Der Gottesbeweis

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Raphael

Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Raphael »

Papst Pius X. hat geschrieben:Sie lassen sich nicht zurückhalten durch die unzweideutige kirchliche Verdammung derartiger Irrtümer; denn das Vatikanische Konzil bestimmte: „Wenn einer sagt, dass der eine und wahre Gott, unser Schöpfer und HERR, auf dem Wege durch die geschaffene Erscheinungswelt, durch das natürliche Licht der menschlichen Vernunft, nicht sicher erkannt werden könne, der sei im Banne !”
Erstaunlich, spricht Papst Pius X. hier doch von einem Erkennen, nicht aber von einem Beweisen. Außderdem spricht er nicht von einem persönlichen Gott, sondern er unterläßt die Nennung dieses Adjektivs! :hmm:

Demgegenüber liest man in »Humani Generis«:
Papst Pius XII. hat geschrieben: Es ist allen bekannt, wie hoch die Kirche den Wert der menschlichen Vernunft stellt, der es zukommt, die Existenz des einen persönlichen Gottes mit Sicherheit zu beweisen, ..........
Ich stelle fest: Es gibt Unterschiede zwischen der Enzyklika »Pascendi Dominici gregis« und der Enzyklika »Humani Generis«, ohne daß diese Weiterentwicklung der Lehre näherhin begründet würde. :achselzuck:
Zuletzt geändert von Raphael am Mittwoch 30. Juni 2010, 08:37, insgesamt 1-mal geändert.

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overkott
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von overkott »

Das klingt vielleicht etwas anders als das Wort Jesu über das Herz. Aber es meint im Prinzip das Gleiche. Wenn es auch für ein Beichtgespräch vielleicht etwas lang ist, sei doch auf folgende Stelle im Besonderen hingewiesen:

2. Außerdem: Ein Wille, der mit dem Willen Gottes
und dem ewigen Gesetz übereinstimmt, ist immer
sittlich gut. Das ewige Gesetz und das Gebot Got-
tes werden uns aber vermittels der Erfassung der
Vernunft – auch der irrigen – vorgestellt. Also ist
derjenige Wille, der selbst mit einer irrigen Vernunft
übereinstimmt, gut.

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Gamaliel
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Gamaliel »

Ich weiß nicht genau, was die Lehre des hl. Thomas über das Gewissen mit den Gottesbeweisen zu tun hat. :achselzuck:

Seine Lehre ist natürlich klar und wahr. Nimm noch seine Ausführungen über die (freiwillige) Unwissenheit hinzu (I-II, q.76, a.4) und Du bist gut informiert. :daumen-rauf:

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overkott
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von overkott »

Gamaliel hat geschrieben:
Ich weiß nicht genau, was die Lehre des hl. Thomas über das Gewissen mit den Gottesbeweisen zu tun hat. :achselzuck:

Seine Lehre ist natürlich klar und wahr. Nimm noch seine Ausführungen über die (freiwillige) Unwissenheit hinzu (I-II, q.76, a.4) und Du bist gut informiert. :daumen-rauf:
Ich glaube, Jesus ist klarer, kürzer, prägnanter als Thomas. Wie Jesus Gott durch Herz und Hand als caritas beweist, ist auch für den einfachen Menschen einfach.

Ich denke, Thomas beweist Gott als Logos und Liebe für alle, die es etwas komplizierter gesagt bekommen möchten.

Immerhin ist sein Beweis durch das Gewissen viel hochwertiger als sein Geschwurbel über die Erstursache.

