<Anmerkung: ich stelle gerade fest, daß ich
hier Lukas 18,18-29 als Lukas 21,18-29 zitiert habe, was verwirrt. Ich hätte nichts dagegen wenn ein Moderator das korrigiert und dann diese Zeilen hier löscht. Ansonsten halt dies hier als Hinweis...>
Stephanie hat geschrieben: ↑Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Der Traum von „früher waren die Menschen gläubiger“ ist eine zutiefst menschliche Sehnsucht nach einem verloren gegangenen Paradies – aber das war nicht vor 500 Jahren und auch nicht vor 1000 Jahren.
Dem stimme ich zu. Umso wichtiger, daß es irgendwo und irgendwie mehr gibt, und daß das auch zugänglich ist, nicht versteckt.
Stephanie hat geschrieben: ↑Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Kulturchristen sind (auch wenn der Begriff nun wirklich nicht schön ist) „Karteileichen“ – sie zahlen möglicherweise Kirchensteuern, dort wo es dieses Modell gibt, kaufen viele religiöse Symbole oder unterstützen ihre Gemeinde vor Ort und das ist ja keine schlechte Tat. Es hilft aber wenig zur Errettung.
Ich denke, hierin sind wir uns einig?
Ich sehe das wohl etwas weniger krass. Ich denke Anspruch will ansprechen, aber ist nicht mehr Richtspruch als man angesprochen wurde - jedenfalls bei Gott. Nimm die ja schon zitierete Stelle über den reichen Mann. Wenn Du nur Lukas 18,18-20 liest, dann steht da eine Minimalanforderung - wirklich ziemlich minimal - die für das ewige Leben reicht. Dann beschwert sich der reiche Mann aber quasi mit den Worten "Kinderspiel" über den mangelnden Anspruch. Den kriegt er dann sofort knallhart serviert. Und als er da nicht nachzieht, wird Jesus ziemlich pampig...
Ich denke es geht bei Gott weder um ein absolutes Maß an Leistung, noch um individuelles Leistungsvermögen. Es geht darum, daß das Du das willst und auch aktiv suchst, was Du von Gott siehst. Konkret. Siehst Du viel, ist es an Dir, viel zu wollen und zu suchen. Siehst Du wenig, dann halt wenig. Das bedeutet nicht, daß der Pfad breit ist, er ist schmall. Aber wenn Du ein Reinhold Messner des Glaubens bist, dann führt Dein schmaler Pfad über gefährliche Untiefen auf die höchsten Gipfel. Wenn Du ein Hinz Kunzhausen des Glaubens bist, dann vielleicht nur um die Ecke bis zum Schrebergarten. Es ist auch nicht so, daß das keine Rolle spielt. Ich denke der Reinhold Messner wird anders im Himmels sein als Hinz Kunzhausen. Es gibt viele Häuser im Himmel. Aber es sind eben beide im Himmel, und sie werden auf ihre Weise erfüllt sein - den sie sind dem Pfad gefolgt zum dem Ziel.
Wenn nun eine Frau einmal die Woche in die Kirche stiefelt, den Gottesdienst absitzt, ein wenig klönt, eine Kerze anzündet und nach Hause stiefelt - und sonst Gott einen guten Mann sein lässt - ist sie dann eine Karteileiche der Kirche? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht wird sie im Himmel sein. Vielleicht war das kleine Stück was sie von Gott gesehen hat, ihr schmaler Weg, was man ihr als Kind beigebracht hat. Und dem ist sie immer treu gefolgt. Sie hätte auch aufhören können, es war viel Gelegenheit dazu, ein breiter Weg. Hat sie aber nicht. Ist es richtig die Frau aufzurütteln, ihr zu sagen wie Christentum so richtig geht? Vielleicht. Vielleicht kann sie viel mehr von Gott sehen und auf schmalen Wegen folgen als man ihr als Kind beigebracht hat, und sie weiß es nur noch nicht. Mehr Gott ist besser als weniger Gott. Vielleicht bin ich geschickt dabei zu helfen. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht zerstöre ich dabei mehr als ich helfe. Es ist ... kompliziert.
Stephanie hat geschrieben: ↑Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Theologe ist in der Orthodoxie jeder Gläubige der Gott sucht und sich auf den Weg der Theosis macht und mit seinem Glauben und Gott auseinandersetzt. Das, worüber wir sprachen, war gewissermaßen das Berufstheologentum, Theologie als Studienfach, als Auseinandersetzung mit der Lehre auf einer Meta-Ebene.
Dem würde ich unser Prinzip "Schule" entgegenhalten. Es gibt eine Menge Leute die sagen wir mal Mathematik gehasst haben, oder Französisch, oder Sport, oder was weiß ich. Aber es ist doch wichtig eine gewisses Grundverständnis und Grundvermögen zu erarbeiten. Einerseits als Platform für möglicherweise mehr. Wenn man nicht allen möglichen Menschen als Kind Mathematik, Französisch, Sport, ... nahebringt, dann gibt es viel weniger Mathematiker, Romanisten und Sportler. Zweitens als eine Art Rahmen für die Welt. Man muß nicht berechnen können, um zu wissen, daß man berechnen kann. Ein gewisses Gefühl dafür was sagen wir mal ein Biologe so tut, oder ob eine Problem dem man begegnet etwas mit Chemie zu tun hat, ist schlicht sehr hilfreich. Wenn da eine Pfütze auf dem Boden komisch raucht, ist es gut eine gewisse Ahnung vom Konzept "Säure" zu haben. OK, vom Prinzip "Schule" aus gesehen halte ich es eben für verfehlt einfach zu sagen, daß jeder der etwas nachdenkt eine "Theologe" ist und daß man alles andere den Profis überlässt. Es braucht eine Kultur der Schulung, und eben nicht weil man jeden Menschen in Einstein verwandeln will.
Stephanie hat geschrieben: ↑Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Inhaltlich wüsste ich jetzt mal gerne, was genau du als Stillstand bezeichnest.
Gegenfrage, gibt es etwas was Du als Fortschritt bezeichnen würdest?
Stephanie hat geschrieben: ↑Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Was genau ist es denn, worüber die orthodoxe Theologie deiner Meinung nach so dringend forschen müsste?Das Christentum muss nicht (entgegen der Denke irgendwelcher progressiven Gruppierungen) an irgendwas angepasst, neu überdacht, neu entwickelt werden. Es ist alles da. Gott hat sich uns offenbart. Der Glaube wurde in den ersten sieben Konzilien genauer erklärt und ausgeführt, von anderen Strömungen unterschieden. Was genau vermisst du denn?
Du kannst nicht erst behaupten, daß das Christentum "nicht an irgendwas angepasst, neu überdacht, neu entwickelt werden muss" weil alles schon da ist. Um Dir dann selbst zu widersprechen indem Du uns mitteilst, daß die "ersten sieben Konzile das dann genauer erklärt, ausgeführt und unterschieden" haben. Wenn die ersten sieben Konzile derlei tun konnten, dann gibt es a priori keinen Grund warum die nächsten sieben Konzile das nicht auch tun konnten. Oder die nächsten siebenundsiebzig. Gott hat definitiv nicht offenbart, wieviele Konzile nötig und legitim sind! Es gibt auch absolut nichts in der Verhandlungsmasse der Konzile vor und nach dem Bruch (nach dem Bruch dann halt ohne den Osten) was objektiv auf ein offensichtliches Ende an sinnvollen Themen hindeutet. Es ist keineswegs so, als ob sagen wir mal am Ende des sechsten Konzils eine Liste erstellt hätte von noch zu besprechenden Themen, und die dann im siebten Konzil abgehakt hätte. Da steht auch nichts im siebten Konzils von wegen "und nun sind wir fertig, mehr Konzile sind nicht nötig".
