XII Thesen

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Josef Steininger
Beiträge: 104
Registriert: Donnerstag 15. Januar 2004, 08:50
Wohnort: Oberbayern

Beitrag von Josef Steininger »

Na, dass der Kaiser die Konzilien einberuft, ist doch wohl kein akzeptabler Zustand, jedenfalls nicht auf Dauer. Das heißt nicht, dass die so einberufenen Konzilien schlecht gewesen seien und man kann auch nicht sagen, dass die Einflussnahme des Kaisers immer schlecht war. Gottes Vorsehung kann bekanntlich auch auf krummen Zeilen gerade schreiben.

Jedenfalls beruht die Autorität der Konzilien auch des 1.Jahrtausends darauf, dass sie vom Römischen Stuhl anerkannt und bestätigt wurden. Petrus ist der Fels, auf den die Kirche gebaut ist.

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

Josef Steininger hat geschrieben:Na, dass der Kaiser die Konzilien einberuft, ist doch wohl kein akzeptabler Zustand, jedenfalls nicht auf Dauer.
(Warum nicht?) und
Josef Steininger hat geschrieben:Jedenfalls beruht die Autorität der Konzilien auch des 1.Jahrtausends darauf, dass sie vom Römischen Stuhl anerkannt und bestätigt wurden. Petrus ist der Fels, auf den die Kirche gebaut ist.
Bitte erläutert mir doch einmal den Zusammenhang zwischen Petrus, dem Fels, und der römischen (und nur dieser) Cathedra, welchen Josef hier so lockerflockig als reine Evidenz daherzitiert. Meines Erachtens kann letzteres Zitat nur eine Meinung sein, die kaum älter als, sagen wir, 150 Jahre ist; vorher wäre das kaum jemandem eingefallen. Darüberhinaus auch niemandem in der jüngeren Zeit, der jemals die Muße gehabt hat, sich mit Kirchengeschichte zu befassen. Mich wundert nur immer, mit welcher Selbstverständlichkeit solche unhaltbaren Behauptungen aus mancher Feder fließen.

Oder ist das wirklich offiziell? Eine solch seltsame Ekklesiologie, die aus unerfindlichen Gründen ausgerechnet den Papst von Rom als eine Art magische Ingredienz zum Erreichen des Heils (oder des Epithetons "ökumenisch") benötigt? Das führte Roberts ganze schöne Thesen ad absurdum, obwohl man von der Formulierung von These Nummer 1 wirklich dahin kommen kann. Was ich ja hier auch diskutierte. Was ich eher vermeiden wollte ist, abermals über's Papsttum per se zu reden, da gab's doch schon diverse Threads. Oder nicht?

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ Nietenolaf
Nietenolaf hat geschrieben:Meines Erachtens kann letzteres Zitat nur eine Meinung sein, die kaum älter als, sagen wir, 150 Jahre ist; vorher wäre das kaum jemandem eingefallen. Darüberhinaus auch niemandem in der jüngeren Zeit, der jemals die Muße gehabt hat, sich mit Kirchengeschichte zu befassen. Mich wundert nur immer, mit welcher Selbstverständlichkeit solche unhaltbaren Behauptungen aus mancher Feder fließen.
Die Sonderstellung des Papstes innerhalb der Christenheit und damit auch innerhalb des Episkopats geht in der Tat auf die schon erwähnten Worte Jesu in Matthäus 16,18 zurück.
AFAIK wurde diese Sonderstellung des Bischofs von Rom innerhalb der Christenheit auch seit dem Tode Petri als selbiger Bischof anerkannt. Dies mag bei rein weltlicher Betrachtung auch dadurch bedingt gewesen sein, daß Rom das natürliche Machtzentrum dessen war, war wir historisch als "römisches Reich" kennen. Diese Betrachtung ist jedoch ebenso naturgemäß für kirchliche Belange nebensächlich.

Auch mag im Laufe der Kirchengeschichte das Papstamt verschiedentlich eher als primus inter pares verstanden worden sein. Aber auch diese Einschätzung hatte schon immer zwei Gewichtungen, die untrennbar sind. Das Primat des Stuhles Petri ist jedenfalls enthalten!

Das dieses Primat kirchengeschichtlich auch ausgefüllt worden ist, ist bspw. in den Reformbemühungen eines Papstes Gregors des Großen (540 - 604) oder auch im Investiturstreit (Kurzdarstellung) sichtbar.

Zu guter Letzt spricht auch ein rein praktisches Argument für den Primat des Papstes: Bei einer derart auf Gleichheit ihrer Mitglieder ausgerichteten Religion wie dem Christentum (siehe Matthäus 19,30 und auch 20, 1- 16), braucht es eine letztentscheidende Instanz in rein rechtlichen Fragen. Dies kann aus meiner Sicht der Papst am besten leisten, weil ihn die Pforten der Hölle nicht überwältigen werden.

GsJC
Raphael

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

(Zum römischen Bischof wird > hier weiterreferiert. Wo bleibt der Urheber dieses Strangs mit kompetenten, dem Thema entsprechenden Kommentaren? [Punkt]!1)

Benutzeravatar
FioreGraz
Beiträge: 3890
Registriert: Freitag 25. Juni 2004, 19:18
Wohnort: Graz
Kontaktdaten:

Beitrag von FioreGraz »

Also ich kann Roberts Thesen einiges abgewinnen, denn eigentlich sind die einzigen noch nie angezweifelten Whahrheiten jene die auch die Orthodoxie als traditiones constitutiva bezeichnen. Da stellt sich mir schon die Frage inwiefern, die nachfolgenen Konzielien und Päpste wirklich unfehlbar sprachen. Weiters ist der Verlust der Synodalität in der lateinischen Kirche meiner Meinung nach ein schweres Manko. Gegen nen Oberhäuptling in Rom habe ich nix, bzw. finde ihn auch nötig aber nur im Sinne des Jurisdikationsprimates.

LG
Fiore

PS: Besonders Aussprüche wie
........
33. Daß Häretiker verbrannt werden, ist gegen den Willen des Geistes.
34. Gegen die Türken zu kämpfen heißt, sich Gott zu widersetzen, der durch jene unsere Missetaten heimsucht.
......
Die vorgenannten Artikel bzw. Irrtümer verurteilen, mißbilligen und verwerfen Wir samt und sonders ganz und gar als, wie vorausgeschickt wird, - je nachdem - häretisch oder anstößig oder falsch oder fromme Ohren verletzend oder einfache Gemüter verführend und der katholischen Wahrheit widerstrebend.
(Exsurge Domine, Leo X.)

lassen mich doch daran zweifeln das alles was nach den ökumenischen Konzilien kam zum depostium fidei gehört.
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ FioreGraz
FioreGraz hat geschrieben:PS: Besonders Aussprüche wie
........
33. Daß Häretiker verbrannt werden, ist gegen den Willen des Geistes.
34. Gegen die Türken zu kämpfen heißt, sich Gott zu widersetzen, der durch jene unsere Missetaten heimsucht.
......
Die vorgenannten Artikel bzw. Irrtümer verurteilen, mißbilligen und verwerfen Wir samt und sonders ganz und gar als, wie vorausgeschickt wird, - je nachdem - häretisch oder anstößig oder falsch oder fromme Ohren verletzend oder einfache Gemüter verführend und der katholischen Wahrheit widerstrebend.
(Exsurge Domine, Leo X.)

lassen mich doch daran zweifeln das alles was nach den ökumenischen Konzilien kam zum depostium fidei gehört.
Was hast Du an den Verwerfungen der Thesen Nr. 33 und 34 durch Papst Leo X. auszusetzen?

Benutzeravatar
Udalricus
Beiträge: 87
Registriert: Montag 27. November 2006, 17:48

Beitrag von Udalricus »

während die östlichen Patriarchen und Bischöfe abwesend blieben. Deshalb wurde es kein Ökumenisches Konzil, wenn es auch gewollt hatte.
Also, mein Bedenken ist: ist die Gültigkeit eines Konzils von der Anzahl der Gekommenen abhängig?
Und müssen auch Bischöfe eingeladen werden, die im Schisma stehen? Noch dazu, um die Gültigkeit des Konzils zu garantieren?

Ich möchte beide Fragen verneinen, womit alle Konzilien bis zum 2. Vatikanischen Konzil gültig sein müssen.

Eine andere Frage ist natürlich, ob die Beschlüsse weiterhin gültig sind. Das muss mit Ausnahmen der Dogmen ja nicht sein. Der Beschluss, des Konzils von Trient, dass die dort festgesetzte Liturgie für alle Zeiten bestehen muss, ist ja auch durch das 2. Vatikanum revidiert worden.

Insofern bräuchten die Ostkirchen ja nicht die heutige Geltung der Beschlüsse der umstrittenen Konzilien anerkennen, sondern nur, dass sie gültig zustande gekommen sind, da der Nachfolger Petri sie einberufen hat.

Oder denke ich da verkehrt?

Benutzeravatar
FioreGraz
Beiträge: 3890
Registriert: Freitag 25. Juni 2004, 19:18
Wohnort: Graz
Kontaktdaten:

Beitrag von FioreGraz »

Also, mein Bedenken ist: ist die Gültigkeit eines Konzils von der Anzahl der Gekommenen abhängig?
Und müssen auch Bischöfe eingeladen werden, die im Schisma stehen? Noch dazu, um die Gültigkeit des Konzils zu garantieren?

Ich möchte beide Fragen verneinen, womit alle Konzilien bis zum 2. Vatikanischen Konzil gültig sein müssen.
Also so einfach würde ich das nicht sehen.

Erstens die östliche wie auch die westliche Tradition sind ein ganzes, bei einem Konzil müssen also erstmal beide Traditionen anwesend sein um eine "ganzheitliche Aussage" treffen zu können. Dabei kommts ncht auf die Anzahl an sondern das alle Sichtweisen gehör finden.
Das Neue Testament kann ich auch nicht in 2 Hälften schneiden und dann meinen mit der einen hälfte eine ebenso wahre und gute Exegese hinzubekommen wie mit dem ganzen.

Und meines erachtens liegt der Unterschiedn der Traditionen in den versch. Ausprägungen

westen petrinisch zentriert - osten synodaler Charakter

Eigentlich gehört beides gleichberechtigt zusammen, durch die Trennung verloren beide Traditionen etwas fundamentales.
Darin liegen auch im großen und ganzen etwaige Lehrunterschiede, oft sind diese Unterschiede nur auf Formulierungen oder Defintionsstile zurückzuführen. Im Westen wird von einer Person für die Kirche definiert, im Osten von der Kirche heraus. Beides hat seine Berechtigung, die Synode drückt den Glauben der Kriche aus, der Papst wacht über die Einhaltung ob die Definition wirklich rechtgläubig ist und verwirft sie gegebenefalls und legt die Defintionen dann im lichte des ganzen aus.
Dieses Zusammenspiel zwischen Petrus und der Kirche fehlt.
Papst und Synode sind Petrus und Paulus und die gehören zusammen.

Da also die Lehrunterschiede marginal sind und meines erachtens eher stilistisch als inhaltlich ein Problem darstellen, wäre es sehr wohl angebracht, erstmal alle westlichen Konzilien und etwaige östliche Synoden zusammenzuwerfen auf Herz und Nieren abzuklopfen und gemeinsam definieren.

Bei Dingen wo die Lehre entgegengestzt ist, muß man klipp und klar anerkennen das hier kein "depositum fidei" vorliegt, da keine gesamtkirchliche Rezeption ersichtlich ist. Diese Dinge sind dann entweder nur relevant für die jeweilige Tradition, als besonderheit anzusehen, oder eben als menschliche Tradition zu verwerfen.

LG
Fiore
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas

Benutzeravatar
Fingalo
Beiträge: 242
Registriert: Donnerstag 16. November 2006, 10:16
Wohnort: Wiesbaden

Beitrag von Fingalo »

Ich steh' ein wenig auf dem Schlauch - deshalb benötige ich etwas Nachhilfe:
Wer hat eigentlich mit welcher Berechtigung und Vollmacht wann die These 1 "Das Ökumenische Konzil ist die Versammlung von Bischöfen der ganzen Ökumene in Gemeinschaft mit dem römischen Stuhl, die über Fragen des Glaubens verbindlich für die gesamte Kirche und von der Kirche anerkannt entscheidet." für verbindlich und maßgeblich erklärt? Ich meine jetzt nicht die Definition, was ein ökumenisches Konzil ist, sondern seine Monopolstellung in den Fragen des Glaubens.

Benutzeravatar
FioreGraz
Beiträge: 3890
Registriert: Freitag 25. Juni 2004, 19:18
Wohnort: Graz
Kontaktdaten:

Beitrag von FioreGraz »

Die Monopolstellung im Glauben.

Die Zeugnisse der TRadition mit dementsprechenden Lehrentscheidungen auch seitens Roms insbesondere das 4. Konzil v. Konstantinopel. Im 1. Jahrtausend gings beim Streit um die Vormachstellung Roms immer wieder um die Bezieheung Papst - Konzil. Dabei stellte sich heraus der Papst legt aus, prüft, und "segnet ab", wobei das Konzil im Zweifelsfall die Oberhoheit über den Papst besitzt. Diese Lehre war auch bis in 15. Jhdt bei uns kein Thema und wurde sehr scharf auch im Westen am Konzil von Konstanz nochmals wiederholt. Auch das 1. Vat leitet eben die Vormachstellung des Papstes bzw. Unfehlbarkeit aus der TRadition ab und definiert eigentlich eine unfehlbare Jurisdikation in Streitfragen, nicht in regulären Lehrfragen oder im Sinne eines Notar Gottes. Auch im 1. Jtsd. wird im zweifelsfall bei Streit auf Konzilien oder lokalen Synoden Rom gefragt. Das Vat II beharrt auch weiterhin auf dieser Lehre. Also sie ist kann man sagen ungebrochene Tradition bis heute.

LG
Fiore
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas

Benutzeravatar
Fingalo
Beiträge: 242
Registriert: Donnerstag 16. November 2006, 10:16
Wohnort: Wiesbaden

Beitrag von Fingalo »

FioreGraz hat geschrieben:Die Monopolstellung im Glauben.

Die Zeugnisse der TRadition mit dementsprechenden Lehrentscheidungen auch seitens Roms insbesondere das 4. Konzil v. Konstantinopel.
Ist das nicht die Trullanische Synode, deren Abschlussdokument vom Papst Sergius I. nicht unterzeichnet wurde?
Dort heißt es im "Logos Prosphonetikos", dass die beiden vorangegangenen Synoden überhaupt keine Lehrentscheidungen (Canones) getroffen hätten. Die können also keine Tradition begründet haben.
Ich habe den zweisprachigen Text vor mir, finde aber nirgends eine Aussage des Inhalts, dass ausschließlich ökumenische Synoden, also Synoden mit Bischöfen oder Patriarchen aus der Ost- und der Westkirche in der Lage sein sollten, transzendente Wahrheiten für den Glauben zu formulieren.
Im Gegenteil: Im Kanon 2 werden bereits beschlossene Anathemata nochmals bekräftigt (doppelt genäht hält besser) und unterschiedslos daneben auch Lehraussagen von Einzelpersonen bestätigt: Erst werden die Canones von ganz unterschiedlichen Versammlungen "bestätigt", dann fährt der Text fort: "Genauso (αλλα μην) die Canones des Dionysius ... usw." Das Wort heißt da επισφραγιζομεν, also ein Siegel darunter setzen. und κανων heißt Regel, Richtschnur. Die haben diese Texte bereits als Richtschnur und Regel anerkannt, die sie nur noch mit einem Siegel bestätigten. Dass diese Canones Geltung haben, war also schon communis opinio, bevor man zusammenkam. Diese Gleichsetzung der Befugnis, Regeln aufzustellen, sowohl für die aufgezählten Kirchenversammlungen als auch für die anschließend aufgezählten Einzelpersonen wurde überhaupt nicht thematisiert. Dafür, dass dort beschlossen worden sei, nur alle Kirchenprovinzen gemeinsam könnten göttliche Wahrheit ermitteln, weil nur ihnen der Beistand des Heiligen Geistes den Irrtum verhindere, finde ich keinen Anhaltspunkt.

Benutzeravatar
FioreGraz
Beiträge: 3890
Registriert: Freitag 25. Juni 2004, 19:18
Wohnort: Graz
Kontaktdaten:

Beitrag von FioreGraz »

Ne da meinst du das 3. Konzil v. Konstantinopel wo der Osten die trullanische Synode als Teil ansieht, ich rede vom 4. Konzil.

