Reformierte Rechtfertigungslehre

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
Tinius
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Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Tinius »

Ich habe gerade die Lektüre einens interessanten Buches von John Piper beendet.

http://www.amazon.de/gp/product/1581349 ... 1581349645

Das ganze gibt es auch als kostenlosen Download als pdf.

http://www.desiringgod.org/media/pdf/bo ... ks_bfj.pdf


Pipers Versuch, die klassische reformierte Rechtfertigungslehre gegen die übermächtige PR-Walze von N.T.Wright zu verteidigen (Stichwort Sicht auf Paulus) ist interessant zu lesen, wirkt aber auch teilweise schon hilflos.

TillSchilling

Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von TillSchilling »

Tinius hat geschrieben: die übermächtige PR-Walze von N.T.Wright ... (Stichwort Sicht auf Paulus)
Es scheint, dass wenn immer ein protestantischer Theologe behauptet die Reformation hätte dieses oder jenes falsch verstanden und man müsste zu einer ursprünglicheren, irgendwie katholischeren Sichtweise zurückkehren, ist ihm Aufmerksamkeit sicher. Siehe auch Gustaf Aulén und sein Buch "Christus Victor". Aus irgendeinem Grund sind ganz viele Protestanten bereit, ohne sich wirklich mit einer Materie zu beschäftigen, ohne wirklich - im Geist derer von Beröa - eine Lehre geprüft zu haben, auf den band wagon aufzuspringen, reformatorische Doktrinen aufzugeben und mitzujubeln. Heute Pfingstler, morgen Römer, übermorgen dann doch zu den Orthodoxen, Hauptsache nicht den Verstand einschalten. Hauptsache es ist was los.

In so einem Umfeld wird die New Perspective on Paul natürlich gerne und schnell aufgenommen. Hauptsache etwas Neues, Hauptsache Provokation.

Alt-Katholik
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Alt-Katholik »

TillSchilling hat geschrieben:
Tinius hat geschrieben: die übermächtige PR-Walze von N.T.Wright ... (Stichwort Sicht auf Paulus)
Es scheint, dass wenn immer ein protestantischer Theologe behauptet die Reformation hätte dieses oder jenes falsch verstanden und man müsste zu einer ursprünglicheren, irgendwie katholischeren Sichtweise zurückkehren, ist ihm Aufmerksamkeit sicher. Siehe auch Gustaf Aulén und sein Buch "Christus Victor". Aus irgendeinem Grund sind ganz viele Protestanten bereit, ohne sich wirklich mit einer Materie zu beschäftigen, ohne wirklich - im Geist derer von Beröa - eine Lehre geprüft zu haben, auf den band wagon aufzuspringen, reformatorische Doktrinen aufzugeben und mitzujubeln. Heute Pfingstler, morgen Römer, übermorgen dann doch zu den Orthodoxen, Hauptsache nicht den Verstand einschalten. Hauptsache es ist was los.

In so einem Umfeld wird die New Perspective on Paul natürlich gerne und schnell aufgenommen. Hauptsache etwas Neues, Hauptsache Provokation.
Es gibt hier auch manche (vor allem lutherische) Christen die meinen, umso mehr sie sich an die Bekenntnisschriften klammern, desto "katholischer" seien sie am Ende. Und sowieso war Luther ja an sich TOTAL katholisch und die heutigen Landeskirchen seien TOTAL von diesem katholischen Pfad abgekommen, Luther war angeblich absoluter Befürworter der apostolischen Sukzession und seine Deutsche Messe sei ja so wahnsinning katholisch bla bla bla. :D :D :D

Tinius
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Tinius »

Alt-Katholik hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben:
Tinius hat geschrieben: die übermächtige PR-Walze von N.T.Wright ... (Stichwort Sicht auf Paulus)
Es scheint, dass wenn immer ein protestantischer Theologe behauptet die Reformation hätte dieses oder jenes falsch verstanden und man müsste zu einer ursprünglicheren, irgendwie katholischeren Sichtweise zurückkehren, ist ihm Aufmerksamkeit sicher. Siehe auch Gustaf Aulén und sein Buch "Christus Victor". Aus irgendeinem Grund sind ganz viele Protestanten bereit, ohne sich wirklich mit einer Materie zu beschäftigen, ohne wirklich - im Geist derer von Beröa - eine Lehre geprüft zu haben, auf den band wagon aufzuspringen, reformatorische Doktrinen aufzugeben und mitzujubeln. Heute Pfingstler, morgen Römer, übermorgen dann doch zu den Orthodoxen, Hauptsache nicht den Verstand einschalten. Hauptsache es ist was los.

In so einem Umfeld wird die New Perspective on Paul natürlich gerne und schnell aufgenommen. Hauptsache etwas Neues, Hauptsache Provokation.
Es gibt hier auch manche (vor allem lutherische) Christen die meinen, umso mehr sie sich an die Bekenntnisschriften klammern, desto "katholischer" seien sie am Ende. Und sowieso war Luther ja an sich TOTAL katholisch und die heutigen Landeskirchen seien TOTAL von diesem katholischen Pfad abgekommen, Luther war angeblich absoluter Befürworter der apostolischen Sukzession und seine Deutsche Messe sei ja so wahnsinning katholisch bla bla bla. :D :D :D
Lutherische Gottesdienste außerhalb der oberdeutschen Tradition sind deshalb für viele Reformierte quasi unerträglich.... :ja:

Dieter
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Dieter »

Was richtig oder was falsch ist, darauf wird uns auch die historisch-kritische Forschung keine verbindliche Antwort geben können. Deshab bleibt nur die Möglichkeit zu fragen, was die lutherische bzw die reformierte Rechtfertigungslehre für ihre Anhänger "bringt".

Die lutherische Rechtfertigungslehre nimmt dem Gläubigen im Sterben die Angst vor der ewigen Verdammnis.

Die reformierte Rechtfertigungslehre ist nicht so ausgeprägt wie die lutherische, obwohl der Heidelberger Katechismus sehr lutherisch geprägt ist (Frage 1, Frage 61). Luther war ein Mensch des Mittelalters, der an die Hölle und an die ewige Verdammnis glaubte. Zwingli war Humanist, Calvin Jurist. Sie gehörten zur zweiten Generation der Reformatoren und hatten schon ganz andere Interessen als Luther.

Die reformierte Lehre bietet auch kritischen Menschen des Jahres 2014 einen rationalen, nachvollziehbaren Glauben. Die Reformierte Kirche hat nicht den Anspruch, zu jeder Frage eine Antwort darauf geben zu können, was Gott will oder nicht will.

TillSchilling

Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von TillSchilling »

Dieter hat geschrieben:Was richtig oder was falsch ist, darauf wird uns auch die historisch-kritische Forschung keine verbindliche Antwort geben können.
Die NPP ist sicher kein Ergebnis evangelikaler Hermeneutik aber es geht bei ihren Behauptungen weniger um ein historisch-kritisches Hinterfragen der Bibeltexte. Sonst würde ja ein John Piper - um beim Ausgangsthema zu bleiben bzw. zurückzukehren - sich gar nicht auf die Diskussion einlassen. Die Behauptungen der NPP sind tatsächlich auch eine Herausforderung für die evangelikale Exegese. Eine Herausforderung, auf die sie eingehen muss und das auch tut. Und die evangelikale Exegese versucht natürlich sehr wohl Antworten zu finden auf die Frage was richtige Exegese bzw. was falsche Eisegese ist. Mit dem Anspruch die Frage nach richtiger bzw. falscher Exegese beantworten zu können tritt ja die NPP selber auch auf.

Die Fragen, die die NPP anspricht sind wichtig. Sollten wir wirklich denken, dass Gott sich uns in Bezug auf diese Fragen nicht offenbart hat? Das man nichts Genaues nicht wissen kann?

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overkott
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von overkott »

Dieter hat geschrieben:Was richtig oder was falsch ist, darauf wird uns auch die historisch-kritische Forschung keine verbindliche Antwort geben können.
Ich denke nicht, dass es ihr Anliegen ist, menschliches Handeln zu rechtfertigen. Ihre Hauptleistung besteht in der Textkritik: Wie ist die Bibel entstanden? Wie sind die Evangelien entstanden? Wie die Briefe? Die Offenbarung? Sind die Texte im Laufe der Zeit verändert worden? Auf welche historischen Rahmendaten beziehen sich die Texte? Wie kann man die biblischen Texte räumlich und zeitlich einordnen? In welchem kulturellen Umfeld sind sie zu verstehen? Was bedeutet, dass das Neue Testament auf Griechisch verfasst wurde? usw.

Die Frage der Rechtfertigung ist eine moraltheologische: Inwieweit lässt sich das Gesetz im Prinzip auf das Doppelgebot reduzieren? Was bedeutet Legitimität des Handelns im Gegensatz zu Legalismus? Wie ist Werkgerechtigkeit entsprechend zu verstehen? Wo stößt Werkgerechtigkeit an Grenzen? Muss sich der Mensch für sein gutes Handeln vor Gott rechtfertigen? Ist sein Handeln bereits gut, wenn es aus Gutgläubigkeit geschieht? Was ist demnach im Kern Sünde? Wie kann sich der Mensch bekehren? Ist Gott dem Bekehrten gegenüber gnädig? Was geschieht mit Menschen, die in Sünde verharren? Ist das Leben in Sünde bereits Hölle?

Tinius
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Tinius »

@Overkott

Auch mal ein guter Beitrag von dir. Respekt !!

Die NPP spricht natürlich verführerisch den Gebildeten der heutigen Zeit an. Es ist doch alles so verlockend. Wir wissen heute erheblich mehr über die Zeit von 100 v.Chr bis 140 n.Chr als die Reformatoren. Luther hatte über diese Zeit quasi fast keine Informationen außerhalb der Schrift. Wie sollte er das Judentum dieser Zeit einigermaßen neutral beurteilen können? Wie ist Paulus überhaupt in Bezug auf Heiden der antiken Welt zu verstehen?

Und da kommt dann die NPP und Wright daher und bringt Tausende und Tausende Seiten zu diesem historisch-sozialen-theologischem Komplex "auf den Markt".

Das war alles anders und dann ist Paulus ganz anders zu verstehen....
Wie wirkt sich das aber persönlich religiös aus?

John Piper bringt es gut auf den Punkt (ich zitiere aus dem Buch, Hervorhebung von mir):

"The question is: When the Judge finds in our favor, does he count us as having the required moral righteousness--not in ourselves, but because of the divine righteousness imputed to us in Christ?

My answer is yes . . . Wright's answer is no. "

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overkott
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von overkott »

@Tinius

Vielen Dank.

Eine Leistung der NPP kann sicher darin gesehen werden, den katholischen, interkulturellen Aspekt der Paulusmission hervorzuheben: Paulus kennt als ehemaliger Verfolger und Verfolgter das Judentum seiner Zeit von innen und außen. In christlichem Glauben überwindet er die religiösen Nationalismen seiner Zeit und vereint, wo immer möglich, in seinen Gemeinden Diasporajuden und Gläubige anderer ethnischer Herkunft ( ethnici = Heiden ). Für den persönlichen Glauben bringt das eine gewisse Weltoffenheit mit sich: Gottesliebe und Nächstenliebe werden in einem intensiveren Zusammenhang gesehen.

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Jarom1
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Jarom1 »

overkott hat geschrieben: Die Frage der Rechtfertigung ist eine moraltheologische: Inwieweit lässt sich das Gesetz im Prinzip auf das Doppelgebot reduzieren? Was bedeutet Legitimität des Handelns im Gegensatz zu Legalismus? Wie ist Werkgerechtigkeit entsprechend zu verstehen? Wo stößt Werkgerechtigkeit an Grenzen? Muss sich der Mensch für sein gutes Handeln vor Gott rechtfertigen? Ist sein Handeln bereits gut, wenn es aus Gutgläubigkeit geschieht? Was ist demnach im Kern Sünde? Wie kann sich der Mensch bekehren? Ist Gott dem Bekehrten gegenüber gnädig? Was geschieht mit Menschen, die in Sünde verharren? Ist das Leben in Sünde bereits Hölle?
Eine Frage an die Reformierten hier: Gemäß der Lehre der doppelten Prädestination werden die Nicht-Erwählten verworfen. Was bedeutet dies aus Eurer Sicht?
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Dieter
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Dieter »

Jarom1 hat geschrieben:
overkott hat geschrieben: Die Frage der Rechtfertigung ist eine moraltheologische: Inwieweit lässt sich das Gesetz im Prinzip auf das Doppelgebot reduzieren? Was bedeutet Legitimität des Handelns im Gegensatz zu Legalismus? Wie ist Werkgerechtigkeit entsprechend zu verstehen? Wo stößt Werkgerechtigkeit an Grenzen? Muss sich der Mensch für sein gutes Handeln vor Gott rechtfertigen? Ist sein Handeln bereits gut, wenn es aus Gutgläubigkeit geschieht? Was ist demnach im Kern Sünde? Wie kann sich der Mensch bekehren? Ist Gott dem Bekehrten gegenüber gnädig? Was geschieht mit Menschen, die in Sünde verharren? Ist das Leben in Sünde bereits Hölle?
Eine Frage an die Reformierten hier: Gemäß der Lehre der doppelten Prädestination werden die Nicht-Erwählten verworfen. Was bedeutet dies aus Eurer Sicht?


Für die deutschen und schweizer Reformierten hat die sog. Rechtfertigungslehre praktisch keine Bedeutung mehr.

Die Schweizer Reformierten z.B. haben seit 150 Jahren keine Bekenntnisschriften mehr. Sie nehmen die Aussage über das Sola Scriptura ernst. Wenn NUR die Bibel, dann darf es daneben auch keine Bekenntnisschriften geben, die für alle verbindlich sein sollen (wie bei den Lutheranern).

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Jarom1
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Jarom1 »

Dieter hat geschrieben:
Jarom1 hat geschrieben:
overkott hat geschrieben: Die Frage der Rechtfertigung ist eine moraltheologische: Inwieweit lässt sich das Gesetz im Prinzip auf das Doppelgebot reduzieren? Was bedeutet Legitimität des Handelns im Gegensatz zu Legalismus? Wie ist Werkgerechtigkeit entsprechend zu verstehen? Wo stößt Werkgerechtigkeit an Grenzen? Muss sich der Mensch für sein gutes Handeln vor Gott rechtfertigen? Ist sein Handeln bereits gut, wenn es aus Gutgläubigkeit geschieht? Was ist demnach im Kern Sünde? Wie kann sich der Mensch bekehren? Ist Gott dem Bekehrten gegenüber gnädig? Was geschieht mit Menschen, die in Sünde verharren? Ist das Leben in Sünde bereits Hölle?
Eine Frage an die Reformierten hier: Gemäß der Lehre der doppelten Prädestination werden die Nicht-Erwählten verworfen. Was bedeutet dies aus Eurer Sicht?


Für die deutschen und schweizer Reformierten hat die sog. Rechtfertigungslehre praktisch keine Bedeutung mehr.

Die Schweizer Reformierten z.B. haben seit 150 Jahren keine Bekenntnisschriften mehr. Sie nehmen die Aussage über das Sola Scriptura ernst. Wenn NUR die Bibel, dann darf es daneben auch keine Bekenntnisschriften geben, die für alle verbindlich sein sollen (wie bei den Lutheranern).
Welchen Rang nehmen dann die Bekenntnisschriften wie z.B. der Heidelberger Katechismus ein?
Consciousness of sin, certainty of faith, and the testimony of the Holy Spirit

TillSchilling

Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von TillSchilling »

Dieter hat geschrieben:
Jarom1 hat geschrieben: Eine Frage an die Reformierten hier: Gemäß der Lehre der doppelten Prädestination werden die Nicht-Erwählten verworfen. Was bedeutet dies aus Eurer Sicht?
Für die deutschen und schweizer Reformierten hat die sog. Rechtfertigungslehre praktisch keine Bedeutung mehr.
Das war

a) nicht gefragt. Und ist
b) falsch.

Die reformierte Kirche der Schweiz zum Beispiel ist tatsächlich wie du schreibst bekenntnisfrei. Aber sie "bekennt" trotzdem:
Nur das Evangelium ist massgebend
http://www.ref.ch/die-reformierten-kirchen/portraet/

Die von Reformierten und Lutheranern geteilte Rechtfertigungslehre ist Teil der dogmatischen Erfassung des Evangeliums Jesu Christi. Keine reformierte Kirche lehnt die reformatorische Rechtfertigungslehre ab.

Pilgerer
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Pilgerer »

Eigentlich geht es darum, dass nur der vollkommene Mensch in den Himmel käme. Weil aber kein Mensch vollkommen sein kann, sind alle auf die Gnade Gottes angewiesen. Aus dem Genfer Katechismus (der in Dialog-Form gefasst ist):
S.: Wer noch nicht vom Geiste Gottes wiedergeboren ist, der ist nicht im Stande, auch nur mit dem kleinsten Pünktchen im Gesetze den Anfang zu machen. Aber wenn wir auch zugäben, dass Jemand gefunden würde, der dem Gesetze zum Teil gehorcht, so könnten wir doch nicht der Meinung sein, dass er es vor Gott befolgt habe. Denn für verflucht erklärt er Alle, die nicht Alles erfüllen, was darin enthalten ist.43)

L.: Daraus lässt sich schließen, dass, so wie es zweierlei Menschen gibt, auch das Gesetz eine zweifache Bestimmung hat.
S.: Allerdings. Denn bei den Ungläubigen bewirkt es nichts, als dass es ihnen alle Entschuldigung vor Gott raubt. Das deutet Paulus an, wenn er es „ein Amt des Todes und der Verdammnis“ nennt.44) Bei den Gläubigen dient es zu einem ganz andern Zweck.

L.: Zu welchem?
S.: Zuerst, dass sie daraus sich überzeugen, die Gerechtigkeit könne durch Werke nicht erlangt werden,45) wodurch sie Demut lernen; und das fordert sie auf, in Christo ihr Heil zu suchen. Sodann verlangt es von ihnen mehr, als sie leisten können, wodurch sie angetrieben werden, Gott um Kraft zu bitten, zugleich aber auch gemahnt an ihre immerwährende Schuld, damit sie sich nicht dem Stolz überlassen. Endlich ist es ihnen gleichsam ein Zügel, der sie in der Furcht Gottes erhält.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

Tinius
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Tinius »

Jarom1 hat geschrieben:
overkott hat geschrieben: Die Frage der Rechtfertigung ist eine moraltheologische: Inwieweit lässt sich das Gesetz im Prinzip auf das Doppelgebot reduzieren? Was bedeutet Legitimität des Handelns im Gegensatz zu Legalismus? Wie ist Werkgerechtigkeit entsprechend zu verstehen? Wo stößt Werkgerechtigkeit an Grenzen? Muss sich der Mensch für sein gutes Handeln vor Gott rechtfertigen? Ist sein Handeln bereits gut, wenn es aus Gutgläubigkeit geschieht? Was ist demnach im Kern Sünde? Wie kann sich der Mensch bekehren? Ist Gott dem Bekehrten gegenüber gnädig? Was geschieht mit Menschen, die in Sünde verharren? Ist das Leben in Sünde bereits Hölle?
Eine Frage an die Reformierten hier: Gemäß der Lehre der doppelten Prädestination werden die Nicht-Erwählten verworfen. Was bedeutet dies aus Eurer Sicht?
DAS wurde gefragt [Punkt]

Dieter
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Dieter »

Jarom1 hat geschrieben:
Dieter hat geschrieben:
Jarom1 hat geschrieben:
overkott hat geschrieben: Die Frage der Rechtfertigung ist eine moraltheologische: Inwieweit lässt sich das Gesetz im Prinzip auf das Doppelgebot reduzieren? Was bedeutet Legitimität des Handelns im Gegensatz zu Legalismus? Wie ist Werkgerechtigkeit entsprechend zu verstehen? Wo stößt Werkgerechtigkeit an Grenzen? Muss sich der Mensch für sein gutes Handeln vor Gott rechtfertigen? Ist sein Handeln bereits gut, wenn es aus Gutgläubigkeit geschieht? Was ist demnach im Kern Sünde? Wie kann sich der Mensch bekehren? Ist Gott dem Bekehrten gegenüber gnädig? Was geschieht mit Menschen, die in Sünde verharren? Ist das Leben in Sünde bereits Hölle?
Eine Frage an die Reformierten hier: Gemäß der Lehre der doppelten Prädestination werden die Nicht-Erwählten verworfen. Was bedeutet dies aus Eurer Sicht?


Für die deutschen und schweizer Reformierten hat die sog. Rechtfertigungslehre praktisch keine Bedeutung mehr.

Die Schweizer Reformierten z.B. haben seit 150 Jahren keine Bekenntnisschriften mehr. Sie nehmen die Aussage über das Sola Scriptura ernst. Wenn NUR die Bibel, dann darf es daneben auch keine Bekenntnisschriften geben, die für alle verbindlich sein sollen (wie bei den Lutheranern).
Welchen Rang nehmen dann die Bekenntnisschriften wie z.B. der Heidelberger Katechismus ein?



Der Heidelberger Katechismus ist in der Schweiz weitgehend unbekannt.

Aber selbst in Deutschland könnte der HK irgendwann einmal geändert werden. Bei den Reformierten sind die Bekenntnisschriften nicht auf ewiges Zeit verbindlich wie etwa bei den Lutheranern.

Dieter
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Dieter »

TillSchilling hat geschrieben:
Dieter hat geschrieben:
Jarom1 hat geschrieben: Eine Frage an die Reformierten hier: Gemäß der Lehre der doppelten Prädestination werden die Nicht-Erwählten verworfen. Was bedeutet dies aus Eurer Sicht?
Für die deutschen und schweizer Reformierten hat die sog. Rechtfertigungslehre praktisch keine Bedeutung mehr.
Das war

a) nicht gefragt. Und ist
b) falsch.

Die reformierte Kirche der Schweiz zum Beispiel ist tatsächlich wie du schreibst bekenntnisfrei. Aber sie "bekennt" trotzdem:
Nur das Evangelium ist massgebend
http://www.ref.ch/die-reformierten-kirchen/portraet/

Die von Reformierten und Lutheranern geteilte Rechtfertigungslehre ist Teil der dogmatischen Erfassung des Evangeliums Jesu Christi. Keine reformierte Kirche lehnt die reformatorische Rechtfertigungslehre ab.

Es geht nicht darum, dass die Reformierten die Rechtfertigungslehre ablehnen. Das tun sie natürlich nicht. Aber die Frage ist, ob man sie in jedem Gottesdienst erwähnen muss.

Zwingli war Humanist, Calvin Jurist. Sie haben die neue Lehre praktisch am Schreibtisch entworfen. Ihr Interesse lag bei der Ehre Gottes im Alltag der Schweizer, nicht bei der Frage, wie man einen gnädigen Gott bekommt, die Luther noch als Mann des Mittelalters umtrieb.

Tinius
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Tinius »

Dieter hat geschrieben:

Der Heidelberger Katechismus ist in der Schweiz weitgehend unbekannt.
Du sprichst große, falsche Worte gelassen aus....

Dieter
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Dieter »

Durch die Vielzahl der Bekenntnis relativiert sich auch ihre Bedeutung (was vielen nicht bewusst ist):

Zeit der Bibel

RB 1 Das kleine geschichtliche Credo (Jerusalem 540-500v)
RB 2 Der Philipperhymnus (Antiochia 40-50n)
Zeit der Frühen Kirche

RB 3 Apostolicum (Rom 200-300)
RB 4 Nicaeno-Constantinopolitanum (Konstantinopel 381)
RB 5 Athanasianum (Arles 430-580)

Zeit der Schweizer Reformation

RB 6 Die Ilanzer Schlussreden (Ilanz 1526)
RB 7 Die Berner Thesen (Bern 1528)
RB 8 Fidei ratio (Zürich 1530)
RB 9 Das Basler Bekenntnis (Basel 1534)
RB 10 Le catéchisme de Genève (Genf 1545)

Zeit der Lehrbildung

RB 11 La Confession de La Rochelle (Paris 1559)
RB 12 Der Heidelberger Katechismus (Heidelberg 1563)
RB 13 Confessio Helvetica posterior (Zürich 1566)
RB 14 The Westminster Shorter Catechism (London 1647)

Zeit der Moderne

RB 15 Die Barmer Theologische Erklärung (Wuppertal 1934)
RB 16 Die Leuenberger Konkordie (Basel 1973)
RB 17 The Belhar Confession (Kapstadt 1986)
RB 18 Ein Glaubensbekenntnis (Bern 1986)
RB 19 A Brief Statement of Faith (Pittsburgh 1991)
RB 20 Déclaration de Foi (Genf 1992)

Reformierte Referenztexte

RB 21 Credo (Kappel 2008)
RB 22 Katechismus (offen)

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Jarom1
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Jarom1 »

Ich habe gerade "Total Truth" von Nancy Pearcey gelesen. In einem Kapitel beschreibt sie auch das Second Awakening in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den USA. In dieser Erweckungsbewegung seien viele Evangelikale ebenfalls der Meinung gewesen, dass Katechismen oder ausformulierte Bekenntnisse nicht notwendig seien, da die Bibel alleinige Richtschnur sei. Aus Sicht von Nancy Pearcey hat diese Ansicht zu einer stärkeren, einseitigen Betonung der individuellen Erfahrung auf Kosten der intellektuellen Durchdringung der Lehre geführt, an der die evangelikale Bewegung in den USA noch heute leidet, zumal dort der Fokus auch auf dem individuellen Bekehrungserlebnis liegt.
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Tinius
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Tinius »

Jarom1 hat geschrieben:Ich habe gerade "Total Truth" von Nancy Pearcey gelesen. In einem Kapitel beschreibt sie auch das Second Awakening in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den USA. In dieser Erweckungsbewegung seien viele Evangelikale ebenfalls der Meinung gewesen, dass Katechismen oder ausformulierte Bekenntnisse nicht notwendig seien, da die Bibel alleinige Richtschnur sei. Aus Sicht von Nancy Pearcey hat diese Ansicht zu einer stärkeren, einseitigen Betonung der individuellen Erfahrung auf Kosten der intellektuellen Durchdringung der Lehre geführt, an der die evangelikale Bewegung in den USA noch heute leidet, zumal dort der Fokus auch auf dem individuellen Bekehrungserlebnis liegt.
Es braucht keine Fixierung auf irgendein Bekehrungserlebnis, das man dann schildern und im Kalender eintragen kann. Es genügt das, was sich zwischen 1517 und 1632 mit Bekenntnissen ergeben hat.

Ich habe viele Freunde in den USA. Bei Besuchen dort habe ich es immer mal erlebt, dass John oder Bob mir als Gäste der Freunde berichtet haben, was sie früher für Hurenböcke und versoffene Halsabschneider waren. Mit glänzenden Augen wird dann im Detail ausgeformt, was der Widersacher, der Versucher, der Antichrist mit ihnen machte.
Dann gibt es einen Tag, eine Stunde (beim Einkaufen, Saufen, Heckeschneiden etc.) der alles änderte und an dem Jesus als wahrer Herr angenommen wurde.
Ich kenne hier eine Lehrerin, die urplötzlich alles aufgibt, sich in den Niederlanden (auch da gibt es einen quasi Bible-Belt) stramm missionarisch ausbilden lässt (zahlt alles selbst) und dann nach Nordkorea oder Arabien möchte. Nur in Gegenden, wo es keine Christen gibt.

http://cornerstonecollege.eu/about-cornerstone
http://www.wec-int.de/

http://joshuaproject.net/

Bedingung ist "eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus".

Gerade bei der Reformierten Lehre stellt sich die Frage, ob diese Bedingung nicht völlig falsch formuliert ist.
Haben wir eine lebendige Beziehung zu Gott oder Jesus Christus ?

Dieter
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Dieter »

"sich in den Niederlanden (auch da gibt es einen quasi Bible-Belt)"


Kurz nebenher: Auch in Deutschland gibt es einen -kleinen- Bible-Belt - das Erzgebirge.

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Jarom1
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Jarom1 »

Tinius hat geschrieben:Es braucht keine Fixierung auf irgendein Bekehrungserlebnis, das man dann schildern und im Kalender eintragen kann. Es genügt das, was sich zwischen 1517 und 1632 mit Bekenntnissen ergeben hat.
Ich sehe die Bekenntnisse quasi als "Einstiegshilfen", in denen das Wissen um die biblische Lehre zusammengefasst sind. Sie stellen daher auch keine Abweichung vom Prinzip "allein die Schrift" dar. Ich würde den von Dir genannten Zeitraum erweitern, da mir die Westminster Confession (1647) und die Barmer Erklärung (1934) wichtig sind.
Tinius hat geschrieben: ...
Bedingung ist "eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus".

Gerade bei der Reformierten Lehre stellt sich die Frage, ob diese Bedingung nicht völlig falsch formuliert ist.
Haben wir eine lebendige Beziehung zu Gott oder Jesus Christus ?
Da Jesus Christus Gott ist, müssen wir eine lebendige Beziehung zu beiden haben. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Gott auch Gott-Vater ist (ich nehme an, dass Du diesen Aspekt meinst). Außerdem muss diese Beziehung Verstand und Gefühl einbeziehen und darf nicht einseitig das Gefühl betonen.
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Tritonus
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Tritonus »

Tinius hat geschrieben:Dann gibt es einen Tag, eine Stunde (beim Einkaufen, Saufen, Heckeschneiden etc.) der alles änderte und an dem Jesus als wahrer Herr angenommen wurde.
Das kann man auf den entsprechenden evangelikalen Webseiten heute alles schon online erledigen:
... Falls ja, klicken Sie bitte unten auf den Button “Ich habe heute Christus akzeptiert“.
[td]Ich habe heute Christus akzeptiert[/td]
( http://www.gotquestions.org/Deutsch/Ver ... angen.html )
:umkuck:

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Jarom1
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Jarom1 »

Die Automatisierung ist nicht aufzuhalten ... :/

Ein Freikirchler hat mich mal gefragt, was ich denn "heute so mit Jesus erlebt habe". Ich habe ihm daraufhin das Buch "Die Heiligkeit Gottes" von R.C. Sproul geschenkt. Hoffentlich hat es seine Perspektive wieder etwas gerade gerückt.
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TillSchilling

Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von TillSchilling »

Wäre es euch lieber John und Bob wären "Hurenböcke und versoffene Halsabschneider" geblieben? Oder fändet ihr es besser die Lehrerin wäre weiterhin indifferent gegenüber der Religion?

Was ist eigentlich eurer Problem? Ihr stimmt mit der Theologie des "sich für Christus entscheiden" nicht überein? Fair enough. Ich auch nicht. Aber das Wirken dieses Typus Christen hat mehr Menschen zum Glauben an Christus gebracht als alle bekenntnistreuen Reformierten und Lutheraner zusammen. Und jeden kann sich doch weiterentwickeln.

Tritonus
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Tritonus »

TillSchilling hat geschrieben: Was ist eigentlich eurer Problem? Ihr stimmt mit der Theologie des "sich für Christus entscheiden" nicht überein? Fair enough. Ich auch nicht.
Falls Du mich (mit) meinst: Du kannst Dich wieder abregen, denn Du hast mich nicht verstanden. Ich stimme sehr wohl mit einer Theologie des "sich für Christus entscheiden" überein. Ich halte diese Entscheidung für unverzichtbar, aber die erfolgt m.E. nicht nur einmal im Leben, sondern auch danach, und zwar normalerweise mehrmals täglich.

Was ich kritisiere, sind Auswüchse und die verkürzte Form, denn sie läuft oft auf das hinaus, was D. Bonhoeffer die "billige Gnade" nennt. Es ist m.E. eben nicht damit getan, sozusagen einmal den Button "Ich habe heute Christus akzeptiert" anzuklicken, und dann ist für immer alles in Butter. Es gibt ein Leben nach der Bekehrung, und auch da sind ständig Entscheidungen fällig, und jede davon kann für oder gegen Christus ausfallen.

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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Jarom1 »

Tritonus hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben: Was ist eigentlich eurer Problem? Ihr stimmt mit der Theologie des "sich für Christus entscheiden" nicht überein? Fair enough. Ich auch nicht.
Falls Du mich (mit) meinst: Du kannst Dich wieder abregen, denn Du hast mich nicht verstanden. Ich stimme sehr wohl mit einer Theologie des "sich für Christus entscheiden" überein. Ich halte diese Entscheidung für unverzichtbar, aber die erfolgt m.E. nicht nur einmal im Leben, sondern auch danach, und zwar normalerweise mehrmals täglich.

Was ich kritisiere, sind Auswüchse und die verkürzte Form, denn sie läuft oft auf das hinaus, was D. Bonhoeffer die "billige Gnade" nennt. Es ist m.E. eben nicht damit getan, sozusagen einmal den Button "Ich habe heute Christus akzeptiert" anzuklicken, und dann ist für immer alles in Butter. Es gibt ein Leben nach der Bekehrung, und auch da sind ständig Entscheidungen fällig, und jede davon kann für oder gegen Christus ausfallen.
:klatsch:
Consciousness of sin, certainty of faith, and the testimony of the Holy Spirit

TillSchilling

Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von TillSchilling »

Tritonus hat geschrieben: Es ist m.E. eben nicht damit getan, sozusagen einmal den Button "Ich habe heute Christus akzeptiert" anzuklicken, und dann ist für immer alles in Butter.
That goes without saying. So ein Verständnis wäre ja völlig unterirdisch.

Allerdings sehen es die Macher der von dir verlinkten Seite dann doch nicht ganz so oberflächlich. Wer klickt kommt auf die Seite http://www.gotquestions.org/Deutsch/Und-nun.html und findet dort als Antwort auf die Frage "was nun?" Hinweise wie
2. Finden Sie eine gute Gemeinde, welche die Bibel lehrt.
3. Nehmen Sie sich jeden Tag Zeit für Gott.
4. Knüpfen Sie Beziehungen zu Leuten, die Ihnen geistlich helfen können.
5. Lassen Sie sich taufen.
Tritonus hat geschrieben: Was ich kritisiere, sind Auswüchse und die verkürzte Form, denn sie läuft oft auf das hinaus, was D. Bonhoeffer die "billige Gnade" nennt.
Nein, tut es nicht. Der Vergleich passt nicht. Möchtest du zu der Lehrerin, die sich nach Arabien aufmacht, sagen:
Billige Gnade ist Gnade ohne Nachfolge

Ralf

Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Ralf »

TillSchilling hat geschrieben:
Tritonus hat geschrieben: Es ist m.E. eben nicht damit getan, sozusagen einmal den Button "Ich habe heute Christus akzeptiert" anzuklicken, und dann ist für immer alles in Butter.
That goes without saying. So ein Verständnis wäre ja völlig unterirdisch.
Nachdem, was ich gehört habe (ohne es verifizieren zu können), ist aber genau das die Essenz der "once saved, always saved"-Christen. Einmal Jesus akzeptieren ("saved at the age of eight") und das war's. Eintrittskarte gelöst, unkaputtbar.

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asderrix
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von asderrix »

Jarom1 hat geschrieben:Die Automatisierung ist nicht aufzuhalten ... :/

Ein Freikirchler hat mich mal gefragt, was ich denn "heute so mit Jesus erlebt habe". Ich habe ihm daraufhin das Buch "Die Heiligkeit Gottes" von R.C. Sproul geschenkt. Hoffentlich hat es seine Perspektive wieder etwas gerade gerückt.
Und hast Du was mit Christus erlebt, oder lebst du aus der Konserve(Buch), also dem was andere erlebt haben?
Jedes Gedächtnismahl sagt: Das Beste kommt noch!

Tritonus
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Re: Reformierte Rechtfertigungslehre

Beitrag von Tritonus »

Ralf hat geschrieben:
TillSchilling hat geschrieben:
Tritonus hat geschrieben: Es ist m.E. eben nicht damit getan, sozusagen einmal den Button "Ich habe heute Christus akzeptiert" anzuklicken, und dann ist für immer alles in Butter.
That goes without saying. So ein Verständnis wäre ja völlig unterirdisch.
Nachdem, was ich gehört habe (ohne es verifizieren zu können), ist aber genau das die Essenz der "once saved, always saved"-Christen. Einmal Jesus akzeptieren ("saved at the age of eight") und das war's. Eintrittskarte gelöst, unkaputtbar.
Korrekt. Habe ich mir ziemlich lange angehört, in der Gemeinde meiner damaligen Frau. Jeden Sonntag ungefähr die selbe Predigt, egal zu welcher Schriftstelle, irgendwie kriegte der Pfarrer immer den Dreh, selbst wenn die Stelle praktisch das Gegenteil aussagte ... Bekehrung als Vollkasko. Möglicherweise gibt es noch andere "Sorten" von Evangelikalen, aber die habe ich nicht kennengelernt.
Till Schilling hat geschrieben:Wäre es euch lieber John und Bob wären "Hurenböcke und versoffene Halsabschneider" geblieben? Oder fändet ihr es besser die Lehrerin wäre weiterhin indifferent gegenüber der Religion?
Till Schilling hat geschrieben:Möchtest du zu der Lehrerin, die sich nach Arabien aufmacht, sagen:
Billige Gnade ist Gnade ohne Nachfolge
Insgesamt dreimal nein. Ich kenne allerdings weder John noch Bob, und die Lehrerin kenne ich leider auch nicht, und deshalb kann ich keine Schätzung darüber abgeben, ob es sich bei dem, was sie lobenswerterweise jetzt Positives tun und Negatives lassen, tatsächlich um Christus-Nachfolge handelt.

Da Du solche äußerlich sichtbaren Wirkungen und Wandlungen offensichtlich sehr schätzt, hier mal die beiden mit Abstand spektakulärsten Bekehrungen in meinem Umfeld:

1. Einer meiner zahlreichen Onkels hatte sein Bekehrungserlebnis vor Jahrzehnten, er hat daraufhin sein bis dahin kaputtes Leben total umgekrempelt -- zum Guten, wie jeder sagt, der ihn kannte -- und war jahrelang weltweit als Missionar unterwegs, um Jesus Christus zu predigen. So weit ich das als damals Jugendlicher mitbekommen habe, hat er nach seinem Bekehrungserlebnis die von Dir oben ziterten Anleitungspunkte 2 bis 5 (nach bestem Wissen und Gewissen) ausgeführt. Er suchte sich eine "Gemeinde, die die Bibel lehrt", nahm sich "jeden Tag Zeit für Gott", knüpfte "Beziehungen zu Leuten, die ihm geistlich helfen konnten", und fand alles -- wie gesagt: nach seinem damaligen bestem Wissen und Gewissen -- bei der Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, die für den Rest seines bisherigen Lebens seine geistliche Heimat wurde.

2. Einer meiner entfernten Bekannten ist nach seinem Jesus-Bekehrungserlebnis auf der Suche nach "Leuten, die ihm geistlich helfen können" bei der Ahmadiyya (Stichwort: "Jesus in Kaschmir") fündig geworden, nimmt sich dort ebenfalls "jeden Tag Zeit für Gott" und arbeitet jetzt zeitweise nicht nur mit bewundernswertem Einsatz, sondern auch unter Lebensgefahr in Pakistan.

Beide Bekehrungen und die weiteren Biographien finde ich sehr eindrucksvoll. Jedenfalls weit eindrucksvoller (nach den Kriterien, die Du oben genannt hast) als bei der großen Menge Evangelikaler, mit denen ich zu tun hatte. Wenn es also vorwiegend um Persönlichkeitsverbesserungen geht, kann ich vor allem eine Mitgliedschaft bei den Mormonen oder der Ahmadiyya empfehlen. Nur kann ich dabei keinen Zusammenhang erkennen zwischen Bekehrung und positiven Auswirkungen auf die Persönlichkeit auf der einen Seite und Christus-Nachfolge auf der anderen Seite.

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