Ur-Anaphora ohne Einsetzungsworte?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Ich möchte darauf hinweisen, dass auch die alte katholische Dogmatik die Lehre, dass die Einsetzungsworte die forma sacramenti darstellen, nicht als de fide (definiertes Dogma), sondern nur als sententia certa (sichere Meinung) betrachtet. (Siehe z. B. L. Ott, Grundriß der katholischen Dogmatik, Freiburg 1970, 8. Aufl., 468!)
Das heißt, dass die Lehre zuverlässig ist und zumindest in der lateinischen Liturgie die Gültigkeit der Konsekration sichert, aber sie muss nicht so verstanden werden, dass sie den ostkirchlichen Hochgebeten ohne direkte Einsetzungsworte die Gültigkeit abspricht.

Während meines Theologiestudiums (bald nach dem Konzil) wurde ich belehrt, dass das gesamte Hochgebet mit den Höhepunkten Einsetzungsworte und Epiklese (Herabrufung des Heilgen Geistes) konsekratorische Wirkung habe. Ich hatte allerdings (an einer kath. Fakultät) auch orthodoxe und unierte Lehrer der Theologie. Ihr Einfluss war unverkennbar. Sich zu sehr auf die Einsetzungsworte zu konzentrieren, galt fast als protestantisch.
Basilius von Caesarea hat geschrieben:"Wer von den Heiligen hat uns die Worte der Epiklese bei der Bezeichnung des Brotes der Eucharisie und des Kelches des Segens schriftlich hinterlassen? Denn wir beschränken uns ja nicht auf das, woran der Apostel oder das Evangelium erinnert, sondern wir sprechen sowohl vorher als auch nachher andere [Worte], die die große Kraft für das Mysterium besitzen und die wir aus der ungeschriebenen Lehre empfangen haben."(De Spiritu Sancto 27, 66)

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Roncalli hat geschrieben:»Ich möchte darauf hinweisen, dass auch die alte katholische Dogmatik die Lehre, dass die Einsetzungsworte die forma sacramenti darstellen, nicht als de fide (definiertes Dogma), sondern nur als sententia certa (sichere Meinung) betrachtet. (Siehe z. B. L. Ott, Grundriß der katholischen Dogmatik, Freiburg 1970, 8. Aufl., 468!)«
Diese Aussage Otts, Roncalli, scheint doch dem Decretum pro Armenis des Florentinum deutlich zu widersprechen (cf. DS 1321). Oder meint Ott lediglich die Wandlungsworte in direkter Rede, als ipsissima vox Jesu? Insofern immerhin läßt das Florentinum, scheint mir, durchaus einen gewissen Spielraum, ja ich halte da sogar die sententia für nicht allzu certa.

Doch das ist hier gar nicht der Punkt. Die sogenannte Anaphora des Addai und Mari enthält die Wandlungsworte eben weder direkt noch indirekt. Das widerspricht derart deutlich der gesamten kirchlichen Tradition außerhalb des Kontexts jenes einen vom Rest des Leibes seit dem Ephesinum getrennten Patriarchalverbands, daß man mindestens Zweifel an der Gültigkeit nicht einfach durch lehramtliche Definition vom Tisch wischen kann.

Das heißt – ich wiederhole es –, keineswegs, daß eine förmliche Verurteilung opportun gewesen sei. Eine offizielle Gutheißung aber erst recht nicht. Das ist das Problem.

Jene Worte des heiligen Basilius des Großen, die du zitierst, liegen bei mir übrigens seit drei Tagen aufgeschlagen auf dem Schreibtisch. Eine höchst bedeutsame Stelle. :ja:
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Philipp Neri
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Beitrag von Philipp Neri »

Lieber Roncalli,

die genannte Stelle aus Basilius von Caesarea kenne ich, und ich halte sie für höchst beachtenswert:

„Denn wir sind nicht beschränkt auf das, was der Apostel oder das Evangelium aufzeichnete, sondern sowohl davor als auch danach gebrauchen wir zusätzlich Worte, die von großer Bedeutung für das Sakrament (mysterion) sind – Worte, die wir der ungeschriebenen Lehre entnehmen“ (De Spiritu Sancto 27,66).

Zum einen ist für Basilius doch selbstverständlich und bedarf keiner weiteren Begründung, daß das Hochgebet die von Paulus und den Evangelien überlieferten Worte enthält, womit ohne Zweifel der Einsetzungsbericht gemeint ist. Dieses Zeugnis ist umso gewichtiger, als Basilius, der in Kappadozien und Konstantinopel lebte sowie Syrien, Palästina und Ägypten bereiste, mit den Gepflogenheiten in weiten Teilen der christlichen Welt vertraut war.

Zum anderen betont er, daß sich die Feier der Eucharistie auch aus der ungeschriebenen Lehre- der Apostel speist und die Kirche somit nicht nur durch die Herrenworte, sondern auch durch die überlieferten liturgischen Formen gebunden ist.

Mir scheint es eine Frage des common sense (ob katholisch, orthodox oder protestantisch), daß die Herrenworte wesentlich zur Feier des Sakraments gehören, unabhängig davon, welche Funktion man ihnen theologisch zuweist.

Davon abgesehen zeigen David Berger und Thomas Marschler im Divinitas-Sonderheft, daß die konsekratorische Wirkung der Einsetzungsworte die einhellige und verbindliche Lehre der lateinischen Kirche gewesen ist. Die Väterzeugnisse dafür sind schon im vierten Jahrhundert klar, vor allem bei Ambrosius von Mailand, De sacramentis. Auch aus dem Osten gibt es Zeugnisse für diese Lehre, etwa die Predigt des Johannes Chrysostomus Über den Verrat des Judas.

Die Konsequenzen des von P. Taft SJ und anderen so vehement vertretenen neuen Paradigmas sind weitreichend. Wenn das, was die klassische Sakramententheologie mit „Form“ und „Materie“ bezeichnet, für obsolet erklärt und damit zur Disposition gestellt wird, so kann eine Reihe von Fragen nochmals aufgerollt werden, die nach dem lehramtlichen Dokument "Ad tuendam fidem", das vor ein paar Jahren erschienen ist, bindend sind, vor allem die der anglikanischen Weihen und der Frauenordination.

Um es überspitzt zu formulieren, wenn das kirchliche Lehramt entscheiden kann, daß die Messe auch ohne Einsetzungsworte gültig gefeiert werden kann (der Stiftung des Herrn in specie - das gibt sogar Karl Rahner zu - zum Trotz), dann ist nicht einzusehen, wieso es nicht auch Frauen zur Priesterweihe zulassen kann. Mir scheint, daß es im eigentlichen wohl um solche Fragen geht, und ich hege den Verdacht, daß man das Anliegen, den bedrängten Christen im Irak zu helfen, nur als willkommenen Anlaß nimmt, diese Agenda voranzutreiben.

Der Ökumene erweist man dabei keinen wirklichen Dienst.

:kratz:
Zuletzt geändert von Philipp Neri am Mittwoch 17. November 2004, 18:31, insgesamt 2-mal geändert.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Philipp Neri hat geschrieben:Um es übersptitzt zu formulieren, wenn das kirchliche Lehramt entscheiden kann, daß die Messe auch ohne Einsetzungsworte gültig gefeiert werden kann (der Stiftung des Herrn in specie - das gibt sogar Karl Rahner zu - zum Trotz), dann ist nicht einzusehen, wieso es nicht auch Frauen zur Priesterweihe zulassen kann.
Ja, dieser Gedanke kam mir auch sofort - das Amtspriestertum gehört auch in diese Frage - und ich finde das alles andere als überspitzt.

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Die Anaphora von Addai und Mari hat geschrieben:"Du, o Herr, aufgrund Deiner vielen und unaussprechlichen Erbarmungen, mache ein gutes und wohlgefälliges Gedenken von allen rechtschaffenen und gerechten Vätern, die vor Dir Wohlgefallen gefunden haben, im Gedächtnis des Leibes und Blutes Deines Christus, das wir Dir auf Deinem heiligen und reinen Altar darbringen, wie Du uns gelehrt hast.
Quelle
Vorausgesetzt, dass die Übersetzung einigermaßen stimmt, wird hier doch klar genug ausgedrückt, dass jene Eucharistie gefeiert und dargebracht wird, die der Herr uns gelehrt (= eingesetzt) hat. Es kommen auch die Worte "Leib" und "Blut" vor, die Jesus bei der Einsetzung der Eucharistie gebrauchte, und sie werden von einem geweihten Priester über die Gestalten von Brot und Wein gesprochen. An der Absicht, das Opfer Christi zu feiren, ist auch nicht zu zweifeln.

Ich sehe daher keinen Grund, warum ich Rom misstrauen sollte, wenn es diese Anaphora von Addai und Mari für gültig erklärt.

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Philipp Neri
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Beitrag von Philipp Neri »

Die historische Frage, ob Addai und Mari in seiner frühen Form einen Einsetzungsbericht hatte, ist schwierig zu beantworten; ich meine ja. Aber wie dem auch sei, das theologische Problem bleibt.

Papst Johannes Paul II. schreibt in seiner Enzyklika Ecclesia de Eucharistia:
2. Während des Großen Jubiläums des Jahres 2000 durfte ich die Eucharistie im Abendmahlssaal in Jerusalem feiern, dort, wo sie nach der Überlieferung zum erstenmal von Christus selbst vollzogen wurde. Der Abendmahlssaal ist der Ort der Einsetzung dieses heiligsten Sakramentes. Dort nahm Christus das Brot in seine Hände, brach es und gab es seinen Jüngern mit den Worten: »Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird« (vgl. Mt 26, 26; Lk 22, 19; 1 Kor 11, 24). Dann nahm er den Kelch mit Wein in seine Hände und sagte zu ihnen: »Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden« (vgl. Mk 14, 24; Lk 22, 20; 1 Kor 11, 25). Ich bin dem Herrn Jesus dankbar, daß ich an diesem Ort in Gehorsam gegenüber seinem Auftrag »Tut dies zu meinem Gedächtnis!« (Lk 22, 19) die Worte wiederholen durfte, die er vor zweitausend Jahren gesprochen hat.

5. (...) Dieses Staunen muß die Kirche immer ergreifen, wenn sie sich zur Feier der Eucharistie versammelt. Aber in besonderer Weise muß es den Spender der Eucharistie begleiten. Dank der Gnade, die ihm durch das Sakrament der Priesterweihe verliehen wurde, kann er die Wandlung vollziehen. Er spricht mit der Vollmacht, die ihm von Christus aus dem Abendmahlssaal zukommt: »Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird... Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch vergossen wird...«. Der Priester spricht diese Worte und stellt seinen Mund und seine Stimme jenem zur Verfügung, der diese Worte im Abendmahlssaal gesprochen hat, und der wollte, daß sie von Generation zu Generation von all denen wiederholt werden, die in der Kirche durch die Weihe an seinem Priestertum teilhaben.
Wie ist das denn möglich, daß dies nur für die lateinische Kirche gelten solle, nicht jedoch für die Ostsyrer? :kratz:

Was die Frage der "impliziten" oder versprengten Einsetzungsworte betrifft, so kann ich mich nur Thomas Marschler anschließen, der in Divinitas schreibt:
„Implizite Konsekrationsformeln“ für die Eucharistie, etwa in der Gestalt euchologischer Aussagen innerhalb der Gedächtnisfeier des Pascha-Mysteriums, in denen von der Gegenwart des Leibes und Blutes Christi auf dem Altar oder ähnlichem gesprochen wird, sind in der klassischen Sakramentenlehre unbekannt. Sie kommen deswegen nicht in Frage, weil sie den Anforderungen nicht gerecht werden, die prinzipiell an jede gültige Sakramentenform gestellt sind: nämlich nicht bloß erzählend zu erinnern, sondern der vorliegenden Materie eindeutige Bestimmung zukommen zu lassen, d.h. das an ihr zu bewirkende Geschehen, im Falle der Eucharistie konkret: die „conversio panis et vini in corpus et sanguinem Iesu Christi“, in ihrer unvergleichlichen Eigenart zum Ausdruck und damit zur Realisierung zu bringen. Die Kriterien solch performativen Sprechens werden durch indirekte Verweise und bloße Implikationen nicht erfüllt.
Man kann ja auch nicht jemanden taufen, indem man die Taufformel in einem längeren Gebet paraphrasiert, auch wenn man die rechte Intention hat.

Zum Schluß nochmals Marschler:
So aber bleibt das römische Dokument im letzten von einer unverkennbaren Inkonsistenz und Halbherzigkeit gezeichnet. Schon aus diesem formalen Grund sollte die Entscheidung in der vorliegenden Form weder diejenigen Theologen, die ihr in der Sachfrage zustimmen, noch diejenigen, die protestieren möchten, abschließend zufriedenstellen.
Dem stimme ich bei. Das römische Dokument aus dem Jahr 2001 kann einfach nicht das letzte Wort sein.

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Doctor Subtilis
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Beitrag von Doctor Subtilis »

Philipp Neri hat geschrieben:
So aber bleibt das römische Dokument im letzten von einer unverkennbaren Inkonsistenz und Halbherzigkeit gezeichnet. Schon aus diesem formalen Grund sollte die Entscheidung in der vorliegenden Form weder diejenigen Theologen, die ihr in der Sachfrage zustimmen, noch diejenigen, die protestieren möchten, abschließend zufriedenstellen.
Dem stimme ich bei. Das römische Dokument aus dem Jahr 2001 kann einfach nicht das letzte Wort sein.
Wie sieht es denn aktuell aus? Kam nach dieser riesegen Debatte von Rom auch noch mal eine Äußerung?
"Rahner wollte (wg. einer pos. Stellungnahme zu Küngs Unfehlbarkeitskritik) a.d. Beirat von 'Publik-Forum' austreten und sagte zu mir: 'Da hört für mich jede, jede Diskussion auf. Darüber rede ich nicht mit denen,aus,fertig,basta.'" (H. Vorgrimler)

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Philipp Neri hat geschrieben:Man kann ja auch nicht jemanden taufen, indem man die Taufformel in einem längeren Gebet paraphrasiert, auch wenn man die rechte Intention hat.
Wenn es dafür eine apostolische Tradition gäbe, wäre das sicher möglich.
Vermutlich gibt es keine. Aber wenn man z. B. unter den Thomaschristen eine uraltes authentisches Rituale fände... :kratz:
(Das Hochgebet des Addai und Mari steht in der apostolischen Tradition!)

