Erlösungslehre

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Samuel
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Erlösungslehre

Beitrag von Samuel »

Da die Erlösungslehre Rahners kritisiert wurde, könnte es sinnvoll sein, eine Diskussion zur Erlösungslehre im allgemeinen zu führen. Hier ein paar Gedanken zum Einstieg:

Zur Frage stehen im wesentlichen folgende zwei Aussagen:

1. Durch unsere Sünden sind wir von Gott getrennt und verdienen deshalb die ewige Gottferne, die Hölle

2. Jesus nimmt durch seinen Kreuzestod die uns gebührende Strafe auf sich, so dass wir wieder die Möglichkeit haben, zu Gott zu kommen.


Während 1. noch einigermaßen einsichtig ist (wenngleich im neuzeitlichen Individualismus eine Kollektivhaftung (weil Adam Mist gebaut hat, muss ich in die Hölle) schwer zu verstehen ist),
so stellt sich doch zu 2. die Frage: Warum braucht Gott (der uns doch immerhin liebt) den Tod seines Sohnes, um uns vergeben zu können?
Man kann hier natürlich auf den unergründlichen Ratschluss Gottes rekurrieren, aber es ist doch besser, wenn uns das, was wir glauben, nicht allzu willkürlich erscheint. Antworten versucht die Erlösungslehre zu geben.

Eine wesentliche Frage, die in diesem Zusammenhang noch Erwähnung verdient, lautet: "Wenn der Mensch nicht gesündigt hätte, wäre dann Gott trotzdem Mensch geworden?" (Utrum si homo non peccasset Deus nihilominus incarnatus fuisset)

In der Antike wurde diese Frage tendenziell eher bejaht. Damit wird natürlich die Bedeutung des Kreuzestodes (und auch Aussage 1) etwas relativiert, weil Jesus nicht nur zur Sündenvergebung auf die Welt gekommen ist. Henri de Lubac bringt es so auf den Punkt: Es gibt einen zweifachen Abstand zwischen Gott und Mensch: Erstens sind wir einfach aufgrund unseres Geschaffenseins von Gott getrennt (Gott ist nicht Gegenstand unseres Strebevermögens...), zweitens trennt uns unsere Sünde von Gott. Der erste Abstand wird überwunden durch die Menschwerdung, der zweite durch Tod und Auferstehung Jesu.

Im Mittelalter neigte man dazu, die Frage zu verneinen (Trotzdem ist man oft davon ausgegangen, dass Jesus nicht nur den vorigen Zustand wieder hergestellt hat: "O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden".)

Den bedeutendsten Ansatz zur Erlösungslehre lieferte Anselm von Canterbury:
Die gnadenhafte Beziehung zwischen Gott und den Menschen ist die einer gegenseitigen Hinordnung der Liebe.
Diese Gnadenordnung zerstört nun der Mensch durch seine Sünde.
Um die Ordnung wieder herzustellen, ist es notwendig, dass der Mensch sich Gott wieder zuwendet, Genugtuung (satisfactio) für seine Sünde leistet.
Er kann dies aber nicht tun, weil er alles, was er hat, ohnehin schon Gott schuldet, also durch nichts Genugtuung leisten kann.
Damit also Erlösung geschehen kann, muss also einerseits Gott Sohn diese leisten (weil nur er Gott nichts schuldet), andererseits muss es ein Mensch tun (weil die Ordnung von der Seite des Menschen her verletzt ist und wieder aufgerichtet werden muss). Folglich musste der Sohn Gottes Mensch werden um uns zu erlösen.

(Ich tu mich sehr schwer, Anselm korrekt wiederzugeben; für Korrekturen wäre ich dankbar).

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Juergen
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Re: Erlösungslehre

Beitrag von Juergen »

Samuel hat geschrieben:...
1. Durch unsere Sünden sind wir von Gott getrennt und verdienen deshalb die ewige Gottferne, die Hölle


Während 1. noch einigermaßen einsichtig ist (wenngleich im neuzeitlichen Individualismus eine Kollektivhaftung (weil Adam Mist gebaut hat, muss ich in die Hölle) schwer zu verstehen ist),...
Stellen wir uns mal ein Bild vor, damit auch der neuzeitliche Mensch das Problem versteht ;) -- Wie jedes Bild und jeder Vergleich, so hinkt auch dieser; aber sei's drum.

Der Mensch hat es sich auf einem Baum bequem gemacht. Eine Leiter führt hinunter zur Quelle (der Gnade). Nun macht der erste Mensch Unfug und schmeißt die Leiter um.
Von da an müssen alle Menschen auf dem Baum leben, bis jemand kommt, und von neuem eine Leiter hinstellt......
Gruß Jürgen

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Juergen
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Re: Erlösungslehre

Beitrag von Juergen »

Samuel hat geschrieben:In der Antike wurde diese Frage tendenziell eher bejaht.
...

Im Mittelalter neigte man dazu, die Frage zu verneinen ...
So einfach kann man die beiden Epochen aber nun auch nicht einteilen.

So gab es im Mittelalter auch einige unterschiedliche Ansichten (Anselm, Thomas, Duns Scotus). Zu Letzem in dieser Liste sagt bezeichnend Luhter: Augustinus est disputator; er wil wissen vnd nicht wehnen, vund bericht einen auch. Hic est sumus theologus, qui post apostolos scripserunt. Sed nos monachi non legimus eum, sed Scotum.
Gruß Jürgen

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Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Samuel, die Sache wird wesentlich transparenter, wenn du Gott und Jesus nicht als zwei verschiedene Personen betrachtest (Vater, der den Sohn opferte). Gott ist in Jesus zu uns gekommen und er selbst hat sich geopfert.

Ich weiß, dass gerade dieser Gedanke ("Wie kann ein Vater so grausaum sein, un den Tod des Sohnes als Sühne verlangen?") viel Unheil in den Köpfen von Gläubigen und Nichtgläubigen gestiftet hat, seitdem ehedem Anselm von Canterbury diese Theologie unters Volk brachte.

So kann und darf man das nicht glauben. Die unendliche Liebe, die in Jesus Hingabe lag, hat uns erlöst - nicht sein Tod an sich. Und was die Erlösung betrifft, würde ich es auch gleichzeitig gern Befreiung nennen.

Einzig die Liebe hat den Weg in die Freiheit gewiesen. Jesu Worte "Am Kreuz werde ich alle an mich ziehen" weisen ja darauf hin.

Geronimo

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Ich hatte mal versucht, mir klarzumachen, warum Jesus als Gottmensch für uns sterben musste, damit wir erlöst sind. Ob das jetzt theologisch korrekt ist, kann ich nicht beurteilen. So hab' ich's halt verstanden:

Eine Sünde ist immer eine Verfehlung gegen die Liebe, deshalb braucht es einen Akt vollkommener Liebe, um alle Sünden der Vergangenheit und alle möglichen Sünden der Zukunft hinwegzunehmen, denn weil die Sünden der Zukunft ohne Maß sein können, muss auch die Liebe, die durch das Opfer zum Ausdruck kommt, ohne Maß sein. Jesus sagt, dass es keine größere Liebe gibt, als wenn jemand sein Leben hingibt für seine Freunde. Deshalb musste Jesus für unsere Erlösung sterben.

Weil die Liebe vollkommen sein muss, durfte sie nicht mit Sünden befleckt sein, denn weil die Sünde eine Verfehlung gegen die Liebe ist, kann niemand, der sündigt (oder z.B. mit der Erbsünde belastet ist) vollkommen lieben. Also musste Jesus ein Mensch ohne Sünde sein, um uns zu erlösen.

Ein Akt vollkommener Liebe kann nur in absoluter Freiheit und ohne Zwang geschehen. Deswegen musste Jesus Gott sein, denn nur als Gott kann er vollkommen freiwillig leiden. Als Gott braucht er nur mit den Fingern zu schnipsen und hunderte von Engeln kommen herangeflogen und retten ihn. Sein Leidensweg war also vollkommen freiwillig.

Natürlich war es der Wille des Vaters, dass Jesus sein Leben hingibt, aber Jesus ist aus vollkommener Freiheit und Einheit mit dem Vater gehorsam gewesen und aus vollkommener Liebe zum Vater und zu den Menschen, als Gott und Mensch.
Zuletzt geändert von Dr. Dirk am Freitag 1. Oktober 2004, 19:43, insgesamt 2-mal geändert.

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Geronimo hat geschrieben:Ich weiß, dass gerade dieser Gedanke ("Wie kann ein Vater so grausaum sein, un den Tod des Sohnes als Sühne verlangen?") viel Unheil in den Köpfen von Gläubigen und Nichtgläubigen gestiftet hat, seitdem ehedem Anselm von Canterbury diese Theologie unters Volk brachte.
Nana, nicht immer alles auf den armen Anselm schieben

Das ist schon ein bibl. Gedanke. Man lese nur mal Joh 3,14ff. (um nur ein Beispiel zu nennen).
Gruß Jürgen

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Was Du schreibst, Dirk, ist zwar fromm geschrieben, aber Gott hätte auch einfach einen Pups lassen können und alle Sünden wären hinweggeblasen worden (freilich hätte es ein recht kräftiger Pups sein müssen). Das erklärt eigentlich nicht, warum Gott (notwendig) Mensch werden mußte.
Gruß Jürgen

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Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Wie wäre es mit der Antwort: Weil er es so wollte ..

Geronimo

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Geronimo hat geschrieben:Wie wäre es mit der Antwort: Weil er es so wollte ..
Ein Willlkürgott, der sich mal entscheidet die Welt zu erlösen oder es auch hätte bleiben lassen können :roll:
Gruß Jürgen

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Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Juergen hat geschrieben:Was Du schreibst, Dirk, ist zwar fromm geschrieben, aber Gott hätte auch einfach einen Pups lassen können und alle Sünden wären hinweggeblasen worden (freilich hätte es ein recht kräftiger Pups sein müssen). Das erklärt eigentlich nicht, warum Gott (notwendig) Mensch werden mußte.
Wegen der Freiheit des Menschen hätte es kein Pups sein können und wegen der Erbsünde musste es ein Mensch sein und ein Mensch ohne Sünde, wegen der Freiwilligkeit aus Liebe musste es Gott selbst sein.

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Geronimo hat geschrieben:Wie wäre es mit der Antwort: Weil er es so wollte ...
Ja, er wollte uns auf diese Weise lieben und erlösen. Warum gerade so? - Wir wissen es nicht.
Freilich darf man - mit nötigem Respekt - theologisch darüber spekulieren, wie das Anselm, Thomas, Duns Scotus, Balthasar, Rahner und viele andere getan haben. Aber große Vorsicht ist geboten...
Wie alle Rede über Gott ist auch die Rede von "Sühne" und "Opfer" gleichnishaft und stammt aus dem Tempelkult Israels. Es gibt auch andere (nichtkultische) Bilder, z. B. das vom "Weizenkorn":

Joh 12,24: Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.

Hier ein Vortrag von Klaus Berger:
http://www.melanchthon-akademie.de/aus2 ... .htm#Kreuz

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Samuel
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Beitrag von Samuel »

@Dirk

Ich finde deine Ausführungen sehr schön und auch schlüssig.
Ich glaube nicht, dass Gott unsere Sünden "einfach so" hätte wegnehmen können, weil es um eine Liebesbeziehung geht, und da erreicht man nur durch einen Akt der Liebe etwas.

Ralf

Re: Erlösungslehre

Beitrag von Ralf »

Wie kommst Du darauf, daß aus
Samuel hat geschrieben:2. Jesus nimmt durch seinen Kreuzestod die uns gebührende Strafe auf sich, so dass wir wieder die Möglichkeit haben, zu Gott zu kommen.
automatisch dieses folgt?
Warum braucht Gott (der uns doch immerhin liebt) den Tod seines Sohnes, um uns vergeben zu können?

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Samuel
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Beitrag von Samuel »

@Ralf

Folgt vielleicht nicht automatisch - aber hast du dir die Frage nie gestellt?

Ralf

Beitrag von Ralf »

Nö, nicht wirklich. Warum auch?

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Samuel
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Beitrag von Samuel »

Zum Verständnis des Rahner'schen Beitrages zur Erlösungslehre sind nun folgende Überlegungen hilfreich:

1. Ein hilfreicher Gedanke ist, dass Jesus anfangs gar nicht vorhatte, am Kreuz zu sterben:
Rahner (Grundkurs 245) hat geschrieben:3. Während er zunächst auf einen Sieg seiner religiösen Sendung im Sinne einer "Umkehr" seines Volkes hoffte, wächst in ihm immer mehr die Erfahrung, daß seine Sendung ihn in einen tödlichen Konflikt mit der religiös-politischen Gesellschaft bringt.
4. Diesem seinen Tod geht er aber entschlossen entgegen, er nimmt ihn an zumindest als unvermeidliche Konsequenz der Treue zu seiner Sendung und als ihm von Gott her auferlegt.
Hierdurch wird der Zusammenhang zwischen unserer Sünde und dem Tod Jesu deutlich: Jesus musste die Menschen nicht irgendwie dazu bringen, ihn zu kreuzigen (so dass wir am Ende dem Judas noch dankbar sein müssten), sondern was uns erlöst hat, war seine Ganzhingabe, mit der er bereit war, sogar den Kreuzestod auf sich zu nehmen: "und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz." (Phil 2,8)

2. Spätestens im Garten Gethsemani wusste Jesus, dass sein Bleiben in Jerusalem zwangsläufig zu seinem Tod führen würde. Stellen wir uns einmal vor, was passiert wäre, wenn er sich damals aus Jerusalem zurückgezogen hätte. Damit hätte er gesagt: "Der Heilswille Gottes, den ich verkörpere, verkündige und lebe, ist so absolut nicht: Gegen eure Ablehnung hat er keine Chance. Vor eurer Herzenshärte zieht sich die Liebe Gottes zurück." Damit hätte unsere Sünde auch im Falle Jesu das erreicht, was normalerweise Auswirkung der Sünde ist: Nämlich uns von Gott zu trennen.
Dadurch also, dass sich Jesus vor unserer Sünde nicht zurückzieht, zeigt er, dass die Verbindung von Gott und Mensch, die er gelebt hat, trotz unserer Sünde verwirklicht wird, dass also unsere Sünden vergeben sind.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Offenbar wusste Rahner mehr als der Herr selber. Ist nicht bereits im alten Testament das Leiden Jesu prophezeit worden zum Teil sogar mit Details, dass ihm die Knochen nicht gebrochen werden z.B.? Ich bleibe dabei, auch wenn einige das wieder als Hochmut ansehen: Rahner hätte mehr die heilige Schrift lesen sollen.
Jesus als Sohn Gottes hat sehr wohl gewusst, wie es mit ihm endet und zwar sicher schon von Anfang seiner Mission an. Rahner aber projiziert hier seine eigenen Auffassungen in Texte herein.
Es ist wie mit einigen Kommentaren in der Luther-Bibel. Da wird z.B. als der 12-jährige Jesus im empel mit den Schriftgelehrten diskutiert (wobei sie sehr über sein Wissen staunen) im Kommentar erzählt, er hätte duch Diskutieren lernen müssen. Hier wird doch Jesus, der der Sohn Gottes ist sehr vermenschlicht. Offenbar machen Rahner und heute auch viele andere Theologen es ebenso. Jesus aber ist Gott von Anfang an und wird es nicht erst im Laufe seines Lebens.
Zuletzt geändert von Edi am Samstag 2. Oktober 2004, 10:38, insgesamt 1-mal geändert.

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Edi hat geschrieben:Offenbar wusste Rahner mehr als der Herr selber. Ist nicht bereits im alten Testament das Leiden Jesu prophezeit worden zum Teil sogar mit Details. ...
Du meinst vermutlich das sog. vierte Gottesknechtslied (Jes 52,13-53,12).
Gruß Jürgen

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Ralf

Beitrag von Ralf »

Edi hat geschrieben:Jesus als Sohn Gottes hat sehr wohl gewusst, wie es mit ihm endet und zwar sicher schon von Anfang seiner Mission an.
Das ist eben die Frage, die Rahner anders sieht. Und da die Schrift da nichts genaues zu liefert (nämlich ob Jesus schon zu Anfang sah, daß Er selbst mit den Prophezeiungen des AT gemeint ist, und zwar mit allen, ob Er von Anfang an die Verbindung von Messias und leidenden Gottesknecht sah), ist hier Rahners Sicht durchaus schriftkonform - aber keinesfalls zwingend. Deine, Edi, ist es ebenso, nicht zwingend, aber möglich.

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Da sagte er zu ihnen: Begreift ihr denn nicht? Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben. Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen? Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht. (Lk 24, 24-27)

Ich habe nie verstanden, wie Rahner zu seiner Erlösungslehre kommt. Ich finde, dass er sich damit sehr weit vom alten Testament entfernt. Ich finde die Aussage Jesu recht eindeutig. Eigentlich habe ich das Gefühl, dass Jesus mit diesen Versen Rahner direkt antwortet "Begreifst Du denn nicht?".
Zuletzt geändert von Dr. Dirk am Samstag 2. Oktober 2004, 11:17, insgesamt 1-mal geändert.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Ja, aber das hat Er nach der Auferstehung gesprochen. War Ihm das alles von Beginn an klar? Heißt es nicht auch, Er wuchs an Weisheit?

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Nun, die Frage, warum wurde Gott Mensch, wird einfach, klar und eindeutig im Credo beantwortet:
...Qui propter nos homines et propter nostram salutem descendit de caelis...

Damit könnte - rein vom Glauben her - die Frage ad acta gelegt werden. Ja, vom Glauben her schon; aber vom Verstand her? Da kommen dann "was wäre wenn..." Spekulationen und wir treten ein in eine christologischen Diskurs. :roll:
Gruß Jürgen

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Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Ralf hat geschrieben:Ja, aber das hat Er nach der Auferstehung gesprochen. War Ihm das alles von Beginn an klar? Heißt es nicht auch, Er wuchs an Weisheit?
Schon als 12-jähriger hat er die Gelehrten verblüfft und außerdem: Hätte Jesus zu den Emmausjüngern gesagt "Begreift ihr denn nicht" (was eigentlich recht vorwurfsvoll klingt) wenn das wirklich so schwer zu begreifen wäre? Glaube ich eher nicht.

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Edi
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Beitrag von Edi »

"Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort....Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit."

So heisst es im Johannes-Evangelium. Sollte das fleischgewordene Wort nicht über alles Bescheid gewusst haben? Ich traue Gott da mehr zu.

Wir können auch bei manchen Heiligen sehen, dass sie schon als kleines Kind ihre Berufung kannten. Wie sollte es da bei Gottes Sohn anders gewesen sein?
Zuletzt geändert von Edi am Samstag 2. Oktober 2004, 12:56, insgesamt 1-mal geändert.

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mr94
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Beitrag von mr94 »

Sind wir hier nicht auch wieder beim Thema Prädestination? Auch umstritten, wenn mich nicht alles täuscht...

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Nein, keine Prädestination, sondern freie Entscheidung. Schließlich war Jesus selbst Gott.

Ralf

Beitrag von Ralf »

mr94 hat geschrieben:Sind wir hier nicht auch wieder beim Thema Prädestination?
Nein, sondern mal wieder bei "de scientia Christi". Nichts wirklich Neues (siehe Bonaventura aus dem 13. Jh.):

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

mr94 hat geschrieben:Sind wir hier nicht auch wieder beim Thema Prädestination? Auch umstritten, wenn mich nicht alles täuscht...
Dirk hat geschrieben:Nein, keine Prädestination, sondern freie Entscheidung. Schließlich war Jesus selbst Gott.
1) Bitte die Begrifflichkeiten sauber auseinander halten. Zu sagen "Jesus ist Gott" oder der "Vater ist Gott" oder der "Hl. Geist ist Gott" ist äußerst mißverständlich. Gott gibt es nur als Trinität! Der Vater ist Vater und er unterscheidet sich nur durch sein Vatersein vom Sohn und Hl. Geist; und der Sohn ist Sohn und unterscheidet sich im Sohnsein vom Vater und Hl Geist... etc. etc.

2) Der Begrif "Prädestination" ist hier schon der richtige Begriff. Aber man darf natürlich nicht an die Prädestination denken, die sich auf den Menschen bezieht und von der z.B. Calvin spricht.

Prädestination meint hier, die Vorherbestimmung, daß Christus Mensch werden wird -- und zwar die Vorherbestimmung von Ewigkeit her. Also noch vor Erschaffung der Welt (und vor dem Sündenfall) wäre diese Vorherbestimmung getroffen worden.

Die sog. "absolute Prädestination Christi" findet sich in den Überlegungen des Duns Scotus, wenn es um die Frage geht, ob Christus notwendig Mensch werden mußte (also auch dann, wenn es den Sündenfall nicht gegeben hätte).

Wäre Christus auch Mensch geworden, wenn es den Sündenfall nicht gegeben hätte?
Diese Frage kann (ich sage das hier stark verkürzt - verkürzt insbesondere auf die Namen der Theologen, die ich dort nenne - und man müßte da wohl einen längeren Diskus zu machen) eigentlich in drei Weisen beantwortet werden:

1) Nein -- Anselm v. Canterbury
2) Ja -- Duns Scotus
3) Jain -- (das ist in etwa die Position des) Thomas v. Aquin
Zuletzt geändert von Juergen am Samstag 2. Oktober 2004, 14:17, insgesamt 1-mal geändert.
Gruß Jürgen

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Peter
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Beitrag von Peter »

Karl Rahner hat geschrieben:3. Während er zunächst auf einen Sieg seiner religiösen Sendung im Sinne einer "Umkehr" seines Volkes hoffte, wächst in ihm immer mehr die Erfahrung, daß seine Sendung ihn in einen tödlichen Konflikt mit der religiös-politischen Gesellschaft bringt.
4. Diesem seinen Tod geht er aber entschlossen entgegen, er nimmt ihn an zumindest als unvermeidliche Konsequenz der Treue zu seiner Sendung und als ihm von Gott her auferlegt.
Zumindest der greise Simeon wußte nach Lukas dann mehr als der Herr selber:
Lukas hat geschrieben:Und Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen.
Und dann, nach Johannes, Jesus zu Maria: «Meine Stunde ist noch nicht gekommen.»

Sicherlich ist es möglich, Jesus zu unterstellen, er habe die Hoffnungen gehegt, wie im Grundkurs des Glaubens dargelegt und von dir, Samuel, zitiert. Ich vermute nur, daß man hierzu das Leben des Herrn zum großen Teil an den Evangelien vorbei «rekonstruieren» muß.

Ein Zeichen, dem widersprochen wird. Dadurch werden die Gedanken vieler Menschen offenbar werden.

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mr94
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Beitrag von mr94 »

Juergen hat geschrieben:Der Begrif "Prädestination" ist hier schon der richtige Begriff. Aber man darf natürlich nicht an die Prädestination denken, die sich auf den Menschen bezieht und von der z.B. Calvin spricht.
Höchstens insoweit, als Gott Mensch geworden ist... Ansonsten habe ich das so gemeint, wie Du es erklärt hast (hätte es aber so gut nicht erklären können).

Ralf

Beitrag von Ralf »

mr94 hat geschrieben:(hätte es aber so gut nicht erklären können).
Dafür haben wir ja den Jürgen. :ja:

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Warum ist Gott Mensch geworden? - Der KKK gibt folgende Antworten:

- "für uns Menschen und zu unserem Heil..." (456)
- damit wir so die Liebe Gottes erkennen (458)
- um für uns Vorbild der Heiligkeit zu sein (459)
- um uns Aneil an der göttlichen Natur zu geben (460)

Zur menschlichen Erkenntnis Christi schreibt der KKK:
KKK hat geschrieben:472 Diese menschliche Seele, die der Sohn Gottes angenommen hat, ist mit wahrhaft menschlicher Erkenntnisfähigkeit begabt. Diese kann an sich nicht unbegrenzt sein: sie betätigte sich in den geschichtlichen Verhältnissen seines Daseins in Raum und Zeit. Deshalb wollte der Sohn Gottes, als er Mensch wurde, auch ,,an Weisheit und Alter und Gnade" zunehmen (Lk 2,52). Er wollte das erfragen, was man als Mensch durch Erfahrung lernen muß [Vgl. z. B. Mk 6,38; 8,27; Joh 11,34.]. Das entsprach seiner freiwilligen Annahme der ,,Knechtsgestalt" (Phil 2,7).

473 Gleichzeitig aber kam in dieser wahrhaft menschlichen Erkenntnis des Sohnes Gottes das göttliche Leben seiner Person zum Ausdruck [Vgl. Gregor d. Gr.: DS 475.]. ,,Die menschliche Natur des Sohnes Gottes kannte und bekundete in sich - nicht von sich aus, sondern aufgrund ihrer Vereinigung mit dem Wort - alles, was Gott zukommt" (Maximus der Bekenner, qu. dub. 66). Das gilt in erster Linie von der unmittelbaren, innigen Kenntnis, die der menschgewordene Gottessohn von seinem Vater hat [Vgl. z. B. Mk 14,36;Mt 11,27;Joh 1,18; 8,55.]. Der Sohn zeigte auch in seinem menschlichen Erkennen göttlichen Einblick in die geheimen Gedanken des Menschenherzens [Vgl. z.B. Mk 2,8; Joh 2,25; 6,61.].

474 Weil Christus in der Person des menschgewordenen Wortes mit der göttlichen Weisheit vereint war, wußte seine menschliche Erkenntnis voll und ganz um die ewigen Ratschlüsse, die zu enthüllen er gekommen war [Vgl. Mk 13,32.], erklärt er an anderer Stelle, er sei nicht beauftragt, es zu enthüllen [Vgl. Apg 1,7.].
Wirklich erklärt wird das "Zusammenspiel" von menschlichem und göttlichem Wissen (von menschlichem Lernen und göttlichem Vorherwissen) in Christus dadurch freilich nicht... :kratz:

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