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Lioba
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Lioba »

Gamaliel hat geschrieben:
Ich weiß nicht genau, was die Lehre des hl. Thomas über das Gewissen mit den Gottesbeweisen zu tun hat. :achselzuck:

Seine Lehre ist natürlich klar und wahr. Nimm noch seine Ausführungen über die (freiwillige) Unwissenheit hinzu (I-II, q.76, a.4) und Du bist gut informiert. :daumen-rauf:
Da kamen wir über den Umweg mit der Zuverlässigkeit der Erfahrung drauf.Ovi brachte dann das Beispiel mit der Beichte, wo wir auf unser Herz hören sollten und postete als Beleg Thomas Aussagen zur Beziehung zwischen Vernunft und Gewissen und was geschieht wenn der Verstand irrt. Dann ist es dennoch gut, dem von irrenden Verstand geleiteten Gewissen zu folgen

Allerdings besteht da eben der Einwand, dass nur der ohne Verschulden Irrende moralisch richtig handelt. Wer aus geistiger Trägheit oder Verblendung das Erkennbare nicht sieht, ist eben nicht entschuldigt und handelt nicht recht.
Das mit dem Herzen ist also so eine Sache- ich muss erst dafür sorgen, dass mein Verstand so gut wie möglich dafür ausgerüstet ist, mein Gewissen zu instruieren, dann kann ich meinem Gewissen folgen. Dabei bin ich nicht sicher, ob ich dem Herzen folgen und dem Gewissen folgen gleichsetzen darf. Da müsste das Herz schon ganz in Gott geborgen sein und keine eigenmächtigen Wege mehr gehen.
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
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Gamaliel
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Gamaliel »

Lioba hat geschrieben:Da kamen wir über den Umweg mit der Zuverlässigkeit der Erfahrung drauf.Ovi brachte dann das Beispiel mit der Beichte, wo wir auf unser Herz hören sollten und postete als Beleg Thomas Aussagen zur Beziehung zwischen Vernunft und Gewissen und was geschieht wenn der Verstand irrt. Dann ist es dennoch gut, dem von irrenden Verstand geleiteten Gewissen zu folgen

Allerdings besteht da eben der Einwand, dass nur der ohne Verschulden Irrende moralisch richtig handelt. Wer aus geistiger Trägheit oder Verblendung das Erkennbare nicht sieht, ist eben nicht entschuldigt und handelt nicht recht.
Das mit dem Herzen ist also so eine Sache- ich muss erst dafür sorgen, dass mein Verstand so gut wie möglich dafür ausgerüstet ist, mein Gewissen zu instruieren, dann kann ich meinem Gewissen folgen. Dabei bin ich nicht sicher, ob ich dem Herzen folgen und dem Gewissen folgen gleichsetzen darf. Da müsste das Herz schon ganz in Gott geborgen sein und keine eigenmächtigen Wege mehr gehen.
Gut zusammengefaßt!

Ich verstehe allerdings nicht, was der Ausdruck "dem Herzen folgen" bedeuten soll. Ist damit irgendeine dritte geistige Kraft neben Intellekt und Wille gemeint? :hae?:

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Sempre
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Sempre »

Die alten Juden sahen das Herz als Sitz des Verstandes. Das Gefühl war in den Eingeweiden verortet. Noch heute ist es weithin üblich vom "Bauchgefühl" zu reden. Der Verstand wird aber allgemein als im Gehirn angesiedelt gesehen.

Es gibt aber auch ganz andere Ansichten dazu:
kloster-arenberg.de hat geschrieben:Mit dem Begriff des "Herzens" soll die Mitte des Menschen angesprochen werden. Dabei meint "Herz" mehr als den biologischen Mittelpunkt, den Motor oder Generator: Im Herzen wurzeln nach unserem Verständnis die Empfindungen und Affekte, die Begierden und Leidenschaften. Das Herz ist Sitz des Verstandes, Quellort der Gedanken und Erwägungen. Ebenso ist es Sitz des Willens, Ursprung des Planens und Entscheidens. Herz meint den ganzen Menschen. Es ist das Zentrum unseres Wesens, in dem wir wahrhaft eins sind: Eins mit uns selbst - nicht aufgespalten in Verstand, Wille, Gefühle, Körper und Geist - und eins mit GOTT.
:panisch: :panisch: :panisch:
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Lioba
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Lioba »

:achselzuck: :hae?:
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Sempre
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Sempre »

Lioba hat geschrieben: :achselzuck: :hae?:
Ich beantworte gerne jede Frage zum Verständnis.
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Lioba
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Lioba »

Ich bin ganz
Bild
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Sempre
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Sempre »

@Lioba

Wie gesagt, ich beantworte gerne jede Frage zum Verständnis.

