Das Leben Jesu nach der Heiligen Schrift

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Lutheraner
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Das Leben Jesu nach der Heiligen Schrift

Beitrag von Lutheraner »

Bernado hat geschrieben:Wie die Wahl ausgerechnet Joseph Ratzingers zum Papst vor inzwischen auch schon 5 Jahren gezeigt hat, spielt diese nicht mehr protestantisierende, sondern protestantisierte Richtung für die Zukunft der katholischen Kirche jedoch keine Rolle mehr.
Ich finde Joseph Ratzinger ziemlich protestantisch. Welcher Papst vor ihm hätte ein Jesus-Buch so streng nach dem sola scriptura-Prinzip geschrieben?
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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Niels
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Niels »

Lutheraner hat geschrieben:Welcher Papst vor ihm hätte ein Jesus-Buch so streng nach dem sola scriptura-Prinzip geschrieben?
Das ist schwerlich zu beantworten. Er ist ja überhaupt der erste Papst, der ein Jesus-Buch verfasst hat...
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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Marcus
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Marcus »

Lutheraner hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:Wie die Wahl ausgerechnet Joseph Ratzingers zum Papst vor inzwischen auch schon 5 Jahren gezeigt hat, spielt diese nicht mehr protestantisierende, sondern protestantisierte Richtung für die Zukunft der katholischen Kirche jedoch keine Rolle mehr.
Ich finde Joseph Ratzinger ziemlich protestantisch. Welcher Papst vor ihm hätte ein Jesus-Buch so streng nach dem sola scriptura-Prinzip geschrieben?
Solo-scripturamäßig ist es schon, aber die Evangelien sind nun einmal die ältesten und zuverlässigsten Quellen, die beim Verfassen eines Buches über Jesus von Nazareth herangezogen werden können.
Jesus spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh. 14,6)

Allons
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Allons »

Niels hat geschrieben:Er ist ja überhaupt der erste Papst, der ein Jesus-Buch verfasst hat...
Tja, ein von mir sehr geschätzter Tutor sagte mal: "Die Leute reden immer am liebsten von dem was sie nicht haben". Aber ich will hier einer analogen oder direkten Anwendung dieses Satzes nicht das Wort reden. :breitgrins:

Wochenendeeeeeeee! :klatsch:

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Lutheraner
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Lutheraner »

Marcus hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:Wie die Wahl ausgerechnet Joseph Ratzingers zum Papst vor inzwischen auch schon 5 Jahren gezeigt hat, spielt diese nicht mehr protestantisierende, sondern protestantisierte Richtung für die Zukunft der katholischen Kirche jedoch keine Rolle mehr.
Ich finde Joseph Ratzinger ziemlich protestantisch. Welcher Papst vor ihm hätte ein Jesus-Buch so streng nach dem sola scriptura-Prinzip geschrieben?
Solo-scripturamäßig ist es schon, aber die Evangelien sind nun einmal die ältesten und zuverlässigsten Quellen, die beim Verfassen eines Buches über Jesus von Nazareth herangezogen werden können.
Sicherlich, aber es hätte niemanden verwundert, wenn er als Katholik auch die kirchliche Tradition und apokryphe Evangelien als weitere Quelle herangezogen hätte. Er hat sich bewußt allein auf die vier Evangelien beschränkt. Ich denke, vor 50 Jahren hätte ein Katholik damit riskiert als Protestant beschimpft zu werden.
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ad-fontes
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von ad-fontes »

Lutheraner hat geschrieben: Sicherlich, aber es hätte niemanden verwundert, wenn er als Katholik auch die kirchliche Tradition und apokryphe Evangelien als weitere Quelle herangezogen hätte. Er hat sich bewußt allein auf die vier Evangelien beschränkt. Ich denke, vor 50 Jahren hätte ein Katholik damit riskiert als Protestant beschimpft zu werden.
Meinst du das wirklich? :hae?:
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Johaennschen
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Johaennschen »

Nicht gleich an die Gnosis o. ä. denken, lieber ad-fontes.
Ochs und Esel in der Grotte, Jesus große Brüder aus Josephs erster Ehe usw. usf.
Alles nicht im Kanon aber Teil der Überlieferung.
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Bernado
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Bernado »