Aber egal ich meinte da Zeugnis allgemein, also das Verständnis überhaupt und das fängt an beim Apostekonzil umfasst im großen und ganzen die gesamte Konzilskultur bzw. das Konzilsverständnis bis ins 15. Jhdt. Die Päpste machen ja auch nicht umsonst immer wieder auf ihr Vorrecht der Auslegung und Kontrolle der Konzilien aufmerksam z.B Synode v. Serdika, der Brief des Konzils von Chalkedon an Leo I., Papst Simplicius, Pelagius I. etc. auch die Bestätigung seitens der Päpste spricht seine Bände.
Im Endefeckt ist der Streit um die Vorrangstellung Roms eine Spannungsgeschichte und Zeugnis zwischen eben der Verbindlichkeit der Konzilien und der Stellung des Papstes und gibt sehr gut die Lehrauffassung wieder, insbesonder da der Papst in der "devensivposition" bei diesem Streit ist, woraus man sher gut ablesen kann das es sich um bereits dmals schon "althergebrachte" Vorstellungen handelt. Und wie gesagt diese Vorstellung erhielt sich bei uns voll und ganz noch bis zum Konzil von Konstanz bzw. Basel und findet auch in Vat I. und Vat. II noch ihren Nachhall. Auch die bestimmung des noch rechtmässigen "Teils" des Konzils von Basel über die Abhaltung von Regionalsynoden ist ein Zeugnis dafür.

LG
Fiore
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas

Benutzeravatar
Fingalo
Beiträge: 242
Registriert: Donnerstag 16. November 2006, 10:16
Wohnort: Wiesbaden

Beitrag von Fingalo »

FioreGraz hat geschrieben:Ne da meinst du das 3. Konzil v. Konstantinopel wo der Osten die trullanische Synode als Teil ansieht, ich rede vom 4. Konzil.

Aber egal ich meinte da Zeugnis allgemein, also das Verständnis überhaupt und das fängt an beim Apostekonzil umfasst im großen und ganzen die gesamte Konzilskultur bzw. das Konzilsverständnis bis ins 15. Jhdt.
Aha, dann gibt es also einen allgemeinen schriftlich festgehaltenen Satz nicht, dass nur das in These 1 definierte "Ökumenische Konzil in Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl" eine Glaubenswahrheit feststellen kann.
Und wenn die Reihe bis zum Konzil von Konstanz fortgesetzt wird und darüber hinaus bis zum Vaticanum II, dann sind dort Glaubenswahrheiten verkündet worden, die die am Konzil beteiligten Kirchen als verbindlich anzusehen haben. Dass zur Eigenschaft eines Canons als unfehlbar wahr, also göttlicher Herkunft durch den Heiligen Geist vermittelt, gehöre, dass auch die Ostkirche dem zustimme, ist nirgends als verpflichtender Glaubenssatz verkündet. Die Konzilskultur sagt etwas über die Möglichkeiten eines Konzils. Die Papstkultur sagt etwas über die Möglichkeiten eines Papstes. Und da denke ich, dass es auch einen Traditionsstrang gibt, dass ohne ihn nichts läuft.

Wenn nun das Vaticanum I die Unfehlbarkeit des Papstes beschlossen und verkündet hat, dann sind die beteiligten Kirchen und deren Gläubige daran gebunden (und auch die später beitretenden Kirchen). Die Orthodoxe Kirche aber nicht. Für einen Katholiken ist die Mariendogmatik verbindlich, ob das Konzil nun ökumenisch war oder nicht. Wenn man nun die Gültigkeit dieses Canons in Zweifel zieht, dann ist auch der Verbindlichkeit von Konzilsdekreten endgültig der Boden entzogen, ob ökumenisch oder nicht. Denn immer wird man bei einer lebendigen Kirche durch geeignete Auslegung feststellen können, dass ein neuer Canon gegenüber einem einem früheren in irgendeiner Weise eine Veränderung bringt. Sonst wäre er ja überflüssig. Und der eine sagt "Entwicklung" oder "Aggiornamento", der andere "Traditionsbruch", wie Lefèbvre.
Man sollte auch bei der Führung durch den Heiligen Geist in Rechnung stellen, dass er den jeweiligen geschichtlichen Horizont kennt und bestimmte Dinge für eine Zeit für richtig hält und für eine andere Zeit für falsch. Dies gilt zwar nicht für transzendente Sachverhalte wie die Trinität, aber für Organisationsfragen, wie die Frauenordination. Und der Gehorsam verlangt, dies zu akzeptieren.

Und das Verhältnis zwischen diesen Kirchen?
Das geht wie bei politischen Gebilden. Da gibt es jede Art von Ausgestaltung von Beziehungen: Von der gegenseitigen Anerkennung mit Einreiseverbot über Visumzwang, Passzwang, Ausweis reicht, man kann auch so über die Grenze, Staatenbund, bis hin zum Bundesstaat. Und jede Kirche kann autonom festlegen, was die eigenen Gläubigen bei den anderen dürfen und was die anderen in den eigenen Kirchen und Gottesdiensten dürfen. Das muss nicht einmal auf Gegenseitigkeit beruhen.

Ich stehe immer noch auf dem Schlauch und sehe das Problem nicht.

Benutzeravatar
Walter
Moderator
Beiträge: 1506
Registriert: Mittwoch 25. Januar 2006, 13:56

Beitrag von Walter »

Udalricus hat geschrieben:
während die östlichen Patriarchen und Bischöfe abwesend blieben. Deshalb wurde es kein Ökumenisches Konzil, wenn es auch gewollt hatte.
Also, mein Bedenken ist: ist die Gültigkeit eines Konzils von der Anzahl der Gekommenen abhängig?
Und müssen auch Bischöfe eingeladen werden, die im Schisma stehen? Noch dazu, um die Gültigkeit des Konzils zu garantieren?

Insofern bräuchten die Ostkirchen ja nicht die heutige Geltung der Beschlüsse der umstrittenen Konzilien anerkennen, sondern nur, dass sie gültig zustande gekommen sind, da der Nachfolger Petri sie einberufen hat.

Oder denke ich da verkehrt?
Ja, ganz schön verkehrt, würde ich sagen. :(

Ein Ökumenisches Konzil ist dann und nur dann (als solches) gültig, wenn es von allen kanonischen Kirchen (und zwar nicht nur von den Patriarchen, sondern auch vom Kirchenvolk) als solches anerkannt wird.

Von den sieben Ökumenischen Konzilen, die allgemein anerkannt werden, wurde kein eines von einem Papst einberufen. Auf dem Konzil von Konstantinopel 381 war sogar überhaupt kein Legat der römischen Kirche anwesend. Trotzdem wurde es von Rom und den anderen Kirchen anerkannt und ist deshalb gültig.

Alles was Rom nach 1054 angestellt hat, wurde nicht mehr als gültig anerkannt, unabhängig davon, wer diese sog. Konzile einberufen hat, das war sogar 1439 beim Konzil von Florenz und Ferrara der byzantinische Kaiser. Trotzdem haben die orthodoxen Kirchen die dort beschlossenen Häresien abgelehnt.

Es ist also für die Gültigkeit nicht ausschlaggebend, wer ein Konzil einberufen hat und wer daran teilgenommen hat, sondern einzig entscheidend ist, ob dort die wahre Lehre oder irgendwelche Häresien beschlossen wurden. Die würden von der wahren Kirche Christi niemals als Dogmen oder gültige Lehre anerkannt werden. :sauer:
γενηθήτω το θέλημά σου·

Benutzeravatar
Fingalo
Beiträge: 242
Registriert: Donnerstag 16. November 2006, 10:16
Wohnort: Wiesbaden

Beitrag von Fingalo »

Walter hat geschrieben:Ja, ganz schön verkehrt, würde ich sagen. :(

Ein Ökumenisches Konzil ist dann und nur dann (als solches) gültig, wenn es von allen kanonischen Kirchen (und zwar nicht nur von den Patriarchen, sondern auch vom Kirchenvolk) als solches anerkannt wird.
Volksabstimmung in der Kirche. Mit einfacher oder 2/3-Mehrheit? Wer hat diese Anforderung wann und mit welchem Recht festgelegt?
Und was heißt "gültig" inhaltlich? Denn immerhin heißt Gültigkeit nach Deinem letzten Satz ja noch lange nicht, dass es nicht Häresien verkündet.
Walter hat geschrieben:Es ist also für die Gültigkeit nicht ausschlaggebend, wer ein Konzil einberufen hat und wer daran teilgenommen hat, sondern einzig entscheidend ist, ob dort die wahre Lehre oder irgendwelche Häresien beschlossen wurden. Die würden von der wahren Kirche Christi niemals als Dogmen oder gültige Lehre anerkannt werden. :sauer:
Und wer befindet darüber? Wer ist Richter über die Konzilien? Jeder Gläubige für sich (wie bei den Evangelischen)?