Wir haben für die Sakramente keinen von Gott gebotenen Wortlaut, sondern vertrauen der Kirche. Diese hat die Spendeformeln auch vielfach geändert (sicher bei Firmung, Weihe, Buße, Krankensalbung, Ehe). Wir wissen nicht einmal genau, welche Einsetzungworte der Herr beim Letzten Abendmahl verwendet hat, ob er den Wein direkt als sein Blut bezeichent hat (so Mt und Mk) oder nur indirekt, indem er den Kelch als "Neuen Bund in meinem Blut" (so Lk und Paulus) bezeichnet hat. Dass die Einsetzungsworte in der Bibel in verschiedenen Fassungen überliefert werden, ist ja geradezu ein Hinweis darauf, dass es nicht um Wortwörtlichkeit gehen kann.

Falk
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Beitrag von Falk »

Sicher ist die "Wortwörtlichkeit" der Wandlungsworte nicht entscheidend und die Kirche kann hier entscheiden, in welcher Form sie vorhanden sein müssen, z.B. - das kann man dann ebenfalls nicht ausschließen - in indirekter Rede.
Eine Festlegung jedoch, dass es gar keiner Wandlungsworte bedarf, um die Wandlung zu bewirken, steht aber auch der Kirche nicht zu.
Und wenn im besagten Hochgebet ohne (direkte) Wandlungsworte dann zwar von der "Darbringung des Leibes und Blutes Christi" die Rede ist, so wäre zu fragen, ob dies nun die (indirekten) Wandlungsworte sein sollen, die die Verwandlung von Brot und Wein bewirken oder ob die Wandlung schon vorher stattgefunden hat, was ja naheliegen würde.
Allerdings macht es einen Ungetauften sicher nicht zum Getauften, wenn man ihn - ohne ihn vorher auch getauft zu haben - einfach als "Lieber Getaufter" anspricht oder ihn in einem Gebet "getauft" nennt, z.B.: "Herr, nimm dich dieses Getauften an...."
Dass Brot und Wein allein dadurch zum Leib und Blut Christi werden sollen, indem man sie irgendwann im Verlaufe eines Gebetes als "Leib und Blut Christi" bezeichnet, ist wohl ähnlich absurd.

Die entscheidende, hinter allem stehende Frage ist aber wohl die:
Bewirken die Worte des Priesters die Wandlung oder der Glaube der anwesenden Gemeinde?

Der alte katholische Messritus brachte die erstere Überzeugung augenfällig dadurch zum Ausdruck, dass der Priester gleich nach dem Sprechen der Wandlungsworte - noch vor dem Erheben und Zeigen der Hostie - eine Kniebeuge machte und so den unter den Gestalten von Brot und Wein durch die Wandlungsworte gegenwärtig gewordenen Herrn verehrte.
Die neue protestantisierte Messliturgie lässt - wie bei den Lutheranern - den Priester erst nach dem Erheben der Hostie die Kniebeuge machen, als wäre der Glaube der Anwesenden für das Zustandekommen der Wandlung irgendwie notwendig. Von hier ist es dann nur noch ein kleiner und durchaus folgerichtiger Schritt, dass es der Wandlungsworte eigentlich gar nicht notwendigerweise bedarf, um die Wandlung zu bewirken.

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Philipp Neri
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Beitrag von Philipp Neri »

Zwar schätze ich den überlieferten Meßritus sehr, aber m.E. geht Falk zu weit, wenn er schon im Novus Ordo Missae die Ansätze für eine Eucharistiefeier ohne Wandlungsworte sieht. Daß die Kniebeugen vor der Elevation der Hostie und des Kelchs weggefallen ist, halte ich für schade und unnötig, aber immerhin zeigen doch die Kniebeugen nach der Elevation der Spezies an, daß die Gaben tatsächlich gewandelt sind - eben durch die Rezitation der Herrenworte durch den Priester. Man schießt über das Ziel hinaus, wenn man hier ein protestantisiertes Sakramentenverständnis sieht, auch wenn ich Falk recht gebe, daß der alte Ritus hier (wie auch sonst) den katholischen Glauben klarer zum Ausdruck bringt.
Sicher ist die "Wortwörtlichkeit" der Wandlungsworte nicht entscheidend und die Kirche kann hier entscheiden, in welcher Form sie vorhanden sein müssen, z.B. - das kann man dann ebenfalls nicht ausschließen - in indirekter Rede.
Eine Festlegung jedoch, dass es gar keiner Wandlungsworte bedarf, um die Wandlung zu bewirken, steht aber auch der Kirche nicht zu.
Und wenn im besagten Hochgebet ohne (direkte) Wandlungsworte dann zwar von der "Darbringung des Leibes und Blutes Christi" die Rede ist, so wäre zu fragen, ob dies nun die (indirekten) Wandlungsworte sein sollen, die die Verwandlung von Brot und Wein bewirken oder ob die Wandlung schon vorher stattgefunden hat, was ja naheliegen würde.
Allerdings macht es einen Ungetauften sicher nicht zum Getauften, wenn man ihn - ohne ihn vorher auch getauft zu haben - einfach als "Lieber Getaufter" anspricht oder ihn in einem Gebet "getauft" nennt, z.B.: "Herr, nimm dich dieses Getauften an...."
Dass Brot und Wein allein dadurch zum Leib und Blut Christi werden sollen, indem man sie irgendwann im Verlaufe eines Gebetes als "Leib und Blut Christi" bezeichnet, ist wohl ähnlich absurd.
Dem stimme ich völlig zu. "Euchologisch verstreute" Wandlungsworte ergeben schlicht keinen Sinn. Die "fortschrittlichen" Liturgiewissenschaftler, die weitreichende Konsequenzen aus dem Dokument zu Addai und Mari ziehen, sind wenigstens insofern konsequent, als sie das klassische Sakramentenverständnis ganz verabschieden - eine solche Theologie kann man aber nicht mehr als katholische bezeichnen.

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Philipp Neri
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Zum Thema Form und Gültigkeit von Sakramenten

Beitrag von Philipp Neri »

Quelle: http://www.kath.net/detail.php?id=8994
Chronik 24. November 2004, 10:53
Zurück zum Namen des Vaters

Ein australischer Priester taufte seit Jahren im Namen „des Schöpfers, des Befreiers und des Erhalters“ – nun wurde er von seinem Bischof verwarnt.

Brisbane (www.kath.net / CWNews.com) Der Erzbischof von Brisbane, John Bathersby, hat einen Pfarrer verwarnt, der bei Taufen nicht die gültige Formel sprach. Der Priester taufte nicht „im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“, sondern im Namen „des Schöpfers, des Befreiers und des Erhalters“.

Hunderte Taufen könnten ungültig sein, die Pfarrer Peter Kennedy und sein Kollege Terry Fitzpatrick von der Pfarre St. Mary’s in South Brisbane in den letzten Jahren gehalten haben, meldete der „Courier-Mail“. Kennedy betonte, er verwende die alternative Taufformel bereits seit mehreren Jahren. Die veränderte Taufformel solle „weniger patriarchalisch“ sein und „mehr inklusiv“. Er habe sie seit Jahren abwechselnd mit der traditionellen Formel verwendet.

Nun wolle er jedoch der Anordnung seines Bischofs gehorchen, betonte Kennedy. Der Erzbischof habe die liturgischen Erneuerungsversuche in seiner Pfarre stets unterstützt. Dieser reagiere er auf eine vatikanische Anordnung, nämlich die Instruktion „Redemptoris Sacramentum”, die im April 2004 veröffentlicht wurde und eine Einhaltung der liturgischen Vorschriften fordert.

Er wolle eine Lösung finden, mit der alle zufrieden seien, sagte Erzbischof Bathersby gegenüber „Online Catholics“. In der Pfarre St. Mary’s gebe es „mehrere liturgische Dinge, über die ausführlich diskutiert werden muss“.

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roncalli
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Re: Zum Thema Form und Gültigkeit von Sakramenten

Beitrag von roncalli »

Philipp Neri hat geschrieben:Ein australischer Priester taufte seit Jahren im Namen „des Schöpfers, des Befreiers und des Erhalters“ – nun wurde er von seinem Bischof verwarnt.
Eigenmächtige Veränderung einer sakramentalen Spendeformel ist doch wohl etwas gänzlich Anderes als das Praktizieren einer liturgischen Tradition, die von den Hirten der Kirche seit urdenklichen Zeiten gebilligt und gefördert worden ist, ja von Rom sogar ausdrücklich als rechtgläubig bestätigt worden ist.

Auch in der römischen Tradition, in der dem biblischen Einsetzungsbericht eine große Bedeutung zukommt - er darf hier nie fehlen - kann man nicht punktgenau sagen, bei welchem Wort die Wandlung "passiert".

So gab es früher Theologen, die sich stritten, ob die Hostie konsekriert ist, wenn der Priester (der damals noch lateinisch Hoc est enim corpus meum zusprechen hatte) nach dem Wort corpus tot umfällt und das meum noch fehlt. Noch schwieriger wurde es beim Kelchwort.

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Philipp Neri
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Beitrag von Philipp Neri »

Eigenmächtige Veränderung einer sakramentalen Spendeformel ist doch wohl etwas gänzlich Anderes als das Praktizieren einer liturgischen Tradition, die von den Hirten der Kirche seit urdenklichen Zeiten gebilligt und gefördert worden ist, ja von Rom sogar ausdrücklich als rechtgläubig bestätigt worden ist.
Da gebe ich Dir völlig recht, ich wollte nur darauf hinweisen, daß es bei den Sakramenten der Taufe und der Eucharistie eben doch auf die Worte ankommt, die man gebraucht.

Auch gebe ich Dir recht, daß die Diskussionen, nach welchem Wort nun genau die Wandlung passiere, spitzfindig sind. Immerhin deutet die Verehrungsgeste des Priesters (im römischen Ritus die Kniebeuge) an, daß tatsächlich etwas geschehen ist. Solche Gesten, welche die Realpräsenz des Herrn ausdrücken, gibt es übrigens auch im ostsyrischen Ritus (siehe schon Narsai, Über die Mysterien, aus dem späten fünften oder sechsten Jahrhundert).

Aber meine eigentlichen Anliegen sind folgende.

Erstens bestreite ich, daß Addai und Mari seit urdenklicher Zeit ohne Einsetzungsbericht verwendet wurde. Die ostsyrischen Liturgiekommentatoren (von Narsai im 5./6. Jh über Gabriel Qatraya im 7. Jh. bis zu Abdischo im 13. Jh.) legen nahe, daß dem Einsetzungsbericht in der Liturgie große Bedeutung zugemessen wurde. Er wird als wesentlicher Bestandteil der eucharistischen Liturgie angesehen. Es scheint mir kaum plausibel, daß angesichts dieser Zeugnisses Addai und Mari, die am häufigsten verwendete Anaphora in der ostsyrischen Tradition, ohne die Herrenworte gebetet worden sein sollte.

Zweitens hat Rom bei Unionen mit den Assyrern oder auch den Syro-Malabaren stets betont, daß Addai und Mari mit Einsetzungsbericht gebetet werden muß. In dem römischen Dokument heißt es:
It should be added that, for the period of the Catholic Patriarchate under Patriarch Sulaka (1551-1662), no document exists to prove that the Church of Rome insisted on the insertion of an Institution narrative into the Anaphora of Addai and Mari.
Das ist zum ein recht schwaches argumentum e silentio, zumal die Quellenlage bei diesen verschiedenen Unionen, die oft nur kurzlebig waren, unübersichtlich ist.

Daß die Bedeutung des Einsetzungsberichts der ostsyrischen Tradition nicht fremd war, zeigt Abdischo bar Brika (+ 1318), Metropolit von Nisibis und bedeutender Theologe. Abdischo verfaßte auf Wunsch des Katholikos-Patriarchen Jahballaha III. zu katechetischen Zwecken eine kurze Abhandlung über die Wahrheit des Christentums, das Buch der Perle (Marganitha).

Das Buch der Perle hat über die Eucharistie, in dem Abdischo einen offensichtlich liturgisch geprägten Einsetzungsbericht zitiert(!), der weitgehend, aber nicht vollständig mit dem der Theodor- oder dem der Nestoriusanaphora übereinstimmt. Am Ende dieses Kapitels heißt es dann: "Als Materie bestimmte Christus Weizenbrot und Wein, weil diese am geeignetsten sind, Leib und Blut zu bezeichnen. Die Form verleiht er durch sein lebenspendendes Wort und durch die Herabkunft des Heiligen Geistes."

Das „lebensspendende Wort“ Christi ist ein deutlicher Verweis auf den Einsetzungsbericht, dem Abdischo eine entscheidende Wirkung bei der Verwandlung der eucharistischen Gaben zuschreibt. Da zur Zeit Abdischos rege Kontakte zwischen der Kirche des Ostens und westlichen Missionaren bestanden, liegt es nahe, hinter dem Gebrauch von „Materie“ und „Form“ lateinischen Einfluß zu vermuten. Allerdings dürften ihm diese Begriffe auch aus der eigenen Schultradition der Ostsyrer vertraut gewesen sein. Die haben nämlich auch eifrig Aristoteles studiert.

Schließlich noch ein anglikanisches Zeugnis. Die Anglikaner haben nämlich im 19. Jh. eine Mission zu den Assyrern gesandt. 1890 haben sie in Urmia die drei Anaphoren der Ostsyrer drucken lassen. Im Vorwort heißt es:
It is especially to be noticed that the holy words in which our Lord and God Jesus Christ instituted the most holy sacrament of the Eucharist, and which, as far as the Liturgy of the Blessed Apostles is concerned, were never committed to writing by the Syrians, though the priest always pronounced them when celebrating the mysteries, are inserted in their place, which is sufficiently certain from a comparison of other liturgies of the same people, and from inquiry into the custom of the priests; but they stand apart because they rest on the authority of no ancient codex.

Falk
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Beitrag von Falk »

