schmitz-backes hat geschrieben:Noch ein alter Schlager, der aus ideologischen Gründen verbannt wurde:
Wir sind im wahren Christentum,
o Gott, wir danken dir!
„Wir sind im wahren Christentum, o Gott, wir danken dir ...“ – dieses heute nur noch in sehr konservativ-katholischen Kreisen gesungene Lied von Ende des 18. Jahrhunderts wurde schon früher als „Pharisäer-Lied“ bezeichnet (selbst von vielen, die es sangen, mit einem Augenzwinkern), andere Kritiker nannten es krasser einen Ausdruck „verblendeter Arroganz“. „Pharisäer-Lied“ in Anlehnung an das Gleichnis Jesu im Lukasevangelium Kapitel 18, wo es um Leute geht, die sich selbst für die ganz Gerechten halten und hochmütig auf die anderen hinunterblicken, und wo es heißt: „Der Pharisäer betete: ´O Gott, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die anderen ...´ Und Jesus sagte über diesen Pharisäer: ´Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt.´“
Wobei die Arroganz im Blick auf dieses Lied zweierlei beinhaltet:
1.) die – aus Sicht der Kritiker irrige – Auffassung, im Besitz aller Wahrheit zu sein (wogegen von den Kritikern unter anderem die Stelle 1. Korintherbrief Kapitel 13 vorgebracht wird: „Noch ist uns vieles unklar und rätselhaft. Wenn aber das Vollkommene da ist, wird alles Vorläufige vergangen sein. Jetzt erkenne ich nur Bruchstücke, doch einmal werde ich alles klar erkennen, so deutlich, wie Gott mich jetzt schon sieht.“)
2.) das arrogante Herabblicken auf „die anderen“, den Rest der Welt, der eben die Wahrheit nicht für sich gepachtet hat , die Abgrenzung vom Rest, die Ausgrenzung - in der Entstehungszeit des Liedes bezog sich das unmittelbar auf die Protestanten, heute könnte das Lied auch zur Abgrenzung von „liberaleren“ Katholiken dienen
Diejienigen, die das Lied noch singen, halten dagegen, als Katholik (genauer: als strenggläubiger Katholik) sei man halt nun mal im Besitz aller Wahrheit. Selbst wenn das stimmen würde, habe ich doch zwei kritische Einwände:
1.) Muss man das dann in dieser trimphalistischen Weise hinausposaunen, statt im „stillen Kämmerlein“ Gott in aller Demut für die „ganze Wahrheit“ zu danken? Steckt nicht schon in diesem triunphalistischen Hinausposaunen doch wieder - trotz des Dankes an Gott - eine gefährliche Portion Arroganz, ein Hochmut (statt Demut), ein Eingebildetsein, ein Sich-selbst-auf-die-Schulter-Klopfen,ein (falscher) Stolz – so, als ob man selbst Tolles vollbracht hätte, wiewohl es hier gar nicht um Menschenwerk, sondern um Gottes unverdiente Gnade geht? Der "Dank an Gott" ließe sich ja auch so missverstehen, dass man Gott für seine Mithilfe bei etwas dankt, das man selbst als großes Menschenwerk vollbracht hat.
2.) Selbst wenn man das Lied im „stillen Kämmerlein“ demütig-dankbar für sich sprechen/singen würde – dennoch steckt in dem Lied, vom Text her (und ich denke, das war damals in anti-protestantischer Haltung auch so beabsichtigt) die gefährliche Tendenz zur Aus-/Abgrenzung, zum arroganten Herabblicken auf andere, heute incl. des Herabblickens auf „liberalere“ Katholiken.
Allein aus den beiden letztgenannten Erwägungen/Einwänden heraus (die ja nun wahrlich
keine "ideologischen" Erwägungen sind im Unterschied etwa zum Einwand, man sei auch als Katholik nicht im Besitz der kompletten Wahrheit und dürfe das Lied deshalb nicht singen) lässt sich durchaus schon eine "Verbannung" dieses Liedes befürworten.
Uli
www.textdienst.de/woran_christen_glauben.htm