Die Frage, ob es vom Weinbergbesitzer gerecht war, denen, die eine Stunde vor Feierabend gekommen sind, den gleichen Lohn zu zahlen, wie denen, die bereits seit dem frühen Morgen arbeiteten, beschäftigte die Exegeten zu allen Zeiten.
Von Siegfried Herzog hier mal eine andere Sicht der Dinge und zwar aus der Perspektive des Ökonomen.
Ich bringe nur Auszüge, wer den ganzen Artikel lesen will, kann das tun und zwar hier:
http://www.unternehmerischefreiheit.de/
Siegfried Herzog hat geschrieben:...
Zum einen bekräftigt Jesus die Gerechtigkeit der Vertragsfreiheit: der Herr des Weinbergs darf mit jedem einzelnen einen Vertrag abschließen, der frei verhandelt wird und dessen Gültigkeit nicht davon beeinflusst wird, welche Verträge der Herr des Weinbergs mit anderen abschließt. Jesus hebt darauf ab, dass der erste Arbeitsvertrag frei vereinbart und von beiden Seiten als gerecht akzeptiert war. Dem Arbeiter widerfährt dann Gerechtigkeit, wenn dieser Vertrag erfüllt wird – und das wird er.
Jesus bekräftigt hier Regelgerechtigkeit gegenüber Verteilungsgerechtigkeit. Er sagt nicht, dass es gerecht sei, dass jeder gleich viel bekommt. Er weist nur darauf hin, dass der Herr des Weinbergs gegenüber dem Kritiker den vereinbarten Vertrag erfüllt hat, und dass der Herr das Recht hat, mit anderen andere Verträge zu schließen, die den ersten bei der Beurteilung seines eigenen Vertrages nichts angehen. Die „Kurzarbeiter“ haben also den Tageslohn nicht erhalten, weil sie ihn für ihre Familien brauchen, sondern weil der Herr des Weinbergs entschieden hat, sie so zu bezahlen.
Das von Jesus beschriebene Szenario legt also eine Reihe von ökonomisch rationalen Gründen nahe, warum der Gutsbesitzer unterschiedliche Arbeitsverträge abschließt, die die „Kurzarbeiter“ progressiv begünstigen. Dazu kommt, dass es nicht in seinem längerfristigen Interesse ist, wenn Familien in seinem Ort Not leiden. Er muss sonst befürchten, dass Arbeiter abwandern, und da er offenbar schon Probleme hat, morgens genügend zu finden, ist es durchaus in seinem Interesse, die verbliebenen gut zu behandeln. Jesus Zuhörer wissen, wie es bei der Weinlese und auf einem Marktplatz zugeht, und verstehen deshalb, warum der Gutsbesitzer mehrfach zum Markt läuft und warum er gegen Abend immer dringender Arbeiter sucht. Sie kennen auch die Situation eines Tagelöhners mit Familie, die auf Essen warten.
Die Gerechtigkeit des Gutsbesitzers ergibt sich daher wohl aus einer Kombination der sich stets ändernden Bedingungen auf dem Marktplatz und der Großzügigkeit des Gutsbesitzers, bei der aufgeklärtes Eigeninteresse eine plausible Rolle spielt. Das Verhalten des Gutsbesitzers ist daher ökonomisch rationaler, als es auf den ersten Blick aussieht.
Entscheidend ist, dass es für den Lohn kein objektives Kriterium gibt, das für den ganzen Tag gilt, sondern dass er situativ ausgehandelt wird und dann gerecht ist, wenn er von beiden Vertragsparteien beim Vertragsabschluß als gerecht betrachtet wird. Genau das verspricht der Gutsbesitzer jedem und genau dieses Versprechen löst er ein. Genau das ist aber auch der Gerechtigkeitsbegriff, der der Marktwirtschaft zugrunde liegt – Verträge, die frei verhandelt werden, und die von beiden Parteien als vorteilhaft betrachtet werden, führen zu Gerechtigkeit – und nicht der Blick auf die Verteilung. Der wird als Neid demaskiert. Aus Sicht dieses Gleichnisses spricht daher viel für eine sehr differenzierte Lohnfindung – und nichts für Flächentarifverträge.