Johaennschen hat geschrieben:Nicht gleich an die Gnosis o. ä. denken, lieber ad-fontes.
Ochs und Esel in der Grotte, Jesus große Brüder aus Josephs erster Ehe usw. usf.
Alles nicht im Kanon aber Teil der Überlieferung.
Neeneenee. Ochs und Esel kommen wahrscheinlich noch vor, wenn der Band über Kindheit und Passion erscheint - schließlich spielen die eine wichtige Rolle in Jesaia 1.3: "Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt's nicht, und mein Volk vernimmt's nicht." Und wa die großen Brüder aus einer ersten Ehe Josephs betrifft, so kommen die in der katholischen Überlieferung nicht vor.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

Johaennschen
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Johaennschen »

Ach so, dachte das mit Ochs und Esel stünde im Jakobusevangelium oder so, wo auch die drei Magier benannt werden. Und daß Joseph ein Witwer war, ist das evangelisch? Weihnachten ist schon so lange her, hab den Text schon nicht mehr im Kopf (gibt ja auch schon Ostersüßkram im Supermarkt). :breitgrins: Ich dachte hier auch, daß das noch irgendwo explizit ausgebreitet wurde, daß er Söhne aus erster Ehe mitgebracht hat (patchwork und so). Zusammen mit der Geschichte von Joachim und Anna vielleicht?
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Clemens
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Clemens »

Soweit ich weiß, war es so (bitte die mangelhafte Graphik zu entschuldigen) - mit einem bisschen Hineindenken klappt es sicher!
Die Sternchen (*) bedeuten gar nichts - aber weil der Kreuzgang aufeinanderfolgende Leerstellen immer löscht, musste ich etwas einsetzen, damit die Graphik einigermaßen funktioniert!

Hegesippus, lt.Euseb, hist.eccl.III,11.20.32

┌ Josef, Zimmermann Nazareth,oo I NN; oo II Maria, die Mutter Jesu
│ I├ Jakobus, der Gerechte, der Herrenbruder, 1.Bischof v.Jerusalem, +Martyrium um 62 (Jos.Ant.XX,9,1)
│****└ Judas
│*******└ NN
│***********└ (mehrere Enkel), lebten zur Zeit Domitians und Trajans (98-117 n.Chr.), nach anderer Quelle hießen sie Jakob und Zoker.

└ Klopas (Lk.24,18; Joh.19,25) oo Maria
****└ Symeon, 2.Bischof v.Jerusalem, +Martyrium z.Zt.Trajans (120 J.)


Iulius Africanus, lt.Euseb, hist.eccl. I,7

***********Josef oo Maria, Mutter Jesu
************** │
************** II ****** I
******Jakob oo NN oo Heli, kinderlos
********│ ****************│
******** I ************* II
Matthan oo Estha oo Melchi
**** | ********************* |
Salomo **************** Nathan
└──────────┬──────────┘
(Mt.1) David (Lk.3)



Das Protevangelium Jakobi (nach 150)

Joachim, Schafhirt oo Anna (5,2)
└ Maria, aus dem Stamm Davids (10,1) oo Joseph (aus dessen erster Ehe: Jakobus)
*** │(16jährig, 12,3)
*** └ Jesus


Die altkirchliche Tradition legte Num 36,8f. so aus, daß grundsätzlich nur Ehen zwischen Angehörigen des gleichen Stammes geschlossen werden durften. So wird begründet, daß Maria und Anna jeweils aus dem Stamm Juda sein mußten, da ihre Männer als gesetzestreue Israeliten niemals diese Bestimmung übertreten hätten.
(Euseb HE.I,7,17; Prot.Jac., u.a.)


Späte Erklärungsversuche bzw.Legenden:

Hieronymus (340/50-420) nahm zwei gleichnamige Schwestern an, verwarf die Auffassung, die Geschwister Jesu seien aus einer anderen Ehe Josephs geboren und vertrat die "Vettern-These".

