Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
conscientia
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Beitrag von conscientia »

iustus hat geschrieben:
conscientia hat geschrieben: Das ewige Beharren einer konfessionell ausgerichteten, sich als strikt römisch und ultramontan verstehenden Theologie und Lehrverkündigung auf Minimalbedingungen hat zu allerhand Verkrustungen und zur derzeitigen Krise der römischen Kirche geführt.
Immer diese unzutreffenden und nicht einmal begründeten Behauptungen. Andere würden sagen:

Die Weigerung einer ökumenisch ausgerichteten, sich als ortskichlich statt römisch verstehenden Theologie und Lehrverkündigung, theologische Sachverhalte mit den Mitteln des Verstandes präzise zu erklären, hat zur derzeitigen Krise der römischen Kirche geführt.
a) Die Behauptung ist nicht begründet, weil ich keinen Sinn darin gesehen habe, im Rahmen der gegebenen Fragestellung noch eine Abhandlung über die Schattenseiten der neuscholastischen Art, Theologie zu treiben, zu schreiben.

b) Um es kurz zu machen: Es gibt eine Form von Theologie und Lehrverkündigung, die sich als strikt römisch versteht. Besonders wirksam sind, wenn ich recht sehe, im deutschen Sprachraum die Schriften Joseph Kleutgens SJ gewesen und die Dogmatik-Handbücher des P. Christian Pesch SJ. (Scheeben rechne ich nicht dazu, weil dieser trotz seiner römischen Schulung vor dem Hintergrund seiner Kirchenväterlektüre eigenständige Gedanken entwickelt und mit seiner Kirchenväterlektüre sogar als eigenständiger Denker auf die seinerzeitige katholische Tübinger Schule und ihre Anliegen reagiert hat.) Da geht es häufig genug drum, irgendwelche Themen im Anschluss an die Methodik Descartes' und Spinozas more geometrico zu klären, und zwar immer so, dass die konfessionalistischen Engführungen der nachtridentinischen römischen Kirche für richtig erklärt werden, selbst wenn die Lehre der Apostel in ihrer lateinisch-abendländischen Gestalt an sich inhaltlich reicher ist und eine größere thematische und doktrinäre Breite enthält.
Theologie nur in der skizzierten Weise zu betreiben, halte ich für eine Engführung.

c) Was im deutschen Sprachraum, auch in der Universitätstheologie, bis in die 1960er Jahre hinein an Theologie getrieben wurde, ist "mit den Mitteln des Verstandes präzise" geschehen. Die energische Abkehr von jedlicher Neuscholastik und jeglichem mos geometricus, die seit etwa 1970 geschehen ist, halte ich für eine Gegenreaktion auf eine überzogenene ultramontane Ausrichtung auf die römische Zentrale in der Zeit zwischen Vaticanum I und II.
Von daher gesehen hat doch ein übermäßiger Zentralismus zur Krise der Kirche heute geführt. (Dass die Krise der Kirche viele Ursachen hat, ist dabei geschenkt. Vielleicht hat es doch Sinn, den Kontext der obigen Aussage genauer zu betrachten.)

d) Nicht zu vergessen: Mit den Mitteln des Verstandes und scholastischer Präzision betreiben lässt sich auch eine Theologie, die ortskirchlich und ökumenisch ausgerichtet ist.

e) Und schließlich: Sicher hat es viel Sinn, die Mittel des Verstandes und die scholastische Präzision einzusetzen, um nicht das kirchenrechtlich notwendige Minimum, sondern das Maximum an Sakramentenfeier und Feiergestalt more geometrico herzuleiten und zu begründen.
Diese Aufgabe ist ein weites Feld für Theologen aller Parteiungen, die die Kirche und ihre Liturgiefeier lieben (meines Wissens haben sich da aber gerade die Scholastiker von heute nicht besonders hervorgetan).

Also, so gesehen ist meine Behauptung vom Beginn nicht unzutreffend, mag sie auch unbegründet sein.

iustus
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Beitrag von iustus »

conscientia hat geschrieben:
iustus hat geschrieben:
conscientia hat geschrieben: Das ewige Beharren einer konfessionell ausgerichteten, sich als strikt römisch und ultramontan verstehenden Theologie und Lehrverkündigung auf Minimalbedingungen hat zu allerhand Verkrustungen und zur derzeitigen Krise der römischen Kirche geführt.
Immer diese unzutreffenden und nicht einmal begründeten Behauptungen. Andere würden sagen:

Die Weigerung einer ökumenisch ausgerichteten, sich als ortskichlich statt römisch verstehenden Theologie und Lehrverkündigung, theologische Sachverhalte mit den Mitteln des Verstandes präzise zu erklären, hat zur derzeitigen Krise der römischen Kirche geführt.
a) Die Behauptung ist nicht begründet, weil ich keinen Sinn darin gesehen habe, im Rahmen der gegebenen Fragestellung noch eine Abhandlung über die Schattenseiten der neuscholastischen Art, Theologie zu treiben, zu schreiben.
Sehr vernünftig. Und das Klima wäre bedeutend besser, wenn Du solche Spitzen am falschen Ort gänzlich unterlassen würdest.

iustus
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Beitrag von iustus »

conscientia hat geschrieben: c) Was im deutschen Sprachraum, auch in der Universitätstheologie, bis in die 1960er Jahre hinein an Theologie getrieben wurde, ist "mit den Mitteln des Verstandes präzise" geschehen. Die energische Abkehr von jedlicher Neuscholastik und jeglichem mos geometricus, die seit etwa 1970 geschehen ist, halte ich für eine Gegenreaktion auf eine überzogenene ultramontane Ausrichtung auf die römische Zentrale in der Zeit zwischen Vaticanum I und II.
Von daher gesehen hat doch ein übermäßiger Zentralismus zur Krise der Kirche heute geführt.
Danke für die Präzisierung. Letztverantwortlich ist also nicht der Zentralismus, sondern die Gegenreaktion darauf, wenn auch ein übermäßiger Zentralismus hierfür kausal gewesen sein mag.

Das war oben in der Tat etwas verkürzt. Dass die Krise der Kirche viele Ursachen hat, sollte durchaus immer mal wieder in Erinnerung gerufen werden, sowohl denen, die die Ursachen der Krise nur vor dem letzten Konzil und dessen "ungenügender Umsetzung" ausmachen als auch denen die das letzte Konzil als das alleinige Übel betrachten.

Dass sich mit den Mitteln des Verstandes und scholastischer Präzision auch eine Theologie, die ortskirchlich und ökumenisch ausgerichtet ist, betreiben lässt, ist geschenkt.

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Robert Ketelhohn (zukünftig: R.K) hat geschrieben:
Die ipsissima verba Jesu allein „bewirken“ also noch gar nichts. Das sollte hinreichen, daß wir uns vor dem hybriden Versuch hüten, einen einzigen magischen Wandlungsaugenblick definieren zu wollen.
Die Worte Jesu bewirken alles!
ipsissima verba Jesu = völlig die eigenen Worte Jesu
Mein alter Pfarrer, vermutlich ein Häretiker ( :roll: ), sagte immer: die für die Wesensverwandlung notwendigen Worte sind: Das ist mein Leib.......das ist mein Blut...... Die nachfolgenden Worte gehören zum Wandlungsgebet dazu, aber maßgeblich für die Wandlung sind die genannten Worte.

Da ist keine Magie dahinter und ich sehe hierbei auch keinen irgendwie hybriden Versuch, den magischen Wandlungsaugenblick zu definieren.

Mit diesen Worten allein wird die Wandlung vollzogen.
Innerhalb welcher Zeit und auf welche Art sich die Wandlung vollzieht, ist für uns nicht relevant; wir können den absoluten Moment nicht bestimmen. Aber sicher ist, mit den Worten "das ist mein Leib..." beginnt die Wandlung und mit den Worten "das ist mein Blut....." ist die Wandlung vollzogen.

