Was bedeuten für euch die katholischen Traditionen ?

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Pit
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Was bedeuten für euch die katholischen Traditionen ?

Beitrag von Pit »

Hallo "Kreuzgängler",

welchen Stellenwert messt ihr den katholischen Traditionen zu?
Ich habe gestern in einem Buch einen interessanten Satz gefunden:

"In der Tradition zu leben verbindet uns mit den Christen aller Zeiten und Orte. In der Tradition zu leben heisst aber nicht, die Zustände der Vergangenheit wie in einem Freilichtmuseum immer weiter zu erhalten. Es geht vielmehr darum, das Wesentliche von Glauben und Leben der alten Kirche in heutiger Ausgestaltung weiterzugeben und ihre Grundentscheidungen in der heutigen Zeit nachzuvollziehen."

Persönlich kann ich den Text so unterschreiben, da es eben - siehe oben - für katholische Christen nicht darum gehen kann, in einem unreflektierten Traditionalismus zu erstarren. Oder ?

Gruß, Pit
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich würde die Tradition von „Traditionen“ unterscheiden …
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Pit
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Beitrag von Pit »

Richtig, Robert,

es war von meiner Seite aus evtl. etwas mißverständlich, da ich die Frage auf die christlich-katholische Tradition bezog (wie im zitierten Text).
Traditionen im Sinne von Volksgläubigkeit gibt es auch, die sich oftmals ja aus der Tradition herausgebildet haben.

Aber abgesehen davon, welche Bedeutung misst Du der Tradition zu, und was hältst Du von dem Text, den ich als Zitat gebracht habe?

Übigens gehen manche bei der Karl-Leisner-Jugend davon aus, daß sogar die Bibel Tradition darstellt - zum einen als Überlieferungstext des Glaubens, zum anderen, da sie selber schon Tradition ist, denn sie wurde - in der heutigen Form - erst im Lauf der Kirchengeschichte "herausgebildet (Kanonbildung), stand also keineswegs von Anfang an fest.

Gruß, Pit


Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Ich würde die Tradition von „Traditionen“ unterscheiden …
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

In der Tradition zu leben verbindet uns mit den Christen aller Zeiten und Orte. In der Tradition zu leben heißt aber nicht, die Zustände der Vergangenheit wie in einem Freilichtmuseum immer weiter zu erhalten. Es geht vielmehr darum, das Wesentliche von Glauben und Leben der alten Kirche in heutiger Ausgestaltung weiterzugeben und ihre Grundentscheidungen in der heutigen Zeit nachzuvollziehen
Hallo Pit, dem ersten Satz stimme ich zu. Im zweiten würde ich das Wörtlein „die“ streichen.

Am dritten stört mich die „heutige Ausgestaltung“ doch gar zu sehr. Damit kann u. U. vielleicht sogar etwas Richtiges gemeint sein, es führt aber praktisch doch fast zwangsläufig in die Irre, zum Selbermachen von Liturgie und Glauben. Man meint oder scheint bloß Formen ändern zu wollen, doch in Wahrheit geht auch der Inhalt verloren, dessen Gestalt sie waren. Ich unterschriebe es, wenn da statt »in heutiger Ausgestaltung« einfach stünde: »heute«.

Tja, und auch die „Grundentscheidungen“ sind mir zu dürftig. Wenn da statt »ihre Grundentscheidungen« stünde: »ihren Weg«, dann könnt’ ich’s mir zueigen machen.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Pit hat geschrieben:Übigens gehen manche bei der Karl-Leisner-Jugend davon aus, daß sogar die Bibel Tradition darstellt - zum einen als Überlieferungstext des Glaubens, zum anderen, da sie selber schon Tradition ist, denn sie wurde - in der heutigen Form - erst im Lauf der Kirchengeschichte "herausgebildet (Kanonbildung), stand also keineswegs von Anfang an fest.
Das ist unbestreitbar völlig korrekt. (Das halte ich oft den Protestanten, namentlich den Freikirchlern, und sonstigen Biblizisten entgegen: Die Heilige Schrift ist Teil der Tradition. Aber nicht die ganze Tradition.)

Neulich hatte ich hier ein Zitat von heiligen Basilius dem Großen gebracht; weil’s so gut paßt, hier noch einmal:
S. Basilius Magnus (de Spiritu Sancto XXVII,66) hat geschrieben:»Unter den in der Kirche bewahrten Glaubenslehren und Verkündigungen besitzen wir die einen aus der schriftlich festgelegten Unterweisung, die anderen haben wir von der Tradition der Apostel auf dem Weg der Mysterien überliefert empfangen. Beide haben für den Glauben die gleiche Bedeutung. Dieser Feststellung wird niemand widersprechen, der auch nur die geringste Erfahrung mit den geheiligten Satzungen der Kirche hat. Denn wenn wir es betrieben, den ungeschriebenen Brauch als minder gültig abzulehnen, dann würden wir unvermerkt auch das Evangelium an Stellen treffen, die ihrerseits von grundlegender Bedeutung sind.

Mehr noch, wir beschränkten die Verkündigung auf bloße Namen. Welche Anweisung aus der Schrift gibt es, um zunächst das Gebräuchlichste zu nennen, daß die auf den Namen unseres Herrn Jesus Christus Hoffenden sich mit dem Kreuzeszeichen bezeichnen? Welcher Buchstabe hat uns gelehrt, uns beim Gebet nach Osten zu wenden? Die Worte der Epiklese bei der Konsekration des Brotes der Eucharistie und des Kelches der Segnung - wer von den Heiligen hat sie uns schriftlich hinterlassen? Wir begnügen uns ja nicht mit dem, was der Apostel oder das Evangelium anführen, sondern sprechen vorher und nachher noch andere Worte, die wir aus der nichtschriftlichen Lehre empfangen haben und die eine große Bedeutung für das Geheimnis haben.

Wir segnen auch das Taufwasser und das Öl der Salbung und außerdem den Täufling selbst. Aufgrund welcher Schrifttexte tun wir das? Nicht aufgrund der verborgenen und geheimnisvollen Überlieferung? Mehr noch, welches geschriebene Wort lehrte uns die Salbung mit Öl ihrerseits? Das dreifache Untertauchen des Täuflings, woher kommt es? Und all die anderen Dinge bei der Taufe, das dem Teufel und seinen Engeln Entsagen, aus welcher Schrift stammt das? Etwa nicht aus dieser nichtöffentlichen, verborgenen Lehre, die unsere Väter in unbekümmertem und schlichtem Schweigen bewahrt haben, wohl darüber belehrt, daß die Ehrwürdigkeit der Geheimnisse durch Schweigen bewahrt bleibt? Was die Nichteingeweihten noch nicht einmal sehen durften, wie sollte es vernünftig sein, das als Lehre schriftlich auszuposaunen?

Was beabsichtigte denn der große Moses, als er nicht alle Teile des Tempels allen zugänglich machte (vgl. Num 4, 20), sondern die Unreinen außerhalb des heiligen Bezirks beließ, die ersten Höfe den Reineren zuwies und allein die Leviten für würdige Diener des Göttlichen hielt? Indem er die Schlacht- und Brandopfer und den ganzen übrigen heiligen Dienst den Priestern zuwies, ließ er nur einen von allen anderen ausgesonderten Priester zum Allerheiligsten zu, und auch diesen nicht ständig, sondern nur für einen Tag des Jahres. Auch von diesem Tag bestimmte er die Stunde für den Zugang, so daß dieser Priester wegen der Fremdheit und Ungewohntheit mit innerem Erschauern zur Anschauung des Allerheiligsten gelangte (vgl. Ex 30,10; Lev 16). Denn Mose wußte in seiner Weisheit sehr wohl, daß, was sich ständig wiederholt und leicht erreichbar ist, geringgeschätzt wird, dagegen, was abgelegen ist und selten, auf geradezu natürliche Weise eifriges Suchen verursacht.

Auf die gleiche Weise haben die Apostel und Väter, als sie am Anfang den Kirchen durch Gesetze ihre Ordnung gaben, den Geheimnissen durch Verbergen und Darüberschweigen die Erhabenheit bewahrt. Überhaupt kein Geheimnis nämlich ist, was in die Öffentlichkeit und ins erste beste Ohr ausgetragen wird. Dies ist also der Sinn der Überlieferung des Nichtgeschriebenen: Die große Masse soll im Hinblick auf die Kenntnis der Glaubenslehren nicht nachlässig werden und sie wegen der Gewöhnung nicht geringschätzen. Etwas anderes nämlich ist die Glaubenslehre, etwas anderes die Verkündigung. Über die Glaubenslehre schweigt man, die verkündigten Lehren werden in die Öffentlichkeit getragen. Eine Form des Verschweigens ist übrigens auch die Dunkelheit, deren sich die Schrift bedient, indem sie den Sinn der Glaubenslehren schwer zugänglich macht, und zwar zum Vorteil der Lesenden.

Deshalb schauen wir alle zwar beim Gebet nach Osten, aber nur wenige von uns wissen, daß wir dabei die alte Heimat suchen, das Paradies, das Gott in Eden gegen Osten pflanzte (vgl. Gen 2, 8). Aufrecht verrichten wir die Gebete am ersten Tag der Woche, aber nicht alle kennen den Grund. Denn nicht nur, weil wir mit Christus auferstehen und das, was droben ist, suchen sollen (vgl. Kol 3,1), erinnern wir uns am Auferstehungstag der uns geschenkten Gnade durch das Stehen beim Gebet, sondern weil dieser Tag gewissermaßen ein Bild des zukünftigen Äons zu sein scheint.

Deswegen nannte Moses den Anfang der Tage auch nicht "ersten" Tag, sondern "ein" Tag; er sagte nämlich: "Es ward Abend, und es ward Morgen, ein Tag" (Gen 1,5), als ob dieser Tag im Kreislauf wieder herbeigeführt werden sollte. Und fürwahr, er ist "ein" Tag und auch achter, weil er den "einen" und wahrhaft achten durch sich selbst offenbar macht, von dem der Psalmist in einigen Psalmüberschriften spricht (Ps 6; Ps 11 LXX), das heißt der Zustand nach dieser Weltzeit, der Tag, der nicht mehr aufhört, der Tag ohne Abend, der Tag, der keinen Nachfolger hat, der Äon, der kein Ende mehr hat und ewig jung bleibt. Notwendig hält die Kirche ihre Kinder dazu an, an diesem Tag ihre Gebete stehend zu verrichten, damit wir durch die ständige Erinnerung an das Leben, das kein Ende hat, die Reisezehrung für diese Veränderung unseres Wohnsitzes nicht vernachlässigen.

Jeder fünfzigste Tag seinerseits ist eine Erinnerung an die im zukünftigen Äon erwartete Auferstehung. Denn dieser eine und erste Tag vollendet, siebenmal versiebenfacht, die sieben Wochen der heiligen fünfzig Tage. Diese Zeit beginnt nämlich mit dem ersten und endigt mit demselben, in der Zwischenzeit sich fünfzigmal in ähnlichen Tagen entfaltend. Durch die Ähnlichkeit ahmt sie die Ewigkeit nach, fängt sie doch in einer Kreisbewegung bei den gleichen Zeichen an, wo sie aufhört. Die Gesetze der Kirche haben uns gelehrt, an diesem Tag die aufrechte Haltung beim Gebet vorzuziehen, sie wollen mit dieser deutlichen Erinnerung unseren Geist gewissermaßen aus der Gegenwart in die Zukunft versetzen. Bei jedem Beugen der Knie und bei jedem Aufstehen zeigen wir durch unser Tun an, daß wir durch die Sünde zur Erde fielen und durch die Menschenfreundlichkeit unseres Schöpfers zum Himmel zurückgerufen wurden.«
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Nikodemus
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Beitrag von Nikodemus »

Guten morgen,

ich bin etwas skeptisch, wenn es darum geht Tradition und Wesentliches auseinander zu dividieren. Form und Inhalt bilden nunmal eine Einheit. Ich kann eine simple Aussage in verschiedenen Formen machen, so dass sie einen ganz anderen Sinn bekommt, eine ganz andere Intention hat. Daher ist es wichtig, die Tradition als Gesamtgefüge zu sehen, als die Überlieferung, die uns den Grund unseres Glaubens erst zum klingen bringt und ihn einordnen läßt. Die liturgische Tradition ermöglicht uns die Erfahrung Gottes, die auch davon abhängt, dass Gott der ganz andere bleiben darf und nicht jeder nach seiner momentanen Gemütslage die Liturgie oder gar seinen Glauben ändert. Glauben heißt vertrauen, sich binden an etwas, einstimmen in etwas - etwas was durch Tradition zu uns kommt. Daher bin ich immer etwas traurig, wenn man meint, man könne die Tradition zur Disposition stellen und das Wesentliche bewahren. Andererseits muss es natürlich von Zeit zu Zeit Anpassungen geben, aber die müssen behutsam sein und nach Möglichkeit gesamtkirchlich...

Beste Grüße,
Nikodemus
Veritas liberabit vos - Die Wahrheit wird euch frei machen (Joh 8,32)

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Pit
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Beitrag von Pit »

Hallo Nikodemus,

nun, ich denke, daß es so in dem Text auch gemeint ist. Sicherlich ist es gut, die christliche Tradition zu bewahren, aber es gibt eben auch daraus resultierende/entstandene "Tradition(en", bei der/denen eine Anpassung (wenn auch behutsam) notwendig ist.

Ich kenne z.B. Katholiken, die Freitags Fisch essen, "weil wir das immer schon so gemacht haben." Wenn dann solche Tradition einfach übernommen wird, ohne darüber nachzudenken, dann trifft meiner Meinung nach der von mir zitierte Text zu, oder ?
Es heisst dort übrigens weiter:

"Als diese Grundentscheidungen kann man nennen: Den Kanon der Heiligen Schrift,...das Glaubensbekenntnis...die Grundstruktur des Gottesdienstes als Zusammenfassung von Wortgottesdienst und Eucharistiefeier mit den wesentlichen Teilen Ensetzungsbericht, Anamnese und Epiklese; die drei Ämter von Bischof, Presbyter (Priester) und Diakon)."
Nikodemus hat geschrieben:Guten morgen,

Gruß, Pit

ich bin etwas skeptisch, wenn es darum geht Tradition und Wesentliches auseinander zu dividieren. Form und Inhalt bilden nunmal eine Einheit. Ich kann eine simple Aussage in verschiedenen Formen machen, so dass sie einen ganz anderen Sinn bekommt, eine ganz andere Intention hat. Daher ist es wichtig, die Tradition als Gesamtgefüge zu sehen, als die Überlieferung, die uns den Grund unseres Glaubens erst zum klingen bringt und ihn einordnen läßt. Die liturgische Tradition ermöglicht uns die Erfahrung Gottes, die auch davon abhängt, dass Gott der ganz andere bleiben darf und nicht jeder nach seiner momentanen Gemütslage die Liturgie oder gar seinen Glauben ändert. Glauben heißt vertrauen, sich binden an etwas, einstimmen in etwas - etwas was durch Tradition zu uns kommt. Daher bin ich immer etwas traurig, wenn man meint, man könne die Tradition zur Disposition stellen und das Wesentliche bewahren. Andererseits muss es natürlich von Zeit zu Zeit Anpassungen geben, aber die müssen behutsam sein und nach Möglichkeit gesamtkirchlich...

Beste Grüße,
Nikodemus
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