Aber ich darf zusammenfassen: Ein gültiges Konzil verkündet verbindlich Wahrheiten. Und wann ist es gültig? Nun, wenn es eben Wahrheiten verkündet. Ein herrlicher Zirkel.

Benutzeravatar
Walter
Moderator
Beiträge: 1506
Registriert: Mittwoch 25. Januar 2006, 13:56

Beitrag von Walter »

Also Fingalo, ein Konzil ist nicht so etwas wie die jährliche Hauptversammlung eines Vereins, die erst einmal ihre Beschlussfähigkeit (Du nennst das "Gültigkeit") feststellen muss, dann aber je nach Mehrheit irgendwelche Satzungsänderungen vornehmen darf (das hieße, die an sich unveränderliche Lehre der Kirche verändern, so wie es z.B. im I. Vatikanum doch geschehen ist).

Kein Konzil kann also "neue" Lehren schaffen, sondern höchstens aufgetretene Abweichungen von der unveränderlichen Apostellehre als Häresie verurteilen, oder die bestehende Lehre in Worte kleiden, deklarieren, wie das z.B. im "Credo" von Konstantinopel und Nicäa geschehen ist.

Aber auch so ist kein Lehramt ist unfehlbar (schon gar nicht darin, dass es für sich selbst die Unfehlbarkeit beschließt*). Also kann auch ein Konzil irren.

Unfehlbar (also irrtumsfrei) ist einzig die Kirche als Ganzes durch die lebendige Gegenwart des Heiligen Geistes und die Gnade und Führung Gottes. Deshalb ist ein Konzilsbeschluss (oder das ganze Konzil) erst dann gültig, wenn er/es durch die Heilige Kirche angenommen (rezipiert) wird.


* siehe Lk 22,31-34
γενηθήτω το θέλημά σου·

Benutzeravatar
Leguan
Altmoderator
Beiträge: 1924
Registriert: Samstag 4. März 2006, 14:30

Beitrag von Leguan »

Walter hat geschrieben:Es ist also für die Gültigkeit nicht ausschlaggebend, wer ein Konzil einberufen hat und wer daran teilgenommen hat, sondern einzig entscheidend ist, ob dort die wahre Lehre oder irgendwelche Häresien beschlossen wurden.
Was ist denn das für eine Karuselllogik?
Aber auch so ist kein Lehramt ist unfehlbar (schon gar nicht darin, dass es für sich selbst die Unfehlbarkeit beschließt*). Also kann auch ein Konzil irren.

Unfehlbar (also irrtumsfrei) ist einzig die Kirche als Ganzes durch die lebendige Gegenwart des Heiligen Geistes und die Gnade und Führung Gottes. Deshalb ist ein Konzilsbeschluss (oder das ganze Konzil) erst dann gültig, wenn er/es durch die Heilige Kirche angenommen (rezipiert) wird.
Also woher soll man dann noch wissen, was man glauben soll? Es gab genug Leute, die auch nach dem Konzil von Nicäa am Arianismus festhielten; Nestorianer gibt es bis heute. Warum sollte dann das Konzil von Ephesos gültig sein?

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nietenolaf hat geschrieben:Bitte definiere "Ökumene". Im lateinischen Äquivalent schreibst Du "totus orbis".
Da hast du’s ja. :)

Du hast recht, daß ein Ökumenisches Konzil ohne Kaiser etwas anderes ist als mit Kaiser. Allerdings solltest du den Kaiserbegriff hierbei nicht auf den byzantinischen Basileus beschränken. Ohne die juridische und die heilsgeschichtliche Problematik der translatio imperii hier erörtern zu wollen, muß ich doch daran erinnern, daß der Kaisergedanke (samt der „Romidee“) von den Franken und späteren Deutschen ebenso übernommen wurde wie von den Russen.

Ferner erinnere ich daran, daß auch die sieben alten „ökumenischen“ Konzilien den Begriff der Ökumene keineswegs auf den orbis Romanus (bzw. Rhomaios) beschränkten. Da kamen Bischöfe auch von Persien und Indien her.
Nietenolaf hat geschrieben:Als weiteres ein paar Worte zu Deiner Erwähnung des römischen Stuhls. Zum Constantinopolitanum I (381 a.D.) war der Westen überhaupt nicht vertreten, aber dieses Konzil ist das Zweite Ökumenische.
Ich erinnere an die intensiven, ja fast verzweifelten Bemühungen der östlichen Seite, einen Papst zur Unterschrift unter das Quinisextum zu bewegen. Nicht aus Jux und Dollerei, sondern weil man diese tatsächlich als notwendig ansah.
Josef Steininger hat geschrieben:Die Ausführungen Nietenolafs sind ja ganz interessant, sie machen deutlich, daß der oströmische Kaiser im 1.Jahrtausend einen Einfluß auf das innere Leben der Kirche ausübte, der ihm als Laien nicht zukam.
Das ist eine unbewiesene Behauptung. Zudem ist zu entgegnen, daß ohne jenen „Einfluß“ wir Heutigen von der Kirche vermutlich nurmehr ferne Kunde hätten. Mit andern Worten, der Einfluß war providentiell.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Udalricus hat geschrieben:Ich möchte beide Fragen verneinen, womit alle Konzilien bis zum 2. Vatikanischen Konzil gültig sein müssen.
Udalrice, lies doch bitte einmal oben meine ausführliche Erläuterung. Daraus geht, meine ich, recht klar hervor, weshalb eine beträchtliche Anzahl heute in der lateinischen Kirche üblicherweise (aber nirgends verbindlich definiert!) als „ökumenisch“ gezählter Synoden keineswegs ökumenisch im Sinne der sieben ersten ökumenischen Konzilien war.
Walter hat geschrieben:Ein Ökumenisches Konzil ist dann und nur dann (als solches) gültig, wenn es von allen kanonischen Kirchen (und zwar nicht nur von den Patriarchen, sondern auch vom Kirchenvolk) als solches anerkannt wird.
Die Behauptung ist nicht tragfähig. Siehe Ephesus und Chalcedon.
Walter hat geschrieben:Konstantinopel 381 … wurde .. von Rom … anerkannt und ist deshalb gültig.
Deshalb. (Auch deshalb.) :klatsch:
[/color]
Walter hat geschrieben:Alles was Rom nach 1054 angestellt hat, wurde nicht mehr als gültig anerkannt
Mit Verlaub, Walter, das ist grober Unfug. Sowohl die ominöse Jahreszahl (die in Wahrheit ganz unbedeutend ist) als auch überhaupt.
Walter hat geschrieben:… 1439 beim Konzil von Florenz und Ferrara … Trotzdem haben die orthodoxen Kirchen die dort beschlossenen Häresien abgelehnt.
Dies vorschnelle Urteil („Häresien“) wirst du auch kaum durchhalten können. Ich verstehe schon, weswegen euch „Ostlern“ das Florentinum besonders unangenehm ist. Denn »die orthodoxen Kirchen« haben zunächst zu einem beträchtlichen Teil die dort gefaßten Beschlüsse keineswegs »abgelehnt«, sondern mitbeschlossen und mitgetragen.

Weshalb das Florentinum am Ende doch nicht tragfähig war, das ist – wie ich irgendwo oben schon schrieb – ein Thema für sich. Mit pauschalen Häresievorwürfen kommst du den Dingen aber nicht näher, ebensowenig, wenn einer euch stets von vornherein pauschal „Schismatiker“ schimpft.

Man müßte wohl wirklich einmal näher untersuchen, weshalb der Einigungsversuch von Florenz, wie ich es oben ausdrückte, gleichsam unvollendet blieb – und an den seit damals auseinandergelaufenen Fäden wieder anknüpfen.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
FioreGraz
Beiträge: 3890
Registriert: Freitag 25. Juni 2004, 19:18
Wohnort: Graz
Kontaktdaten:

Beitrag von FioreGraz »

@Fingalo

Du stellst hier ungleiches gegenüber, du meinst Papst-Konzil wären Konkurrenten ihre Unfehlbarkeiten etc. seien gleichgesetzt

Unfehlbarkeit des Papstes
Die Unfehlbarkeit des Papstes ist nicht einfach Verkündet worden, sie wurde nur "bestätigt", dabei beruft sich ja Vat I. auf die Praxis und Dokumente von Konzilien annodazumal, also es ist nichts neues unter der Sonne nur endlich mal zusammengefasst, somit tätigt Vat. I auch keine neue dogmatischa Aussage sondern eher ne Wiederholung. Dadurch ist aber auch die Rolle der Rolle der Unfehlbarkeit definiert

- Notariel, er bestätigt Konzilsdokumente oder lehnt sie als nicht glaubenskonform ab und bewahrt sie und legt sie aus (Konzilshoheit)
- Er hat absolute endgültige Entscheidungsgewalt in Streitfragen des Glaubens und der Kirche (eine besonderheit der judikativen Gewalt)

Es ist also eine "rechtlich/passive" Unfehlbarkeit. Er kann keine aktiven "Weihrauchschnüffelbeschlüsse" fassen.

Konzil
Das Konzil selbst an sich fasst aktiv Glaubensbeschlüsse, es ist das aktive Organ des "sensus fidei", um aber den "sensus fidei" zu repräsentieren muß natürlich ein gesamtkirchlicher Konsens da sein, es kann nicht sein dei Lateiner beschliesen die orthodoxen fressen, denn auch die orthodoxen sind katholisch und Mitglieder der Kirche. Wenn diese also dagegen sind ist das keine aktiver Ausdruck des "sensus fidei". Daher sind die "nachschismatischen" Konzilien eher als "Patriachalsynoden" des Westens zu sehen, für uns natürlich verbindlich, allgemeine Glaubensaussagen die diese Konzilien getroffen für die Gesamtkirche getroffen haben sind aber im Lichte beider Traditionen zu bewerten.

Kirche (sensus fidei)
Das Glaubensvolk, und hier muß ich Walter zustimmen, das Glaubensvolk an sich (die Kirche) ist unfehlbar im passiven Sinne. Um endgültig über "depositum fidei" oder "menschliche Tradition" zu entscheiden, ist dieses Zuständig. Im Sinne einer Rezeption. Wenn ein Konzilsbeschluß o.dgl. nicht vom Volk Gottes angenommen wird, können ihn 10 Päpste und 30 Konzilen verkündet haben, es ist dann kein "depositum fidei" sondern entweder eine Nebensache - "menschliche Tradition" (z.B. Zölibat) oder einfach Blödsinn.

Im Endefeckt brauchst du aber die Gesamtkirche besonders für letzteres um ein "depositum fidei" zu finden und besonders aus letzteren ergibts sich die westlichen ökumenischen Konzilien sind nur große Lokalsynoden. Was nicht heißt das sie unrecht haben, viele Lokalsynoden haben durch annahme in der Kirche (sensus fidei) eine Gesamtkirchliche dogmatische Bedeutung.

Diese 3 "Unfehlbarkeiten" kann man aber nicht wie in letzter Zeit papalistisch gesehen wird, als konkurierend und sich auschliesend sehen im Gegenteil das Vehikel funktioniert nur wenn alle 3 sich in ihrem Bereich ergänzen.

Es gibt natürlich (Krisen)Zeiten da müssen sie Konkurieren, so stellt Trient bereits fest das das Volk (sensus fidei) des öfteren gegen alle Widerstände den rechten Glauben bewahrt hat, so kan man sehen das sich auch Konzilien mal gegen Päpste stellen (Apostelkonzil, Konstanz) und so kann man sehen das Päpste auch mal Kozilen bombardieren (Hireia, Basel). Doch in diesen Krisen gilt immer Gott und die Wahrheit wird sich durchsetzen.

LG
Fiore
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:...ich [muß] doch daran erinnern, daß der Kaisergedanke (samt der „Romidee“) von den Franken und späteren Deutschen ebenso übernommen wurde wie von den Russen.
Ja, das bestreitet auch niemand! Aber Du sagst es ganz richtig: "Romidee"! "Rom" ist und war im Sprachgebrauch der alten Kirche ein Abstraktum, Synonym für "Hauptstadt des christlichen Reiches". Warum sonst ist Konstantinopel das "Neue Rom", wozu hieß es das "heilige römische Reich deutscher Nation" usw., und deshalb bricht mit dem Untergang des Alten Rom ein wesentliches Argument für die Begründung irgendeiner extraordinären Amtsgewalt des römischen Bischofs über andere weg. "Romidee", nicht "Rom am Tiber"!
FioreGraz hat geschrieben:Die Unfehlbarkeit des Papstes ist nicht einfach Verkündet worden, sie wurde nur "bestätigt", dabei beruft sich ja Vat I. auf die Praxis und Dokumente von Konzilien annodazumal...
Genau, und sicherlich waren diese Dokumente die Isidorschen Dekretalien. :mrgreen:

Benutzeravatar
FioreGraz
Beiträge: 3890
Registriert: Freitag 25. Juni 2004, 19:18
Wohnort: Graz
Kontaktdaten:

Beitrag von FioreGraz »

Genau, und sicherlich waren diese Dokumente die Isidorschen Dekretalien.
Das sind Konzilien wie Chaldekon, 4. Konstantinopel etc. und natürlich zig andere Dokumente die nicht Konziliar sind.
.... und deshalb bricht mit dem Untergang des Alten Rom ein wesentliches Argument für die Begründung irgendeiner extraordinären Amtsgewalt des römischen Bischofs über andere weg. "Romidee", nicht "Rom am Tiber"!
Da bricht gar nichts weg, Rom hatte noch immer Gewalt das hat sich der Kaiser längst nach Byzanz verabschiedet bzw. gab es ein Westrom gar nicht mehr. Das "Hausbischofargument" finde ich ehrlich gesagt nahezu häretisch, da kann man gleich die Laieninvestitur und Simonie als Gottgewollt erklären.

LG
Fiore
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas

Benutzeravatar
Fingalo
Beiträge: 242
Registriert: Donnerstag 16. November 2006, 10:16
Wohnort: Wiesbaden

Beitrag von Fingalo »

FioreGraz hat geschrieben:@Fingalo

Du stellst hier ungleiches gegenüber, du meinst Papst-Konzil wären Konkurrenten ihre Unfehlbarkeiten etc. seien gleichgesetzt

Unfehlbarkeit des Papstes
Die Unfehlbarkeit des Papstes ist nicht einfach Verkündet worden, sie wurde nur "bestätigt", dabei beruft sich ja Vat I. auf die Praxis und Dokumente von Konzilien annodazumal, also es ist nichts neues unter der Sonne nur endlich mal zusammengefasst, somit tätigt Vat. I auch keine neue dogmatischa Aussage sondern eher ne Wiederholung. Dadurch ist aber auch die Rolle der Rolle der Unfehlbarkeit definiert
Von Gleichsetzung und Konkurrenz habe ich nichts gesagt. Vielmehr habe ich genau das gesagt, was Du hier auch äußerst, dass die päpstliche Autorität ihren eigenen Traditionsstrang hat (also nichts neues ist).
FioreGraz hat geschrieben:Konzil
Das Konzil selbst an sich fasst aktiv Glaubensbeschlüsse, es ist das aktive Organ des "sensus fidei", um aber den "sensus fidei" zu repräsentieren muß natürlich ein gesamtkirchlicher Konsens da sein, es kann nicht sein dei Lateiner beschliesen die orthodoxen fressen, denn auch die orthodoxen sind katholisch und Mitglieder der Kirche. Wenn diese also dagegen sind ist das keine aktiver Ausdruck des "sensus fidei". Daher sind die "nachschismatischen" Konzilien eher als "Patriachalsynoden" des Westens zu sehen, für uns natürlich verbindlich, allgemeine Glaubensaussagen die diese Konzilien getroffen für die Gesamtkirche getroffen haben sind aber im Lichte beider Traditionen zu bewerten.
Da wird die Transzendenz aber ausgeblendet. Das ergibt sich schon aus dem Wort "beschließt". Ich kann eine Wahrheit nicht beschließen. Der Schulelternbeirat kann "beschließen", dass der Kreationismus an der Schule gelehrt oder nicht mehr gelehrt wird. Er kann - und wenn er noch so biblizistisch ist - nicht beschließen, dass der Kreationismus wahr ist. Die Christologie wurde nicht beschlossen, sondern sie wurde festgestellt Wenn es richtig ist, dass der Heilige Geist die Kirche vor grundlegenden Irrtümern bewahrt, dann konnten die entsprechenden Konzilien, in denen dies verhandelt wurde, zu gar keinem anderen Ergebnis kommen. Das Wort "beschließen" in diesem Zusammenhang führt letztlich dazu, dass sich die Eigenschaften Gottes nach den Konzilsbeschlüssen richten.
FioreGraz hat geschrieben:Kirche (sensus fidei)
Das Glaubensvolk, und hier muß ich Walter zustimmen, das Glaubensvolk an sich (die Kirche) ist unfehlbar im passiven Sinne. Um endgültig über "depositum fidei" oder "menschliche Tradition" zu entscheiden, ist dieses Zuständig. Im Sinne einer Rezeption. Wenn ein Konzilsbeschluß o.dgl. nicht vom Volk Gottes angenommen wird, können ihn 10 Päpste und 30 Konzilen verkündet haben, es ist dann kein "depositum fidei" sondern entweder eine Nebensache - "menschliche Tradition" (z.B. Zölibat) oder einfach Blödsinn.

Im Endefeckt brauchst du aber die Gesamtkirche besonders für letzteres um ein "depositum fidei" zu finden und besonders aus letzteren ergibts sich die westlichen ökumenischen Konzilien sind nur große Lokalsynoden. Was nicht heißt das sie unrecht haben, viele Lokalsynoden haben durch annahme in der Kirche (sensus fidei) eine Gesamtkirchliche dogmatische Bedeutung.
Das ist nun reine Theorie. Denn die Konzilsväter erheben ja vor der Zusammenkunft den Glauben ihrer Gemeinde. Dass die Gesamtgemeinde schlicht Unsinn glaubt, ist wohl nicht zu erwarten. Aber gleichwohl gilt (auch) der Satz: vox populi vox Rindvieh. Man sieht dies am mittelalterlichen Bluthostienkult (der ja nicht "reiner Unsinn" war). Selbst der päpstliche Legat Nikolaus von Kues und auch Thomas von Aquin konnten sich nicht dagegen durchsetzen. 1453 wurde die Wallfahrt nach Wilsnack sanktioniert. War "consensus fidei", dass hier das Blut Jesu zu sehen war.
Es gibt auch umstrittene Glaubenswahrheiten, mit denen sich, soweit ich weiß, nie ein Konzil auseinandergesetzt hat. Der Donatismus wurde nie von einem Konzil anathematisiert.
FioreGraz hat geschrieben:Diese 3 "Unfehlbarkeiten" kann man aber nicht wie in letzter Zeit papalistisch gesehen wird, als konkurierend und sich auschliesend sehen im Gegenteil das Vehikel funktioniert nur wenn alle 3 sich in ihrem Bereich ergänzen.

Es gibt natürlich (Krisen)Zeiten da müssen sie Konkurieren, so stellt Trient bereits fest das das Volk (sensus fidei) des öfteren gegen alle Widerstände den rechten Glauben bewahrt hat, so kan man sehen das sich auch Konzilien mal gegen Päpste stellen (Apostelkonzil, Konstanz) und so kann man sehen das Päpste auch mal Kozilen bombardieren (Hireia, Basel). Doch in diesen Krisen gilt immer Gott und die Wahrheit wird sich durchsetzen.
Dabei ist aber festzustellen, dass sich zum einen nichts "durchsetzt". Man sieht es ja an diesem thread. Das was sich in der katholischen Kirche durchgesetzt hat, wird als Wahrheit nicht anerkannt, weil es nicht in der formell geforderten Weise zustande gekommen ist, wobei mir immer noch nicht klar ist, wer die formellen Gültigkeitsregeln eigentlich festgelegt hat und wieso sich eine transzendente Wahrheit nach diesen Gültigkeitsregeln richten sollte.

Ich will mal die Aporie an einem in diesem Forum diskutierten Beispiel festmachen:
Im thread "Priesterweihe für Frauen - welches sind die Argumente?" geht es unter anderem darum, wie mit Menschen umgegangen werden soll, die das de la Chapelle-Syndrom haben (XX-Chromosom). Sie sind genetisch Frauen, sehen aber aus, wie Männer. Die Priesterweihe hinterlässt ein unauslöschliches Siegel auf der Seele des Geweihten. Ich glaube, das ist "sensus fidei". Die gültige Weihe eines Priesters setzt zwingend voraus, dass der Weihende selbst Priester ist. Ich gehe hier davon aus, dass Frauen weiheunfähig sind (sensus fidei? Nehmen wir's mal an - auch ohne Konzil; wir können ja mal unterstellen, ein "allgemein anerkanntes" Konzil hätte dies so festgestellt). Ob ein Mensch nun überhaupt weihefähig ist, hing bislang davon ab, ob er Mann oder Frau war, jetzt auf einmal hängt er zusätzlich davon ab, wie ich den Begriff "Mann" definiere. Da davon möglicherweise die Gültigkeit von Weihen in der gesamten Kirchengeschichte und für alle Zukunft in Frage gestellt ist, würde sich ein Konzil mit dieser Frage beschäftigen. Auch die Orthodoxen würden ihrerseits auf einer allgemeinen Synode damit beschäftigen. Beide kämen zu entgegengesetzten Ergebnissen, die Kirche A würde den Chromosomensatz für maßgeblich erklären und Ungewissheiten der Vergangenheit mit einer Art "Begierdepriestertum in der Gnade Gottes" heilen (so wie die Begierdetaufe), die Kirche B würde den Phänotyp für maßgeblich erklären. Einen von allen akzeptierten "consensus fidei" gibt es nicht. Es "setzt sich auch nichts durch". Aber dahingestellt sein lassen kann man das auch nicht. Entweder der Mensch hat das Siegel oder er hat es nicht.

Der Papst verkündet nun selbst ex cathedra in der für seine Kirche verbindlichen Form "Der Phänotyp ist entscheidend." Wenn dem nun tatsächlich so ist, ist diese Aussage jetzt deshalb falsch, weil dies kein Konzil beschlossen hat? ("Unverbindlich" ist kein Ausweg, weil eine objektive Tatsache so wenig unverbindlich sein kann, wie sie in diesem Falle dahinstehen kann).

Ehrlich, mir ist das Verhältnis von transzendenter Wahrheit zur Wahrheitsfindung in der konkreten Geschichte immer noch ein Rätsel. In der hiesigen Diskussion sieht es so aus, als ob transzendente Wahrheiten nach bestimmten Regeln gemacht werden sollen, Regeln, die selbst nach sehr unbestimmten Kriterien aufgestellt werden, um auf diese Weise "korrekt" zustande gekommene Häresien, die wiederum nach sehr unbestimmten Regeln identifiziert werden, ausscheiden zu können.

Ich habe das obige Beispiel deshalb gewählt, weil es für diese aus sakramentaler Sicht entscheidenden Frage überhaupt keine Tradition gibt und geben kann.

Benutzeravatar
Walter
Moderator
Beiträge: 1506
Registriert: Mittwoch 25. Januar 2006, 13:56

Beitrag von Walter »

Fingalo hat geschrieben:Der Papst verkündet nun selbst ex cathedra in der für seine Kirche verbindlichen Form "Der Phänotyp ist entscheidend." Wenn dem nun tatsächlich so ist, ist diese Aussage jetzt deshalb falsch, weil dies kein Konzil beschlossen hat? ("Unverbindlich" ist kein Ausweg, weil eine objektive Tatsache so wenig unverbindlich sein kann, wie sie in diesem Falle dahinstehen kann).
"Unverbindlich" bedeutet ja nicht aussagelos (im Sinne von wahr oder falsch), sondern dass diese Lehrmeinung ggf. auch in "Der Phänotyp ist nicht entscheidend" abgeändert werden darf.
γενηθήτω το θέλημά σου·

Benutzeravatar
Robert Ketelhohn
Beiträge: 26021
Registriert: Donnerstag 2. Oktober 2003, 09:26
Wohnort: Velten in der Mark
Kontaktdaten:

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nietenolaf hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:...ich [muß] doch daran erinnern, daß der Kaisergedanke (samt der „Romidee“) von den Franken und späteren Deutschen ebenso übernommen wurde wie von den Russen.
Ja, das bestreitet auch niemand! Aber Du sagst es ganz richtig: "Romidee"! "Rom" ist und war im Sprachgebrauch der alten Kirche ein Abstraktum, Synonym für "Hauptstadt des christlichen Reiches". Warum sonst ist Konstantinopel das "Neue Rom", wozu hieß es das "heilige römische Reich deutscher Nation" usw., und deshalb bricht mit dem Untergang des Alten Rom ein wesentliches Argument für die Begründung irgendeiner extraordinären Amtsgewalt des römischen Bischofs über andere weg. "Romidee", nicht "Rom am Tiber"!
Mit „Romidee“ meinte ich ausschließlich jene vom Römischen Reich. Mit dem petrinischen Primat hat das nichts zu tun. Es ging um die Funktion des Kaisers.

(Darum brauche ich dir jetzt auch nicht die Gegenfrage nach einem abgebrochenen Patriarchen im Phanar zu stellen …)
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Benutzeravatar
Fingalo
Beiträge: 242
Registriert: Donnerstag 16. November 2006, 10:16
Wohnort: Wiesbaden

Beitrag von Fingalo »

Walter hat geschrieben:
Fingalo hat geschrieben:Der Papst verkündet nun selbst ex cathedra in der für seine Kirche verbindlichen Form "Der Phänotyp ist entscheidend." Wenn dem nun tatsächlich so ist, ist diese Aussage jetzt deshalb falsch, weil dies kein Konzil beschlossen hat? ("Unverbindlich" ist kein Ausweg, weil eine objektive Tatsache so wenig unverbindlich sein kann, wie sie in diesem Falle dahinstehen kann).
"Unverbindlich" bedeutet ja nicht aussagelos (im Sinne von wahr oder falsch), sondern dass diese Lehrmeinung ggf. auch in "Der Phänotyp ist nicht entscheidend" abgeändert werden darf.
Das bedeutet, dass eine spätere Entscheidung nachträglich Nichtpriestern die Priestereigenschaft zuerkennen oder Priestern diese aberkennen kann?
Und mir ist zum "sensus fidei" noch folgendes eingefallen:
Die Ehe "ist" unauflöslich: Diese Eigenschaft drückt eine Dimension ihres objektiven Seins aus und ist nicht bloß ein subjektives Faktum." So die katholische Kirche.
Die orthodoxen Kirchen kennen die Ehescheidung und Wiederverheiratung. Ein "sensus fidei", der beide umfasst, gibt es offenbar nicht. Dann ist die katholische Haltung also gar nicht irreversibel?
Oder der Zölibat. Die Forderung geht zurück bis an die Anfänge der Kirche. und wurde dann auch von Konzilien festgesetzt. Papst Benedikt VIII ordnete auf der Synode von Padua 1022 die Ehelosigkeit der Priester als Vorbedingung zur Priesterweihe an. Das 2. Laterankonzil bekräftigte das 1139. Von einem sensus fidei kann aber nicht gesprochen werden, die Priesterehen waren häufig und vom Kirchenvolk offenbar auch nicht beanstandet.
Das Gottesurteil wurde durch die Kirche zur Wahrheitsfindung angewendet. Das IV. Laterankonzil schaffte im 13. Jahrhundert die Gottesurteile faktisch ab, indem es den Geistlichen verbot, daran teilkzunehmen, was dann dem Gottesurteil die göttliche Teilnahme raubte. Gleichwohl wurden sie noch lange weiter angewendet. Ein sensus fidei in diese Richtung gab es also auch nicht.
War also alles nur unverbindliches Gerede? :hmm:

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Beitrag von Nietenolaf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:(Darum brauche ich dir jetzt auch nicht die Gegenfrage nach einem abgebrochenen Patriarchen im Phanar zu stellen …)
Kannst Du aber, und Du bekommst eine ehrliche Antwort. Was glaubst Du, wieso manche auf Moskau als das "Dritte Rom" kamen? "Zwei Rom sind gefallen, das dritte steht, und ein viertes wird es nimmer geben"; und dieser Spruch kommt, wie auch die "Romidee", nicht aus staatlich-kaiserlichem, sondern aus kirchlichem Milieu. Diesen berühmten Worten des Mönchs Filofej gehen andere voran, die man eher selten zitiert: "Das Reich unseres Herrn [des Zaren - N.] ist, in Entsprechung mit den prophetischen Schriften, das romäische Reich."
Was meint man denn in der Kirche seit jeher mit "Römischem Reich", mit der "Romidee"? Nur den Kaiser der Christenheit? Eher nicht: der Gedanke des Filofej ist es, daß dieses Rom, im Sinne von: das dritte Rom, eine gewisse Qualität hat, die durch das Zarenreich nach dem Fall von Konstantinopel repräsentiert wird. Diese Qualität ist dessen Ewigkeit: "ein viertes wird es nimmer geben". Solche Gedanken über Rom ("die ewige Stadt") gab es ja schon in der nicht-christlichen Antike, das Christentum rezipierte diesen Gedanken auf seine Art. Es entsteht ein christliches Reich, das "in hoc signo" stark und ewig ist. Erbe genau dieses Römischen Reichs war Rußland in der Gedankenwelt des Filofej und seiner Gefolgsleute, und die Russische Kirche gilt ihnen als die Bewahrerin der Überlieferung der alten, ungeteilten Kirche. Es ist eine zweifelhafte Interpretation, wenn man meint, der Fall des ersten Rom sei sein politischer Fall durch den Ansturm der Barbaren im 4. und 5. Jahrhundert. Der Fall des ersten Rom in Filofejs "Romidee" spielt eher auf die Abspaltung der Römischen Kirche an. Zu seiner Zeit gab es noch keinen Gegensatz zwischen "national" und "ökumenisch", genau wie sie Kirche und Reich als zwei Köpfe eines Organismus erleben. Trennungen und Zusammenbrüche von Reichs- und Kirchenteilen werden als katastrophal begriffen.

Und dann sind wir wieder da, worum wir uns hier immer drehen: Was ist "ökumenisch"? Mit Kaiser, ohne ihn? Was hat "petrinisch" (ein Begriff, der dem gemeinsamen Kirchenerbe m.E. fremd ist) mit "römisch" zu tun? Ist es möglich und sinnvoll, jetzt noch von "ökumenisch" (im Bezug auf ein mögliches bevorstehendes Konzil) zu reden?

Hl. Gregorius Magnus, ''an Maurikios'', hat geschrieben:"Ich sage ohne jegliches Zaudern, daß wer sich als Ökumenischen Bischof bezeichnet, oder diesen Titel wünscht, seinem Stolz nach ein Vorläufer des Antichrist ist."
Fiore hat geschrieben:Das "Hausbischofargument" finde ich ehrlich gesagt nahezu häretisch, da kann man gleich die Laieninvestitur und Simonie als Gottgewollt erklären.
Dann nenne doch einmal die Gründe, warum Konstantinopel zum Neuen Rom erklärt wird (Kanon 3 des Konzils zu Konstantinopel, II Oek., 381 AD). Byzanz = Konstantinopel hatte nicht einmal einen Erzbischof; sein Bischof wurde vom Metropoliten von Herakleion eingesetzt. Es wird per kirchlichem (!) Dekret über die antiken Bischofssitze mit gar apostolischem Ursprung und reichster Tradition gehoben (denke nur an Jerusalem). Genau, wir finden es schon in den alten Kommentaren zu den Konzilstexten (Sozomenos, Balsamon): weil Konstantinopel die Stadt des Kaisers und des Senats war. Das ist die kirchliche Begründung dafür, einer Stadt den Titel "Rom" zu verleihen.

Benutzeravatar
Petur
Beiträge: 2438
Registriert: Freitag 29. Dezember 2006, 21:57
Wohnort: Ungarn