Es muß nicht, auch nicht von Theologen, alles ausdiskutiert werden, was womöglich zu keinem klaren und feststehenden Ergebnis führen kann.
Man muß auch ein Geheimnis -> Geheimnis bleiben lassen, etwas, das sich letzten Endes einer Erkenntnis zumindest in unserem irdischen Leben entzieht.

Zu sagen: "Die ipsissima verba Jesu allein „bewirken“ also noch gar nichts", kann ich demzufolge nicht nachvollziehen. Nach unserem Verständnis vergeht zwischen den beiden genannten Wandlungswortene eine bestimmte Zeit. Die Zeit, in der sich in entsprechender Dauer die Wandlung vollzieht. Bei der Vorstellung, dass Gott außerhalb eines für uns erkennbaren Zeitablaufs steht, geschehen Abläufe demzufolge in einer Art und Weise, die wir nicht nachvollziehen können.
Ob die Zufügungen nach den beiden Wandlungsworten notwendig sind, damit das Wandlungereignis geschieht, glaube ich nicht. Aber sie gehören dazu, weil Gott sie genannt hat.

Ein nicht ganz passendes Beispiel:
Ich kann, bei entsprechender Einrichtung, in meinem Wohnzimmer das Licht anmachen in dem ich sage: Licht an. Das hat zur Folge, dass das Licht angeht. Sage ich nach 'Licht an' noch einige weitere Worte, dann hat das überhaupt keinen Einfluß (ich weiß, hier paßt das Beispiel nicht mehr....) auf das weitere Geschehen; das Licht geht an.

Bei den zusätzlichen Worten nach den eigentlichen Wandlungsworten könnte es womöglich darum gehen, dem besonderen Charakter dieses Aktes die notwendige Tiefe zu verleihen, die notwendig ist, dem Priester die Größe und die Feierlichkeit dieses Moments stets bewußt zu machen.

Natürlich bin ich mir im Klaren darüber, dass auch meine Erklärung dem göttlichen Geschehen nicht gerecht wird. Aber damit bin ich ja nicht allein. Es geht letztlich darum, ein Geheimnis ein Geheimnis bleiben zu lassen.

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

Raphael

Beitrag von Raphael »

ad_hoc hat geschrieben:Robert Ketelhohn (zukünftig: R.K) hat geschrieben:
Die ipsissima verba Jesu allein „bewirken“ also noch gar nichts. Das sollte hinreichen, daß wir uns vor dem hybriden Versuch hüten, einen einzigen magischen Wandlungsaugenblick definieren zu wollen.
Die Worte Jesu bewirken alles!
Amen!
ad_hoc hat geschrieben:ipsissima verba Jesu = völlig die eigenen Worte Jesu
Mein alter Pfarrer, vermutlich ein Häretiker ( :roll: ), sagte immer: die für die Wesensverwandlung notwendigen Worte sind: Das ist mein Leib.......das ist mein Blut...... Die nachfolgenden Worte gehören zum Wandlungsgebet dazu, aber maßgeblich für die Wandlung sind die genannten Worte.

Da ist keine Magie dahinter und ich sehe hierbei auch keinen irgendwie hybriden Versuch, den magischen Wandlungsaugenblick zu definieren.
Was Robert wohl meinte, ist folgendes:
Auch wenn der Priester bei der eucharistischen Wandlung die eigenen Worte Jesu (ipsissima verba Jesu) beim letzten Abendmahl verwendet, wird die Wandlung nicht durch das Sprechen der Worte (also den Priester als "Zauberlehrling") selber bewirkt. Die Wandlung wird alleine durch Gott selber bewirkt, der in der Epiklese herabgerufen wird und die Transsubstantiation verursacht.

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Ja! Wenn R.K das so gemeint hat, hat er vollkommen Recht.

Gruß, ad_hoc
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iustus
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Beitrag von iustus »

ad_hoc hat geschrieben:Ja! Wenn R.K das so gemeint hat, hat er vollkommen Recht.

Gruß, ad_hoc
Genau.

Gruß, iustus

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Scheinbar leidet meine Aufmerksamkeit. Ich benötige dringend mehr Schlaf.
;)

Gruß, ad_hoc
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Kilianus
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Beitrag von Kilianus »

Raphael hat geschrieben:
ad_hoc hat geschrieben:Robert Ketelhohn (zukünftig: R.K) hat geschrieben:
Die ipsissima verba Jesu allein „bewirken“ also noch gar nichts. Das sollte hinreichen, daß wir uns vor dem hybriden Versuch hüten, einen einzigen magischen Wandlungsaugenblick definieren zu wollen.
Die Worte Jesu bewirken alles!
Amen!
ad_hoc hat geschrieben:ipsissima verba Jesu = völlig die eigenen Worte Jesu
Mein alter Pfarrer, vermutlich ein Häretiker ( :roll: ), sagte immer: die für die Wesensverwandlung notwendigen Worte sind: Das ist mein Leib.......das ist mein Blut...... Die nachfolgenden Worte gehören zum Wandlungsgebet dazu, aber maßgeblich für die Wandlung sind die genannten Worte.

Da ist keine Magie dahinter und ich sehe hierbei auch keinen irgendwie hybriden Versuch, den magischen Wandlungsaugenblick zu definieren.
Was Robert wohl meinte, ist folgendes:
Auch wenn der Priester bei der eucharistischen Wandlung die eigenen Worte Jesu (ipsissima verba Jesu) beim letzten Abendmahl verwendet, wird die Wandlung nicht durch das Sprechen der Worte (also den Priester als "Zauberlehrling") selber bewirkt. Die Wandlung wird alleine durch Gott selber bewirkt, der in der Epiklese herabgerufen wird und die Transsubstantiation verursacht.
Aber ist es dann nicht tatsächlich so, daß die Herrenworte und die an die Vater gerichtete Bitte um Wandlung der Gaben untrennbar miteinander verbunden sind?

Zu dieser Sicht paßt auch die Struktur des römischen Meßkanon, auf die conscientia schon einmal hingewiesen hat: Leitmotiv des Textes ist die mehrfach geäußerte Bitte, daß der Vater das Opfer von Brot und Wein annehmen und in Leib und Blut seines Sohnes verwandeln möge. Im Nebensatz eingeschobene Begründung dieser Bitte: das Handeln des Sohnes im Abendmahlssaal zu Jerusalem.

Kurz gesagt also: Bitte + Begründung der Bitte. Fehlt eines von beiden Elementen, so sind massive Zweifel angebracht, ob der "Kommunikationsvorgang" gelingen wird.

Um einen (natürlich massiv vereinfachenden) Vergleich zu bemühen: Titius klingelt bei seiner Klassenkamerdin Caia, die gerade Klavierstunde hat. Die Mutter macht auf. Titius: "Würden Sie mir bitte Caias Matheheft geben? Sie hat mir gesagt, ich könnte es mir leihen, um die Mitschrift der letzten Stunde nachzutragen."

Wenn einer der beiden Sätze fehlt, ist es ziemlich unwahrscheinlich, daß Mutti das Heft tatsächlich rausrückt.