Philipp Neri hat geschrieben:Zwar schätze ich den überlieferten Meßritus sehr, aber m.E. geht Falk zu weit, wenn er schon im Novus Ordo Missae die Ansätze für eine Eucharistiefeier ohne Wandlungsworte sieht. Daß die Kniebeugen vor der Elevation der Hostie und des Kelchs weggefallen ist, halte ich für schade und unnötig, aber immerhin zeigen doch die Kniebeugen nach der Elevation der Spezies an, daß die Gaben tatsächlich gewandelt sind - eben durch die Rezitation der Herrenworte durch den Priester. Man schießt über das Ziel hinaus, wenn man hier ein protestantisiertes Sakramentenverständnis sieht, auch wenn ich Falk recht gebe, daß der alte Ritus hier (wie auch sonst) den katholischen Glauben klarer zum Ausdruck bringt.
Dass die neue Messe ein protestantisiertes Sakramentsverständnis zum Ausdruck bringt bzw. sich diesem zumindest deutlich angenähert hat, ist schon Gegenstand der bereits 1969 - direkt vor der offiziellen und flächendeckenden Einführung des neuen Messritus - von den Kardinälen Ottaviani und Bacci an Papst Paul VI. gesandten "Kurzen kritischen Untersuchung des neuen Ordo Missae".
Und wenn man die Motive Bugninis, des Architekten der neuen Messe, bedenkt (die er in seinem Buch "Die Liturgiereform" übrigens sehr offen darlegt), dann kann an der absichtlichen Angleichung des reformierten römischen Ritus an das protestantische Verständnis wohl kein Zweifel mehr bestehen.
Und die Relativierung des sog. tridentinischen Verständnisses der Wandlungsworte, sowie der Überzeugung, dass allein durch diese Worte Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandelt werden (und dass dies nicht vorher oder nachher geschieht), zeigt sich an vielen geänderten Gesten oder Gebeten, deren Änderung vor diesem Hintergrund durchaus verständlich sind.
Eine davon war das Weglassen der Kniebeuge direkt nach den Wandlungsworten noch vor dem Erheben der Hostie.
Eine andere wäre, dass die "Wandlungsworte" heute nurmehr "Einsetzungsbericht" genannt werden, wodurch die frühere Klarheit in der Sache getrübt wird.
Weitere Verunklarung schafft die ständige Gleichsetzung der leiblichen Gegenwart Christi in den gewandelten Gestalten von Brot und Wein mit seiner geistigen Gegenwart in der versammelten Gemeinde (wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind) und in seinem Wort (also bei der Schriftlesung - man spricht unterscheidungslos vom "Tisch des Wortes und des Brotes").
All dies erzwingt das protestantische Sakramentsverständnis zwar nicht unbedingt, es ebnet ihm aber den Weg.

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Philipp Neri
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Beitrag von Philipp Neri »

All dies erzwingt das protestantische Sakramentsverständnis zwar nicht unbedingt, es ebnet ihm aber den Weg.
Da stimme ich durchaus zu. Aber kann man eine Eucharistiefeier ohne Einsetzungsbericht "protestantisch" nennen? Denn im evangelischen Abendmahlsverständnis ist dieser doch das Herz der Feier und absolut unverzichtbar.

Zu den Orationen des Missale Romanum von 1970 gibt es zwei kürzlich erschienene Aufsätze der amerikanischen Theologin Lauren Pristas. Sie vergleicht die Texte des alten Missale mit den (lateinischen) Textes des neuen:

"Theological Principles That Guided the Redaction of the Roman Missal (1970)", in The Thomist 67 (2003), 157-195

"The Orations of the Vatican II Missal: Policies for Revision", in Communio (englischsprachige Ausgabe) 30 (2003)

Vor allem der Aufsatz in The Thomist ist unbedingt lesenwert!

Übrigens braucht man nur die neue und die alte Oration zum Fest der hl. Albertus Magnus (15. November) vegleichen, um einen Eindruck von dieser Revision zu erhalten. Aber das führt schon aus dieser Diskussion heraus.

Falk
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Beitrag von Falk »

Für alle, die es noch nicht gelesen haben:

Zum Thema "Wandlung ohne Wandlungsworte" gibt es auf
http://www.kath.net/detail.php?id=9053
einen sehr lesenwerten Artikel

Ralf

Beitrag von Ralf »

Naja, dieser kath.net Artikel läßt aber außen vor, und das wirft auf den Autor ein unschönes Licht, daß er selbst bei der Zeitschift einen Artikel gegen die Anerkennung verfaßt hat. Selbstbeweihräucherung ist im versteckten Maß noch schlimmer.

Peter
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Beitrag von Peter »

Du hast berücksichtigt, daß kath.net den Artikel nur in Lizens wiedergibt? Für kath.net ist er nicht geschrieben.

Falk
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Beitrag von Falk »

Ungeachtet der Überlegungen, mit welcher Lizenz kath.net besagten Artikel veröffentlichte, und was der Autor in welcher Zeitschrift sonst noch schreibt, sowie welches Licht dies auf ihn wirft, hatte ich eigentlich den Inhalt des Beitrages im Blick als ich ihn hier als lesenswert empfahl.

Wie wär's also mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung ?

uli
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Registriert: Mittwoch 19. Mai 2004, 23:23

Beitrag von uli »

Zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Thesen von Berger:

In den Mitteilungen der streng traditionsverhafteten (deutschen) „Una-Voce“-Gruppierung gab´s v. a. 2003 eine Auseinandersetzung um die Gültigkeit des uralten eucharistischen Hochgebets („Anpaphora“) von Addai und Mari mit einer sehr interessanten theologiegeschichtlichen Abhandlung incl. generellen Ausführungen zur Gültigkeit von Sakramenten (Taufe, Weihe etc.) „Una voce“ wandte sich dabei gegen (!) die von David Berger vorgetragene These, dieses uralte Hochgebet ohne ausdrückliche Wandlungsworte sei ungültig und Rom habe keine Vollmacht, es nun auf einmal für gültig zu erklären. „Una voce“ bezeichnet sich in den Mitteilungen als „fair genug“, neben der lateinischen Liturgietradition „andere legitime Traditionen des Christentums nicht nur gelten zu lassen, sondern in ihrer altehrwürdigen Eigenständigkeit wertzuschätzen“. Die Texte sind auch im Internet einsehbar:

www.unavoce.de/pdf/UV2003_01.pdf
Dort ab S. 30 der Artikel von P. Martin Lugmayr „Die Anaphora von Addai und Mari und die Dogmatik“ („Es gibt keine einzige frühere Lehrentscheidung darüber, daß ´explizite´ Wandlungsworte notwendig seien“) und gleich darauf das Nachwort des Schriftleiters Rudolf Kaschewsky, in dem es u. a. heißt: „Man muß wohl auch von der geläufigen Annahme abgehen, der sog. Einsetzungsbericht sei in allen Hochgebeten vorhanden (gewesen). Ja, man kann sogar so weit gehen, gerade aus seinem Fehlen auf ein besonders hohes Alter des betreffenden Hochgebetes zu schließen, da die Notwendigkeit der Einsetzungsworte erst allmählich empfunden wurde! Wir bewegen uns hier, wie gesagt, an der Schwelle zur Gestaltwerdung der eucharistischen Liturgie – vielleicht gar vor dem 3. Jahrhundert, mit Sicherheit aber vor den später entbrannten christologischen Streitigkeiten. ... Infolgedessen vermögen wir in der Anerkennung des ostsyrischen Hochgebetes als ´gültig´ keineswegs eine schlimme ´Perversion´ (aufseiten des Heiligen Stuhles) zu erkennen, die der ´Unversehrtheit des Inhalts des geoffenbarten Glaubens´ zuwiderlaufe, und erst recht keine ´unglaubliche Zerstörung´ des Messopfers, wie von traditionalistischer Seite öffentlich behauptet wird.“

www.unavoce.de/pdf/UV2003_02.pdf
Dort S. 67-82 zunächst von David Berger eine „Stellungnahme zu den Äußerungen von P. Martin Lugmayr und Rudolf Kaschewsky“, gleich danach „Die liturgische Tradition der Kirche, die nicht irren kann“ von R. Kaschwesky

www.unavoce.de/pdf/UV2003_04.pdf
Dort S. 227-244 der Artikel „Anaphoren ohne ´direkte´ Wandlungsworte bereits unter Pius XI.“ von P. Martin Lugmayr.

(PS: Sehe gerade erst, dass Lugmayr schon weiter vorne in diesem Thread zitiert wird, na ja, ich lass die Links trotzdem stehen, weil ja Ergänzungen durch Berger und Kaschewsky drin sind ...)

Uli

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

P. Martin Lugmayr ist hier sogar Mitglied und hat sich oben an der Diskussion beteiligt. ;)
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uli
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Beitrag von uli »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:P. Martin Lugmayr ist hier sogar Mitglied und hat sich oben an der Diskussion beteiligt. ;)
Ach du leeven Jott - tja, manchmal bin ich was schusselig, allerdings ist es bei manchen Threads auch nicht ganz einfach, noch den Überblick zu behalten ...
Hänge noch eine Pressemitteilung des Bistums Würzburg vom 12.11.04 über einen Vortrag des Kirchenhistorikers Dünzl an, über den Robert sich bestimmt freuen wird :mrgreen: : (alleine schon die Überschrift "Mahlfeier ..."!!)

"Mahlfeier ohne Einsetzungsworte"
Kirchenhistoriker Dünzl untersucht eucharistisches Gebet aus der Frühzeit des Christentums
Viele Argumente sprechen dafür, dass in der Frühzeit des Christentums die Eucharistie ohne die ausführlichen Einsetzungsworte gefeiert wurde. Das hat Professor Dr. Franz Dünzl, Inhaber des Lehrstuhls für Kirchengeschichte, christliche Archäologie und Patrologie an der Universität betont. ...
Die älteste christliche Kirchenordnung, die als „Zwölfapostellehre“ bekannte so genannte Didache, enthält laut Dünzl in ihrem neunten und zehnten Kapitel Gebetstexte zu einer liturgischen Feier, die „Eucharistie“ genannt wird. Dabei handele es sich um ein Sättigungsmahl, zu dessen Beginn je ein Dankgebet über Becher und gebrochenes Brot gesprochen werde. Ein weiteres Dankgebet schließe sich an die Sättigung an. „Anders, als man es vielleicht erwarten möchte, enthalten die Gebete den Bericht von der Einsetzung des Herrenmahls nicht.“ Außerdem fehle jeder Verweis auf Leib und Blut Jesu oder seinen Tod und die Auferstehung. Es sei daher wenig überraschend, dass die Forscher seit der Wiederentdeckung der Didache zum Ausgang des 19. Jahrhunderts darüber stritten, ob die erwähnte Feier eine „eigentliche“ Eucharistiefeier sei.
Dünzl unterstützte die These, dass es sich bei den Texten der Didache um eucharistische Gebet handele. Im judenchristlichen Milieu der jungen Christenheit entstanden, werde für die überirdischen Gaben statt nur – wie im Judentum üblich – für Brot und Wein gedankt: „den ‚heiligen Weinstock Davids’, das Leben, die Erkenntnis, den Glauben und die Unsterblichkeit – Heilsgüter, die Gott der Gemeinde ‚kundgemacht hat durch Jesus, seinen Knecht’“. Die Bezeichnung Jesus als Knecht Gottes wecke zudem Assoziationen an die Gottesknechtlieder bei Jesaja. Diese machten laut Dünzl den ersten Christen verständlich, dass gerade der Gekreuzigte die vielen gerecht gemacht und ihre Schuld auf sich geladen hat. „Damit wäre in der Didache ein indirekter Bezug zur Passion Jesu zumindest denkbar.“
Noch eine weitere prägnante Unterscheidung treffe das „Nachtischgebet“ der Didache: Gott habe allen Menschen Speise und Trank gegeben, damit sie ihm dankten. Den Christen habe er durch seinen Knecht Speise und Trank gegeben, die vom Heiligen Geist geprägt sind. „Die eucharistischen Gaben übersteigen also den Rahmen der Schöpfungsordnung und stellen ein besonderes Gnadengeschenk Gottes dar, das sein Knecht Jesus der Gemeinde vermittelt hat.“
Die abschließende Anordnung der Didache, die Propheten der Gemeinde danksagen zu lassen, so viel sie wollen, sei für die Einordnung in den frühchristlichen Kontext wichtig. „Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass prophetische Charismatiker, die direkt vom Geist Gottes inspiriert werden, nicht an die schriftlich fixierten Texte gebunden sind, sondern die eucharistischen Gebete frei improvisieren können.“ Damit entspreche der Textbefund anderen frühchristlichen Quellen wie den apokryphen Johannes- und Thomasakten, die beide zu Beginn des dritten Jahrhunderts in Syrien entstanden. Gemeinsam sei den darin erwähnten eucharistischen Gebeten, dass kein Einsetzungsbericht zitiert werde, obwohl die Kenntnis der Passionsgeschichte sicher vorausgesetzt werden könne. Erst im vierten und fünften Jahrhundert scheinen sich laut Dünzl die liturgischen Traditionen zu verfestigen, wonach der Einsetzungsbericht fester und unabdingbarer Bestandteil des kirchlichen Hochgebets ist.
Einzig an einer ostsyrischen Liturgie, der so genannten „Anaphora des Addai und Mari“ der altorientalischen „Apostolischen Kirche des Ostens“ sei dieser Entwicklungsschritt vorübergegangen. An der langfristigen liturgischen Entwicklung im Römischen Reich habe diese alte Liturgie keinen Anteil mehr gehabt, da sie seit dem vierten Jahrhundert politisch von der Reichskirche isoliert war.
„Im Jahr 2001 hat der Vatikan nach sorgfältiger Prüfung die Gültigkeit dieser Anaphora anerkannt und den unierten ‚chaldäischen’ Christen in bestimmten Fällen die Teilnahme an dieser Liturgie erlaubt“, sagte Dünzl. Die Anaphora des Addai und Mari zitiere zwar nicht den Einsetzungsbericht, setze ihn aber voraus und bringe den Glauben der Kirche an die sakramentale Gegenwart Gottes unter den Gestalten von Brot und Wein eindeutig zum Ausdruck. „Bis heute gibt es also eine gültige Form der Herrenmahlfeier, in der die Herrenworte über Brot und Wein nicht ausdrücklich wiederholt werden."


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Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

uli hat geschrieben: „Anders, als man es vielleicht erwarten möchte, enthalten die Gebete den Bericht von der Einsetzung des Herrenmahls nicht.“
Wer sagt, dass die Didache die komplette Liturgie enthält? Im Schott stehen auch nur Gabengebet, Kommunionvers und Schlussgebet. Weil die Einsetzungsworte selbstverständlicher Teil der Liturgie sind und die Hochgebete wählbar. Auf apokryphe "Thomasakten" will ich mich lieber nicht verlassen (steht da nicht auch drin, das Thomas der Zwillingsbruder Jesu sein soll?)...

Ralf

Beitrag von Ralf »

Peter hat geschrieben:Du hast berücksichtigt, daß kath.net den Artikel nur in Lizens wiedergibt? Für kath.net ist er nicht geschrieben.
Mag sein. Aber vielleicht habe ich zuviel mit wiss. Artikeln zu tun, um nicht auf die Form zu achten. Selb st wenn der Artikel nicht für kath.net sein sollte, gibt es keinen Grund zu erwähnen, daß der Apologet seiner Meinung hier sich selbst lobt.
Falk hat geschrieben:Wie wär's also mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung?
Im wiss. Betrieb gehört Lauterkeit bei veröffentlichten Artikeln zum sine qua non um sich überhaupt damit inhaltlich auseinanderzusetzen. An dieser mangelt es hier.

uli
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Beitrag von uli »

Dirk hat geschrieben: ... weil die Einsetzungsworte selbstverständlicher Teil der Liturgie sind.
Offenkundig ist da selbst der Schriftleiter der streng konservativ-katholischen Una-Voce-Korrespondenz anderer Meinung als du, wenn er (siehe meinen ersten Beitrag von heute) schreibt: "Man muß wohl auch von der geläufigen Annahme abgehen, der sog. Einsetzungsbericht sei in allen Hochgebeten vorhanden (gewesen). Ja, man kann sogar so weit gehen, gerade aus seinem Fehlen auf ein besonders hohes Alter des betreffenden Hochgebetes zu schließen, da die Notwendigkeit der Einsetzungsworte erst allmählich empfunden wurde! Wir bewegen uns hier, wie gesagt, an der Schwelle zur Gestaltwerdung der eucharistischen Liturgie – vielleicht gar vor dem 3. Jahrhundert, mit Sicherheit aber vor den später entbrannten christologischen Streitigkeiten."
Ganz abgesehen davon, ob die in der Didache enthaltenen eucharistischen Gebete tatsächlich ein eucharistisches Gebet im engeren, "eigentlichen" Sinne sind (also Feier des Herrenmahles) oder ob sie nicht schlicht ein eucharistisches Gebet im weiteren Sinne sind (nicht Feier des Herrenmahles, sondern eine Art "eschatologischer Mahlzeit" in Erwartung der Wiederkunft Jesu). Es gibt in der Tat Theologen, die für die damalige Zeit diese beiden Typen der Eucharistie (im weiteren und engeren Sinn) unterscheiden: die Mahlzeit in der Endzeiterwartung, die in der Didache beschrieben sein soll, und das Herrenmahl als liturgische Feier, die wesentlich an das Letzte Abendmahl anknüpft. Andere Theologen wiederum, siehe Dünzl, vermuten, dass es sich bei diesen Texten in der Didache um ein eucharistisches Gebet im engeren Sinn handelt, also Feier des Herrenmahls, aber ohne Einsetzungsbericht.

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Philipp Neri
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Beitrag von Philipp Neri »

Der Vorwurf, David Bergers Besprechung für kath.net zeuge von wissenschaftlicher Unlauterkeit, erstaunt mich - gelinde gesagt. Jeder, der von der Diskussion gehört hat, weiß doch, was Berger denkt. Er sagt auch, daß er selbst einen Aufsatz zu diesem Heft beigetragen hat, ohne sich dabei selbst zu beweihräuchern:
Zu einem ähnlichen Urteil kommt der folgende Artikel David Bergers.
Daß Akademiker die Beiträge ihrer Kollegen, die mit ihnen übereinstimmen, positiv würdigen, ist doch allgemein anerkannte Praxis? Man sollte doch davon ausgehen, daß es David Berger um die Sache geht.

Daß sich ausgerechnet die UVK, die das Banner des klassischen römischen Ritus hochhält, zum Anwalt der "Messe ohne Wandlungsworte" macht, entbehrt nicht einer gewissen Komik - wenn die Sache nicht so ernst wäre! Man fragt sich nach den theologischen Grundlagen dieser Anhänglichkeit an den alten Meßritus. Geht es nur um "smells & bells", wie die Engländer sagen?

Aber zur Sache: Daß die "die Notwendigkeit der Einsetzungsworte erst allmählich empfunden wurde", vielleicht ab dem dritten, vielleicht erst ab dem vierten Jahrhundert, halte ich für eine historische Hypothese, die auf einer dünnen Quellenbasis steht. Siehe hierzu etwa die Arbeiten des (sicher "streng konservativen) englischen Jesuiten Edward Yarnold:

- "Anaphoras without Institution Narratives?", Studia Patristica 30 (1997), S. 395-410

- "The Function of Institution Narratives in Early Liturgies", R. F. Taft – G. Winkler (ed.), Acts of the International Congress Comparative Liturgy Fifty Years After Anton Baumstark (1872-1948), Rome, 25-29 September 1998, Rom 2001, S. 997-1004

Aber selbst wenn dem so ist, daß es bestimmte Quellen wie die apokryphen(!) Johannes- und Thomasakten eine Eucharistie ohne Einsetzungsbericht nahelegen (bei der Didache ist Vorsicht geboten, weil wir so wenig darüber wissen, was für eine Mahlfeier dort beschrieben wird und ob diese vollständig wiedergegeben wird) - selbst wenn dem so ist, heißt es doch noch lange nicht, daß wir das heute einfach übernehmen können. Hier ist wieder der allgegenwärtige Archäologismus, an dem Theologie und kirchliches Leben kranken.

___________________________________________________________

"It is indeed sometimes said that the stream is clearest near the spring. Whatever use may fairly be made of this image, it does not apply to the history of a philosophy or belief, which on the contrary is more equable, and purer, and stronger, when its bed has become deep, and broad, and full."

John Henry Newman, An Essay on the Development of Christian Doctrine

uli
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Beitrag von uli »

Philipp Neri hat geschrieben:Hier ist wieder der allgegenwärtige Archäologismus, an dem Theologie und kirchliches Leben kranken.
Ich finde, hier geht es gar nicht um Archäologismus. Liturgischer Archäologismus ist doch, etwas vereinfacht gesagt, die Auffassung, dass ein bestimmter Ritus umso schöner und bedeutsamer und umso mehr vorzuziehen ist, je älter er ist; die urkirchliche - häufig nur hypothetisch rekonstruierbare - Praxis soll als letzter Maßstab gelten und neu belebt werden. Aber darum geht´s hier doch gar nicht! Hier geht´s um einen ganz lokal vorkommenden uralten Ritus, der sich über mehr als 1500 Jahre (ohne Einsetzungsbericht) erhalten hat und (vereinzelt) praktiziert wird. Es geht nicht darum, etwas zu rekonstruieren und dann womöglich allgemeinverbindlich zur heutigen Norm zu erklären, sondern es geht, aus aktuellem Anlass, um die Frage: War dieser Ritus damals gültig und ist er infolgedessen über die Jahrhunderte bis heute gültig geblieben?
Wobei darüber hinaus es allerdings auch generell um die Frage der Sakramenten-Gültigkeit bzw. der Vollmacht der Kirche, hier etwas zu verändern/anzuerkennen, geht. Aber auch das hat erst einmal nichts mit Archäologismus zu tun.
Und, nur so nebenbei fällt mir wieder mal ein - und ich beziehe mich als Diskussionsteilnehmer da selbst mit ein: Worüber reden wir hier eigentlich? Während sehr viele Leute "draußen" nicht mal mehr an Gott glauben, diskutieren wir hier darüber, ob ein vor unvorstellbar langer Zeit entstandenes und damals und erst recht heute nur mikroskopisch wahrnehmbar praktiziertes Hochgebet gültig ist ... :kratz: :kratz: :kratz:

Uli

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Lucia

Beitrag von Lucia »

uli hat geschrieben: Und, nur so nebenbei fällt mir wieder mal ein - und ich beziehe mich als Diskussionsteilnehmer da selbst mit ein: Worüber reden wir hier eigentlich? Während sehr viele Leute "draußen" nicht mal mehr an Gott glauben, diskutieren wir hier darüber, ob ein vor unvorstellbar langer Zeit entstandenes und damals und erst recht heute nur mikroskopisch wahrnehmbar praktiziertes Hochgebet gültig ist ... :kratz: :kratz: :kratz:
Die Quintessenz aus deinem Satz ist doch: wie kann ich es wagen, über Kleinigkeiten nachzudenken, wenn die globalen Probleme nicht gelöst sind? Der haken bei der Sache ist aber: um die "globalen" in den Griff zu kriegen, muss ich erst mal bei den "lokalen" anfangen. Wenn ich den "draußens" was erzählen will und überzeugen möchte, dann muß doch wohl erst mal das "drinnens" auf der Reihe sein. Wem nutzt's, wenn ich über die allgemeine Umweltverschmutzung lamentiere, aber meinen eigenen Kaugummi auf den Gehweg spucke?

Das Bemühen um Detailinformationen mag zwar gelegentlich wie Kümmellängsspalterei wirken - aber wenn ich nix vom Glauben weiß, kann ich auch nix weitergeben.

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Beitrag von Peter »

Stellvertretend für andere stumme Mitleser und Mitleserinnn: Ich bin froh, daß ihr’s thematisiert.

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Philipp Neri
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Beitrag von Philipp Neri »

Lucia Hünermann hat geschrieben: Die Quintessenz aus deinem Satz ist doch: wie kann ich es wagen, über Kleinigkeiten nachzudenken, wenn die globalen Probleme nicht gelöst sind? Der haken bei der Sache ist aber: um die "globalen" in den Griff zu kriegen, muss ich erst mal bei den "lokalen" anfangen. Wenn ich den "draußens" was erzählen will und überzeugen möchte, dann muß doch wohl erst mal das "drinnens" auf der Reihe sein. Wem nutzt's, wenn ich über die allgemeine Umweltverschmutzung lamentiere, aber meinen eigenen Kaugummi auf den Gehweg spucke?

Das Bemühen um Detailinformationen mag zwar gelegentlich wie Kümmellängsspalterei wirken - aber wenn ich nix vom Glauben weiß, kann ich auch nix weitergeben.
Dem kann ich nur beistimmen. Leider binden diese internen Debatten sehr viele Energien, die dann im Wirken nach außen hin fehlen, aber hier geht es nun einmal um etwas ganz Wesentliches im christlichen Glauben. Man mag das als Archäologismus identifizeren oder auch nicht, jedenfalls geht die Krise im Selbstverständnis der Kirche sehr tief.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Dünzls Darlegungen können in keiner Weise überzeugen. Dazu folgende Anmerkungen:
  1. Die Didache bietet offenkundig keinerlei vollständige liturgische Texte, sondern Formulare für einzelne Gebete, vgl. z. B. auch Kapitel 7 über die Taufe. Ein Schluß e silentio ist von daher methodisch unzulässig.
  2. Die „eucharistischen“ Kapitel 9 und 10 sind bekanntlich schwer einzuordnen und heftig umstitten.
  3. Der terminus „Eucharistie“ wird dort noch untechnisch im allgemeinen Sinne eines Segensgebetes verwendet (als Übersetzung des hebräischen Beracha).
  4. Der zu Anfang erwähnte Kelch ist der Kiddusch-Becher des jüdischen Mahlritus (wobei das folgende, eigentliche Kiddusch-Gebet, die Danksagung für den Tag, hier fehlt: vermutlich, weil sie eben kein festes Formular hatte, sondern frei formuliert wurde).
  5. Der eigentliche eucharistische Kelch ist nicht erwähnt.
  6. Das Beracha-Gebet zum Brotbrechen vor dem Sättigungsmahl dürfte bereits im eigentlichen Sinn eucharistisch sein, zumal wir dieselbe Brotbitte aus den ältesten ägyptischen und äthiopischen Anaphoren kennen, und zwar dort in unmittelbarer Verbindung mit dem wörtlich aufgeschriebenen Einsetzungsbericht.
  7. Nach dem eucharistischen Brot folgt das Sättigungsmahl, das in der Folge Agape genannt werden sollte.
  8. Da sich nach dem Sättigungsmahl der Ruf an die „Heiligen“ findet, „hinzuzutreten“, muß sich eine eucharistische „Kommunion“ angeschlossen haben. Hier könnte es sich entweder nur um den eigentlich eucharistischen Kelch handeln, oder aber auch um den Empfang des bereits vor dem Sättigungsmahl konsekrierten Leibes. Jedenfalls sind Eucharistie und Agape hier noch nicht bloß verbunden, sondern ineinander verschränkt.
  9. Daß ein Einsetzungsbericht mit den Wandlungsworten von Anfang an seinen Platz in der alten Agape-Eucharistie hatte, wissen wir schon aus dem ersten Korintherbrief. Auch andere alte Quellen bezeugen das, so etwa Hippolyts Traditio apostolica.
  10. Daß manche alte Quellen keine vollständigen liturgischen Texte bieten, wie wir uns sie heute wünschen, hängt nicht zuletzt mit der Arkandisziplin und der Rolle der mündlichen Tradition zusammen (vgl. dazu z. B. die Aussagen des hl. Basilius).
  11. Die angesprochenen apokryphen Apostelakten erzählen eher romanhaft und wollen keineswegs vollständige Meßtexte bringen; auch ihnen kommt also, ganz abgesehen von der meist gnostisierenden Tendenz, keine Beweiskraft zu.
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Philipp Neri
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Lehramtliche Entscheidungen

Beitrag von Philipp Neri »

Danke an Robert, daß er die Diskussion wieder an die Sache selbst heranführt. :freude:

In der Diskussion über die theologische Bewertung des römischen Dokuments wird immer wieder vorgebracht, es handele sich doch bei dem Lehre, daß die Einsetzungsworte Christi die Konsekration der eucharistischen Gaben bewirken, "nur" um eine sententia certa.

Wenn man etwa bei Ludwig Ott liest, welche Aussagen als sententiae certae eingestuft werden, so sieht man, daß diese nicht so einfach verabschiedet werden können. In dieselbe Kategorie fallen etwa die Lehrsätze, daß die wichtigste Frucht der Eucharistie die innige Vereinigung des Empfängers mit Christus sei; daß die Eucharistie Nahrung für die Seele sei und deren übernatürliches Leben erhalte und wachsen lasse; daß die Eucharistie von Unterpfand der himmlischen Herrlichkeit und der zukünftigen Auferstehung des Leibes sei. Alle diese Sätze sind nicht de fide, aber wer wird sie bestreiten?

Zur Frage der Konsekration gibt es auch ein lehramtliches Dokument aus dem Pontifikat Pius' VII, das Breve "Adorabile Eucharistiae" vom 8. Mai 1822, das an den Patriarchen von Antiochien und die melkitischen Bischöfe adressiert ist. Im Denzinger-Schönmetzer wird folgender Auszug zitiert (§2718):

[Non levis doloris et metus causa exstiterunt disseminantes] novam illam opinionem a schismaticis hominibus propugnatam qua docetur formam, qua vivificum hoc ... sacramentum perficitur, non in solis Iesu Christi verbis consistere, quibus sacerdotes tam Latini quam Graeci in consecratione utuntur, sed ad perfectam consummatamque consecrationem addi oportere eam precum formulam, quae memorata verba apud nos praecurrit, in vestra autem liturgia subsequitur ... In virtute sanctae oboedientiae ... praecipimus .. ut non audeant deinceps ... tueri eam opinionem, quae tradit ad admirabilem illa conversionem totius substantiae panis insubstantiam Corporis Christi, et totius substantiae vini in substantiam Sanguinis eius necesse esse, praeter Christi verba, eam etiam ecclesiasticam precum formulam recitare, quam saepe iam memoravimus.

(Habe das leider nur auf Latein & bin jetzt zu müde, es zu übersetzen)

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