FranzSales hat geschrieben: ↑Sonntag 24. Januar 2021, 09:59
Der "Lex Orandi, Lex Credendi" Grundsatz gilt bei Dir nicht? Mit Deiner Auffassung bist Du in der Tat meilenweit von der Alten Kirche entfernt.
Diese Regel ist für mich eher etwas wie ein Grundgesetz, oder das kleine Einmaleins. Wenn Dein Glaube sogar die aus der Liturgie herauslesbaren Glaubenssätze verletzt, dann ist Hopfen und Malz verloren. Die Zeiten wo die Liturgie eine Quelle für neue Einsichten bzgl. der Lehre war, in einem direkten Sinne, sind aber schon lange vorbei. Davon unbenommen ist die Frage, ob ein Theologe an der Liturgie teilnehmen sollte. Sicher sollte er das, aber nicht weil in dem was er das an Texten gesprochen und gesungen hört inhaltlich Neues zu finden wäre (hoffen wir mal). Außerdem ist Liturgie nicht präzise, und will es auch garnicht sein. Genau wie ein Gedicht keine präzise und logische Faktenauswertung ist. Wir haben weiter oben im Strang ja einen Auszug aus Orthodoxer Liturgie gesehen, der rein logisch betrachtet impliziert, daß Maria sündigte. Das war selbstverständlich dort nicht gemeint, und wurde sofort wegerklärt. Ich zweifle diese Erklärung auch überhaupt nicht an. Aber es zeigt eben Grenzen auf wenn man versucht Liturgie in Glaubenssätze umzusetzen.
FranzSales hat geschrieben: ↑Sonntag 24. Januar 2021, 09:59
Ich halte Deinen überbordenen rationalistischen Ansatz für wenig zielführend. Ziel ist das Heil der Seelen und nicht ein theologischer "Brainfuck". Jesus hat diese Art von Theologie nicht betrieben, die Apostel auch nicht.
Ich wüßte nicht, daß mein Ansatz "überbordend" ist. Ich behaupte ja keineswegs, daß die Theologie die Gesamtheit christlichen Lebens ist. Nicht mal, daß jeder Christ theologisch aktiv sein muß. Das tun hier andere, und weil das selbstverständlich nicht der Fall ist, lügen sie sich in die Tasche: es sei dann eine "andere Form" der Theologie, die alle betreiben können und sollten.
Meine Aussage ist vielmehr einerseits, daß richtige Theologie für die Kirche essentiell ist. Und andererseits, daß Theologie um richtig zu sein gewisse Qualitätsanforderungen erfüllen muß. Wer also meint, die Kirche als Ganzes (statt individueller Gläubiger) käme ohne Theologie aus, liegt falsch. Und wer glaubt, daß es relativ willkürlich / nicht so wichtig ist welche Form Theologie annimmt, auch.
Es sei auch erwähnt, daß Jesus selber sich durchaus präzise theologischen Aussagen in Streitfragen traf, z.B. zur Frage welche Arbeit am Sabbath erlaubt ist oder wer der Ehemann im Himmel einer mehrfach verheirateten Frau ist. Und Paulus ist auch nicht gerade um theologische Analyse verlegen, etwa zur Frage ob das erwählte Volk fallengelassen wurde, wie sich das mit Sünde, Tod, und Erlösung und der Wirkung von Adam und Jesus verhält, oder mal ganz praktisch zur Frage der Sexualität für Christen.
Ist das schon im Modus späterer Theologie? Offensichtlich nicht, aber dieser Anfang ist ja in vielerlei Hinsicht ein Samenkorn, daß sich erst noch entfalten muß. Die Kirchenhierarchie gab es nur rudimentär, die Liturgie war kaum ausgearbeitet, die hatten weder Rosenkränze noch Ikonen. Es gibt gute Gründe warum uns Jesus den Heiligen Geist sendete, und ich sehe keinen guten Grund warum der nicht in der Theologie - genau wie in allem anderen - die richtige Entwicklung betreuen konnte.
FranzSales hat geschrieben: ↑Sonntag 24. Januar 2021, 09:59
Der dreieinige Gott ist der ganz Andere und (da jenseits von Zeit, Raum etc) auch einer rationalen und wissenschaftlichen Betrachtung entzogen. Der Apostel Paulus spricht davon, dass wir wie in einen verschwommenen Spiegel schauen.
Da hat der Paulus absolut recht. Umso schlimmer, wenn viele Leute meinen diesen Spiegel dann auch noch verkratzen, verbiegen, oder mit Farbe übermalen zu müssen, um Gottes Geheimnis vor unserem Blick zu schützen. Ich halte derlei für eine Beleidigung Gottes.
FranzSales hat geschrieben: ↑Sonntag 24. Januar 2021, 09:59
Thomas von Aquin hatte 1273 offenbar eine Begegnung mit Gott gehabt. Er hat danach nie wieder etwas Theologisches geschrieben. Er soll folgendes gesagt haben:
Alles, was ich geschrieben habe,kommt mir vor wie Stroh im Vergleich zu dem, was ich gesehen habe.
Thomas war sein Leben lang kontemplativ, und zum Ende seines Leben hin versank er so oft und lang in Verzückung, daß die Leute die ihn umgaben ihn physisch aus seinen Trancen rütteln mußten um ihn in seinen Rollen am Funktionieren zu halten. Es besteht kein Zweifel, daß er sich persönlich auf einem bestimmten Glaubensweg befand den man durchaus mystisch nennen kann.
Es ist auch wahr, daß er - jedenfalls nach Aussagen die vermutlich auf Reginald zurückgehen - schließlich kurz vor seinem Tode mit solchen Worten die Arbeit an seinen Werken einstellte, nachdem er in einer Messe vom Heiligen Geist ergriffen wurde. Es ist jedoch völlig falsch anzunehmen, daß er nun seine Werke als für andere oder die Kirche unzureichend oder gar als unzutreffend ansah. Wir wissen das genau, denn wir wissen wie er starb. Er befand sich nämlich auf dem Weg zum Konzil von Lyons was - interessant für uns hier - die Wiedervereinigung mit den "Griechen" erreicht sollte. Und im Gepäck hatte er sein
Contra errores graecorum. Auf dem Weg machte er auch halt in der Abtei von San Germano (heute: Monte Cassino) und
schrieb auf Bitte für den Abt eine erhaltene Erläuterung einer umstrittenen Passage in St Gregory bzgl. menschlicher Freiheit und Gottes Wissen (Leonine, Vol. 42, pp 395-415, Einleitung bei A. Dondaine). Diese Erläuterung gilt im übrigen als Thomas beste zum Thema. Schließlich wurde er sehr krank, und mache in der Abtei von Fossanova halt. Es gibt Aussagen, daß er hier noch auf dem Totenbet einen Kommentar zum Hohelied Salomons verfasste. Aber falls das so war, haben wir keine Überlieferung davon. Was aber eine Reihe von Augenzeugen bezeugten, ist daß er die Mönche die ihn pflegten länger über den Körper Christi belehrte, und daß er anschließend seine gesamten Werke mit bekannten Formeln dort dem Urteil der Kirche unterstellte. Es gibt hier leicht verschiedene Variationen des genauen Wortlauts, aber alle sind sich einig bzgl. der Formel und der vorausgehenden - positiven - Bewertung seines eigenen Werkes. Es ist vielleicht gut hier die Version die durch Tocco vermittel wurde zu erwähnen (meine Übersetzung aus dem Englischen, eine Französischen Werkes, das unzweifelhaft Lateinischen Text übersetzt...):
"Ich empfange dich, Preis der Erlösung meiner Seele. Ich empfange dich, viaticum meiner Pilgerschaft, aus Liebe zu dir habe ich studiert, beobachtet, gearbeitet. Ich habe dich gepredigt, ich habe dich gelehrt; niemals habe ich etwas gegen dich gesagt, und sollte ich es aus Unwissen getan haben dann verharre ich nicht stur in meinem Fehler; sollte ich falsch gelehrt haben über diese Sakrament oder die anderen, dann unterwerfe ich es dem Urteil der heiligen Römischen Kirche, da ich nun in Gehorsam zu ihr dieses Leben verlasse."
All dies (und noch viel mehr) zu finden in der Biographie von Jean-Pierre Torrell, O.P.
Man tut dem Mann also wirklich großes Unrecht, wenn man annimmt, daß er sein eigenes Werk irgendwie zur Disposition gestellt hätte oder abgelehnt hätte. Ich denke vielmehr, der Unterschied zwischen dem was er sah und dem was er ausdrücken konnte wurde zu groß. Und auf rein menschlicher Ebene denke ich war er einfach erschöpft. Thomas hat jahrzehntelang enorm viel Text produziert, hat Vorlesung gehalten, war Berater für seinen Orden und andere, etc. Der Mann war unglaublich arbeitsam und starb ja nun auch genau wie er lebte. Und zwar starb er als praktizierender Theologe, auf dem Weg zu einem Konzil as Berater, Mönchen in einer theologischen Streitfrage beistehend, theologisch lehrend bis zum Ende, und mit dem Gehorsam gegenüber der Kirche auf den Lippen sterbend. (Übrigens keine leere Formel, Thomas war in Paris durchaus kontrovers wegen seinem Hang zu Aristoteles und wurde der Häresie verdächtigt.)
FranzSales hat geschrieben: ↑Sonntag 24. Januar 2021, 09:59
Die Orthodoxen haben einen anderen Ansatz, ein anderes Phronema, um Theologie zu betreiben. Und das ist auch völlig in Ordnung.
Es gibt andere Wege sich Gott zu nähern, als durch Theologie. Und es gibt viel Variation innerhalb der Theologie. Aber Theologie ist eine spezifische Art gottgewandter Aktivität, und man kann charakterisieren was zu guter Theologie gehört. Der Westen produziert viel Schrott in der Theologie, was menschlich ist, aber er hat die Prinzipien guter Theologie begriffen und jedenfalls teilweise erfolgreich institutionalisiert. Da der Osten auf keinen Fall jemals zugegeben kann, daß der Westen irgendetwas besser macht, hält er sich selbst in einem merkwürdigen Zustand der Unterentwickling gefangen, was die Theologie angeht. Das ist ... schade.