Übrigens: Daß der enge Zusammenhang zwischen Annahme-(=Verwandlungs-)Bitte und Herrenworten in der deutschen Übersetzung des römischen Meßkanons verdunkelt wird, spricht nicht gegen die Bedeutung des Zusammenhangs, sondern nur gegen die deutsche Übersetzung. Außerdem führt dieser Gesichtspunkt (wieder einmal) zu Zweifeln an der Qualität des einen oder anderen "neuen" Hochgebetes.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Marcus hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Conscientia hat geschrieben:(Hoc est enim corpus meum, woraus unser Hokuspokus entstanden ist, weil die Leute im Mittelalter und in der Neuzeit das Hoc est enim corpus meum nicht verstanden haben und weil es ihnen auch keiner gescheit erklärt hat)
Das ist falsch. Wenn überhaupt, dann könnte es sich nur um eine gezielte protestantische Verballhornung handeln. Doch selbst das ist nicht belegbar. Vielmehr taucht der Begriff zuerst im 17. Jahrhundert in England als Eigen- oder Künstlername eines (litterarischen) Taschenspielers auf (vgl. dazu das grimmsche Wörterbuch).
Ich habe mal versucht, das im Internet nachzurecherchieren:
Radikalere Theologen, die den Anglikanismus stärker in eine reformiert-puritanische Richtung ziehen wollten, verglichen die Vorstellung des Verspeisens des Leibes Christi beim Abendmahl sogar mit Kannibalismus. Erzbischof John Tillotson ging in seinem Discourse against Transubstantiation (1684) so weit, den Begriff hocus pocus vom lateinischen hoc est corpus abzuleiten und schrieb, dass es lächerlich und ein Skandal sei, daran zu glauben, dass man beim Abendmahl das Fleisch des Menschensohns esse und sein Blut trinke: „what can any man do more unworthily towards a friend? How can he possibly use him more barbarously, than to feast upon his living flesh and blood?“
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Abendmahl# ... _Tradition
Ja, die Legende, das Wort Hocuspocus stamme von den mißverstandenen Worten Jesu her, ist ganz offenbar protestantischerseits mit Verballhornungsabsicht aufgebracht worden und wird immer noch gern gepflegt – und nicht selten katholischerseits geglaubt. Sie ist trotzdem unwahr. Und wegen der die Eucharistie verächtlich machenden Stoßrichtung sollten wir sie zurückweisen.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Pelikan hat geschrieben:
iustus hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Beachte bitte auch, daß wir es bei der Eucharistie mit zwei Gestalten zu tun haben. Es ist ausgeschlossen, daß nur die Brotsgestalt konsekriert wird, die Gestalt des Weines aber – z. B. wegen irgendeiner Unterbrechung – nicht mehr
Das ist keineswegs ausgeschlossen. Der Priester macht zu Recht nach der Elevation eine Kniebeuge...
Und außerdem: Can. 927 verbietet streng die Konsekration einer Gestalt ohne die andere. Was aber unmöglich ist, wird nicht verboten.

Und außerdem: Wenn der Zelebrant nach der Konsekration des Leibes, aber vor Konsekration des Blutes, oder nach beiden Konsekrationsformeln, bemerkt, daß der Kelch nicht die richtige Materie enthielt, schreibt die Kirche vor, allein die Konsekration des Blutes zu wiederholen, aber nicht die des Leibes (De Defectibus, 13f). Also ist vor der Wiederholung der Leib gültig konsekriert worden, aber nicht das Blut.
Eure Erwiderungen sind strikt alogisch. Laßt mich das erläutern. Die Kniebeuge sagt natürlich gar nichts über den „Zeitpunkt der Wandlung“ aus. Es geht dabei schlicht um die Symmetrie des Ritus in seinen beiden Teilen, nämlich der Konsekration des Brotes und des Weines.

Der Hinweis auf den CJC wäre auch darum schon nicht beweiskräftig, weil das kanonische Recht Rechtsvorschriften enthält und keine lehramtlichen Definitionen. Er ist aber auch nicht folgerichtig. Natürlich wird in aller Regel nicht verboten, was seiner Natur nach ohnehin unmöglich ist. Verboten ist aber zum Beispiel auch die Simulation eines Sakraments mit der falschen Materie. Die vorausgesetzte Annahme, nur die regelwidrige Zelebration einer an sich gültigen und wirksamen sakramentalen Handlung werde verboten, ist irrig. Vielmehr werden ebenso – ja wahrscheinlich häufiger, klarer und schärfer – pseudosakramentale Handlungen verboten, die in Wahrheit wegen Defekten an Form, Materie oder Intention gar keine Sakramente sind, sondern nur eitle Riten.

Solche das Volk irreführenden Handlungen vorzunehmen ist offensichtlich nicht unmöglich und wird darum verboten. Aus dem bloßen Verbot, den Konsekrationritus bloß an einer der beiden eucharistischen Gestalten zu vollziehen, folgt also hinsichtlich der Möglichkeit einer tatsächlichen und wirksamen Konsekration einer Gestalt ohne die andere noch gar nichts.

Nun führst du, Pelikan, noch die Rubriken in die Diskussion ein. Zu Recht, aber auch hier interpretierst du falsch. Die Kirche schreibt vor – in verschiedenen Variationen, für ziemlich alle denkbaren Defekte – das eine wegen partiellen Defekts unvollständige Konsekration beider Gestalten unbedingt durch Wiederholung oder Ergänzung der defekten Teils vervollständigt wird.

Es ist also absolut unzulässig zu sagen, wenn nur eine Gestalt wirksam konsekriert sei, nun, dann sumiere man eben nur die eine Gestalt, da sei ja auch der ganze Christus darinnen. Ob dies möglich wäre, darüber wird keine Aussage und keine Entscheidung getroffen. Die Kirche schließt kategorisch aus, aufgrund einer solchen Vermutung wie beschrieben zu handeln und sich mit einer Gestalt zu begnügen.

Meine Aussage war darum völlig korrekt. Denn von Unmöglichkeit habe ich nicht geredet. Ob nur eine Gestalt wirksam konsekriert werden kann, wissen wir nicht, weiß die Kirche nicht – und will es nicht wissen. Daß einer das versucht, ist tatsächlich »ausgeschlossen«: nämlich von der Kirche durch Gesetz und Rubriken. Darum ist es auch nicht möglich, einen doppelten Wandlungszeitpunkt zu bestimmen.

Ad_hoc hat geschrieben:Die Worte Jesu bewirken alles!
Das Wort Gottes kehrt nicht leer zurück, sondern bewirkt, was es sagt. Jawohl. Aber nicht jeder, der das Wort Gottes nachplappert, bewirkt damit dasselbe.
Ad_hoc hat geschrieben:Mit diesen Worten allein wird die Wandlung vollzogen. … Aber sicher ist, mit den Worten "das ist mein Leib..." beginnt die Wandlung und mit den Worten "das ist mein Blut....." ist die Wandlung vollzogen.
Die Worte allein machen’s wohl nicht. Es ist dem Priester nämlich nicht gestattet, sie in „Wandlungsintention“ ohne das ganze Hochgebet zu sprechen, ja nicht einmal samt Hochgebet, aber ohne vollständige, gültige Messe.

Wiederum wird dabei auch keine Aussage über Möglichkeit oder Unmöglichkeit getroffen. Weder in der einen Richtung, noch in der andern. Sondern es wird strikt und unbedingt die Integrität der Anaphora und der ganzen Feier der Eucharistie gewahrt.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Conscientia hat geschrieben:Fett gesetzt habe ich die allgemeineren Teile des Eucharistiegebetes, die Stiftungsanamnese ist in Klammern gesetzt. Die Frage ist: Ist der fett gesetzte Text, der Reihe nach hintereinander gelesen, in sich zusammenhängend und schlüssig oder nicht? Ich möchte das bejahen.
Diese Herangehensweise ist, wie oben schon gesagt, methodisch völlig verfehlt. So kannst du fast jeden Text zerpflücken, der länger ist als ein Dreizeiler, und allerhand vermeintliche Einschaltungen von späterer Hand wittern.

Allenfalls andersherum wird daraus – nein, nicht einmal ein Schuh, aber vielleicht ein Schnürsenkel. Wenn du nämlich anderweitig triftigen Grund hast, den Teil eines Texts für einen späteren Einschub zu halten, dann mach die Probe, indem du jenen mutmaßlichen Zusatz einmal wegläßt. Ergibt der Rest dann sowohl sachlich als auch syntaktisch noch Sinn, dann hast du ein Indiz, welches deine ursprüngliche Vermutung eher bestätigt. Holpert der Satzbau dann jedoch – oder hinkt der Sinn am Vorder- oder Hinterlauf –, dann ist das ein Hinweis, daß dein Verdacht eher falsch war.

