Semipelagianismus

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Benutzeravatar
ad-fontes
Beiträge: 9523
Registriert: Sonntag 28. Juni 2009, 12:34

Semipelagianismus

Beitrag von ad-fontes »

Bernado hat geschrieben:
Berolinensis hat geschrieben:Das wäre ja nun wirklich äußerst verquer. Daß einem vielleicht mal in einer konkreten Situation so ein Gedanke kommt, kann ich mir ja vorstellen, aber daß das zum Prinzip des Handelns gemacht wird? Wirklich nicht.
Mein eindruck ist der, daß das zwar keine ausgearbeitete und durchdachte Strategie ist, aber im Hinterkopf immer mitschwingt: Warum sollen wir die Leute mit der vollen Härte des Gesetzes belästigen, der sie doch nicht gerecht werden können.

Passt gut in den Gesamtbefund der (semi-)pelagianistischen Tendenzen. Und in die Unfähigkeit, sich das Leben des Christen als Kampf vorzustellen: Im Widerstand gegen das Böse, gegen die Umwelt, soweit vom Bösen beherrscht, gegen sich selbst, soweit von der Erbsünde (was'n das schon wieder?) makuliert.
Der Feststellung dieser Tendenzen stimme ich vollauf zu. Allerdings habe ich Verständnisschwierigkeiten bei der Beschreibung ebenderselben als "semipelagianisch".

Als Movens der "Frohbotschafts- statt Drohbotschaftsverkünder" sehe ich eher die Allerversöhnungslehre.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Benutzeravatar
Gamaliel
Beiträge: 8609
Registriert: Donnerstag 22. Januar 2009, 07:32

Re: Semipelagianismus

Beitrag von Gamaliel »

@ad-fontes

Ähm, Du meinst Allerlösungslehre, oder?

Benutzeravatar
ad-fontes
Beiträge: 9523
Registriert: Sonntag 28. Juni 2009, 12:34

Re: Semipelagianismus

Beitrag von ad-fontes »

Gamaliel hat geschrieben:@ad-fontes

Ähm, Du meinst Allerlösungslehre, oder?
Ja, genau die.

Beim Pelagianismus sehe ich zwar die Tendenz zur Selbsterlösung und Heilsgewißheit durch gute Werke, aber doch ebenso stark die Betonung des Lebens als Kampf und Bewährungsphase des Christen (was ja einander bedingt).
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Benutzeravatar
incarnata
Beiträge: 2047
Registriert: Mittwoch 8. November 2006, 01:11

Re: Semipelagianismus

Beitrag von incarnata »

Zu dem Begriff gab´s schon mal einen ausführlichen Strang !Wenn ich ´ne Ahnung hätte,wie man so etwas hier sucht verlinkt würde ich´s tun !
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
Licht aus der Höhe.......(Lk1,76)

Benutzeravatar
ad-fontes
Beiträge: 9523
Registriert: Sonntag 28. Juni 2009, 12:34

Re: Semipelagianismus

Beitrag von ad-fontes »

Erst mit Fremdwörtern rumwerfen und dann drücken sich die Herrschaften _zz _zz
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Benutzeravatar
Bernado
Beiträge: 3961
Registriert: Sonntag 28. Juni 2009, 17:02
Wohnort: Berlin

Re: Semipelagianismus

Beitrag von Bernado »

Wo hat denn dieser (Teil)Strang die ganze Zeit gesteckt?
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

Benutzeravatar
ad-fontes
Beiträge: 9523
Registriert: Sonntag 28. Juni 2009, 12:34

Re: Semipelagianismus

Beitrag von ad-fontes »

Bernado hat geschrieben:Wo hat denn dieser (Teil)Strang die ganze Zeit gesteckt?
ImScriptorium. UndwasmeinenderHerrBernadozumThema?
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Benutzeravatar
Bernado
Beiträge: 3961
Registriert: Sonntag 28. Juni 2009, 17:02
Wohnort: Berlin

Re: Semipelagianismus

Beitrag von Bernado »

ad-fontes hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:
Berolinensis hat geschrieben:Das wäre ja nun wirklich äußerst verquer. Daß einem vielleicht mal in einer konkreten Situation so ein Gedanke kommt, kann ich mir ja vorstellen, aber daß das zum Prinzip des Handelns gemacht wird? Wirklich nicht.
Mein eindruck ist der, daß das zwar keine ausgearbeitete und durchdachte Strategie ist, aber im Hinterkopf immer mitschwingt: Warum sollen wir die Leute mit der vollen Härte des Gesetzes belästigen, der sie doch nicht gerecht werden können.

Passt gut in den Gesamtbefund der (semi-)pelagianistischen Tendenzen. Und in die Unfähigkeit, sich das Leben des Christen als Kampf vorzustellen: Im Widerstand gegen das Böse, gegen die Umwelt, soweit vom Bösen beherrscht, gegen sich selbst, soweit von der Erbsünde (was'n das schon wieder?) makuliert.
Der Feststellung dieser Tendenzen stimme ich vollauf zu. Allerdings habe ich Verständnisschwierigkeiten bei der Beschreibung ebenderselben als "semipelagianisch".

Als Movens der "Frohbotschafts- statt Drohbotschaftsverkünder" sehe ich eher die Allerversöhnungslehre.
Mein Gedankengang - den ich nicht unbedingt zur Aufnahme in die nächsten Lehrbücher vorschlagen möchte - war der:
In der Tradition des Pelagius stehend, neigen moderne Pastoraltheologen dazu, das "Tun" überzubewerten und den Anteil der dem Mensche gewährten Gnade am Erlösungswerk gering zu schätzen. Diagnose: Allgemeine Transzendenzschwäche. Bis in welche Extreme diese Überbewertung des Tuns führt, sieht man bei dem soeben veröffentlichten DBK-Papier über die Caritas, das die persönliche Beziehung zu Gott fast ganz durch die Hinwendung zum nächsten (möglichst in organisierter und bürokratisierter Art) ersetzt.

Andererseits haben sie aber auch keine besonders hohe Meinung von dem, was der Mensch leistern kann oder was Gott von ihm erwartet - auch das ordnet sich in den Befund der "Allgemeinen Transzendenzschwäche" ein, insbesondere auch in der Form, die Personalität Gottes und die Intensität seines Gnadenhandelns am einzelnen Menschen zu unterschätzen.

Und hier kommen nun in der Tat auf paradoxe Weise Allerlösungsgedanken hinein. Weil sie mit dem, was sich zwischen dem einzelnen Menschen und dem persönlichen, für jeden Einzelnen gestorbenen Gott abspielt oder abspielen sollte, nicht so recht etwas anfangen können, ersetzen sie das konkrete Gnadenhandeln und das darauf gerichtete/daraus hervorgehende Handeln des Menschen durch eine allgegenwärtige und allumfassende Gnadenwolke: wir sind schon erlöst und müssen uns nur noch zum Bewußtsein dessen emporschwingen. Womit man in der Tat Pelagius den Rücken kehrt und bei einem anderen Paradigma anlangt. Aber nicht, indem man dieses Denkschema der Allerlösung zum Ausgangspunkt hätte, sondern aus einem frustrierten Selbsterlösungsdenken heraus.

Widersprüchlich? Ich denke schon. Und möglicherweise liegt der Widerspruch auf meiner Seite. Aber andererseits: wer wollte behaupten, die klassischen oder modernistischen Härsierereien seienaus widerspruchsfreiem Denken hervorgegangen?
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

Benutzeravatar
ad-fontes
Beiträge: 9523
Registriert: Sonntag 28. Juni 2009, 12:34

Re: Semipelagianismus

Beitrag von ad-fontes »

Ja, das leuchtet mir ein; eine seltsame coincidentia oppositorum.
(In theologischen Fachbuchandlungen wimmelt es ja auch nur so von synkretistisch-esoterischen Lebens- und Meditationshilfen; überhaupt die ganze massenkompatible Fixierung auf immer die gleichen Gesichter: Anselm Grün, Notker Wolf, Papst Benedikt und Hans Küng :nein: .)
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Benutzeravatar
Niels
Beiträge: 24027
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 11:13

Re: Semipelagianismus

Beitrag von Niels »

ad-fontes hat geschrieben:Ja, das leuchtet mir ein; eine seltsame coincidentia oppositorum.
(In theologischen Fachbuchandlungen wimmelt es ja auch nur so von synkretistisch-esoterischen Lebens- und Meditationshilfen; überhaupt die ganze massenkompatible Fixierung auf immer die gleichen Gesichter: Anselm Grün, Notker Wolf, Papst Benedikt und Hans Küng :nein: .)
Den vorletzten Autor würde ich definitiv nicht dazuzählen... :nein:
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

Benutzeravatar
Gamaliel
Beiträge: 8609
Registriert: Donnerstag 22. Januar 2009, 07:32

Re: Semipelagianismus

Beitrag von Gamaliel »

Niels hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:Ja, das leuchtet mir ein; eine seltsame coincidentia oppositorum.
(In theologischen Fachbuchandlungen wimmelt es ja auch nur so von synkretistisch-esoterischen Lebens- und Meditationshilfen; überhaupt die ganze massenkompatible Fixierung auf immer die gleichen Gesichter: Anselm Grün, Notker Wolf, Papst Benedikt und Hans Küng :nein: .)
Den vorletzten Autor würde ich definitiv nicht dazuzählen... :nein:
Da schließe ich mich Niels an!

Benutzeravatar
Bernado
Beiträge: 3961
Registriert: Sonntag 28. Juni 2009, 17:02
Wohnort: Berlin

Re: Semipelagianismus

Beitrag von Bernado »

Gamaliel hat geschrieben:
Niels hat geschrieben:
ad-fontes hat geschrieben:Ja, das leuchtet mir ein; eine seltsame coincidentia oppositorum.
(In theologischen Fachbuchandlungen wimmelt es ja auch nur so von synkretistisch-esoterischen Lebens- und Meditationshilfen; überhaupt die ganze massenkompatible Fixierung auf immer die gleichen Gesichter: Anselm Grün, Notker Wolf, Papst Benedikt und Hans Küng :nein: .)
Den vorletzten Autor würde ich definitiv nicht dazuzählen... :nein:
Da schließe ich mich Niels an!
Zumal es ja auch sachlich gar nicht richtig ist - zumindest hier für Berlin nicht. Wenn ich nach der Zahl der auf den Empfehlungstischen ausgestellten Titel gehe, ist der Dalai Lama der Spitzenreiter, mit einigem Abstand gefolgt von Anselm Grün. Dann kommt Drevermann (da leichter lesbar), dann Küng, vielleicht gleichauf mit Notker Wolf. Und zwischendurch und kurz hinter dem Lama immer wieder Dan Brown. Papst Benedikt ist seit dem Jesus-Buch wieder weit zurückgefallen und taucht auf den Tischen nur noch vereinzelt auf. Man kann das bedauern - aber in der Gesellschaft würde ich ihn auch gar nicht so gerne sehen.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

Benutzeravatar
ad-fontes
Beiträge: 9523
Registriert: Sonntag 28. Juni 2009, 12:34

Re: Semipelagianismus

Beitrag von ad-fontes »

Aber es geht denen doch völlig der Aspekt der Verdienstlichkeit guter Werke ab (da ja eh jeder reinkommt). Also, vom ideellen Standpunkt aus betrachtet reines Gutmenschentum, gepaart mit Aktionismus (Tun um des Tuns willen).

Daß dafür der arme Pelagius erhalten muß, halte ich immer noch für "verbesserungsfähig":

Wie wär's mit "Latisten" oder "Spationisten"?
Mt 7, 13-14 hat geschrieben:intrate per angustam portam quia lata porta et spatiosa via quae ducit ad perditionem et multi sunt qui intrant per eam quam angusta porta et arta via quae ducit ad vitam et pauci sunt qui inveniunt eam
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

Johaennschen
Beiträge: 568
Registriert: Sonntag 23. September 2007, 00:08

Re: Semipelagianismus

Beitrag von Johaennschen »

ad-fontes hat geschrieben:Wie wär's mit "Latisten" oder "Spationisten"?
Mt 7, 13-14 hat geschrieben:intrate per angustam portam quia lata porta et spatiosa via quae ducit ad perditionem et multi sunt qui intrant per eam quam angusta porta et arta via quae ducit ad vitam et pauci sunt qui inveniunt eam
Gefällt mir.
Motto des (latinistischen) Latisten:
Via lata gradior
More juventutis,
Implicor et vitiis
Immemor virtutis,
Voluptatis avidus
Magis quam salutis,
Mortuus in anima
Curam gero cutis.
:breitgrins:
Es gibt keine Dummheit, an die der moderne Mensch nicht imstande wäre zu glauben, sofern er damit nur dem Glauben an Christus ausweicht.
Nicolás Gómez Dávila

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema