVI., wenn er sagt, dass Gott so ist, wie er sich zeigt. Und hier unterscheidet sich offenbar die ostkirchliche Anschauung, die auf Gregorios Palamas zurückgeht. Denn wenn ich sie richtig verstanden habe, bleibt die innere Trinität und die in der Ökonomie wirksame Energie zweierlei. Und daran knüpft dann meine Vermutung an, dass meine ostkirchlichen Brüder und Schwestern deshalb so eine Abneigung gegen die Vorstellung einer Sühne, einer Genugtuung etc. haben, weil durch diese Trennung von Ökonomie und Wesenstrinität die ökonomischen Begrifflichkeiten lediglich als übertragene, metaphorische Redeweise über Gott angesehen werden können. Wenn dem so wäre, dann müsste im ökumenischen Gespräch hierauf ein besonderes Augenmerk gerichtet werden, weil wir sonst immer aneinander vorbei reden. Oder sehe ich das falsch?
Zuletzt geändert von Evagrios Pontikos am Samstag 24. April 2010, 15:34, insgesamt 1-mal geändert.

Raphael

Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Raphael »

Evagrios Pontikos hat geschrieben:Auf den Schluss kommt es an: "...abgesehen von dem, was uns von Gott durch die göttlichen Aussprüche des Alten und Neuen Testamentes verkündet etc." ist! Damit sagt St. Johannes von Damaskus, dass das innere Wesen Gottes eben für uns doch nicht grundsätzlich unerkennbar ist, wie Du es gesagt hast, sondern "abgesehen von dem, was Gott uns" duch die Hl. Schrift offenbart hat.
Wenn Du das meintest, dann reden wir hier über die Offenbarung!
In dieser Offenbarung zeigt Gott sich selber. Inwieweit dies sein innerstes Wesen ist, brauche nicht ich zu entscheiden, solange ich mich an die traditionelle Lehre der Kirche halte. In der bereits oben geschilderten Weise ist die Liebe "Wesensbestandteil" Gottes.

Allerdings - und da muß ich Dich anscheinend von sola scriptura-Einflüsterungen befreien - ist dies nicht nur durch die Hl. Schrift offenbart, sondern in unüberbietbarer Weise durch JESUS CHRISTUS selbst, der als zweite Person der Trinität Fleisch angenommen hat: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. (Philipper 2, 6 ff.)

Miserere Nobis Domine
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

In der Orthodoxie gilt die Lehre der Urdunkelheit Gottes, die vom hl. Dionysius Areopagita formuliert wurde. Man kann also nur Gottes Handeln nach aussen sehen, aber man kann daraus keine Rückschlüsse auf sein Wesen schliessen. Es ist ja doch, zumindest aus orthodoxer Sicht, vermessen, wenn ein Mensch meint, das Wesen das Wesen Gottes durch eigene Analogieschlüsse zu verstehen.

Raphael

Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Raphael »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:In der Orthodoxie gilt die Lehre der Urdunkelheit Gottes, die vom hl. Dionysius Areopagita formuliert wurde.
Nun, dann kannst Du ja sicherlich die entsprechenden canones benennen!
Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Man kann also nur Gottes Handeln nach aussen sehen, aber man kann daraus keine Rückschlüsse auf sein Wesen schliessen.
Ach, stimmt das jetzt nicht mehr, wenn die Kirche lehrt, daß Gott die Liebe ist?
Wohlgemerkt ist ist eine ontologische Aussage!
Miserere Nobis Domine hat geschrieben:Es ist ja doch, zumindest aus orthodoxer Sicht, vermessen, wenn ein Mensch meint, das Wesen das Wesen Gottes durch eigene Analogieschlüsse zu verstehen.
Es geht hier nicht um das eigenmächtige Anfertigen von Analogieschlüssen, sondern um das Verstehen der Offenbarung, welche durch JESUS CHRISTUS höchstselbst den Menschen überbracht worden ist.

Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:In der Orthodoxie gilt die Lehre der Urdunkelheit Gottes, die vom hl. Dionysius Areopagita formuliert wurde. Man kann also nur Gottes Handeln nach aussen sehen, aber man kann daraus keine Rückschlüsse auf sein Wesen schliessen. Es ist ja doch, zumindest aus orthodoxer Sicht, vermessen, wenn ein Mensch meint, das Wesen das Wesen Gottes durch eigene Analogieschlüsse zu verstehen.
In der Tat wäre es vermessen, wenn wir meinen würden, wir würden Gottes Wesen durchschauen, als ob wir wie in einem klaren Fluss bis zum Boden schauen könnten. Andererseits kann die Lehre von der Urdunkelheit Gottes aber nicht bedeuten, dass uns Gottes Wesen völlig verborgen bliebe. Denn St. Johannes von Damaskus sagt ja...
Johannes von Damaskus hat geschrieben:"...daß in der Gotteslehre wie in der Heilsveranstaltung weder alles unaussprechbar noch alles aussprechbar, weder alles unerkennbar noch alles erkennbar ist."
Er spricht hier ja auch ausdrücklich von der "Gotteslehre" im Unterschied zu den "Heilsveranstaltungen", meint also die immanente Trinität.

Inwiefern dann aber Schlussfolgerungen, die wir auf Gottes "Heilsveranstaltung" anwenden, uns Gottes Wesen tiefer verstehen lassen, wäre eine zweite zu klärende Frage, die aber von der ersten nach der Erkennbarkeit von Gottes immanentem Wesen unterschieden werden muss. Hier wird ein Thomist, der von der analogia entis ausgeht, anders urteilen als jemand, der dies nicht tut.

Aber um nochmals zum Thema der Rechtfertigungslehre zurückzukommen: Ausgehend von St. Johannes von Damaskus' Aussage halte ich es weiterhin für legitim und rechtgläubig zu sagen, dass Christus in seinem Kreuzestod den Zorn Gottes erlitten und auf diese Weise Sühne geschaffen hat. Denn die Hl. Schrift offenbart und in Gesetz und Evangelium Gottes Zorn und Gnade. Und es ist legitim und rechtgläubig zu sagen, dass beides keine bloß übertragene Redeweise von Gott ist.

Damit will ich aber nicht sagen, dass die orthodoxe Darstellung, die meiner Vermutung nach von Gregorios Palamas herrührt, nicht legitim und rechtgläubig wäre. Worum es mir geht, ist, zu verstehen, was und wie die andere Seite denkt. Mir geht es darum, mich selber durch die Augen des anderen sehen zu lernen und so vielleicht einer Verständigung näher zu kommen.

Miserere Nobis Domine
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Was uns offenbart ist, ist offenbart. Aber es ist in der Orthodoxie nicht möglich, daraus per Analogieschluss etc. weitere Erkenntnisse zu gewinnen. So wird zum Beispiel klar gesagt, dass der Geist vom Vater ausgeht. Dass er auch vom Sohn ausgehen würde, wird per Analogieschluss behauptet. (Weil der Sohn den Geist in der Welt sendet, muss er auch immanent von ihm ausgehen). Gerade so eine scholastische Vorgehensweise geht orthodox nicht.

Ausserdem muss die Offenbarung richtig verstanden werden. "Zorn" darf beispielsweise nicht wörtlich genommen werden, wie die hier bereits erwähnten Philokalie-Zitate belegen.

Mary
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Mary »

Monergist hat geschrieben:Hallo Evagrios,

Könntest Du bitte einmal mit kurzen, einfachen Worte die Heilsgeschichte nach Deinem Verständnis darlegen, beginnend mit dem Sündenfall und seinen Konsequenzen, über das Werk Christi - unter genauer Berücksichtigung des Aspekts, was dieses bewirkt hat, gerade auch in Bezug auf Gott, den Vater, aber auch im Hinblick auf den Menschen - bis hin zu den Ereignissen am Jüngsten Tag, unter Einschluss der Frage, nach welchen Kriterien wird auf welche Weise gerichtet werden? Dann könnten wir vielleicht eher sehen, ob ein Konsens erzielbar ist.

Viele Grüße
Hallo Evagrios,

ich habe diese Bitte von Monergist nochmal nach vorne geholt. Ich war damals sehr gespannt auf Deine Antwort (deinem Verständnis der Heilsgeschichte), aber soweit ich sehe, hast Du diese Antwort noch nicht gegeben.

Lg Maria
Who is so great a God as our God? You are the God who does wonders!

Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Mary hat geschrieben:Hallo Evagrios,

ich habe diese Bitte von Monergist nochmal nach vorne geholt. Ich war damals sehr gespannt auf Deine Antwort (deinem Verständnis der Heilsgeschichte), aber soweit ich sehe, hast Du diese Antwort noch nicht gegeben.

Lg Maria
Mein Verständnis von Heilsgeschichte? Und das in wenigen Sätzen? Ich will es versuchen. Wasserdicht ist das ganze wahrscheinlich nicht hundertprozentig:

1. Der Urstand

Gott hat den Menschen als sein Ebenbild geschaffen, und zwar als Mann und Frau. Darin ist der Mensch Höhepunkt und Krone der Schöpfung, nämlich als vernunftbegabtes, zur Antwort berufenes Wesen. Mit Augustinus würde ich sagen: Der Mensch war im Urstand fähig, nicht zu sündigen (posse non peccare).

Gott hatte dem Menschen sein Gebot gegeben: eine Ordnung des Lebens in der Gemeinschaft mit Gott, was im Bild des Paradiesgartens ausgedrückt wird. Hätte der Mensch sich in dieser Ordnung bewährt, so wäre er wohl direkt vergottet worden (wobei ich mir darüber klar bin, dass solche Wendungen wie „hätte er“ und „dann wäre er“ unsere Vorstellungen von Zeit voraussetzen. Die Zeit, wie wir sie erleben, ist jedoch Folge des Falles, ebenso die Natur, die uns umgibt etc.).

2. Der Fall

Der Versucher trat nun an den Menschen heran und stellte ihm in Aussicht zu werden wie Gott. Die Bedingung dafür war, dass der Mensch mit der Vertrauensbeziehung mit Gott brach und dem Versucher sein Vertrauen schenkte. Den Teufel stelle ich mir hierbei durchaus als personale Realität vor, denn nur so kann begründet werden, woher das Böse kam, das den Menschen in Versuchung geführt hat. Klar ist mir, dass die Frage nach dem Woher dadurch letztlich nicht beantwortet wird, denn auch beim Versucher stellt sich ja die Frage, woher er versucht wurde und böse wurde.

Nun, der Mensch brach die Vertrauensbeziehung mit Gott, indem er die göttliche Ordnung brach. Oben habe ich ja erläutert, dass es bei der göttlichen Ordnung, beim Gesetz Gottes um mehr als um einen äußerlichen Normenkatalog geht. In jedem der Gebote ist das erste Gebot mit gesetzt, wie Martin Luther meiner Meinung nach plausibel ausgeführt hat. Auch dazu habe ich ja schon geschrieben.

3. Was Sünde ist

Jetzt kommt das Entscheidende des Sündenfalls: Sünde ist vornehmlich Sünde und Aufruhr gegen Gott. Psalm 51,6: „An dir allein habe ich gesündigt und übel vor dir getan.“ Ich halte dies für entscheidend, weil nun anhand der verschiedenen biblischen Gottesprädikate ausgeführt werden müsste, was Sünde ist:
• Weil Gott das Leben ist, ist Sünde Abkehr vom Leben, Hinwendung zum Tod und Verfallenheit an den Tod. Wichtig: Der Tod ist Folge des Zornes Gottes und nicht lediglich ein von Gott losgelöstes Geschehen (Psalm 90,7ff).
• Weil Gott der König aller Könige ist, ist Sünde Beleidigung seiner Majestät.
• Weil Gott der Herr aller Herren ist, ist Sünde Bruch der göttlichen Rechtsordnung. Die Folge ist, dass die Verdammnis die gerechte Strafe des Sünders ist.
• Und schließlich auch: Weil der Mensch dem Teufel Gehorsam erwiesen hat, ist er dessen Sklave geworden und dieser quasi sein rechtmäßiger Herr. Er gehört zu dessen Reich.

Wahrscheinlich gibt es noch weitere Gottesprädikate, von denen her man entfalten könnte, was es bedeutet, dass wir an Gott allein gesündigt und übel vor ihm getan haben. Die verschiedenen Aspekte lassen sich auch nicht feinsäuberlich trennen, sondern beschreiben das Phänomen der Sünde aus je einem anderen Blickwinkel.

4. Der gefallene Mensch

Der Mensch wird aus dem Paradies verstoßen. Dies ist Trennung von Gott, Trennung von der Gemeinschaft mit ihm. Weil der Mensch gesündigt hat, steht es ihm nun nicht mehr frei, nicht zu sündigen, sondern er muss sündigen. Augustin: der Mensch kann nicht nicht sündigen (non posse non peccare). Dieses Verhängnis betrifft alle Menschen (Erbsünde). Die einzige Ausnahme vielleicht: Maria, die im Moment ihrer Empfängnis von der Sünde erlöst wurde, die sie als Tochter Evas ansonsten ebenso betroffen hätte. Und dann natürlich Jesus Christus selbst, der – nicht durch Gnade, sondern von seinem Wesen her als wahrer Mensch und wahrer Gott – ohne Sünde war und diesen Stand in seinem irdischen Leben bewahrt und bewährt hat und darin das Gegenbild zu Adam geworden ist.

Die Geschichte zeigt und zeigte bis heute, dass ja auch tatsächlich alle Menschen Sklaven der Sünde sind, und dies nicht erst durch einen späteren Fall, sondern von Geburt an.


5. Die durch Christus geschehene Erlösung

Wir Menschen können uns nicht selbst erlösen. Deshalb ist Gott selber in seinem Sohn Mensch geworden, um durch Kreuz und Auferstehung einerseits Sühne zu schaffen und andererseits das neue Leben der Vergöttlichung zu verwirklichen:
• Christus hat den Tod als Folge des Zornes Gottes getragen.
• Christus hat durch seinen Tod stellvertretend Genugtuung geleistet.
• Christus hat in seinem Tod das gerechte Urteil über den Sünder stellvertretend erlitten.
• Christus hat in seinem Tod das Lösegeld gezahlt und uns aus dem Reich des Teufels freigekauft.
• Weitere Aspekte des Todes Jesu wären sicher noch zu nennen…

Da es bei der Erlösung aber nicht bloß um die Beseitigung der Strafe für die Sünde etc., sondern um die Vergöttlichung des Menschen geht, macht erst die Auferstehung Jesu sein Werk vollständig:
• Als der Auferstandene tritt er für die Seinen vor Gott ein.
• Als der Auferstandene ist er der Richter im Jüngsten Gericht.
• Als der Auferstandene ist er das Leben in Person. Durch die Teilhabe an ihm fließt dieses Leben auf die Glaubenden über.
• Als der Auferstandene ist er der Beginn und Ursprung der umfassenden Erneuerung des Kosmos.
• Weitere Aspekte der Auferstehung Jesu wären sicher noch zu nennen…

6. Die Zueignung der Erlösung

Erlösung vollzieht sich nun als Rechtfertigung dessen, der im Glauben am Leben der Kirche, des Leibes Christi, teilhat:
• Forensische Rechtfertigung: Gott sieht den Glaubenden schon jetzt als gerecht um Christi willen an. Die Glaubenden stehen nicht mehr unter dem Zorn, sondern unter der Gnade Gottes. Diese Gnade wirkt aber auch an ihnen, damit kommen wir zum zweiten Aspekt von Rechtfertigung.
• Effektive Rechtfertigung: Die Glaubenden sind durch die Teilnahme am Leben der Kirche (Wort, Sakramente, Gebet etc.) in einen Prozess der Vergottung hineingenommen. An diesem Prozess nehmen wir aktiv teil. Dieser Prozess findet in der Ewigkeit seinen Abschluss (Auferstehung zum ewigen Leben). Dort werden wir sein, wie er ist (nach seiner menschlichen Natur). Wir werden also im Jüngsten Gericht nicht mehr „nur“ als gerecht angesehen, sondern sind es dort tatsächlich auch. Insofern ist das ewige Leben sowohl reine Gnade, reines Geschenk, als auch Lohn.

Forensische und effektive Rechtfertigung sind also in dieser Weltzeit zu unterscheiden, sie kommen aber am Jüngsten Tag gewissermaßen zur Deckung: die forensische Rechtfertigung findet ihr Ziel und Ende (telos) in der effektiven Rechtfertigung.

Wir sind also als Glaubende schon erlöst und werden trotzdem erst noch erlöst werden. Wir sind auf dem Weg, das zu werden, was wir sind. Wenn wir aber einmal sein werden, was wir schon jetzt in Gottes Augen sind, dann werden wir nicht mehr sündigen können (Augustinus: non posse peccare), weil wir ganz und gar der Natur Gottes teilhaftig sein werden, weil wir ihn erkennen werden, gleichwie wir erkannt sind.

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Sempre
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Sempre »

Anselmus hat geschrieben:Ich verstehe nicht, warum du dich so auf den 3D-Raum eingeschossen hast.
Auf den 3D-Raum braucht man sich nicht einzuschießen. Gott hat die Welt nun einmal so und nicht anders geschaffen. Die Idee einer Welt bzw. auch einer jenseitigen Welt hingegen, deren Raum nicht dreidimensional wäre, die ist eine an den Haaren herbeigezogene Idee aus dem Science-Fiction-Zeitalter. Eine spinnerte Fiktion, die nicht einmal im Geiste vernünftig ausgearbeitet ist oder werden kann. Wir leben in einer 3D-Welt, in der 3D-Objekte existieren. Über andere Welten lassen sich allerlei aber keine definitiven Aussagen treffen. Kann ein 3D-Objekt in einem 4D-Raum ein 2D-Objekt unbehindert durchstoßen oder nicht? Die Rede von solchen Welten ist müßig. Es sind Fiktionen.

Die ursprünglich gute Schöpfung hatte vor dem Sündenfall ja auch nicht mehr Dimensionen. Von einem Dimensionsverlust aufgrund der Ursünde ist nirgendwo die Rede.

Man könnte genausogut behaupten, die jenseitige Welt sei ein Multiversum, in dem alles mögliche parallel passiert. Man kann allerlei unausgegorenen Kram ersinnen und behaupten, die jenseitige Welt sei so und so beschaffen. Nur: Wozu ist es gut so herumzuspinnen?

Gruß
Sempre
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

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Joseph
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Joseph »

Are you still at it? Macht mal 'ne Pause. Here something three dimensional especially for you:

Bild
We are drowning in information and starving for knowledge.

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Nassos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nassos »

Anselmus hat geschrieben:Auch unsere vierte Dimension, die Zeit, hat Gott nicht geschaffen.
Bitte Vorsicht mit der deutschen Sprache.
Wer in diesem Satz ist Subjekt und wer Objekt? (Obwohl dies eine blöde Frage ist. Aber warum soll Gott die Zeit nicht erschaffen haben? "Allen Sichtbaren und Unsichtbaren...").

Gruß,
Nassos
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

Raphael

Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Raphael »

Anselmus hat geschrieben:Auch unsere vierte Dimension, die Zeit, hat Gott nicht geschaffen.
Da wäre ich mir an Deiner Stelle nicht so sicher! :doktor:

Aurelius Augustinus schreibt in den Confessiones, daß mit der Schöpfung durch Gott auch die Zeit erschaffen worden ist. AFAIK ist dies auch Stand der modernen Kosmologie: Zeit gibt's erst seit dem Urknall!

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Anselmus
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Anselmus »

Raphael hat geschrieben:
Anselmus hat geschrieben:Auch unsere vierte Dimension, die Zeit, hat Gott nicht geschaffen.
Da wäre ich mir an Deiner Stelle nicht so sicher! :doktor:

Aurelius Augustinus schreibt in den Confessiones, daß mit der Schöpfung durch Gott auch die Zeit erschaffen worden ist. AFAIK ist dies auch Stand der modernen Kosmologie: Zeit gibt's erst seit dem Urknall!
Hhhhm.... da habe ich auch irgendwie Mist geschrieben, den ich so nicht meinte :panisch:
Eigentlich meinte ich gerade das Gegenteil, dass eben Gott die Zeit erst geschaffen hat. :traurigtaps:

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Johannes22101988
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Johannes22101988 »

Anselmus hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:
Anselmus hat geschrieben:Auch unsere vierte Dimension, die Zeit, hat Gott nicht geschaffen.
Da wäre ich mir an Deiner Stelle nicht so sicher! :doktor:

Aurelius Augustinus schreibt in den Confessiones, daß mit der Schöpfung durch Gott auch die Zeit erschaffen worden ist. AFAIK ist dies auch Stand der modernen Kosmologie: Zeit gibt's erst seit dem Urknall!
Hhhhm.... da habe ich auch irgendwie Mist geschrieben, den ich so nicht meinte :panisch:
Eigentlich meinte ich gerade das Gegenteil, dass eben Gott die Zeit erst geschaffen hat. :traurigtaps:

ähm Urknall alles schön und gut aber der Vater ist ewiglich, kein Anfang und kein Ende.
Nur so zu info.

Evagrios Pontikos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Raphael hat geschrieben:
Anselmus hat geschrieben:Auch unsere vierte Dimension, die Zeit, hat Gott nicht geschaffen.
Da wäre ich mir an Deiner Stelle nicht so sicher! :doktor:

Aurelius Augustinus schreibt in den Confessiones, daß mit der Schöpfung durch Gott auch die Zeit erschaffen worden ist. AFAIK ist dies auch Stand der modernen Kosmologie: Zeit gibt's erst seit dem Urknall!
Ist ja auch logisch: Zeit bedeutet Veränderung, ein Vorher und ein Nachher, Aufhören und Beginnen. Und genau dies ist ja Kennzeichen alles Geschaffenen.

Hinzuzufügen wäre noch, dass unsere Zeit nicht mehr dasselbe ist wie die Zeit im Urstand. Auch die Zeit ist in den Fall hineinverstrickt.

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Lutheraner
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Lutheraner »

Miserere Nobis Domine hat geschrieben:
Joseph hat geschrieben:Wir haben keine Ahnung um was es hier geht
Ich stimme dir völlig zu. Es ist wichtig, dass der Mensch seine eigene Beschränktheit akzeptiert. Manche Dinge muss man einfach so stehen lassen, wie sie gesagt werden, ohne zu meinen, man könnte alles verstehen, und ohne alles scholastisch aufzuzwirbeln. Dazu zählt auch die kommende Welt.
Das sehe ich auch so. Darum nehme ich das "kommt her" / "fort mit Euch" wörtlich. So wie es in der Heiligen Schrift bezeugt ist und so wie der HErr Jesus Christus es seinen Jüngern, die fast alle einfache Leute waren, gesagt hat. Ohne Physik-Diplom, Scholastik und eitlem Grübeln über 34-dimensionale Räume.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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Anselmus
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Anselmus »

Johannes22101988 hat geschrieben:
Anselmus hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:
Anselmus hat geschrieben:Auch unsere vierte Dimension, die Zeit, hat Gott nicht geschaffen.
Da wäre ich mir an Deiner Stelle nicht so sicher! :doktor:

Aurelius Augustinus schreibt in den Confessiones, daß mit der Schöpfung durch Gott auch die Zeit erschaffen worden ist. AFAIK ist dies auch Stand der modernen Kosmologie: Zeit gibt's erst seit dem Urknall!
Hhhhm.... da habe ich auch irgendwie Mist geschrieben, den ich so nicht meinte :panisch:
Eigentlich meinte ich gerade das Gegenteil, dass eben Gott die Zeit erst geschaffen hat. :traurigtaps:

ähm Urknall alles schön und gut aber der Vater ist ewiglich, kein Anfang und kein Ende.
Nur so zu info.
Ich habe ja auch gar nichts gegenteiliges behauptet.

Mary
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Registriert: Mittwoch 29. Juli 2009, 06:58

Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Mary »

Danke Evagrios, das hilft zum Verständnis,

ich habe mir die Mühe gemacht, dein post auszudrucken und Wort für Wort zu überlegen und anzumalen, ob, und wenn ja, wie, ich (orthodoxe Christen) anders glauben (rot) , oder zumindest andere Formulierungen gebrauchen würden und ob und wo Übereinstimmung ist (grün).

Dein Text war danach ziemlich bunt :huhu:
Die ersten Unterschiede sind schon beim Verständnis dessen, was Du als Urstand bezeichnest und ich bin bestätigt, dass wir mit ähnlichen Worten von ziemlich verschiedenen Dingen reden.
Weiter möchte ich hier nicht in Details gehen.

Lg Maria
Evagrios Pontikos hat geschrieben:
Mary hat geschrieben:Hallo Evagrios,

ich habe diese Bitte von Monergist nochmal nach vorne geholt. Ich war damals sehr gespannt auf Deine Antwort (deinem Verständnis der Heilsgeschichte), aber soweit ich sehe, hast Du diese Antwort noch nicht gegeben.

Lg Maria
Mein Verständnis von Heilsgeschichte? Und das in wenigen Sätzen? Ich will es versuchen. Wasserdicht ist das ganze wahrscheinlich nicht hundertprozentig:

1. Der Urstand

Gott hat den Menschen als sein Ebenbild geschaffen, und zwar als Mann und Frau. Darin ist der Mensch Höhepunkt und Krone der Schöpfung, nämlich als vernunftbegabtes, zur Antwort berufenes Wesen. Mit Augustinus würde ich sagen: Der Mensch war im Urstand fähig, nicht zu sündigen (posse non peccare).

Gott hatte dem Menschen sein Gebot gegeben: eine Ordnung des Lebens in der Gemeinschaft mit Gott, was im Bild des Paradiesgartens ausgedrückt wird. Hätte der Mensch sich in dieser Ordnung bewährt, so wäre er wohl direkt vergottet worden (wobei ich mir darüber klar bin, dass solche Wendungen wie „hätte er“ und „dann wäre er“ unsere Vorstellungen von Zeit voraussetzen. Die Zeit, wie wir sie erleben, ist jedoch Folge des Falles, ebenso die Natur, die uns umgibt etc.).

2. Der Fall

Der Versucher trat nun an den Menschen heran und stellte ihm in Aussicht zu werden wie Gott. Die Bedingung dafür war, dass der Mensch mit der Vertrauensbeziehung mit Gott brach und dem Versucher sein Vertrauen schenkte. Den Teufel stelle ich mir hierbei durchaus als personale Realität vor, denn nur so kann begründet werden, woher das Böse kam, das den Menschen in Versuchung geführt hat. Klar ist mir, dass die Frage nach dem Woher dadurch letztlich nicht beantwortet wird, denn auch beim Versucher stellt sich ja die Frage, woher er versucht wurde und böse wurde.

Nun, der Mensch brach die Vertrauensbeziehung mit Gott, indem er die göttliche Ordnung brach. Oben habe ich ja erläutert, dass es bei der göttlichen Ordnung, beim Gesetz Gottes um mehr als um einen äußerlichen Normenkatalog geht. In jedem der Gebote ist das erste Gebot mit gesetzt, wie Martin Luther meiner Meinung nach plausibel ausgeführt hat. Auch dazu habe ich ja schon geschrieben.

3. Was Sünde ist

Jetzt kommt das Entscheidende des Sündenfalls: Sünde ist vornehmlich Sünde und Aufruhr gegen Gott. Psalm 51,6: „An dir allein habe ich gesündigt und übel vor dir getan.“ Ich halte dies für entscheidend, weil nun anhand der verschiedenen biblischen Gottesprädikate ausgeführt werden müsste, was Sünde ist:
• Weil Gott das Leben ist, ist Sünde Abkehr vom Leben, Hinwendung zum Tod und Verfallenheit an den Tod. Wichtig: Der Tod ist Folge des Zornes Gottes und nicht lediglich ein von Gott losgelöstes Geschehen (Psalm 90,7ff).
• Weil Gott der König aller Könige ist, ist Sünde Beleidigung seiner Majestät.
• Weil Gott der Herr aller Herren ist, ist Sünde Bruch der göttlichen Rechtsordnung. Die Folge ist, dass die Verdammnis die gerechte Strafe des Sünders ist.
• Und schließlich auch: Weil der Mensch dem Teufel Gehorsam erwiesen hat, ist er dessen Sklave geworden und dieser quasi sein rechtmäßiger Herr. Er gehört zu dessen Reich.

Wahrscheinlich gibt es noch weitere Gottesprädikate, von denen her man entfalten könnte, was es bedeutet, dass wir an Gott allein gesündigt und übel vor ihm getan haben. Die verschiedenen Aspekte lassen sich auch nicht feinsäuberlich trennen, sondern beschreiben das Phänomen der Sünde aus je einem anderen Blickwinkel.

4. Der gefallene Mensch

Der Mensch wird aus dem Paradies verstoßen. Dies ist Trennung von Gott, Trennung von der Gemeinschaft mit ihm. Weil der Mensch gesündigt hat, steht es ihm nun nicht mehr frei, nicht zu sündigen, sondern er muss sündigen. Augustin: der Mensch kann nicht nicht sündigen (non posse non peccare). Dieses Verhängnis betrifft alle Menschen (Erbsünde). Die einzige Ausnahme vielleicht: Maria, die im Moment ihrer Empfängnis von der Sünde erlöst wurde, die sie als Tochter Evas ansonsten ebenso betroffen hätte. Und dann natürlich Jesus Christus selbst, der – nicht durch Gnade, sondern von seinem Wesen her als wahrer Mensch und wahrer Gott – ohne Sünde war und diesen Stand in seinem irdischen Leben bewahrt und bewährt hat und darin das Gegenbild zu Adam geworden ist.

Die Geschichte zeigt und zeigte bis heute, dass ja auch tatsächlich alle Menschen Sklaven der Sünde sind, und dies nicht erst durch einen späteren Fall, sondern von Geburt an.


5. Die durch Christus geschehene Erlösung

Wir Menschen können uns nicht selbst erlösen. Deshalb ist Gott selber in seinem Sohn Mensch geworden, um durch Kreuz und Auferstehung einerseits Sühne zu schaffen und andererseits das neue Leben der Vergöttlichung zu verwirklichen:
• Christus hat den Tod als Folge des Zornes Gottes getragen.
• Christus hat durch seinen Tod stellvertretend Genugtuung geleistet.
• Christus hat in seinem Tod das gerechte Urteil über den Sünder stellvertretend erlitten.
• Christus hat in seinem Tod das Lösegeld gezahlt und uns aus dem Reich des Teufels freigekauft.
• Weitere Aspekte des Todes Jesu wären sicher noch zu nennen…

Da es bei der Erlösung aber nicht bloß um die Beseitigung der Strafe für die Sünde etc., sondern um die Vergöttlichung des Menschen geht, macht erst die Auferstehung Jesu sein Werk vollständig:
• Als der Auferstandene tritt er für die Seinen vor Gott ein.
• Als der Auferstandene ist er der Richter im Jüngsten Gericht.
• Als der Auferstandene ist er das Leben in Person. Durch die Teilhabe an ihm fließt dieses Leben auf die Glaubenden über.
• Als der Auferstandene ist er der Beginn und Ursprung der umfassenden Erneuerung des Kosmos.
• Weitere Aspekte der Auferstehung Jesu wären sicher noch zu nennen…

6. Die Zueignung der Erlösung

Erlösung vollzieht sich nun als Rechtfertigung dessen, der im Glauben am Leben der Kirche, des Leibes Christi, teilhat:
• Forensische Rechtfertigung: Gott sieht den Glaubenden schon jetzt als gerecht um Christi willen an. Die Glaubenden stehen nicht mehr unter dem Zorn, sondern unter der Gnade Gottes. Diese Gnade wirkt aber auch an ihnen, damit kommen wir zum zweiten Aspekt von Rechtfertigung.
• Effektive Rechtfertigung: Die Glaubenden sind durch die Teilnahme am Leben der Kirche (Wort, Sakramente, Gebet etc.) in einen Prozess der Vergottung hineingenommen. An diesem Prozess nehmen wir aktiv teil. Dieser Prozess findet in der Ewigkeit seinen Abschluss (Auferstehung zum ewigen Leben). Dort werden wir sein, wie er ist (nach seiner menschlichen Natur). Wir werden also im Jüngsten Gericht nicht mehr „nur“ als gerecht angesehen, sondern sind es dort tatsächlich auch. Insofern ist das ewige Leben sowohl reine Gnade, reines Geschenk, als auch Lohn.

Forensische und effektive Rechtfertigung sind also in dieser Weltzeit zu unterscheiden, sie kommen aber am Jüngsten Tag gewissermaßen zur Deckung: die forensische Rechtfertigung findet ihr Ziel und Ende (telos) in der effektiven Rechtfertigung.

Wir sind also als Glaubende schon erlöst und werden trotzdem erst noch erlöst werden. Wir sind auf dem Weg, das zu werden, was wir sind. Wenn wir aber einmal sein werden, was wir schon jetzt in Gottes Augen sind, dann werden wir nicht mehr sündigen können (Augustinus: non posse peccare), weil wir ganz und gar der Natur Gottes teilhaftig sein werden, weil wir ihn erkennen werden, gleichwie wir erkannt sind.
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songul
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von songul »

Und wo ist das jetzt bunt bei dir?

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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von LaudaSion870 »

songul hat geschrieben:Und wo ist das jetzt bunt bei dir?





Hallo Songul,
wie versprochen melde ich mich auch mal bei Dir!
In welchem orthodoxen Thread soll ich umherschwirren?
Gruß
Lauda

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Nassos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nassos »

Mary hat geschrieben:Danke Evagrios, das hilft zum Verständnis,

ich habe mir die Mühe gemacht, dein post auszudrucken
Jau! habe ich auch, und es wird Zeit, es wieder zu tun.

Respekt an die Beitragenden! Weiter so!

Nassos
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Nassos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nassos »

Anselmus hat geschrieben:Ich habe ja auch gar nichts gegenteiliges behauptet.
Das hast Du tatsächlich nicht.
Zur Bestätigung: wenn Gott Schöpfer allen Sichtbaren und Unsichtbaren ist, dann auch der Zeit. Über das Ansonsten brauchen wir nicht zu sprechen.
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Mary
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Mary »

songul hat geschrieben:Und wo ist das jetzt bunt bei dir?
Na, halt der ganze Text... von oben bis unten mal rot, mal grün.

aber, wie gesagt
Weiter möchte ich hier nicht in Details gehen.
Kannst ja mal die gleiche Übung machen, und dann können wir vergleichen. :ja:

Maria
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Mary
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@ Evagrios

Beitrag von Mary »

Hallo Evagrios,

ich komme nochmal auf Deinen Text zu deiner Sicht der Heilsgeschichte zurück.

Sünde ist - in meiner orthodoxen Sicht - nicht primär Aufruhr, sondern vielmehr Zielverfehlung. Nicht primär GEGEN Gott gerichtet, sondern vielmehr Leben OHNE Gott, ohne Vertrauen in Ihn und seine Menschenliebe. (Ich kann auch Psalm 51 so lesen)

Ich meine, dass das Gleichnis Jesu vom barmherzigen Vater und dem "verlorenen Sohn" diese Wahrheit aussagt. Der Sohn, der beim Weggehen wohl noch nicht mal daran denkt, dass er seinem Vater vielleicht Schmerzen zufügt, und der Vater, der in Liebe den Sohn machen lässt, aber wartet und beim Zurückkommen dem Sohn entgegeneilt und sogleich ein Fest veranstaltet.
Mich würde interessieren, wie DU das Gleichnis mit der Sicht des Zornes und der "beleidigten Majestät" zusammenbringst.

in ehrlichem Interesse
Maria
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Nassos
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Re: Orthodoxes Rechtfertigungsverständnis und Erbsündenlehre

Beitrag von Nassos »

Bei dieser Gelegenheit darf ich vielleicht nochmal auf das Buch Alexander Schmeemanns (nein, nicht mit [Punkt]) hinweisen.
Die Parabel vom verlorenen Sohn spielt in der Vorosterzeit eine wichtige Rolle und da geht es auch um das Wesen der Sünde.

Lieber Evagrios, wenn Du das Buch nicht hast, dann kann ich es Dir gerne mal ausleihen. Ich habe es hochdankbar als Geschenk erhalten, und es war eins der für mich kostbarsten!

Lieben Gruß,
Nassos
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Evagrios Pontikos
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Re: @ Evagrios

Beitrag von Evagrios Pontikos »

Mary hat geschrieben:Hallo Evagrios,

ich komme nochmal auf Deinen Text zu deiner Sicht der Heilsgeschichte zurück.

Sünde ist - in meiner orthodoxen Sicht - nicht primär Aufruhr, sondern vielmehr Zielverfehlung. Nicht primär GEGEN Gott gerichtet, sondern vielmehr Leben OHNE Gott, ohne Vertrauen in Ihn und seine Menschenliebe. (Ich kann auch Psalm 51 so lesen)

Ich meine, dass das Gleichnis Jesu vom barmherzigen Vater und dem "verlorenen Sohn" diese Wahrheit aussagt. Der Sohn, der beim Weggehen wohl noch nicht mal daran denkt, dass er seinem Vater vielleicht Schmerzen zufügt, und der Vater, der in Liebe den Sohn machen lässt, aber wartet und beim Zurückkommen dem Sohn entgegeneilt und sogleich ein Fest veranstaltet.
Mich würde interessieren, wie DU das Gleichnis mit der Sicht des Zornes und der "beleidigten Majestät" zusammenbringst.

in ehrlichem Interesse
Maria
Liebe Maria,

ich denke, das Problem ist, dass ich als Lutheraner vom Wort Gottes ausgehe, mit dem Gott uns anspricht, und Du als Orthodoxe von der Erfahrung Gottes, wie sie in der Energienlehre des Gregorios Palamas sich darstellt. Das eine ist ein logoshaft-vermittelter Vorgang, das andere ein mystisch-unmittelbarer Vorgang, der eine Zugang geht von der Diastase von Gesetz und Evangelium aus, die im Wort Gottes als Einheit geglaubt wird, der andere Zugang geht von der Einheit der Energien aus, die in der mystischen Begegnung mit Gott erfahren wird. Beides muss kein Gegensatz sein. Aber es bleibt ein Unterschied des Zugangs.

Nun zum Gleichnis des verlorenen Sohnes: Das Gleichnis redet vor allem von dem, was Lutheraner als Evangelium bezeichnen. Das Gesetz kommt dort eher indirekt zur Geltung. Evangelium bedeutet: Gott zeigt sich uns als der Erbarmende in Jesus Christus.

Deine Frage an mich könnte ich ja auch ebenso an Dich stellen: Wie gehst Du als Orthodoxe z.B. mit dem Gleichnis von den bösen Weingärtnern (Lukas 20,9ff) um oder mit dem Gleichnis vom großen Abendmahl (Mt 22,1ff)?

Nochmals zur "beleidigten Majestät": Für die Menschen in biblischer Zeit und ebenso noch für westkirchliche wie ostkirchliche Christen vieler Jahrhunderte war es kein Problem, Gott analog zu irdischen Königen zu denken und deshalb auch die Frage einer Genugtuung bzw. Majestätsbeleidigung Gottes nicht als Problem anzusehen. Mir ist auch nicht bekannt, dass in den west-östlichen Kontroversen seit 1054 hier jemals ein Disput herrschte.

Eben habe ich außerdem nochmals Edmund Schlinks "Ökumenische Dogmatik" (1983) zur Hand genommen. Schlink, der ein hervorragender Kenner auch der orthodoxen Kirche war, geht dort immer wieder auf den Begriff "Zorn Gottes" und "Strafe" ein. Nie wird dort darauf eingegangen, dass diese Redeweise für die Orthodoxie ein wirkliches Problem sein könnte. Ebenso geht Prof. Nikos A. Nissiotis, Professor an der orthodoxen Theologischen Fakultät der Universität Athen, der eines der beiden ökumenischen Geleitworte zu dieser Dogmatik geschrieben hat, mit keinem Wort darauf ein, dass die Begriffe „Zorn Gottes“ oder „Strafe Gottes“ für Orthodoxe ein Problem sein könnten. Ganz im Gegenteil lobt er Schlinks Dogmatik gerade wegen ihrer großen Kenntnis der orthodoxen Überlieferung und ihrer Bemühung um die Überlieferung der einen Kirche.

Anders gefragt: Könnte es nicht sein, dass erst für die neuerer Orthodoxie diese Begriffe zum echten Problem werden?

Miserere Nobis Domine
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Re: @ Evagrios

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

In der Orthodoxie war man sich stets bewusst, dass anthropomorphe Redeweise nicht dem göttlichen Sein entspricht, sondern ein Zugeständnis an die Beschränktheit der Menschen und ihrer Sprache ist. Wer aber die Anthropomorphismen als das eigentliche Wesen Gottes versteht, hat aus orthodoxer Sicht ein falsches Gottesbild.

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