Sicher ist das auch nicht, denn ein späterer Bearbeiter kann durchaus klüger sein als der ursprüngliche Autor, ja er ist denkbar, das er genau die unbeholfne Ausdrucksweise oder unklare Gedankenführung eines Originaltextes mit seinem Einschub bereinigt hat.

So viel für heute. Vielleicht morgen mehr. Wenigstens habe ich mir jetzt schon mal den Text des Straßburger Papyrus 254 besorgt. Dazu bleibt noch einiges zu sagen.
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conscientia
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Beitrag von conscientia »

conscientia hat geschrieben: @ Chiara
Dass Paulus 1 Kor 11,23-25 den wesentlichen, feststehenden Kern eines damals bereits verwendeten Hochgebets zitiert, ist eine interessante These. Ich habe sie bisher weder gehört noch gelesen. Die oben zitierte Anaphora aus der Traditio apostolica des hl. Hippolyt, die wohl vom Beginn des 3. Jhs. stammt, ist, so weit ich gelernt habe, die früheste, in der es eine Stiftungsanamnese gibt. (Es mag sein, dass zu neutestamentlicher Zeit die Erzählung vom Letzten Mahl Jesu bereits in liturgischem Gebrauch verbreitet war, deshalb ist sie so formelhaft überliefert, allerdings ist diese Vermutung keine Aussage darüber, dass die Erzählung im Rahmen des eucharistischen Tischsegens gebraucht worden ist.)

Mein literarkritischer Nachweis ist gar nicht als solcher gewollt oder zu verstehen. Wer sich von literarkritischen Nachweisen überzeugen lassen will, um die Ursprungssprache eines Textes sinnvoll beherrschen, in unserem Falle ginge es um Altgriechisch und Altsyrisch. Na Mahlzeit!
Mir geht es lediglich darum, darauf hinzuweisen, wie sich ein Text verändert, wenn man etwas weglässt. Und aus der von mir zitierten Hippolyt-Anaphora kannst Du einfach nicht alle Sätze herausnehmen, ohne die Logik zu brechen. Wenn Du die ersten Absätze weglässt, fehlt die Christus-Anamnese im Allgemeinen, wenn du den zweitletzten Absatz weglässt, die Darbringungsformel (da sind dann alle Verfechter des Verständnisses der Messfeier als reales Opfer ganz traurig und rufen: "er sei im Banne"), wenn du den letzten Absatz weglässt, fehlt die Herabrufung des Heiligen Geistes auf Opfermahlgaben und Kommunikanten.
Berger, Neues Pastoralliturgisches Handlexikon, p. 114, hat geschrieben: [...] fehlt in den Handschriften regelmäßig der Einsetzungsbericht; es ist kontrovers, ob er nur aus Ehrfurcht nicht niedergeschrieben wurde oder ob er in diesem Hochgebet nicht vorgesehen war.
Das ist das Äußerste, was zu sagen sinnvoll ist.

[...]

Ich selbst habe eine andere Story zur Entstehung des Eucharistiegebetes. Christus der Herr hat im Rahmen des Letzten Mahlhaltens mit seinen Schülern etwas getan, was völlig neu war: Er hat nach dem Segensgebet ("sagte Lob und Dank") über das zu brechende Brot den Brotfladen auseinandergerissen und eine neue Darreichungsformel gewählt: "Das ist mein Leib, der für euch gebrochen." - Und das gleiche tat er auch nach dem Segensgebet über den Kelch. Er wählte eine neue Darreichungsformel: "Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für die Vielen vergossen wird zur Vergebung der Sünden" usw. Jeweils danach teilten die Mahlhaltenden Brot und Kelch.

Also es dürfte wohl klar sein, das Christus der Herr beim Letzten Mahl nicht gleich den Römischen Messkanon verwendet hat. Die ersten Eucharistiegebete, die verwendet worden sind, hatten noch sehr starke Ähnlichkeit mit den Segensgebeten des seinerzeitigen jüdischen Mahlrituals. Diese Texte sind dann, weil es ja noch gängig war, die Texte selbst zu formulieren - s. das obige Hippolyt-Zitat -, mehr und mehr im Sinne hellenistischer Denkwelt und von zunehmender christologischer Reflexion her verändert worden. Eines der Ergebnisse dieses Prozesses ist das andernorts zitierte Eucharistiegebet des Hippolyt. Paulus brauchte in seinen Briefen keins zitieren (er hatte auch noch nicht 2000 Jahre Entwicklung des Eucharistiegebets hinter sich); ich vermute, weil die jeweils in den Gemeinden tätigen Vorsteher sich der jüdischen Mahlgebete bedienten, die ja bisweilen einen messianischen Akzent haben; vielleicht hat man damals als Darreichungs-, als Spendeformel die Herrenworte "Das ist mein Leib" und "Das ist der Kelch" usw. benutzt, um die Identität der Feier klarzumachen.

Nun denn. Mich lehrt die ganze Debatte, dass der Wortlaut und die bloße Existenz der Stiftungsanamnese im Eucharistiegebet nicht so sehr entscheidend sein dürfen für die von mir gepflegte Frömmigkeit des Eucharistiefeierns. Mir sind die allgemein anamnetischen und die epikletischen Bestandteile des Eucharistiegebets mittlerweile wichtiger geworden. Mein Lieblings-Hochgebet ist das Vierte. Den Römischen Kanon mag ich wegen seines archaischen Klangs, muss ihn aber nicht jeden Sonntag haben.
Ich meine, dass meine Herangehensweise nicht völlig verfehlt ist.

Ich hatte, schon vor zwanzig Jahren etwa, die Anaphora von Addai und Mari gelesen (bei Wegman, Geschichte der Liturgie im Osten und Westen 1979, 110f.; dort in französischer Übersetzung; dort findet sich übrigens auch eine Rekonstruktion des Canon Romanus durch P. Cipriano Vagaggini OSB: ebd. 111). Mit den Tischsegens-Gebeten (wenn nicht eucharistischen berakot) in der Didache bin ich erst im Jahre des Erscheinens des 1. "Fontes christiani"-Bandes so richtig bekannt geworden, desgleichen mit der Vorlage unseres II. Hochgebetes bei Hippolyt.

Ich muss gestehen, erst nachdem ich das Hin und Her der historischen Eucharistiegebetsforschung der letzten 30 Jahre in meinem Kopf einigermaßen sortiert hatte und angefangen hatte, zu überlegen, wie es denn von den hellenistisch-jüdischen Segensgebeten, die der Herr vermutlich mit seinen Jüngern benutzt haben dürfte, zu unserem einteiligen anamnetisch-epikletischen Hochgebet gekommen sein könnte.

Das Eucharistiegebet der Traditio apostolica, ohne so genannten Einsetzungsbericht, wäre dann das missing link. Könnte so gewesen sein, könnte auch nicht. Die Zitation des Textes mit Fettdruck etc. dient hauptsächlich der Veranschaulichung (es ist ja beklagt worden, dass ich mich allzu knapp und fachsprachlich ausdrücke).

Mit anderen Worten: Ich wage zu behaupten, dass ich die von Dir für richtig erachtete Methode durchaus beachtet habe.

Nebenher eine persönliche Frage: Woher weißt Du das überhaupt alles so genau? (Ich gestehe: Trotz jahrelanger Bemühungen habe ich Schwierigkeiten, den hl. Thomas genau zu verstehen, geschweige denn seine Gedanken zusammenzufassen.) Bist Du Gräzist? Syrologe? Im Götterhimmel publizierender Nachwuchstheologen ist mir Dein Name nämlich in den vergangenen Jahrzehnten nicht begegnet, zumal da Dein Wohnort und Deine Kenntnis Berlins nicht unbedingt dafür zu sprechen scheint.

Mal gesetzt den Fall, Du hantierst mit Schulkenntnissen der klassischen Sprachen: Chapeau! In welchem Naturschutzgebiet haben Deine Altsprachenpauker überlebt? Warst Du im Gymnasium zum Grauen Kloster? Das war doch vor der Wende im Sowjetsektor, oder?