┌ Maria
│ * └ Jesus
└ Maria
**** └ die "Brüder" Jesu


Epiphanius, "Der Festgeankerte" 60, GCS 25,70f. (lt.Heuser, S.234):

Josef
├ Jakobus, Joses, Judas, Simon
├ Anna
└ Salome


"Geschichte Josephs des Zimmermanns" 1-11, (um 400)

Joseph +(111 J.), oo I (mit 40 J.) NN (Salome?) +(89 J.); oo II (mit über 90 J.)
Maria
I ├ Lysia, oo NN
* ├ Lydia, oo NN
* ├ Josefos/Josetos, oo NN
* ├ Simon, oo NN
* └ Jakobus d.Kleine



Aus der ostkirchlichen Liturgie

***************Jesus ********************* Johannes d.Täufer
****************│ ********************************│
******** Maria oo Josef *** Salome * Elisabeth oo Zacharias
***********│ ********** │* Hebamme ****** │
***********│ ********** │ **********│ ********** │
Joachim oo Anna * Jakob * Maria ** Sobe
a.d.H. ***└───┬┴────┴────┘
Davids ******** │
******* Matthan oo Maria
************** | ********* |
********** Salomo ****Juda

Synaxarion vom 8.September (Fest der Geburt Marias)
(Lothar Heiser: Maria in der Christus-Verkündigung des orthodoxen Kirchenjahres, Trier 1981, S.76f.)
Von allen Gottesgaben ist die Intelligenz am gerechtesten verteilt. Jeder ist zufrieden mit dem, was er hat und freut sich sogar, dass er mehr hat, als die anderen.

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Bernado
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Bernado »

Clemens hat geschrieben:Soweit ich weiß, war es so (bitte die mangelhafte Graphik zu entschuldigen) - mit einem bisschen Hineindenken klappt es sicher!
Die Sternchen (*) bedeuten gar nichts - aber weil der Kreuzgang aufeinanderfolgende Leerstellen immer löscht, musste ich etwas einsetzen, damit die Graphik einigermaßen funktioniert!
}Leider funktioniert sie nicht - wenigstens nicht so, daß ich sie nachvollziehen könnte, ohne seekrank zu werden.

Über den Familienstand Josephs ist in der hl. Schrift nichts gesagt. Seine Bezeichnung als "tugendhaft" kann sowohl auf einen Witwer hindeuten als auch auf einen jüngeren Mann. In frühen Überlieferungen und in der Kunst des 1. Jahrtausends wird Joseph eher als jüngerer Mann angesehen - später sieht man ihn eher als Opa, wohl um der "Josephsehe" mehr Plausibilität zu verleihen.

Dabei muß man allerdings bedenken, daß Joseph mit Martia "verlobt" war - und diese Verlobung bedeutete bei Judens vor 2000 Jahren mehr als eine Verlobung bei uns vor 50 Jahren. Sie hatte klar definierte Rechtsfolgen für die Beteiligten und stellte verbindliche Bande zwischen den beteiligten Familien her. Es war, wenn ich Gelesenes recht erinnere, nicht ausgeschlossen, daß eine Verbindung in diesem Zustand verblieb und nicht durch eine vollgültige Verheiratung weiterentwickelt wurde - wobei eben nur diese das Recht zum ehelichen Verkehr verlieh.
Hieronymus (340/50-420) nahm zwei gleichnamige Schwestern an, verwarf die Auffassung, die Geschwister Jesu seien aus einer anderen Ehe Josephs geboren und vertrat die "Vettern-These".[/quote}

Die Vettern-These gilt orthodox-katholischerseits immer noch als die wahrscheinlichste, sie wird auch durch die Kenntnis des Familiensystems in den älteren Kulturen des vorderen Orients, die auch heute noch so ähnlich besteht, gestützt. Diese Familie ist im Prinzip so strukturiert, daß die Brüder und Schwestern der Eltern samt ihren Ehepartnern eine große (oft auch ganz oder teilweise zusammenwohnende) Gruppe bilden, deren Kinder als (nicht gleichrangige, hier zählt die Rangfolge der Väter) Brüder und Schwestern gelten.

Von daher erklärt sich z.B. auch, daß der 12-jährige Jesus nach der Wallfahrt zum Tempel erst so spät als vermißt auffiel: Der war nicht bei seinen Eltern (die ihrerseits ja auch nicht als exklusive Zweiergruppe, sondern jeweils in einer großen Frauen- und einer Männergruppe reisten), sondern noch im Kids-Pool, der aus vielleicht zwei Dutzend oder mehr Kindern vor der Pubertät bestand. Ein solcher Pool wurde nicht notwendigerweise schon am ersten Abend auseinandersortiert, und gefuttert wurde da, wo es am besten roch. Erst wenn der Sohn, der einzige zumal, auch am zweiten Tag von keinem Elternteil gesichtet worden war, fing man an, zu suchen, ob er vielleicht in einem anderen Pool abgetaucht war. Ein Grund zu besonderer Beunruhigung war das nicht. Irgendwie verwandt waren die Erwachsenen einer solchen Wallfahrtsgruppe allesamt, und alle Erwachsenen waren prinzipiell bereit, beliebige Kinder aus der Gruppe wie die eigenen zu behandeln (solange es nicht aufwendig wurde), und alle Kinder konnten auch alle Erwachsenen auf die klassischen Eltendienstleistungen (ich hab mir das Knie aufgerissen, ich muß mal ...) ansprechen.

"Gefühlt" hatte der kleine Jesus also vielleicht ein Dutzend oder mehr Brüder und ebenso viele Schwestern. Die wurden soweit ich weiß auch im Alltag alle als Brüder und Schwestern angesprochen, wenigstens soweit ein Elternteil Bruder oder Schwester eines eigenen Elters war, und erst wenn es ums Erben oder ums Heiraten ging, wurde man präzise. Soweit in der Schrift Brüder Jesu erwähnt sind, bedeutet das also weder für Joseph und erst recht nicht für Maria, daß es deren leibliche Nachkommen gewesen wären.
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Clemens
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Clemens »

So schnell wirst du seekrank? :pfeif:

Denk dir einfach die Sternchen weg und dann müsste der logische Zusammenhang einem gescheiten Menschen (wie dir) eigentlich einleuchten.

Danke für deine interessanten Einblicke in den Orient. Hast du dafür einen zitierfähigen Literaturbeleg?
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Bernado
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Bernado »

Clemens hat geschrieben:So schnell wirst du seekrank? :pfeif:

Denk dir einfach die Sternchen weg und dann müsste der logische Zusammenhang einem gescheiten Menschen (wie dir) eigentlich einleuchten.

Danke für deine interessanten Einblicke in den Orient. Hast du dafür einen zitierfähigen Literaturbeleg?
Was heißt schon zitierfähig? An der Uni machen Sie dich dafür einen Kopf kürzer:

Franz Michel Willam: Das Leben Marias, der Mutter Jesu, Freiburg 1936, und
Ders.: Das Leben Jesu im Lande und Volke Israel, Freiburg 1932

Willam war schriftstellernder Priester, der in den 20er Jahren das hl. Land bereiste und dabei feststellte: Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Er hat sich dann noch etwas intensiver (nicht wirklich wissenschaftlich) mit der Geschichte des Alltagslebens im Orien befasst, und dann hat er das Leben Jesu und Mariä so beschrieben, wie es a) im neuen Testament steht und er es b) an Ort und Stelle gesehen (und sogar photographiert) hat. Das ist punktuell möglicherweise ein klein wenig naiv geraten, aber wirklich nur punktuell.

Josef Ratzinger, in Hinblick auf Literaturnennungen eher zurückhaltend, stellt im Vorwort seines Jesusbuchs (S. 10) Willam in den besten denkbaren Zusamenhang:
"In meiner Jugendzeit, in den 30er und 40er Jahren - hatte es eine Reihe begeisternder Jesus-Bücher gegeben: von Karl Adam, Romano Guardini, Franz Michel Willam, Giovanni Papini, Daniel Rops - um nur einige Namen zu nennen." (...) Seit den 50er Jahren änderte sich die Situation. Der Riss zwischen dem "historischen Jesus" und dem "Christus des Glaubens" wurde immer tiefer, beides brach zusehends auseinander."
Willam selbst hat unter diesem Bruch schwer gelitten: Seine nach dem Krieg erschienen Bücher versuchen, sich dem Zeitgeist anzupassen, auch die Neuauflagen seiner Alten wurden auf ungute Weise "aktualisiert". Man muß also zu den Vorkriegsausgaben greifen, die im Antiquariatshandel günstig zu bekommen sind.

Zumindest für Katholiken besonders leicht und liebenswürdig zu lesen ist sein Buch über Maria, die Frau aus dem Volke, wie er ihr auf seinen Reisen hundertfach begegnet ist.

Daraus ein paar Bilder:

Palästinenserfrau mit Töchtern beim Brotbacken. Im Hintergrund Büscheln mit den "Gräsern", die am Tage wachsen, um alsbald zu verdorren und zum Verbrennen gesammelt zu werden:
Bild

Eingang zu einer Höhle bei Bethlehem, die zur Zeit von Willams Besuch als Stall genutzt wurde, gelegentlich aber auch als "Gästezimmer", wenn zuviele Verwandte zu einer Hochzeit angereist waren:
Bild

Mit Futter eingestreute Krippe aus einem der Höhlenställe bei Bethlehem:
Bild

Ähnliche Krippe in einem anderen Stall, weihnachtlich dekoriert mit einem ausgeliehenen Kind:
Bild
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Johaennschen
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Johaennschen »

Faszinierend!
Danke Euch beiden!
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Bernado
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Bernado »

Vielleicht verpflanzt ein Moderator ja die letzten Beiträge in einen eigenen Thread im Scriptorium - "Leben Jesu nach der Heiligen Schrift" oder so ähnlich. Etwa ab Freitag, 23:43. Dann würde ich noch ein wenig aus Willam nachlegen - der ist wirklich fazinierend.
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ad-fontes
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von ad-fontes »

Johaennschen hat geschrieben:Faszinierend!
Danke Euch beiden!
Mit schließe ich mich gerne an!
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Lioba
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Das Leben Jesu nach der heiligen Schrift

Beitrag von Lioba »

Legt los , Leute, das Thema ist wirklich interessant!
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
M. v. Ebner- Eschenbach

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Bernado
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Bernado »

Lutheraner hat geschrieben:Sicherlich, aber es hätte niemanden verwundert, wenn er als Katholik auch die kirchliche Tradition und apokryphe Evangelien als weitere Quelle herangezogen hätte. Er hat sich bewußt allein auf die vier Evangelien beschränkt. Ich denke, vor 50 Jahren hätte ein Katholik damit riskiert als Protestant beschimpft zu werden.
Das ist so übrigens auch nicht richtig. Er geht an 4 Stellen auf apokryphe Schriften ein - einmal nutzt er ihre Aussage, dreimal weist er sie als unerheblich zurück. Und natürlich greift er sehr intensiv auf die Väterschriften zurück. Also auf den Kernbestand der Tradition. Und vor allem demonstriert er meisterhaft die Methode der "kanonischen Lektüre", die nicht versucht, bei jedem Wort noch weiter in die Tiefe zu gehen, ob nicht vielleicht ein anderes Wort da stehen oder gemeint sein sollte - sondern die jeden Satz in den Zusammenhang zu möglichst vielen anderen Sätzen aus der Gesamtheit der heiligen Schrift stellt.

Joseph Ratzinger will ja gerade keine Jesus-Biographie als Abhandlung über den historischen Jesus schreiben - so wie das ja schon oft genug und mit ansehnlichen Erfolgen gemacht worden ist, unter anderem von den in seinem Vorwort genannten Autoren. Sein "Gegenstand" ist "Jesus aus dem Hause Davids, der von den Propheten verheißene Christus, nach eigenem Zeugnis Gottes Sohn" - oder ganz klassisch in der Formel "Jesus Christus Gottes Sohn Erlöser". Es geht um Theologie, nicht um Historie. Deshlab schrumpfen ja zum großen Leidwesen der entsprechenden Professorenschaft alls die Finessen der historisch-kritischen Methode bei dem Buch des Papstes auf Randbemerkungen zusammen, die zwar auf unterer Ebene eine begrenzte Bedeutung haben - aber doch nicht für das Gespräch unter ernsthaften Leuten.

Aber gerade deshalb ist so reizvoll, den Ratzinger-Jesus neben einer so konkret-lebensvollen (und dabei keinesfalls theologie-fernen) Darstellung wie der von Willam zu lesen. Das greift ineinander wie ein Paar Zahnräder. Dazu im nächsten Posting mehr.
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Bernado
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Re: Das Leben Jesu nach der heiligen Schrift

Beitrag von Bernado »

Weiter also mit der Photoberichterstattung über das Leben Mariens, der Mutter Jesu, mitgeteilt von Franz Michel Willam.

Die Photos bei Willam sind übrigens nicht von ihm selbst, sondern von einem gewissen C. Raad aus Jerusalem, der hoffentlich nichts dagegen hat, hier der Vergessenheit entrissen zu werden.

Willam, der ziemlich am Anfang des Visuellen Zeitalters steht, scheint übrigens gewußt oder zumindest geahnt zu haben, daß die meisten Leute erst dann sehen, was auf Bildern zu sehen ist, wenn man es ihnen sagt - deshalb hat er jedem Bild eine Beschreibung beigegeben, die es in sich hat. Hier zunächst C. Raads Bild vom städtischen Brunnen in Nazareth, Neunzehnhundertpaarundzwanzig:
Bild
Willam schreibt dazu (Leben Marias, S. 280):
Fr. M. Willam hat geschrieben:Nazareth besitzt eine Quelle "lebendigen", also rinnenden Wassers. Diese Quelle war ursprünglich wohl der Anlaß, daß gerade hier eine Siedlung entstand. In der Sommerzeit holt man das Wassser nach Möglichkeit des Morgens früh, solange die Hitze noch nicht allzu drückend ist. Um diese Stunden herum wird die Quelledaher besonders stark in Anspruch genommen. Auf dem Bilde ist so ziemlich alles zu sehen, was beim Brunnen zusammentrifft. Vorne steht ein kleines Mädchen mit einem Korb Wäsche auf dem Kopf, man sieht gut, wie die Last auf einem Tuchring aufruht. Die Kleine neben ihr hat die Benzinkanne (die Benzinkanne verdrängt jetzt die alten schönen Krüge) vom Kopf gehoben und hält sie in der Hand. Der Ring, auf den sie bei der Heimkehr die volle Kanne stellen wird, sitzt wie eine Kappe auf ihren Haaren. Mehr gegen den Brunnen zu ist eine Frau eben im Begriffe, den bauchigen Krug vom Kopfe herabzunehmen. Noch näher zum Brunnen steht eine Frau, die ein großes Bündel Wäsche auf dem Kopfe trägt. Neben ihr wartet ein Esel. Er trägt zu beiden Seiten ein Gestell, das die Wasserkrüge aufnimmt, mit denen er zum Brunnen herkam. Unmittelbar beim Brunnen harren die Leute dicht nebeneinander, um gleich nachzurücken, sobald ein Platz frei wird.

Der Brunnen ist auch der Sammelplatz der Jugend. Ein kleiner Knirps steht auf der Mauer. Einen noch kleineren hat die Mutter links auf die Mauer gesetzt. Er schaut nun in die Brunnennische hinein und hat nur den einen Wunsch, daß die Mutter bald komme.. So hat wohl der kleine Jesus einstens an dieser Quelle auf seine Mutter geharrt. Die Gassenbuben haben den Mauerbogen über der Brunnenische besetzt. Sie wissen, daß man sie photographiert, und geben sich zum Teil eine Stellung, mit der sie einen guten Eindruck zu machen hoffen. einer hat aber die Kappe schräg aufgesetzt und schreit dem Photographen zu. Das Photographieren gehört zwar der neuen Zeit an. Aber solches Gassenvolk trieb sich auch in jenen Tagen, wo Jesus mit maria zum Brunnen kam, so gut wie heute dort herum. Und Maria, diese stille Frau, die niemandem etwas zu Leide tat, und Jesus, der eingezogene ernste Knabe, haben sicher unter dem Spott solcher halberwachsener Burschen zu leiden gehabt.
Dann ein unlokalisiertes Bild aus der gleichen Zeit und vom gleichen Photographen, gleiches Buch S. 240; Frauen an der Handmühle:
Bild
Fr. M. Willam hat geschrieben:Auf diesem Bild verdient das Frauenpaar, das am Boden sitzt, besondere Aufmerksamkeit. Die zwei Frauen sitzen bei der Handmühle. Die Handmühle besteht aus einem Unterstein und einem Oberstein. Der Unterstein ist bauchig geform und hat eine Mulde, die das gemahlene Mehl beim Austritt aus den Fugen sammelt. Der Oberstein dreht sich in einer Spindel.Mittels eines Hoilzgriffes, der seitlich eingelassen ist, wird er in Bewegung gesetzt. Während die eine Frau dies besorgt, schüttet die andere von Zeit zu Zeit aus dem Korbe vor sich ungemahlene Körner durch das Spindelloch nach. Manchmal mahlen zwei Frauen zusammen auch so, daß die eine der anderen den Griff zudreht.

Das Mahlen mit einer solchen Handmühle schwebte Jesus vor Augen, als er im Hinblick auf sein Kommen zum Gericht sprach: Zwei Frauen werden alsdann an ein und derselben Mühle mahlen, die eine von ihnen wird aufgenommen, die andere zurückgelassen werden (Matth. 24.41).

Links ist eine Frau zu sehen, die einen Krug, rechts eine, die einen Korb auf dem Kopf trägt. Die Kleider der Frauen sind an den Ärmeln und auf der Brust mit Stickereien verziert. Maria hatte als die Mutter eines armen Haushaltes das Mehl wohl auch selbst zu mahlen, sei es, daß sie es allein tat, sei es, daß eine Nachbarin sich mit ihr zusammensetzte. In der heißen Sommerszeit stehen die Frauen um drei Uhr früh schon auf, um diese anstrengende Arnbeit in den kühlen Stunden zu erledigen.
Anzumerken ist hier nur noch, daß eine Nachbarin in aller Regel auch eine Verwandte, meistens eine der bewußten "Schwestern" im weiteren Sinne war, die ihre Häuser und gegebenenfalls Werkstätten (Josef!) um einen gemeinsamen Hof hatten.

Was mir dann noch auf diesen Bildern auffällt, ist, daß die Frauen durchgängig nicht das über der Brust geschlossene Kopftuch tragen das wir heute aus moslemischen Ländern, auch aus Palästina, kennen, sondern den vorne offenen Schleier, den alle Muttergottes-Bilder zeigen, und mehr oder weniger abgewandelt, auch viele traditionelle Nonnenhabits. Außerdem sehe ich keine Männer, die drohen, den Photographen zu verprügeln.
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Clemens
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Re: Bischöfinnen und die apostolische Sukzession

Beitrag von Clemens »

Ich sehe gerade, dass ich beim Sternchen verteilen einen Fehler gemacht habe, denn ich hiermit korrigiere. Judas war natürlich der Bruder, nicht Sohn, des Jakobus.
Vielleicht kann ein Mod das auch im Original verbessern, damit niemand zum Irrtum verführt werde?
Clemens hat geschrieben: Hegesippus, lt.Euseb, hist.eccl.III,11.20.32

┌ Josef, Zimmermann Nazareth,oo I NN; oo II Maria, die Mutter Jesu
│ I├ Jakobus, der Gerechte, der Herrenbruder, 1.Bischof v.Jerusalem, +Martyrium um 62 (Jos.Ant.XX,9,1)
│**└ Judas
│*****└ NN
│*********└ (mehrere Enkel), lebten zur Zeit Domitians und Trajans (98-117 n.Chr.), nach anderer Quelle hießen sie Jakob und Zoker.

└ Klopas (Lk.24,18; Joh.19,25) oo Maria
****└ Symeon, 2.Bischof v.Jerusalem, +Martyrium z.Zt.Trajans (120 J.)
Von allen Gottesgaben ist die Intelligenz am gerechtesten verteilt. Jeder ist zufrieden mit dem, was er hat und freut sich sogar, dass er mehr hat, als die anderen.

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Sempre
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Re: Das Leben Jesu nach der Heiligen Schrift

Beitrag von Sempre »

@Clemens:
Wenn Du Deine "Graphik" zwischen

Code: Alles auswählen

 ... [[i]/[/i]code][/b] setzt, brauchst Du keine Sternchen und alle Buchstaben erscheinen gleich breit.[/size]
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

Stephen Dedalus
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Re: Das Leben Jesu nach der Heiligen Schrift

Beitrag von Stephen Dedalus »

Lutheraner hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:Wie die Wahl ausgerechnet Joseph Ratzingers zum Papst vor inzwischen auch schon 5 Jahren gezeigt hat, spielt diese nicht mehr protestantisierende, sondern protestantisierte Richtung für die Zukunft der katholischen Kirche jedoch keine Rolle mehr.
Ich finde Joseph Ratzinger ziemlich protestantisch. Welcher Papst vor ihm hätte ein Jesus-Buch so streng nach dem sola scriptura-Prinzip geschrieben?
Keiner. Er selbst ja auch nicht.
If only closed minds came with closed mouths.

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