Niels wandte dagegen zurecht ein:Pilgerer hat geschrieben:Gibt es nach katholischer Auffassung auch lebende Heilige oder können nur Verstorbene Heilige sein? Wäre es nicht wünschenswert, auch mal in Fleisch und Blut sichtbare Selige/Heilige zu haben?
Nun müsste man allerdings ergänzen, dass immer und zu allen Zeiten, auch heute, gewisse Personen schon "zu Lebzeiten im Rufe der Heiligkeit" stehen, wie es dann heißt. Hier scheint es notwendig zu sein, die Heiligkeit zu der jeder Christ berufen ist, von jener zu unterscheiden, die nach einem sorgfältigen kanonischen Prozeß erklärt wird.Niels hat geschrieben:Da gibt's ein Problem. Stell Dir vor, die Kirche spräche einen Lebenden heilig, und der dreht anschließend durch (in welcher Form auch immer: eröffnet ein Etablissement, vergeht sich an Jungen oder Mädels, raubt eine Bank aus, läuft Amok, fällt von der Kirche ab, weil er Moslem wird und hetzt gegen sie ... etc.pp.) - Natürlich gibt es Menschen, die schon zu Lebzeiten im Ruf der Heiligkeit stehen. Aber es geht ja - plump formuliert - um die Summe des Lebens. Und diese Summe wird erst nach dessen Vollendung deutlich.
Sicherlich wäre es abgesehen von den Gründen, die Niels aufzählte, auch in rein dogmatischer Hinsicht absurd, jemanden schon zu Lebzeiten zur Ehre der Altäre zu erheben (man lese auch - möglichst im 1962er Missale, in dem das besser hervortritt - die Meßtexte bestimmter Heiligenfeste, um das zu vergleichen), wohl ist es aber möglich, den Fortschritt eines Lebenden auf dem Weg zur Vollkommenheit mit moralischer Gewißheit zu erkennen.
Die Ostkirche kennt das Phänomen der "Altväter", was in der Westkirche schmerzlich fehlt, obgleich natürlich bestimmte Priester oder Ordensleute gerade auch durch das Internet eine Wirkung entfalten konnten, die früher undenkbar war, und die ein wohltuendes Gegengewicht zu den Verirrungen des modernistischen Klerus bietet. Insofern könnte man einige sicherlich als katholische Altväter bezeichnen, von denen der eine oder andere nicht nur durch seine theologische Lehre, sondern auch durch Seeleneifer, Frömmigkeit und einen vorbildlichen Lebenswandel auf dem Weg zur Heiligkeit ist.
Hier wäre auch zu bedenken, dass alleine die Tatsache, dass jemand nach seinem Tod nicht formell kanonisiert wird, nicht bedeutet, dass jemand vor Gott nicht heilig sei. In der Tat mag es viele Heilige geben, die nie kanonisiert wurden, schon weil sie ihr Streben nach Heiligkeit nicht an die große Glocke hängten oder sich ganz aus der Welt zurückzogen - wie es im Umkehrschluß immer bedenklich ist, wenn jemand zu viel Aufhebens um sich macht oder es duldet, dass derlei Aufhebens um ihn gemacht wird. Ein tragisches Beispiel hierfür ist der Gründer der "Legionäre Christi" und des "Regnum Christi".
Ich würde sagen, dass man nach "lebenden Heiligen" durchaus Ausschau halten darf, und - wenn man solche Leute kennt - ihren geistlichen Rat gerne einholen darf. Eine fehlgeleitete Form von formeller Heiligenverehrung darf mit dieser geistlichen Vaterschaft nicht verwechselt werden.