Die einzige Begründung für das angebliche Ende der Konzilserie das die Orthodoxen haben ist, daß sie halt nicht mehr hingegangen sind. Und wenn man glaubt, daß die Orthodoxie die Kirche an sich ist, dann kann man schließen, daß das wohl so Gottgewollt sein muß. Aber eben nicht umgekehrt. Es folgt nicht irgendwie aus den Konzilen, daß die Orthodoxen die Kirche seien müssen, weil sie nach sieben Schluß gemacht haben. Im Gegenteil, das ist von außen betrachtet ein komplett zirkuläres Argument, und ein recht deutliches Zeichen, daß bei den Orthodoxen irgendwas schief gelaufen ist.
Lateran IV: Transubstantiation, Lyon II: Filioque, Vienne: Seele as Form des Körpers, Florenz-Ferrara: Vormacht des Papstes, Trient: Erbsünde, Rechtfertigung, Sakramente, ... Vatikan I: Unfehlbarkeit, Verhältnis Glaube und Verstand, Vatikan II: Ökumenismus, nicht-christliche Religionen - nur um mal ein paar Konzile und ein paar große Themen zu nennen. Es gab genau wie bei den ersten sieben Konzilen dann aber auch jede Menge "Kleinkram", der teilweise auch ziemlich wichtig wurde, z.B. Lateran III gegen die Simonie.
Stephanie hat geschrieben: ↑Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Und warum, wenn es doch deiner Meinung nach in der Katholischen Kirche zu finden ist, sollte dies nun die Orthodoxe Kirche ebenfalls tun? Soll das ein verstecktes Ihr müsst endlich eure Defizite eingestehen und euch uns anschließen sein?
Wieso versteckt? Es gibt nur eine Kirche, die katholische, und alle nicht-katholischen Christen sind Schismatiker, und meist auch Häretiker. Die dementsprechenden Defizite habt ihr zu korrigieren, da führt keine Weg dran vorbei. Nur bedeutet das jetzt nicht, daß ihr nur Defizite habt. Ihr habt auch Stärken, und auch viel Normales. Gleichfalls bedeutet es keineswegs, daß die einzige Kirche - die katholische - keine Defizite hat in ihrer irdischen Form. Es ist ehrlich gesagt ein Wunder, daß sie nicht unter allen ihren Fehlern bereits zusammengeklappt ist. Und es ist auch klar, daß bei einer echten Wiedervereinigung wenigstens die moderne katholische Seite alles nur Erdenkliche tun würde um die Orthodoxen ihr Gesicht wahren zu lassen. Ich bin mir sicher, da würde absolut kein Wort über Schisma und Häresie fallen, das wäre salbungsvoller als eine Fettberg in der Londoner Kanalisation. Aber ich bin kein kirchlicher Realpolitiker, ich teile Dir auf Nachfrage gerne mit was eh offensichtlich ist.
Stephanie hat geschrieben: ↑Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Anderes Bild: Ich bin krank und gehe zum Arzt. Er stellt fest, was ich habe und was ich tun muss, um wieder gesund zu werden. Ich kann mir natürlich zusätzlich Bücher durchlesen zum Thema der Krankheit…keine Frage, aber um gesund zu werden, muss ich mich an den Ratschlag des Arztes, die Medizin und die veränderte Lebensweise halten.
Sicher. Aber... wenn Dein Knie Dich schmerzt, dann sagen Dir von der Evolution bereitgestellte Rezeptoren und Nervenfasern, daß Gefahr im Verzug ist für Dein Wohlbefinden, Deine Gesundheit und im schlimmsten Fall Dein Leben. Wenn Dein Dogma Dich schmerzt... nun, das tut es eben leider nicht, jedenfalls nicht so ohne weiteres. Du mußt Dir da die Rezeptoren und Nervenfasern erarbeiten. Und es ist schlicht nicht wahr, daß "Beten allein" da immer hilft. Ein gewisses Wissen ist nötig.
Stephanie hat geschrieben: ↑Dienstag 19. Januar 2021, 21:32
Welche Spinner nehmen wir denn auf, die bedrohlich für uns sind?
Siehe den Artikel von Yannaras, den ich oben verlinkt habe, so mal als Beispiel.