Re: XII Thesen

Beitrag von Petur »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
XII ThesenXII Theses
IDas Ökumenische Konzil ist die Versammlung von Bischöfen der ganzen Ökumene in Gemeinschaft mit dem römischen Stuhl, die über Fragen des Glaubens verbindlich für die gesamte Kirche und von der Kirche anerkannt entscheidet.Œcumenica synodus coëtus est episcoporum totius orbis in communione cum sede Romana de materia fidei definitive judicans pro Ecclesia universa et ab ipsa Ecclesia agnitus.
IIDas II. Vatikanische Konzil hat keine solche verbindliche Glaubensentscheidung treffen wollen noch tatsächlich getroffen. Es ist darum kein Ökumenisches Konzil, das Anerkennung durch die Gesamtkirche verlangt.Concilium Vaticanum II tali modo de materia fidei decernere non voluit nec decrevit, qua re non est synodus œcumenica quæ ab universa Ecclesia sit agnoscenda.
IIIWenn also die Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils von den Gläubigen zwar diskutiert werden dürfen, so darf dies doch stets nur unter Wahrung der den Konzilsvätern als den Hirten und Lehrern der Kirche gebührenden Achtung geschehen.Statuta ergo concilii Vaticani II cum a fidelibus disputari liceant, non tamen sunt agitanda nisi cum reverentia patribus synodi debita uti pastoribus atque doctoribus Ecclesiæ.
IVDas I. Vatikanische Konzil hat ausdrücklich erklärt, es spreche nur für die heilige, katholische und apostolische Römische Kirche, das heißt: für den Patriarchat des Abendlands. Diese ausdrückliche Beschränkung auf die Römische Kirche schließt von selbst die anderen Patriarchalkirchen aus, welche den Riten der Orientalen folgen. Hieraus ergibt sich, daß auch jenes Konzil kein wahrhaft Ökumenisches ist.Concilium Vaticanum I explicite sese pro Sancta catholica apostolica Romana Ecclesia tantum loqui declaravit, id est pro patriarchatu occidentis. expressa vero limitatio ad Romanam Ecclesiam ipso facto alias Ecclesias patriarchales excludit, quæ orientalium ritus sequuntur. hinc elucet et illud concilium vere œcumenicum non esse.
VDarum heischen die Entscheidungen des I. Vatikanischen Konzils, wie auch jene des II. Vatikanischen, wiewohl sie von den Gläubigen stets mit der den Synodenvätern geschuldeten Achtung anzunehmen sind, dennoch keinen unbedingten Glaubensgehorsam, sondern dürfen diskutiert werden und können, ja müssen sogar vom kirchlichen Lehramt im Lichte der geheiligten Überlieferung gedeutet werden, insofern sie von dieser abweichen oder in solchem Sinn verstanden werden können.Ideo decreta Vaticani Concilii I, sicut et illa Vaticani II, etsi a fidelibus semper cum reverentia patribus synodi debita sint accipienda, tamen non petunt obsequium fidei absolutum, sed caute disputari licent et ab magisterio ecclesiastico possunt vel immo debent interpretari in luce sacræ traditionis, quoad ab ipsa traditione declinant vel tali sensu comprendi possunt.
VIDie als IV. Konzil von Constantinopel gerechnete Synode, die sich versammelte, um den gewesenen Constantinopolitaner Patriarchen Photius abzuurteilen, war zu ihrer Zeit keineswegs als ökumenisch anerkannt worden, sondern wurde vielmehr nach zehn Jahren von einem neuen Konzil teilweise aufgehoben, was auch der römische Papst bestätigte; daß spätere Jahrhunderte dies Konzil unter die ökumenischen rechneten, ist also nichts als ein historischer Irrtum.Concilium quod dicunt Constantinopolitanum IV, congregatum ad Photium jam patriarcham Constantinopolitanum dijudicandum, minime ut œcumenicum agnitum fuerat suo tempore, immo post decem annos novo concilio partim sublatum est, quod et Romanus pontifex agnovit; quod vero sæcula posteriora istud concilium inter synodos œcumenicas numerarunt, non est igitur nisi error historicus.
VIIDie als I., II. III. und V. Laterankonzil gezählten Synoden, ebenso das I. Konzil von Lyon und das von Vienne, unterscheiden sich ihrer Natur nach nicht von den andern von den römischen Päpsten zusammengerufenen Generalsynoden, insofern sie nämlich weder dogmatische Angelegenheiten behandelten noch den Glauben der Gesamtkirche betrafen. Hieraus folgt, daß sie im strengen Sinne keine Ökumenischen Konzilien sind.Concilia Lateranensia quæ dicuntur I, II, III et V, similiter etiam Lugdunense I et Viennense, secundum indolem eorum non differunt ab aliis conciliis generalibus a Romanis pontificibus convocatis, non scilicet tractantia causas dogmaticas neque ad fidem Ecclesiæ universæ spectantia. hinc satis elucet illa concilia sensu strictu œcumenica non esse.
VIIIWenn auch das Konzil von Konstanz in der Öffentlichkeit größere Bedeutung hatte als die vorgenannten Synoden, hat es doch nur innere Angelegenheiten des abendländischen Patriarchats behandelt, vor allem die Frage des römischen Schismas und den Konziliarismus, also die Rolle von Konzil und Papst in der römischen Kirche.Concilium Constantiense cum majoris momenti esset in publico quam concilia supradicta, et ipsum nil nisi causas patriarchatus occidentalis tractavit internas, præsertim quæstionem schismatos Romani et conciliarismum, id est qualem habeat partem concilium in Ecclesia Romana seu qualem habeat summus pontifex.
IXAm II. Konzil von Lyon nahm, obgleich es sich der Erneuerung der Einheit der Kirche widmete, östlicherseits allein der Kaiser Michael Paläologus teil, während die östlichen Patriarchen und Bischöfe abwesend blieben. Deshalb wurde es kein Ökumenisches Konzil, wenn es auch gewollt hatte.Concilium Lugdunense II etsi unitatem Ecclesiæ instaurando studebat, tamen ex parte orientalium præsentiæ imperatoris tantum gaudebat, Michaelis nempe Palæologi, patriarchis atque episcopis orientalibus absentibus. qua de causa non factum est œcumenicum, etsi voluerat.
XUnter den Vätern des Florentiner Konzils endlich waren auch zahlreiche Griechen. Ja, dies Konzil verhandelte dogmatische Angelegenheiten nicht nur, sondern beschloß auch dogmatische Definitionen. Weil aber der andere Teil des östlichen Episkopats fern blieb und die Beschlüsse im gesamten Osten nicht anerkannt wurden, wurde die angestrebte Einheit nicht erreicht. Aber auch der römische Papst mußte, beispielshalber, die mangelhafte Definition des Weihesakraments auslegen. Daher erscheint das Florentiner Konzil eher als unvollendet denn als ökumenisch, vielleicht noch unbehauen und roh und, um es so auszudrücken, noch nicht ökumenisch.Synodi tandem Florentinæ inter patres fuerunt et complures Græcorum. immo hæc synodus de dogmaticis non solum agitabat, sed etiam definivit. cum vero alia pars episcopatus orientalium absens staret nec decreta quidem accepta fuerint in toto oriente, unitas petita non est effecta. sed etiam Romano pontifici opus erat ut interpretaretur, exempli gratia, definitionem indigentem de sacramento ordinis. hinc Florentinum videtur potius imperfectum quam œcumenicum, forsit impolitum adhuc et rude et, ut ita dixerim, nondum œcumenicum.
XIDas IV. Laterankonzil und das von Trient erfreuen sich in der römischen Kirche höchster Wertschätzung. Da aber östliche Väter nicht anwesend waren, sind sie nicht ökumenisch. Insofern sie aber den Glauben der Gesamtkirche betreffen, heischen sie universale Anerkennung. Dies wird auf einem neuen Ökumenischen Konzil zu behandeln sein, unbeschadet dessen Freiheit zur Beschlußfassung.Lateranensis synodus IV necnon Tridentina in Romana Ecclesia maxima gaudent æstimatione. patres vero orientalibus non præsentibus, œcumenicæ non sunt. dummodo vero ad fidem Ecclesiæ universalis spectent, petunt agnitionem universalem. de qua agitandum erit in nova synodo œcumenica, salva ipsius libertate decernendi.
XIIDie oben vorgestellten Thesen spiegeln, wiewohl sie nicht so verstanden sein wollen, als beschrieben sie mit Gewißheit den katholischen Glauben, doch wahrhaftig unsere Überzeugung wider und werden von uns verteidigt werden, ohne daß dadurch die Autorität des authentischen Lehramts irgend aufgehoben wäre.Theses supra propositæ cum intendi nolint uti fidem catholicam secure describentes, tamen persuasionem nostram veraciter reflectant et a nobis defendentur, auctoritate magisterii authentici minime derogata.
Das ist im Grunde genommen der orthodoxe/alt-katholische/anglikanische Standpunkt. Die Thesen sind sympathisch, logisch und klug. Das grosse Problem ist, dass sie aus der offiziellen römischen Sicht gar nicht akzeptabel sind. Für Rom sind diese Versammlungen ökumenische Konzilien, in denen DOGMEN-die für die ganze Kirche Christi verbindlich sind-proklamiert worden sind. Die allgemeine Verbindlichkeit der Dogmen des I. Vaticanums bezieht sich nicht nur einfach auf die westliche Kirche ((ink.die unierten Ostkirchen), dann könnte man das Wort "Dogma" nicht verwenden. Vorsicht, Robert, deine Meinung kann auch als Ablehnung der paepstlichen Infallibilitaet und des Jurisdiktionsprimats als Dogmen interpretiert werden! Also als eine-nach der röm. Lehre- haeretische Meinung...

Kennst Du die Thesen des amerikanischen ev. Theologieprofessors G.A. Lindbeck über die Möglichkeit gültiger/aber nur für die römische Kirche/ Dogmen nach der Kirchenspaltung? (Siehe:The Nature of Doctrine)

Robert, das war eine schöne Arbeit. Ich gratuliere Dir dazu!

Alles Gute!

Petur

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema