Urheberrechtsschutz contra Liturgiereform

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Dottore Cusamano
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Urheberrechtsschutz contra Liturgiereform

Beitrag von Dottore Cusamano »

Neulich fand ich in der Neuen Juristischen Wochenschrift eine interessante Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 2008. Etwas salopp und pointiert könnte man das Urteil zusammenfassend “Urheberrechtsschutz contra Liturgiereform“ nennen.

Die Sachverhaltsdarstellung enthält die – für diese Zeitschrift äußerst seltene – Wiedergabe von Fotografien, die die schlimme und unnötige bauliche Umgestaltung eines Kircheninnenraumes “im Sinne der Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils“ dokumentieren. Im Ausgangsrechtsstreit war eine Tochter eines bereits verstorbenen Kirchenkünstlers, der den (ursprünglichen) Innenraum der in Rede stehenden Kirche aus den 1950er Jahren entworfen hatte, wegen der Umgestaltung gerichtlich gegen die Kirchengemeinde vorgegangen und hatte Beseitigung des Umbaus verlangt.

Die Urteilsgründe und der Umstand, dass dieses “Verbrechen“ an der röm.-kath. Liturgie, der Kirchenkunst und der Ästhetik so spät (2002) noch möglich war und auch höchstrichterlich abgesegnet wurde, lässt eventuell Schlimmes für andere schöne Vorkonzilskirchen (insbesondere deren Innenräume) befürchten.

Das Herausreißen der Kommunionbänke begründete die beklagte Kirchengemeinde i. Ü. folgendermaßen: “Auch die Entfernung der Kommunionbänke, die ihren liturgischen Zweck nach der nicht mehr praktizierten Mundkommunion eingebüßt hätten, habe zu einer stärkeren Einbeziehung der Gottesdienstbesucher geführt“. Den für den Umbau Verantwortlichen (Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat) war wohl unbekannt, dass man die Handkommunion auch kniend empfangen kann.

Ich habe das Urteil leider nicht in elektronischer Form, aber wen es interessiert hier die Fundstelle: BGH NJW 2008, 3784 (Az. BGH, Urt. v. 19.3.2008 – I ZR 166/05 (OLG Hamm))
Zuletzt geändert von Dottore Cusamano am Freitag 17. April 2009, 23:34, insgesamt 1-mal geändert.
"Da erhob sich ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen, und auch der Drache und seine Engel kämpften. Doch sie richteten nichts aus und es blieb kein Platz mehr für sie im Himmel." (Offb 12, 7-8)

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cantus planus
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Re: Urheberrechtsschutz contra Liturgiereform

Beitrag von cantus planus »

Die von dir kurz wiedergegebenen Zitate sprechen für sich. Da können einem die Haare zu Berge stehen! :auweia:

Es ist nicht zu fassen, dass dieser nachkonziliare Irrsinn an einigen Orten immer noch Urständ feiert. Hoffentlich ist es in 10 Jahren endlich Zeit für eine angemessene und kritische Bewertung der Liturgiereform. Erste Anzeichen sind zu erkennen, aber noch zwingen die alten Garden der Kirche ihre Meinung auf.
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Dottore Cusamano
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Re: Urheberrechtsschutz contra Liturgiereform

Beitrag von Dottore Cusamano »

Habe gerade entdeckt, dass das Urteil auf http://www.bundesgerichtshof.de unter Entscheidungen 28 (März) anhand des Az. und des Datums (19.3.28) als pdf-Datei (inkl. der Fotografien) zu finden ist.
"Da erhob sich ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen, und auch der Drache und seine Engel kämpften. Doch sie richteten nichts aus und es blieb kein Platz mehr für sie im Himmel." (Offb 12, 7-8)

HagenNord
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Re: Urheberrechtsschutz contra Liturgiereform

Beitrag von HagenNord »

Ich habe mich gerade durch das Urteil gekämpft und finde die Entscheidung des BGH doch ganz in Ordnung. Allein die Hauptbegründung des Gerichtes lässt allen Kirchen ausreichend Spielraum, sofern sie "begründet" ist.

Zitat: ...Für die Beurteilung, ob und inwieweit liturgische Gründe für eine Umgestaltung eines Kircheninnenraums bestehen, kommt es auf das Selbstverständnis der Kirchengemeinde an. Insoweit reicht es aus, dass die Kirchengemeinde ihre Glaubensüberzeugung substantiiert und nachvollziehbar darlegt; ist eine solche Darlegung erfolgt, haben sich der Staat und seine Gerichte einer Bewertung dieser Glaubenserkenntnis zu enthalten... BGH, Urt. v. 19. März 2008 - I ZR 166/05 - OLG Hamm LG Bielefeld

Die formale Betonung des Urheberrechtes halte ich dennoch für sinnvoll, um den Ideengebern auch einen gewissen Rechtsschutz zu gewähren und sie in Lohn und Brot zu halten. Die persönliche Betroffenheit der Klägerin (Erbin) dagegen halte ich nicht für nachvollziehbar, da die grundsätzlichen Ideen ihres verstorbenen Vaters (Kirchenbau und Gottesdienst) weiterhin gewährleistet sind. Liturgie lebt [Punkt]
„Dem Herrn, eurem Gott, sollt ihr folgen ...“ (5. Mose 13, 5)

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Niels
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Re: Urheberrechtsschutz contra Liturgiereform

Beitrag von Niels »

Dottore Cusamano hat geschrieben:Habe gerade entdeckt, dass das Urteil auf http://www.bundesgerichtshof.de unter Entscheidungen 28 (März) anhand des Az. und des Datums (19.3.28) als pdf-Datei (inkl. der Fotografien) zu finden ist.
Hier kann man das Urteil als pdf-Datei herunterladen.

Danke für den Link!

Mir ist ein gegenteiliger Fall bekannt, wo eine Gemeinde ein extrem häßliches nachkonziliares Ensemble (Altar nebst Tabernakel und Ambo) wieder entfernen wollte, der "Künstler" dies aber mit juristischen Mitteln verhindert hat.
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Dottore Cusamano
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Re: Urheberrechtsschutz contra Liturgiereform

Beitrag von Dottore Cusamano »

HagenNord hat geschrieben:Ich habe mich gerade durch das Urteil gekämpft und finde die Entscheidung des BGH doch ganz in Ordnung. Allein die Hauptbegründung des Gerichtes lässt allen Kirchen ausreichend Spielraum, sofern sie "begründet" ist.

Zitat: ...Für die Beurteilung, ob und inwieweit liturgische Gründe für eine Umgestaltung eines Kircheninnenraums bestehen, kommt es auf das Selbstverständnis der Kirchengemeinde an. Insoweit reicht es aus, dass die Kirchengemeinde ihre Glaubensüberzeugung substantiiert und nachvollziehbar darlegt; ist eine solche Darlegung erfolgt, haben sich der Staat und seine Gerichte einer Bewertung dieser Glaubenserkenntnis zu enthalten... BGH, Urt. v. 19. März 2008 - I ZR 166/05 - OLG Hamm LG Bielefeld

Die formale Betonung des Urheberrechtes halte ich dennoch für sinnvoll, um den Ideengebern auch einen gewissen Rechtsschutz zu gewähren und sie in Lohn und Brot zu halten. Die persönliche Betroffenheit der Klägerin (Erbin) dagegen halte ich nicht für nachvollziehbar, da die grundsätzlichen Ideen ihres verstorbenen Vaters (Kirchenbau und Gottesdienst) weiterhin gewährleistet sind. Liturgie lebt [Punkt]
Ich habe niemals behauptet, dass dieses Urteil - nach (weltlichem) deutschen Recht - in hohem Maße angreifbar sei. Als (weltlicher) Jurist halte ich es für anständig begründet und gut vertretbar (jedenfalls würde ich es einem Rechtskandidaten, der mir - in meiner Eigenschaft als Prüfer - in der erste jur. Prüfung ( zu meiner Zeit: erstes jur. Staatsexamen) begegnet, zweifellos attestieren und entsprechend benoten.

Was ich als Jurist für mit weltlichem Recht vereinbar betrachten kann, muss ich (im Ergebnis) indes als Katholik nicht zwangsläufig gutheißen.

DC
"Da erhob sich ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften mit dem Drachen, und auch der Drache und seine Engel kämpften. Doch sie richteten nichts aus und es blieb kein Platz mehr für sie im Himmel." (Offb 12, 7-8)

iustus
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Re: Urheberrechtsschutz contra Liturgiereform

Beitrag von iustus »

Dottore Cusamano hat geschrieben: Als (weltlicher) Jurist halte ich es für anständig begründet und gut vertretbar (jedenfalls würde ich es einem Rechtskandidaten, der mir - in meiner Eigenschaft als Prüfer - in der erste jur. Prüfung ( zu meiner Zeit: erstes jur. Staatsexamen) begegnet, zweifellos attestieren und entsprechend benoten.

DC
Lieber Dottore,

das Urteil der Vorinstanz (OLG Hamm) war wesentlich besser. Das OLG hat nämlich mal nachgeschlagen, was die Kirche wirklich gesagt hat und die einschlägigen Konzildokumente zitiert. Es hat festgestellt, dass das Konzil keineswegs verlangt hat, der Altar müsse 10 m näher zum Volk gerückt werden oder es müsse überhaupt Volksaltäre geben. Auch das Opferverständnis bleibt in den Konzilstexten unangetastet.

Der BGH dagegen schaute nur auf die Meinung der deutschen Kirche, die sich hier nicht auf "das Konzil" berufen kann:
Die Beklagte hat dargelegt, dass die Liturgiereform nach ihrem Verständnis auf eine verstärkte Einbeziehung der Kirchenbesucher in das gottesdienstliche Geschehen gezielt habe. Die von ihr vorgenommenen Änderungen hätten der Verwirklichung dieses Ziels gedient. Der Altarraum sei nun an drei Seiten statt bisher nur an einer Seite von Gottesdienstbesuchern umgeben. Der Abstand der Gottesdienstbesucher zum Altarraum sei deutlich verringert. Die Absenkung des Standorts des Zelebrationsaltars um sechs auf nunmehr drei Stufen verschaffe den Gläubigen viel eher als die ursprüngliche Gestaltung das Gefühl der aktiven Teilnahme am Gottesdienst. Auch die Entfernung der Kommunionbänke, die ihren liturgischenZweck nach der nicht mehr praktizierten Mundkommunion eingebüßt hätten, habe zu einer stärkeren Einbeziehung der Gottesdienstbesucher geführt.

(...) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist es der Beklagten nicht verwehrt, sich auf das Zweite Vatikanische Konzil zu berufen, weil dessen Liturgiekonstitution keine bindenden Regeln für bauliche Ver-änderungen und die Aufstellung des Altares festlegt, sondern nur allgemein eine tätige Teilnahme aller Gläubigen an den liturgischen Feiern für erwünscht erklärt. Darauf kommt es nicht an. Maßgeblich ist, dass die Umgestaltung nach der Glaubensüberzeugung der Beklagten der Verwirklichung des Zieles der Liturgiereform diente, die Kirchenbesucher stärker in den Gottesdienst einzubeziehen.
Der BGH hat nur auf die (irrige) Glaubensüberzeugung der Gemeinde abgestellt. Die Frage ist jetzt, ob sich eine liturgisch Amok laufende Gemeinde auf die kirchliche Selbstverwaltungsgarantie berufen kann (Art. 140 des Grundgesetzes i.V.m. Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung).
Zuletzt geändert von iustus am Samstag 18. April 2009, 09:53, insgesamt 1-mal geändert.

iustus
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Re: Urheberrechtsschutz contra Liturgiereform

Beitrag von iustus »

Hier das Urteil des Oberlandesgerichts:

http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm ... 50823.html

iustus
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Re: Urheberrechtsschutz contra Liturgiereform

Beitrag von iustus »

iustus hat geschrieben: Die Frage ist jetzt, ob sich eine liturgisch Amok laufende Gemeinde auf die kirchliche Selbstverwaltungsgarantie berufen kann (Art. 140 des Grundgesetzes i.V.m. Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung).
Träger des Selbstverwaltungsrechts ist die Religionsgesellschaft als Ganze. Da ist es meiner Meinung nach durchaus nötig, die Glaubensüberzeugung der Religionsgesellschaft "Katholische Kirche" als Ganze in den Blick zu nehmen.

Die Problematik bietet in der Tat Stoff für eine gute mündliche Staatsprüfung. :)

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ar26
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Re: Urheberrechtsschutz contra Liturgiereform

Beitrag von ar26 »

Das Ergebnis einer Interessenabwägung lässt sich eben am Besten dadurch beeinflussen, daß man die Interessenträger nach Gutdünken definiert :D . Naja sei's drum. Nicht das Urheberrecht wird uns eine traditionelle Liturgie retten, sondern das unbefleckte Herz Mariens.

Nebenbei bemerkt find ich es ja ganz interessant, daß sich hier mehrere konservativ/traditionelle orientierte katholische Juristen tummeln. In den USA gibt es ja auch berufsständische Organisationen für konservativ-katholische Juristen. Das sollte man bei uns auch mal initiieren.
...bis nach allem Kampf und Streit wir dich schaun in Ewigkeit!

HagenNord
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Re: Urheberrechtsschutz contra Liturgiereform

Beitrag von HagenNord »

Dottore Cusamano hat geschrieben:
HagenNord hat geschrieben:Ich habe mich gerade durch das Urteil gekämpft und finde die Entscheidung des BGH doch ganz in Ordnung. Allein die Hauptbegründung des Gerichtes lässt allen Kirchen ausreichend Spielraum, sofern sie "begründet" ist.

Zitat: ...Für die Beurteilung, ob und inwieweit liturgische Gründe für eine Umgestaltung eines Kircheninnenraums bestehen, kommt es auf das Selbstverständnis der Kirchengemeinde an. Insoweit reicht es aus, dass die Kirchengemeinde ihre Glaubensüberzeugung substantiiert und nachvollziehbar darlegt; ist eine solche Darlegung erfolgt, haben sich der Staat und seine Gerichte einer Bewertung dieser Glaubenserkenntnis zu enthalten... BGH, Urt. v. 19. März 2008 - I ZR 166/05 - OLG Hamm LG Bielefeld

Die formale Betonung des Urheberrechtes halte ich dennoch für sinnvoll, um den Ideengebern auch einen gewissen Rechtsschutz zu gewähren und sie in Lohn und Brot zu halten. Die persönliche Betroffenheit der Klägerin (Erbin) dagegen halte ich nicht für nachvollziehbar, da die grundsätzlichen Ideen ihres verstorbenen Vaters (Kirchenbau und Gottesdienst) weiterhin gewährleistet sind. Liturgie lebt [Punkt]
Ich habe niemals behauptet, dass dieses Urteil - nach (weltlichem) deutschen Recht - in hohem Maße angreifbar sei. Als (weltlicher) Jurist halte ich es für anständig begründet und gut vertretbar (jedenfalls würde ich es einem Rechtskandidaten, der mir - in meiner Eigenschaft als Prüfer - in der erste jur. Prüfung ( zu meiner Zeit: erstes jur. Staatsexamen) begegnet, zweifellos attestieren und entsprechend benoten.

Was ich als Jurist für mit weltlichem Recht vereinbar betrachten kann, muss ich (im Ergebnis) indes als Katholik nicht zwangsläufig gutheißen.

DC
Naja, aber vielleicht springst Du gerade in diesem Fall zu kurz, da ich denke mit dieser juristischen Begründung Kirchenräume auch weitgehend wieder in ihren alten Zustand dem alten Ritus entsprechend angepasst werden können, sofern die entsprechende Gemeinde es will. Das war mein Intension, aber ich bin kein Jurist. Von kirchenformalen Aspekten noch abgesehen, die ich aber auch nicht kenne.
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