Ökumenische Soziallehre

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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cathol01
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Ökumenische Soziallehre

Beitrag von cathol01 »

Was spricht eigentlich noch gegen eine ökumenische Soziallehre? Sowohl methodisch wie auch inhaltlich lassen sich katholische und protestantische Sozialethik-Lehrbücher kaum noch unterscheiden. Die Themen sind weitestgehend konvergent. Die Polarisierung der 50er Jahre zwischen schöpfungstheologisch-naturrechtlichem und biblisch-offenbarungstheologischem Ansatz scheint heute so gut wie überwunden. Das katholische Lehramt hat die Entwicklung vom eher statischen naturrechtlichen denken zu einer dynamischen Sicht des Menschen offensichtlich mitvollzogen. Ist es nicht wichtig, dass die Christen v.a. bei sozialen Belangen mit einer Stimme sprechen? Haben ihre Argumente dann nicht mehr Durchschlagskraft? Einige gemeinsame Stellungnahmen im sozialethischen Bereich liegen ja auch bereits vor, z.B. die Stuttgarter Erklärung (zu Gerechtigkeit, Frieden, Schöpfungserhaltung) oder Dresdener Erklärung (1988), um nur die deutschen zu nennen. Schliesslich gibt es ja eine gemeinsame Legitimationsgrundlage: die Bibel (trotz unterschiedlicher Auslegungen); der Glaube an den Gott des AT und NT; ein biblisch begründetes Menschenbild (Abbild Gottes, Person) als Fixpunkt für ökumenische Sozialethik.
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

ich finde, man sollte erst einmal klären, mit welchen menschen die r-k kirche eine lehre aufbauen soll. weil die kombination mit r-k kirche und protestantismus ist ein bischen ungenau. genauer gesagt, musst du schon sagen, welche menschen alle zu den protestanten gehören, die die gleiche lehre wie die angehörigen der r-k kirche haben.

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Kordian, wie wäre es, wenn du nur zu den Themen posten würdest, von denen du etwas verstehst?
:kratz:
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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Ganz unrecht hat Kordian nicht.
Ich rege mich immer auf, wenn in den Medien von den "Zwei großen dt. Kirchen" gesprochen wird -- wen meinen die nur? :roll:

Die verschiedenen protestantischen Glaubensgemeinschaften haben teilweise untereinander so wenig gemeinsam, daß man sie kaum als "eine Kirche" bezeichnen kann; selbst dann, wenn sie zum EKD gehören.
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

Juergen hat geschrieben:
Die verschiedenen protestantischen Glaubensgemeinschaften haben teilweise untereinander so wenig gemeinsam, daß man sie kaum als "eine Kirche" bezeichnen kann; selbst dann, wenn sie zum EKD gehören.
Davon ganz zu schweigen, dass die protestantischen Kirchen weniger mit Luthers Lehren zu tun haben als die r-k Kirche.

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Juergen hat geschrieben:Ganz unrecht hat Kordian nicht.
Ich rege mich immer auf, wenn in den Medien von den "Zwei großen dt. Kirchen" gesprochen wird -- wen meinen die nur? :roll:

Die verschiedenen protestantischen Glaubensgemeinschaften haben teilweise untereinander so wenig gemeinsam, daß man sie kaum als "eine Kirche" bezeichnen kann; selbst dann, wenn sie zum EKD gehören.
Naja, in sozialethischen Fragen sind die Unterschiede zwischen den einzelnen protestantischen Kirchen nicht so gross. Suchen wir nicht das Haar in der Suppe. Es gibt doch aber so etwas wie eine "evangelische Soziallehre", oder nicht?
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

Benedikt

Beitrag von Benedikt »

Ja, ich bin für eine gemeinsame Soziallehre mit Calvinisten und amerikanischen Puritanern. Ein Schreck für jeden deutschen Sozialethiker. ;-) Kleine Kostprobe gefällig: www.acton.org

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Nachfolgend ein Text aus: Arno Anzenbacher: Christliche Sozialethik. Paderborn : Schöningh, 1998. (auch bei UTB erschienen).
  • Während das katholisch-soziale Denken in seiner Auseinandersetzung mit der sozialen Frage auf vormoderne Paradigmen zurückgriff (Neuscholastik, berufsständische Ordnung...), war das evangelissche der Moderne gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen.
    Die neuscholastische Orientierung am klassischen Naturrecht blieb der evangelischen Solzialethik weithin fremd. Das wirkte sich ambivalent aus: Einerseits konnte die evangelische Theorienentwicklung dadurch jenen Antimodernismus vermeiden, der die katholische in manchen Aspekten bis zur Ungleichzeitigkeit prägte. Andererseits neige das evangelisch-soziale Denken (etwa in seinen liberalen und kultorprotestantischen Ausprägungen) eher zur unkritischen Rezeption der modernen Entwicklungen.
  • Während der katholisch-kirchliche Zentralismus vor allem seit Rerum novarum tendenziell eine Einheitslinie der katholischen Soziallehre anstrebte, entwickelte sich die evangelische Soziallehre schon auf Grund ihres Kirchenverständnisses von Anfang an pluralistisch.
    Wir sahen allerdings, daß der Katholiszismus diese Einheitslinie vor 1945 nicht wirklich realisieren konnte. Aber schon in der Zwischenkriegszeit dominierte die Linie von Rerum novarum - PESCH-Schule - Quadragesimo anno. Zweifellos hatte diese größere Geschlossenheit der katholischen Soziallehre Vorteile; sie ermöglichte eine relativ effiziente Sozialverkündigung und bedeutende politische Relevanz. Dagegen begünstigte die offenere, plurtalistische evangelische Soziallehre den Diskurs und die Sensibilität gegenüber neuen Tendenzen.
  • Der ultramontanen Orientierung des Katholizismus stand bis 1918 in Deutschland die Tradition des landeskirchlichen bzw. landesherrlichen Kirchenregiments im reformatorischen Bereich gegenüber. Damit hing ein unterschiedliches Verhältnis von Kirche und Staat zusammen.
    Der romorientierte Katholizismus war eher bereit, gegenüber der Politik des konkreten Staates auf kritische Distanz zu gehen bzw. Widerstand zu leisten, wie das etwa im Kulturkampf der Fall war. Die evangelische Identität von Kirchen- und Staatsregiment band die Kirche tendenziell stärker an den Staat und seine Politik.
In der Genese der evangelischen Sozialethik wurden vor allem drei Ansätze maßgebend: der liberale, der christologische und der ordnungstheologische. Eine gewisse Rolle spielte in der Zwischenkriegszeit auch der religiöse Sozialismus (z.B. Paul TILLICH), der eine Vebindung von Sozialismus und Christentum forderte.

....
Später vielleicht mehr :roll:
Gruß Jürgen

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Benedikt

Beitrag von Benedikt »

Jürgen, dieser Artikel ist sehr deutschlandlastig. Dass die katholische Sozialethik noch nie uniform war (und es immer noch nicht ist), legt zum Beispiel dieser kurze Lexikonausschnitt dar:
Ideen einer ständischen Ordnung, die in der christlichen Soziallehre bereits K. von Vogelsang, F. M. Schindler und Alfred von Liechtenstein vertraten, wurden um 1930 von jüngeren christlichsozialen Politikern und Vertretern der Heimwehr wiederaufgenommen. Theoretische Grundlage wurde die Enzyklika "Quadragesimo anno" (1931) von Papst Pius XI., in der dieser die Katholiken aufrief, "aus einer Auseinandersetzung der Klassen zur einmütigen Zusammenarbeit der Stände" zu gelangen. Theoretiker in Österreich war vor allem O. Spann.
Die Idee eines Ständestaats gab es meines Wissens in Deutschland nie. Und auch aus den USA kamen oft andere Impulse. Es stimmt natürlich, dass die deutsche Sozialethik relativ uniform ist, aber in der Weltkirche gibt es sehr verschiedene Vorstellungen über das Aussehen von Staat und Gesellschaft.

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Benedikt hat geschrieben:Jürgen, dieser Artikel ist sehr deutschlandlastig. Dass die katholische Sozialethik noch nie uniform war (und es immer noch nicht ist), legt zum Beispiel dieser kurze Lexikonausschnitt dar.
Es ist eben das Problem, wenn man aus einem Buch nur einen kleinen Ausschnitt zitiert; da bleiben nautgemäß die an anderen Stellen gemachten differenzierteren Betrachtungen außen vor :/

Am besten Du liest Dir die etwa 250 Seiten mal ganz durch :D
Gruß Jürgen

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Benedikt

Beitrag von Benedikt »

Gute Idee. Wenn ich Zeit habe, werde ich das mal tun.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Hier übrigens wichtige Texte der Kath. Soziallehre:

http://www.thesocialagenda.org/deutsch/index.html

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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Ich kenne mich in Punkto Naturrecht Evangelium/ Gesetz und Evangelium nicht so gut aus und erhoffe mir Aufklärung.

Das Problem scheint mir das genauere Verhältnis zwischen Naturrecht und Bergpredigt zu sein. Ein bloß aus der Schöpfungsordnung heraus argumentierender Ansatz kann nur schwer erklären, wie er den Sprung zur Bergpredigt schaffen soll und damit auch nicht erklären, inwiefern er denn vom Hl. Geist getragen ist, also christlich ist und nicht heidnisch, aber vom Gewissen getragen. Nun scheint es mir zwei Arten von naturrechtlicher Argumentation zu geben. Die einen, die scholastisch von der Natur des Menschen, von seinen inclinationes naturales ausgeht und die andere, die personaler argumentiert und nicht einfach von der Natur auf das Sollen schließen will, sondern sich am Schöpfungswillen Gottes orientiert, wie er in der Hl. Schrift niedergelegt ist. Bei der letzteren, die allgemeine Überlegungen durch den niedergelegten Willen Gottes "korrigiert", frage ich mich, was sie denn von jüdischen Argumentationen unterscheidet, also ob hier nicht einfach Judentum minus Kultvorschriften Naturrecht ergibt. Was wäre dann aber daran christlich?

Das alte Problem, wie sich Ordensstand und Laienstand zueinander verhalten, schlägt mE nach hier durch. Eine eigene Ethik für den Laienstand, die auf naturrechtlichen Überlegungen basiert, scheint nur wenig genuin Christliches zu haben. Ich weiß nicht, ob die Spannung heute überwunden ist. Die einfache Übernahme des Gedankenguts des Ordenslebens in den Laienstand, also permanent christozentrische Begründungen, sind mE für den Laienstand genauso wenig wenig brauchbar wie naturrechtliche Überlegungen, die Christus und das Evangelium außen vor lassen.

schmitz-backes
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Beitrag von schmitz-backes »

Benedikt hat geschrieben:Die Idee eines Ständestaats gab es meines Wissens in Deutschland nie.
Die Hitlerattentäter um von Stauffenberg wollten in Deutschland nach der Beseitigung des nationalsozialistischen Unrechtssystems einen autoritären Ständestaat errichten. Auch eine Monarchie wurde in Betracht gezogen.
Ich denke, dass die Idee eines deutschen Ständestaates durch den Vatikan eingebracht wurde, den der militärische Wiederstand stand im Kontakt zum Heiligen Stuhl, wie neuere Forschungen zeigen. Im Vatikan entstanden auch konkrete Pläne, wie es mit Deutschland weiter gehen sollte, wenn Hitler abgesetzt worden wäre, ein Attentat wurde jedoch durch den Papst stets abgelehnt.
Vieleicht, nur mal so von mir angedacht, verbirgt sich hier hinter auch ein Grund, warum die Deutschlandarchive des Geheimarchivs noch nicht freigegeben sind. Autoritäre Ständestaaten sind ja heute eher im Verruf ...
"Ihr seid nicht die letzte Nachhut des Mittelalters, sondern die Vorboten einer neuen Zeit!" Joachim Kardinal Meisner

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

In Österreich gibt es seit Advent 2003 das Ökumenische Sozialwort, eine von allen 14 christlichen Kirchen und Glaubensgemeinschaften in Österreich unterzeichnete Sozial-Charta.
Wurde allen führenden Politikern in Bund, Ländern und Kommunen von Kirchenvertretren persönlich überreicht.

Hier ist es als pdf-Text zu finden:
http://www.dioezese-linz.at/redaktion/d ... t_2003.pdf

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