Wärst Du, Robert, bitte so freundlich, Deine Theorie über den ursprünglichen - narrativen? - Sinn des Quam oblationem im römischen Kanon genauer zu erläutern?

Und, da wir ohnehin schon dabei sind: Richtet sich der römische Kanon Deines Erachtens eher nach dem antiochenischen (eine einzige Epiklese nach der Anamnese) oder dem alexandrinischen Typus (eine zwiegespaltene Epiklese, Gabenepiklese vor, Kommunionepiklese nach der Anamnese) der Anaphora?

Einen Gruß
c.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

conscientia hat geschrieben:Ich meine, dass meine Herangehensweise nicht völlig verfehlt ist.

Das glaube ich dir gern, was deine eigene Meinungsbildung betrifft. Die hast du uns aber nicht durch entsprechende argumentative Unterfütterung nachvollziehen lassen. Ich kann mich ja nur über die Argumente beschweren, die du hier vorträgst.

conscientia hat geschrieben:Wärst Du, Robert, bitte so freundlich, Deine Theorie über den ursprünglichen - narrativen? - Sinn des Quam oblationem im römischen Kanon genauer zu erläutern?

Nein. Ich tendiere gerade dazu, diese Hypothese zurückzuziehen. Äh, zu hinterfragen. :ikb_laughing:

Leider fehlt mir hier einiges an Litteratur, so daß es mir mühsam und schwierig ist, ein Gesamtbild der Entwicklung zu gewinnen. Sackgassen sind dabei nicht auszuschließen. Das kennst du ja selber.

Abgesehen davon muß ich jetzt ein Angebot überarbeiten und ein zweites schreiben. Dann sehen wir weiter. :ikb_yawn:
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Kilianus
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Beitrag von Kilianus »

Und ich hatte mich schon so auf das Duell gefreut! :poeh:

conscientia
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Beitrag von conscientia »

Nu zieh Du mal Deinen Degen un sach uns: Was hältst Du von der Sache?

Kilianus
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Beitrag von Kilianus »

Ich soll den Sparringspartner machen, solange Robert seine Angebote tippt? Das ist unfair! Als Du angefangen hast, Dir über Hochgebete Gedanken zu machen, war ich intensiv mit Muttermilch beschäftigt.

Außerdem hatte ich's doch eigentlich schon gesagt: Hauptanliegen des römischen Meßkanon ist m.E. die mehrfach wiederholte Bitte, daß der Vater das Opfer von Brot und Wein annehmen und in Leib und Blut seines Sohnes verwandeln möge. Begründet wird die Bitte mit dem Handeln Jesu im Abendmahlssaahl - und natürlich mit seinem Auftrag an die Jünger: "Facite hoc..."

Ein eucharistisches Hochgebet braucht daher beides: Die Bitte an den Vater (die in irgendeiner Form auch den Hl. Geist einbezieht), und die Begründung dieser Bitte (Herrenworte).

Fehlten die Herrenworte, so hinge die - sehen wir es einmal unvoreingenommen - doch recht merkwürdige Bitte, Brot und Wein zwecks anschließendem Verzehr in Leib und Blut eines wahren Gottes und wahren Menschen zu verwandeln, völlig in der Luft.

Würden dagegen nur die Herrenworte zitiert und fehlte die ausdrückliche Bitte, so würde die Kirche schlicht unhöflich handeln. Um auf mein Beispiel aus einem früheren Beitrag zurückzukommen: "Ihre Tochter hat mir gesagt, ich kann Ihr Matheheft ausleihen." Punkt. Ohne: "Würden Sie mir bitte das Heft holen?" Natürlich kann sich Mutti dann denken, was der Bengel will. Aber ob sie's ihm geben wird?

Exkurs: Natürlich ist Höflichkeit erst einmal eine rein menschliche Kategorie. Ebenso wie die Frage, ob eine Bitte nachvollziebar ist oder nicht. Aber als Menschen können wir uns Ihm nun mal nur "in menschlichen Gebärden" nähern. Und immerhin ist er ja selbst Mensch geworden.

All das sind keine Aussagen zur Frage, was an Minimal-Voraussetzung für die Gültigkeit einer Konsekration erfüllt sein muß. Mir geht es hier um die Frage, was angemessen ist.

Im Übrigen beziehe ich meine Aussagen auf den lateinischen Ritus in seiner heutigen Situation. (Das war ja Ausgangspunkt für diese Diskussion.) Anders gesagt: Ich kann weder Gültigkeit noch Angemessenheit der Anaphora der Heiligen Addai und Mari beurteilen. Und: Meine liturgie-archäologischen Kenntnisse reichen auch nicht für Spekulationen über die Gestalt einer Ur-Anaphora. Das bleibt Euren Degen überlassen!

iustus
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Beitrag von iustus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Eure Erwiderungen sind strikt alogisch. Laßt mich das erläutern. Die Kniebeuge sagt natürlich gar nichts über den „Zeitpunkt der Wandlung“ aus. Es geht dabei schlicht um die Symmetrie des Ritus in seinen beiden Teilen, nämlich der Konsekration des Brotes und des Weines.

(...)

Nun führst du, Pelikan, noch die Rubriken in die Diskussion ein. Zu Recht, aber auch hier interpretierst du falsch. Die Kirche schreibt vor – in verschiedenen Variationen, für ziemlich alle denkbaren Defekte – das eine wegen partiellen Defekts unvollständige Konsekration beider Gestalten unbedingt durch Wiederholung oder Ergänzung der defekten Teils vervollständigt wird.

(...)

Meine Aussage war darum völlig korrekt.
Unsere Argumentation ist strikt logisch.

Die Kniebeuge als Ausdruck der Symetrie zu deuten ist ja wohl ein bißchen wenig. Das "auf-die Knie-Fallen" ist Folge der Ergriffenheit von der Gegenwart Gottes. Die Konsekration des Brotes ist zu diesem Zeitpunkt erfolgt. Hier muss allenfalls die Feier vervollständigt werden, worauf die Kirche, wie Du richtig ausführst, sehr großen Wert legt. Aber es kann keine prozesshafte Konsekration geben. Ist das Brot erst nur "ein bißchen Leib Christi" oder was?

Deine Aussage war daher vollkommen unzutreffend.

iustus
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Beitrag von iustus »

Noch einmal:

Jedes Objekt ist zu einem Augenblick "etwas Bestimmtes", d.h. hat EINE Identität. Keine zwei Identitäten.

Ein Objekt kann auch nicht "bißchen etwas sein und bißchen nicht". Entweder ist es etwas, oder ist etwas nicht.

Es ist auch nicht möglich, daß ein Objekt etwas gleichzeitig ist und nicht ist.

Zur Verwandlung der Substanz kann es deshalb nur "auf einmal" kommen. Bis dahin ist es Brot, nach dem Abschluß der Wandlungsworte kein Brot mehr, sondern Christus selbst.

Dies betrifft alle (!) substantiellen Änderungen. Sonst wären die Sterbenden eventuell gar nicht mehr lebend, sondern nur "nicht mehr so ganz lebend" bzw. "nur noch etwas Menschen" oder sogar "eigentlich keine richtigen Menschen mehr". Auch die Frau könnte dann in der Tat auch nur "ein bißchen schwanger" sein und das ungeborene Kind nicht ein Mensch, sondern "ein werdendes Leben", "ein werdender Mensch" u.s.w. - Alles, was die heutige Amoral so gerne hätte. Damit wird dann Euthanasie und Abtreibung pseudophilosophisch legitimiert.

Diese philosophischen Irrtümmer haben weitreichende Konsequenzen, und das sowohl in der dogmatischen und spekulativen Theologie, als auch in der Moral, da sie die Wirklichkeit verwaschen, ja eigentlich aufheben. Nichts ist mehr Sein, sondern nur Werden.
Zuletzt geändert von iustus am Donnerstag 3. Juli 2008, 10:05, insgesamt 2-mal geändert.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

iustus hat geschrieben:Die Kniebeuge als Ausdruck der Symetrie zu deuten ist ja wohl ein bißchen wenig. Das "auf-die Knie-Fallen" ist Folge der Ergriffenheit von der Gegenwart Gottes. Die Konsekration des Brotes ist zu diesem Zeitpunkt erfolgt. Hier muss allenfalls die Feier vervollständigt werden, worauf die Kirche, wie Du richtig ausführst, sehr großen Wert legt. Aber es kann keine prozesshafte Konsekration geben. Ist das Brot erst nur "ein bißchen Leib Christi" oder was?

Deine Aussage war daher vollkommen unzutreffend.


Du behauptest fleißig, kannst aber nichts belegen. Das »ist ja wohl ein bißchen wenig.«

Von einer „prozeßhaften Konsekration“ habe ich übrigens nirgends geredet. Deine diesbezüglichen Anmerkungen gehen ins Leere.
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iustus
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Beitrag von iustus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Du behauptest fleißig, kannst aber nichts belegen. Das »ist ja wohl ein bißchen wenig.«

Von einer „prozeßhaften Konsekration“ habe ich übrigens nirgends geredet. Deine diesbezüglichen Anmerkungen gehen ins Leere.
Dann hilf mir bitte: Bist Du der Ansicht, die Wandlung erfolge in einem bestimmten Moment? Die einzigen Alternativen sind: die Wandlung erfolgt prozesshaft oder überhaupt nicht.

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Pelikan
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Beitrag von Pelikan »

Robert Ketelhon hat geschrieben:Die Kniebeuge sagt natürlich gar nichts über den „Zeitpunkt der Wandlung“ aus. Es geht dabei schlicht um die Symmetrie des Ritus in seinen beiden Teilen, nämlich der Konsekration des Brotes und des Weines.
Wenn man der guten alten Catholic Encyclopedia hier trauen kann, wurde nicht nur die Kniebeuge, sondern überhaupt die Elevation der Hostie eingeführt als Entgegnung auf die Auffassung einiger Pariser Theologen, die Wandlung des Brotes sei nicht erfolgt, bis beide Konsekrationsformeln gesprochen sind:
The great centre of intellectual life at that period was Paris, and we learn that at Paris a curious theological view was then being defended by such eminent scholars as the chancellor Peter Manducator and the professor Peter Cantor, that transubstantiation of the bread only took place when the priest at Mass had pronounced the words of consecration over both bread and wine (see, e.g., Giraldus Cambrensis, Works, II, 124; Caesarius of Heisterbach, "Dialogus", IX, xxvii, and "Libri Miraculorum", ed. Meister, pp 16, 17). To quote the words of Peter of Poitiers "dicunt quidam....quod non facta est transubstantiatio panis in corpus donec prolata sint haec verba "Hic est sanguis'" ( Migne, P. L., CCXI, 1245; Pope Innocent III, "De sacro altaris mysterio", IV, 22, uses very similar language). This view, as may readily be understood, aroused considerable opposition, and notably on the part of Bishop Eudes de Sully and Stephen Langton, afterwards Archbishop of Canterbury and cardinal. It seems clear that the theologians of this party, by way of protest against the teaching of Peter Cantor, adopted the custom of adoring the Host immediately after the words, "Hoc est enim corpus meum" were spoken, and by a natural transition they encouraged the practice of showing it to the people for this purpose. The developments can be easily followed in the synodal decrees of France, England, and other countries during the thirteenth century. We find mention of a little bell of warning in the early years of that century, and before the end of the same century it was enjoined in many dioceses of the Continent and in England that one of the great bells of the church should be tolled at the moment of the Elevation, in order that those at work in the fields might kneel down and adore.
Der Hinweis auf den CJC wäre auch darum schon nicht beweiskräftig, weil das kanonische Recht Rechtsvorschriften enthält und keine lehramtlichen Definitionen. Er ist aber auch nicht folgerichtig. Natürlich wird in aller Regel nicht verboten, was seiner Natur nach ohnehin unmöglich ist. Verboten ist aber zum Beispiel auch die Simulation eines Sakraments mit der falschen Materie. Die vorausgesetzte Annahme, nur die regelwidrige Zelebration einer an sich gültigen und wirksamen sakramentalen Handlung werde verboten, ist irrig. Vielmehr werden ebenso – ja wahrscheinlich häufiger, klarer und schärfer – pseudosakramentale Handlungen verboten, die in Wahrheit wegen Defekten an Form, Materie oder Intention gar keine Sakramente sind, sondern nur eitle Riten.
Der Wortlaut der Verbote gibt uns allerdings einen differenzierteren Einblick in die Auffassung des kirchlichen Gesetzgebers als dein Vergleich nahelegt. Wo der Gesetzgeber von der Ungültigkeit einer sakramentalen Handlung ausgeht, verbietet er deren "Simulation" oder den "Versuch". Davon ist beim Verbot der Konsekration einer Gestalt ohne die andere aber keine Rede.

Natürlich kommt das alles keiner dogmatischen Definition gleich, aber es ist gut gesicherte Lehre, hinter die man nicht agnostisch zurückzufallen braucht.

iustus
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Beitrag von iustus »

Mal aus dem Katechismus:
1375 Christus wird in diesem Sakrament gegenwärtig durch die Verwandlung des Brotes und des Weines in den Leib und das Blut Christi. Die Kirchenväter betonten entschieden den Glauben der Kirche, daß das Wort Christi und das Walten des Heiligen Geistes so wirkkräftig sind, daß sie diese Verwandlung zu bewirken vermögen. Der hl. Johannes Chrysostomus erklärt:

„Nicht der Mensch bewirkt, daß die Opfergaben Leib und Blut Christi werden, sondern Christus selbst, der für uns gekreuzigt worden ist. Der Priester, der Christus repräsentiert, spricht diese Worte aus, aber ihre Wirkkraft und Gnade kommen von Gott. Das ist mein Leib, sagt er. Dieses Wort verwandelt die Opfergaben" (prod. Jud. 1,6).

(...)

1377 Die eucharistische Gegenwart Christi beginnt im Zeitpunkt der Konsekration und dauert so lange, wie die eucharistischen Gestalten bestehen. In jeder der Gestalten und in jedem ihrer Teile ist der ganze Christus enthalten, so daß das Brechen des Brotes Christus nicht teilt [Vgl. K. v. Trient: DS 1641 [Vgl. K. v. Trient: DS 1641.].
Zuletzt geändert von iustus am Donnerstag 3. Juli 2008, 10:08, insgesamt 1-mal geändert.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Pelikan hat geschrieben:Natürlich kommt das alles keiner dogmatischen Definition gleich, aber es ist gut gesicherte Lehre
Affirmative ad primam partem, negative ad alteram.

Dein obiges Zitat aus der Catholic Encyclopedia macht deutlich, daß es hier um theologische Meinungen geht und nicht um gesicherte Lehren.

Die kanonischen und liturgischen Vorschriften wollen allen Möglichkeiten Rechnung tragen. Das habe ich oben darzustellen versucht.

Das Argument der Verfechter einer doppelten Wandlung in zwei Schritten besteht allein in Elevation und Kniebeuge. Meinetwegen nimm noch das Bimmeln hinzu.

Hierbei handelt es sich jedoch um liturgische Neuerungen, die seit dem späteren 13. Jht. eingeführt wurden, die historisch stark zeitgeistabhängig waren und die sich jedenfalls ebenso der Überprüfung stellen müssen wie heute verbreitete Ringelpiez-Vaterunser und Körbchen-Kommunionen.

Darin eine dogmatische Klärung sehen zu wollen, ist sachlich nicht begründbar, sondern methodisch ganz verfehlt. Leider tut z. B. Ziegenaus in seiner Dogmatik ebendies. Schade drum. Leider kein Einzelfall in ziegenausscher Argumentation.
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ieromonach
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Beitrag von ieromonach »

Euer Denken versteh ich nicht. Die Messe (Göttl. Liturgie) ist e i n Akt. Die Prosphora (Hostie, Brot) und der Wein sind bereits Antitypos . h. sie sind ausgesondert und nicht mehr profan. Es ist eben Brot und Wein welches nach Melchisedek dargebracht wird. Im weiteren Geschehen der Liturgie wird eine Geschichte erzählt die mit den Herrnworten (Anamnese) ändet, dann wird der Heilige Geist herabgerufen umd diese Gaben in Leib und Blut zu wandeln. Alles gehört zusammen. Die Darbringung von Brot und Wein, die Anamnes und Epiklese. Alles ist gleich notwendig. Mit der Epiklese ist der ganze Vorgang der Messe (Göttl. Liturgie) vollendet.

+P.Theodor

Germanus
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Beitrag von Germanus »

Liebe Leser,
Dank an Robert K. und P. Theodor! Obwohl ich mich nicht näher in die "theologische" Argumentation eingearbeitet habe, möchte ich nur hinzufügen, dass es lat. Riten gibt / gab, die die oben angeführten Äußerlichkeiten eben nicht haben: Weder Elevation noch Kniebeugung, wie Robert K. schon sagte. Dagegen heißen die Opfergaben von Brot und Wein schon zu Beginn der Liturgie "benedicta" - sie sind, wie P. Theodor richtig sagt, schon Heilige Gabe und nicht mehr profan. Von bestimmten Ausnahmen abgesehen bezweifle ich deshalb so sonderbare Zeitpunktbestimmungen der Konsekration. Womöglich auch deshalb sind Anaphoren ja auch rechtens, die keine Einsetzungsworte im strengen Sinne enthalten - vgl. die uralte ost-syrische Anaphora d. Addai und Mari.
Herzl. Gruß, Germanus

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

Ich muß zugeben, daß ich mich an der Formulierung "diese heiligen und makellosen Opfergaben" öfters gestoßen habe, denn nichts, was von uns Menschen produziert wird, ist makellos.
Allerdings gebe ich zu, daß wenn der Priester die Gaben auf dem Altar bereitstellt, sie bereits ausgesondert sind.
???

ieromonach
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Beitrag von ieromonach »

Hallo anneke6

das "makellose Opfer" bezeiht sich nicht aufs Brot (Hostie), sondern auf Christus. Er ist der Opfernde und Geopferte der Dabringer und Dargebrachte. Deshalb dürfen wir auch beten "makellos - unbefleckt".

+ptheodor

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Hieromonach hat geschrieben:Die Messe (Göttl. Liturgie) ist ein Akt. Die Prosphora (Hostie, Brot) und der Wein sind bereits Antitypos, d. h. sie sind ausgesondert und nicht mehr profan.
Das möchte ich dick unterstreichen. Man kann die Liturgie und namentlich das Hochgebet nicht ohne Schaden einzelne Bruchstücke zerteilen. Sie ist eine Einheit.

Hieromonach hat geschrieben:Im weiteren Geschehen der Liturgie wird eine Geschichte erzählt die mit den Herrnworten (Anamnese) endet, dann wird der Heilige Geist herabgerufen umd diese Gaben in Leib und Blut zu wandeln. Alles gehört zusammen. Die Darbringung von Brot und Wein, die Anamnese und Epiklese. Alles ist gleich notwendig. Mit der Epiklese ist der ganze Vorgang der Messe (Göttl. Liturgie) vollendet.
Sagen wir so: Die Anaphora ist beendet, nicht die ganze Messe. Ferner kann die Reihenfolge einzelner Teile auch variieren. So steht im römischen Canon die Epiklese seit alter Zeit vor dem Einsetzungsbericht. Ob das in Rom ursprünglich ist, bleibt umstritten, wiewohl ich dazu tendiere, eine – sicher schon recht früh erfolgte – Umstellung anzunehmen. – Ansonsten pflichte ich grundsätzlich bei.

Conscientia hat geschrieben:Nebenher eine persönliche Frage: Woher weißt Du das überhaupt alles so genau? (Ich gestehe: Trotz jahrelanger Bemühungen habe ich Schwierigkeiten, den hl. Thomas genau zu verstehen, geschweige denn seine Gedanken zusammenzufassen.) Bist Du Gräzist? Syrologe? Im Götterhimmel publizierender Nachwuchstheologen ist mir Dein Name nämlich in den vergangenen Jahrzehnten nicht begegnet, zumal da Dein Wohnort und Deine Kenntnis Berlins nicht unbedingt dafür zu sprechen scheint.

Mal gesetzt den Fall, Du hantierst mit Schulkenntnissen der klassischen Sprachen: Chapeau! In welchem Naturschutzgebiet haben Deine Altsprachenpauker überlebt? Warst Du im Gymnasium zum Grauen Kloster? Das war doch vor der Wende im Sowjetsektor, oder?
Stell uns doch erst mal deine eigenen Publikationen vor. :ikb_laughing: – Berufsmäßiger Theologe bin ich, Lob sei Gott, nicht. Auch kein Gräzist oder Syrologe. Ja, das Aramäische beherrschte ich gern. Kann ich aber nicht. Griechisch und Latein hatte ich am Gymnasium zu Berlin-Steglitz. Allerdings wäre das trotz langjährigen Unterrichts kaum hinreichend, hätte ich’s nicht selber anschließend stetig geübt und verbessert, was ich jedem empfehle. Wobei das primär fürs Lateinische gilt, beim Griechischen habe ich auch gern die lateinische Übersetzung daneben – oder ein Wörterbuch in der Hand.

Was mein Wohnort und die Kenntnis Berlins mit wissenschaftlichen Kompetenzen zu tun haben, erschließt sich mir nicht ganz. Außer daß man vielleicht von außerhalb des Suppentopfes die Suppe besser abschmecken und beurteilen kann, als wenn man selber drin schwimmt. ;D

Um aber in der Sache vielleicht ein kleines Schrittchen weiterzukommen: Die Frage nach der historischen Entwicklung der Anaphoren oder Hochgebete und nach deren mutmaßlichen Ursprungsfassungen ist in der Tat sehr spannend – und zugleich ungemein schwierig auch nur versuchsweise zu beantworten, weil die Überlieferungslage nun einmal so dünn und komplex zugleich ist, wie sie ist.

Über das Bestehen dieser Schwierigkeit sind wir uns also einig. Die Frage ist, welche Wege man geht, um der – vielleicht nie wirklich erreichbaren – Lösung näher zu kommen, welche Wege gangbar sind und wie weit man überhaupt vordringen kann.

Den von dir oben eingeführten Relativsatz- und Embolismus-Aspekt habe ich als nicht gangbaren Weg qualifiziert. Obgleich du etwas indigniert reagierst, bleibe ich dabei: Es handelt sich um eine Randbeobachtung, die einen Hinweis geben kann, jedoch nicht um eine begehbare Brücke.

Natürlich werden wir’s hier nicht leisten können, das besagte Problem endlich umfassend zu lösen. Wir werden uns mit der Diskussion von Teilaspekten begnügen müssen. Darum will ich zunächst einen solchen von dir oben eingeführten Aspekt wieder aufgreifen: Enricos Mazzas Arbeit, die – wenn ich deine Darlegungen recht wiedergebe – den griechsichen Straßburger Papyrus 254 zu dem Versuch einer Rekonstruktion des ursprünglichen Canon Romanus heranzieht und dabei u. a. zu dem Ergebnis kommt, der Ur-Canon habe – wie jener Papyrus – die „Wandlungsworte“ nicht enthalten.

Da ich auf absehbare Zeit nicht die Möglichkeit haben werde, mir Mazzas Arbeit aus StaBi oder UB zu besorgen, würde mich schon eine kurze Skizze seines Argumentationsweges interessieren, auf welchem er zur Verbindung jenes Papyrus mit dem römischen Canon gelangt.

Der Straßburger Papyrus 254 – aus dem 4. oder 5. Jht. stammend – ist ja ein alter Zeuge der alexandrinischen Marcus-Liturgie. Was hat er mit Rom zu tun? – Das bedarf zumindest einer Begründung. Ferner: Richtig ist, daß jenes fragmentarische Papyrus-Blatt weder recto noch verso Einsetzungsworte als Teil der Anaphora enthält, auch nicht in den lacunæ enthalten haben kann.

Das sagt aber noch nicht viel aus, denn es braucht sich keineswegs um eine vollständige Anaphora zu handeln. Wir haben es mit einem Dank- (Eucharistie-) und Bittgebet zu tun, letzteres aus Opferbitte und Bitte für die Kirche und ihre Stände bestehend, das funktional etwa unserer Präfation entspricht und wie diese hinsichtlich seiner historischen Genese in der Tradition der jüdischen Beracha steht.

Man erwartet die Überleitung zum Sanctus, Einsetzungsworte und Anamnese. Das mag durchaus auf einem verlorenen Folgeblatt gestanden haben. Dagegen spricht auch nicht der etwas auffällige Befund, daß diese „Präfation“ mit einer Doxologie schließt und dann das Blatt verso mit drei Leerzeilen endet.

Denn einerseits finden wir in andern Zeugen der Marcus-Liturgie – etwa im Papyrus von Dêr-Balizeh, in der Serapion-Anaphora oder in der äthiopischen Gregorius-Anaphora wie im späteren alexandrinischen textus receptus – eben diese Fortsetzung, den Einsetzungsbericht eingeschlossen, und andererseits gibt es Zeugen für eine Doxologie bereits an dieser Stelle: nämlich die Didache und das von Aufbau her unserm Papyrus sehr ähnliche sogenannte „allgemeine Gebet“ des I. Clemensbriefs (Clem. ad Cor. I, 59,2-61,3), welches man vielleicht mit guten Gründen für ein (nur zu Anfang und am Ende von Clemens leicht abgewandeltes) Eucharistiegebet halten darf. Es endet ebenso mit einer Doxologie wie die eucharistischen Gebete der Didache, und zwar dort zweimal, weil es noch getrennte „Berachot“ über Brot und Wein gab.

(Dabei ist zu beachten, daß did. 9,2 nicht der eigentliche eucharistische Kelch gemeint ist, sondern daß es da um den „Kiddusch“-Becher geht, wie wir ihn ja auch in den evangelischen Berichten von Letzten Abendmahl finden; darauf folgt dann das „Brotbrechen“, wobei die Brotbitte dann mit einer Doxologie abschließt. Der eucharistische Kelch, formal den „Kelch der Segnung“ ritueller jüdischer Mahle fortsetzend, folgte dann nach dem Sättigungsmahl; „seine“ Präfation finden wir did. 10,1-6, auch wenn der Kelch vom Kompilator der Didache hier nicht eigens genannt wird.)

Am Rande sei hier bemerkt, daß die strukturelle Ähnlichkeit der Clemens-Präfation mit jener der Marcus-Liturgie durchaus an römisch-alexandrinische Beziehungen oder liturgische Verwandtschaften denken läßt, wofür es auch noch weitere Indizien gibt. Argumentiert Enrico Mazza diesbezüglich ähnlich?

Aber an dieser Stelle ist wohl eine kurze Erläuterung zur historischen Entwicklung der Eucharistiefeier in der Urkirche angezeigt. Als apostolische Übung können wir jenen Ablauf annehmen, den ich eben anhand der Didache skizziert habe und der noch ganz am Letzten Abendmahl (und damit am rituellen jüdischen Mahl) orientiert war: Kiddusch-Becher mit Beracha, Brotbrechen mit eigenem Eucharistiegebet, Sättigungsmahl oder Agape, Kelch der Segnung mit eucharistischem Gebet.

Recht bald sind die eucharistischen Gestalten im Ablauf der Feier zusammengerückt, zunächst ans Ende der Versammlung, dann – wegen des Nüchternheitsgedankens – an den Beginn, worauf schließlich mit dem Wechsel von der sonnabend-abendlichen Agape-Eucharistie zur Messe am Sonntag früh die Agape, also das Sättigungsmahl, wegfiel.

Daß der Einsetzungsbericht im Straßburger Papyrus nicht erscheint, kann, wie gesagt, am Überlieferungsgeschick liegen. Fragmente sind Fragmente. Daß er in der Didache nicht erscheint, dürfte an der Absicht des Kompilators liegen, der kein komplettes Meßbuch abliefern wollte. Denn die Vorkommen des Einsetzungsberichts in den neutestamentlichen Texten weisen sehr deutlich auf eine bereits zu deren Abfassungszeit, also in der frühesten apostolischen Zeit, bestehende liturgische Praxis hin.

Berechtigterweise muß man aber fragen, was denn der Platz der Wandlungsworte in jener Urform der Agape-Eucharistie war, in der Brot und Kelch noch getrennt waren. Ferner, wie auf dem Weg von jener Agape-Eucharistie zur Meßfeier der Kirchenväterzeit (in Africa wohl schon im dritten Jht. vollzogen, in Ägypten und in der gleichfalls marcinischen Kirchenprovinz Agley [Aquileja] teils bis ins 4. oder gar 5. Jht. verzögert) die Anaphoren zusammengefügt und umgestaltet wurden. Das sind spannende Fragen. Fertige Antworten habe ich nicht. Zumindest aber scheint mir recht deutlich zu sein, daß die Einsetzungsbericht seinen heutigen Platz mit der Zusammenfassung der eucharistischen Gestalten im Ablauf der ganzen Feier bekam. Aber vorher?

Ich schlafe jetzt mal drüber. Vielleicht wird mir eine Eingebung zuteil. Falls ja, werde ich’s berichten. Ansonsten ist noch über die Traditio apostolica zu reden. Davon auch später mehr.
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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Robert, was hat Dich eigentlich daran gehindert, katholische Theologie zu studieren, zu promovieren und anschließend noch zu habilitieren? Mit Deinem Fachwissen machst Du jedenfalls einigen Theologen etwas vor, selbst jenen mit einem "Doktor" vor ihrem Namen. Respekt!

Prof. Dr. theol. habil. Robert Ketelhohn würde nicht schlecht klingen... :)

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holzi
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Beitrag von holzi »

Marcus hat geschrieben:Robert, was hat Dich eigentlich daran gehindert, katholische Theologie zu studieren, zu promovieren und anschließend noch zu habilitieren? Mit Deinem Fachwissen machst Du jedenfalls einigen Theologen etwas vor, selbst jenen mit einem "Doktor" vor ihrem Namen. Respekt!

Prof. Dr. theol. habil. Robert Ketelhohn würde nicht schlecht klingen... :)
Glaubst du, ein deutscher Professor lässt jemanden was werden, der evtl. klüger sein könnte als er selber? Und erst recht kein Theologe! Die würden unserem Robert das schon beizeiten austreiben! :mrgreen:

ieromonach
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Beitrag von ieromonach »

Li,eber Marcus,
Robert K. schrieb "kein berufsmäßiger Theologe". Also könnte er doch Theologie studiert haben, Dr. theol., vielleicht sogar mit Habilitation? ---- Robert K. geht s e i n e n Weg.
Da sollten wir nicht viel Fragen stellen.
Discretio ist im Leben von Christen sehr wichtig. Lieber Marcus, guck einmal in die Website von Robert K. und wirst staunen. :jump:

--------------

Im übrigen, Robert K. lebt in/bei Berlin und doch bei all seiner Klugheit: "Janz Balien is eene Wolke, nur ICKE bin z u seen" Det muß mal jesacht sein. :mrgreen:

Theodoros, homo simpl. (Semper aliquid haeret.)

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