Findet Ihr O Popule Meus antisemitisch?
Findet Ihr O Popule Meus antisemitisch?
Ich habe erst jetzt erfahren, daß ks. Michal Czajkowski (ein sehr bekannter Theologe) sich letztes Jahr dafür eingesetzt hat, "Ludu mój ludu" (O Popule Meus) aus den Gesangbüchern zu streichen, da er es für antisemitisch hält.
Nun habe ich dieses Lied…es war mein Lieblingspassionslied, als ich jünger war, mittlerweile ist es wohl "Jezu Chryste, Panie mily"…nie auf die Juden bezogen, sondern auf "uns", das neue Gottesvolk. Frei nach dem Motto: Was hat Gott alles für uns getan, und wie haben wir es ihm vergolten…
Nun habe ich dieses Lied…es war mein Lieblingspassionslied, als ich jünger war, mittlerweile ist es wohl "Jezu Chryste, Panie mily"…nie auf die Juden bezogen, sondern auf "uns", das neue Gottesvolk. Frei nach dem Motto: Was hat Gott alles für uns getan, und wie haben wir es ihm vergolten…
Re: Findet Ihr O Popule Meus antisemitisch?
anneke6 hat geschrieben:Ich habe erst jetzt erfahren, daß ks. Michal Czajkowski (ein sehr bekannter Theologe) sich letztes Jahr dafür eingesetzt hat, "Ludu mój ludu" (O Popule Meus) aus den Gesangbüchern zu streichen, da er es für antisemitisch hält.
Nun habe ich dieses Lied…es war mein Lieblingspassionslied, als ich jünger war, mittlerweile ist es wohl "Jezu Chryste, Panie mily"…nie auf die Juden bezogen, sondern auf "uns", das neue Gottesvolk. Frei nach dem Motto: Was hat Gott alles für uns getan, und wie haben wir es ihm vergolten…
Ich finde die Melodie auch sehr ergreifend-meditativ. Jesus klagt da aber eindeutig über die verstockten Juden (vergl. den verstockten Feigenbaum, der Israel ist und keine Früchte bringt).
Die polnische Kirche soll sich bloß nicht der jüdischen Lobby beugen. Gibt man denen den kleinen Finger, wollen sie die ganze Hand.
- Robert Ketelhohn
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Die Improperien sind so „antisemitisch“ wie die Evangelien und wie Jesus Christus. Darum ist Er ja auch verurteilt wurden, zu Recht nach rabbinischer Lehre. Man bleibt sich treu.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.
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Re: Findet Ihr Popule Meus antisemitisch?
Ich habe das Popule Meus (ohne O, wie ich festgestellt habe, als ich versucht habe, es auf die Melodie zu singen) nie judenfeindlich gefunden. Was mich aber geärgert hatte, war das "Freitagsgebet", wie ich es in einem "Magnificat" (Gebetbuch der Diözese…Freiburg, glaube ich, nicht die Liturgieheftchen) gefunden habe. Es fing an mit: "Es ist eine große Finsternis gekommen, als die Juden Christus gekreuziget (sic!) haben…" In diesem Fall ist das nun wirklich irreführend.
In wie weit manche Vorwürfe der Improperien irreführend sind…schwer zu sagen. Ich denke weiterhin, daß sie vor allem an uns gerichtet sind. Sie sollen uns über unser eigenes Leben nachdenken lassen, darüber, wie wir auf Gottes Liebe und Fürsorge geantwortet haben. Wir können noch umkehren — diejenigen, die damals für Jesu Tod verantwortlich waren, können es nicht mehr.
In wie weit manche Vorwürfe der Improperien irreführend sind…schwer zu sagen. Ich denke weiterhin, daß sie vor allem an uns gerichtet sind. Sie sollen uns über unser eigenes Leben nachdenken lassen, darüber, wie wir auf Gottes Liebe und Fürsorge geantwortet haben. Wir können noch umkehren — diejenigen, die damals für Jesu Tod verantwortlich waren, können es nicht mehr.
- cantus planus
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Diese Diskussion kommt bei mir immer wieder auf. Nächstes Jahr zum 13. Mal. Ich bin diese Diskussion mittlerweile ziemlich leid...
Natürlich ist der Gesang nicht antisemitisch (auch wenn er gelegentlich fälschlicherweise so ausgelegt wurde), sondern auf das ganze Volk Gottes - auch auf uns! - bezogen. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Karfreitag mit der Osternacht eine liturgisch nicht zu trennende Einheit bildet. Und dort hören wir folgerichtig die Lesungen vom Auszug aus Ägypten, mit entsprechendem Dankpsalm etc. Man muss sich nur einmal die Lesungsfolge der Osternacht und das Evangelium vergegenwärtigen!
Die Ankündigung des Messias, die wir im Alten Testament lesen, betrifft uns genauso, wie die durch Christus angekündigte Erlösung im Neuen Testament. Daher muss uns auch die Frage treffen, die in den Improperien - wenngleich in verkürzter Form - gestellt wird. "Was tat ich dir?"
Der Vorwurf der Judenfeindlichkeit ist ebenso alt wie falsch, da hier der Text in seiner Aussagekraft unzulässig verkürzt wird. Das ist keine Exegese, sondern Eisegese. Dass schon ganze Klöster diesen Gesang aus diesem falschen Grund gekippt haben, und auch Theologen immer wieder den gleichen Bock schießen, ändert an der Tatsache nichts.
Ich habe vor Jahren - als ich diese Diskussion zum 9. Mal führte, darüber einen dreiseitigen, detaillierten Artikel veröffentlicht, den ich leider gerade nicht zur Hand habe, sonst würde ich ihn einstellen. Ich gehe mal suchen...
Natürlich ist der Gesang nicht antisemitisch (auch wenn er gelegentlich fälschlicherweise so ausgelegt wurde), sondern auf das ganze Volk Gottes - auch auf uns! - bezogen. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Karfreitag mit der Osternacht eine liturgisch nicht zu trennende Einheit bildet. Und dort hören wir folgerichtig die Lesungen vom Auszug aus Ägypten, mit entsprechendem Dankpsalm etc. Man muss sich nur einmal die Lesungsfolge der Osternacht und das Evangelium vergegenwärtigen!
Die Ankündigung des Messias, die wir im Alten Testament lesen, betrifft uns genauso, wie die durch Christus angekündigte Erlösung im Neuen Testament. Daher muss uns auch die Frage treffen, die in den Improperien - wenngleich in verkürzter Form - gestellt wird. "Was tat ich dir?"
Der Vorwurf der Judenfeindlichkeit ist ebenso alt wie falsch, da hier der Text in seiner Aussagekraft unzulässig verkürzt wird. Das ist keine Exegese, sondern Eisegese. Dass schon ganze Klöster diesen Gesang aus diesem falschen Grund gekippt haben, und auch Theologen immer wieder den gleichen Bock schießen, ändert an der Tatsache nichts.
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Tradition ist das Leben des Heiligen Geistes in der Kirche. — Vladimir Lossky
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- cantus planus
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Ja. Als ich diese Diskussion im 8. Jahr führte, hat eine Wir-sind-Kirche-Basiskatholikin mich im Liturgieausschuss geradezu niedergeschrien, was mich dazu veranlasste, vor der Diskussion im 9. Jahr nämlichen Artikel zu verfassen. Ich entsinne mich, dass ich auch ein längeres Zitat von Ratzinger drinhatte.anneke6 hat geschrieben:Aber noch mal eine Frage, cantus…hat schon mal jemand von Dir verlangt, daß Du diesen Gesang nicht singst?
Übrigens ist dieser Gesang bei mir noch jedes Jahr gesungen worden.
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- Robert Ketelhohn
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cantus planus hat geschrieben:Natürlich ist der Gesang nicht antisemitisch (auch wenn er gelegentlich fälschlicherweise so ausgelegt wurde), sondern auf das ganze Volk Gottes - auch auf uns! - bezogen. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Karfreitag mit der Osternacht eine liturgisch nicht zu trennende Einheit bildet. Und dort hören wir folgerichtig die Lesungen vom Auszug aus Ägypten, mit entsprechendem Dankpsalm etc. Man muss sich nur einmal die Lesungsfolge der Osternacht und das Evangelium vergegenwärtigen!
Die Ankündigung des Messias, die wir im Alten Testament lesen, betrifft uns genauso, wie die durch Christus angekündigte Erlösung im Neuen Testament. Daher muss uns auch die Frage treffen, die in den Improperien - wenngleich in verkürzter Form - gestellt wird. "Was tat ich dir?"
Der Vorwurf der Judenfeindlichkeit ist ebenso alt wie falsch, da hier der Text in seiner Aussagekraft unzulässig verkürzt wird. Das ist keine Exegese, sondern Eisegese. Dass schon ganze Klöster diesen Gesang aus diesem falschen Grund gekippt haben, und auch Theologen immer wieder den gleichen Bock schießen, ändert an der Tatsache nichts.
Ich habe vor Jahren - als ich diese Diskussion zum 9. Mal führte, darüber einen dreiseitigen, detaillierten Artikel veröffentlicht, den ich leider gerade nicht zur Hand habe, sonst würde ich ihn einstellen. Ich gehe mal suchen...
Während du eben suchst, erinnere ich daran, daß die Improperien nach den Regeln der traditionellen Schriftexegese zu lesen und zu deuten sind. Damit meine ich den vierfachen Schriftsinn.
Weshalb ist das hier anzuwenden? – Weil wir in den Improperien faktisch Prophetenrede vor uns haben.
Was bedeutet das? – Wir müssen zunächst den Litteralsinn verstehen. Nach diesem richten sich die Improperien an das Volk der Juden. Es handelt sind um eine schwere Anklage, und zwar nicht nur der untreuen Juden der Zeit der Propheten und sodann der Zeit Jesu – also derer, die Christus ans Kreuz geliefert haben –, sondern auch aller aus dem Volk des Herrn nach dem Fleisch, die bis heute an der gottlosen Verblendung festhalten, am Geist eines Hannas und Kaiphas. Das muß auch deutlich bleiben.
Zweitens erkennen wir, wenn wir recht unterwiesen sind, den moralischen oder tropologischen Sinn der Improperien. So wie die Lesungen und Evangelien der heiligen Messe mich immer ganz persönlich anreden wollen und mir mein Leben, meine Geschichte, meinen heutigen Tag erhellen, so auch die Klage des Herrn, der mir Seine Wohltaten für mich vor Augen stellt und meine Bosheit betrauert. Ein mächtiger Ruf zur Bekehrung.
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Re: Findet Ihr Popule Meus antisemitisch?
Der Text, den Du zitierst, gehört nicht zum "Popule meus", sondern ist das Responsorium nach der 5. Lesung in der Matutin des Karfreitags:anneke6 hat geschrieben:Was mich aber geärgert hatte, war das "Freitagsgebet", wie ich es in einem "Magnificat" (Gebetbuch der Diözese…Freiburg, glaube ich, nicht die Liturgieheftchen) gefunden habe. Es fing an mit: "Es ist eine große Finsternis gekommen, als die Juden Christus gekreuziget (sic!) haben…" In diesem Fall ist das nun wirklich irreführend.
Der Hinweis auf die Finsternis und die Uhrzeit ist dabei den Evangelien (Synoptiker) entnommen, der Satz "dum crucifixissent Jesum Judaei" steht allerdings so nicht wörtlich in der Bibel.Tenebrae factae sunt, dum crucifixissent Jesum Judaei: et circa horam nonam exclamavit Jesus voce magna: Deus meus, ut quid me dereliquisti? Et inclinato capite, emisit spiritum. - Exclamans Jesus voce magna, ait: Pater, in manus tuas commendo spiritum meum. Et inclinato capite...
Zu deutsch wörtlich:
Es entstand eine Finsternis, während die Juden Jesus kreuzigten.Und um die neunte Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Mein Gott, warum hast du mich verlassen? Und er neigte das Haupt und hauchte den Geist aus. - Jesus rief mit lauter Stimme aus: Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist. Und er neigte das Haupt...
Ich weiß, daß dieses Gebet nicht zu den Improperien gehört. (Mit dem Text jener bin ich in der Volkssprache [=Polnisch] vertraut.) Und im Gegensatz zu dem Popule Meus hat mich dieses Gebet geärgert. — Und jetzt weiß ich auch, wo ich es zuerst gefunden habe. In einem (für Laien aufbereiteten) Morgengebet zum Karfreitag, in dem selben Buch. Das Buch hatte ich ca. 2001 gefunden, in der Fastenzeit. Ich hatte am Gründonnerstag darin gelesen, und die Ölbergandacht hatte mir sehr gefallen. Dies Dum crucifixissent Gebet für Karfreitag stieß mir aber sauer auf. Als ich es dann noch als Gebet, für Freitagmittag empfohlen, in dem Buch fand, ärgerte es mich noch mehr.
Für einfache Menschen ist dies sehr irreführend. Schon Petrus sagt zu den Juden: Letztendlich seid ihr für den Tod Jesu verantwortlich. Aber: Die Formulierung "als die Juden Jesus gekreuzig[e]t haben" zusammen mit dem Hinweis auf die Finsternis bei der tatsächlichen Kreuzigung Jesu…das klingt fast wie ein historischer Bericht, nicht wie eine Aussage im übertragenden Sinne.
Für einfache Menschen ist dies sehr irreführend. Schon Petrus sagt zu den Juden: Letztendlich seid ihr für den Tod Jesu verantwortlich. Aber: Die Formulierung "als die Juden Jesus gekreuzig[e]t haben" zusammen mit dem Hinweis auf die Finsternis bei der tatsächlichen Kreuzigung Jesu…das klingt fast wie ein historischer Bericht, nicht wie eine Aussage im übertragenden Sinne.
Ich versteh nicht ganz, was Du mit diesem Text für Probleme hast. Wie gesagt, die Formulierung "dum crucifixissent Jesum Judaei" steht nicht wörtlich in den Evangelien, aber sinngemäß:
Daß heute diese Passage als antisemitisch eingestuft wird, steht auf einem anderen Blatt. Aber, wie hier schon richtig festgestellt wurde, der Satz ist nicht antisemitischer als die Evangelien selber. Ich hielte es aber für einen verhängnisvollen Blödsinn, wenn man alle womöglich anstößigen Passagen der Liturgie und der Bibel ausmerzen würde, anstatt zu erklären, woher sie kommen und wie sie gemeint waren.
Im übrigen kann der Antisemitismus-Vorwurf leicht als Vorwand mißbraucht werden, dem Christentum überhaupt am Zeug zu flicken, weil einem der ganze Laden sowieso nicht paßt. Das Evangelium ist durch und durch ein Skandalon, und wer es in Mißkredit bringen will, wird immer einen Grund finden. In unserer Zeit ist es halt diese Schiene, die am schnellsten und sichersten funktioniert.
Johannes 19,16a hat geschrieben:Da lieferte er ihnen [erg. den Hohenpriestern] Jesus aus, damit er gekreuzigt würde.
Der Dichter des Responsoriums hat also nur aus den in den Evangelien vorhandenen Aussagen einen grammatikalisch vollständigen Satz gemacht, ohne am Inhalt was zu ändern, daß nämlich Jesus an "die Juden" bzw. deren Autoritäten ausgeliefert wurde, damit er gekreuzigt würde. Du kannst doch einem liturgischen Text nicht ernsthaft zum Vorwurf machen, daß er sich am Wortlaut der Evangelien orientiert!?Lukas 23, 25b hat geschrieben:Jesus aber lieferte er ihnen [erg. den Hohenpriestern und den anderen führenden Männern und dem Volk] aus, wie sie es verlangten.
Daß heute diese Passage als antisemitisch eingestuft wird, steht auf einem anderen Blatt. Aber, wie hier schon richtig festgestellt wurde, der Satz ist nicht antisemitischer als die Evangelien selber. Ich hielte es aber für einen verhängnisvollen Blödsinn, wenn man alle womöglich anstößigen Passagen der Liturgie und der Bibel ausmerzen würde, anstatt zu erklären, woher sie kommen und wie sie gemeint waren.
Im übrigen kann der Antisemitismus-Vorwurf leicht als Vorwand mißbraucht werden, dem Christentum überhaupt am Zeug zu flicken, weil einem der ganze Laden sowieso nicht paßt. Das Evangelium ist durch und durch ein Skandalon, und wer es in Mißkredit bringen will, wird immer einen Grund finden. In unserer Zeit ist es halt diese Schiene, die am schnellsten und sichersten funktioniert.