Zu einem "Hae?" oder einem Foto von einem Ohr kann ich leider nichts beitragen.

Gruß
Sempre
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overkott
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von overkott »

Lieber sempre, bitte als theologischen Gottesbeweis keine Prospekte von ganzheitlich-klösterlichen Wellnessfarmen VORLEGEN.

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Lioba
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Lioba »

Das Herz als Sitz von eigentlich Allem. der Ort, an dem die Trennung von en einzelnen Bereichen aufgehoben ist und auch die Trennung von Gott, damit kann ich nichts anfangen, weil es nicht erklärt wie es zu der Aufhebung kommt. Ist das wirklich die biblische und theologische korrekte christliche Sicht?
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Sempre
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Sempre »

Lioba hat geschrieben:Das Herz als Sitz von eigentlich Allem. der Ort, an dem die Trennung von en einzelnen Bereichen aufgehoben ist und auch die Trennung von Gott, damit kann ich nichts anfangen, weil es nicht erklärt wie es zu der Aufhebung kommt. Ist das wirklich die biblische und theologische korrekte christliche Sicht?
Ich kann da auch nichts mit anfangen und mir kommt das Grauen. Daher habe ich das Zitat so gekennzeichnet:

:panisch: :panisch: :panisch:
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Sempre
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Sempre »

overkott hat geschrieben:Lieber sempre, bitte als theologischen Gottesbeweis keine Prospekte von ganzheitlich-klösterlichen Wellnessfarmen VORLEGEN.
Das habe ich als Bild der Hölle vorgelegt.

Aber zurück zur Sache. Gamaliel hatte gefragt:
Gamaliel hat geschrieben:Ich verstehe allerdings nicht, was der Ausdruck "dem Herzen folgen" bedeuten soll. Ist damit irgendeine dritte geistige Kraft neben Intellekt und Wille gemeint? :hae?:
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overkott
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von overkott »

Ich denke, dass Bild des Herzens zu verstehen, ist gar nicht so schwer. Der Herzschlag signalisiert das Leben und das Gefühl: positive und negative Aufregung, innere Ruhe und Frieden. Du regst auf, damit es gefalle, dich zu loben, weil du uns für dich gemacht hast und unruhig ist unser Herz, bis es ruhen wird in dir.

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Gamaliel
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Gamaliel »

Über das Bild des Herzens können wir uns alles mögliche zusammenspinnen, wir können dieses Bild auch ganz seriös in der Verwendung der Heiligen Schrift, der Liturgie,.... in der Religions- und Kulturgeschichte betrachten und verfolgen. Das interessiert mich aber alles im gegenwärtigen Zusammenhang nicht!

Ich möchte ganz konkret und leicht nachvollziehbar wissen, was nachstehender Satz inhaltlich besagt und welche Bedeutung dem Begriff "Herz" darin zukommt:
overkott hat geschrieben:Hör auf dein Herz und tu, was du für richtig hältst.

Raphael

Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Raphael »

Gamaliel hat geschrieben:Über das Bild des Herzens können wir uns alles mögliche zusammenspinnen, wir können dieses Bild auch ganz seriös in der Verwendung der Heiligen Schrift, der Liturgie,.... in der Religions- und Kulturgeschichte betrachten und verfolgen. Das interessiert mich aber alles im gegenwärtigen Zusammenhang nicht!

Ich möchte ganz konkret und leicht nachvollziehbar wissen, was nachstehender Satz inhaltlich besagt und welche Bedeutung dem Begriff "Herz" darin zukommt:
overkott hat geschrieben:Hör auf dein Herz und tu, was du für richtig hältst.
Es ist leicht zu erkennen, daß dieser Satz von overkott angelehnt ist an den Satz von Augustinus: Dilige, et quod vis fac...

Zur weiteren Bedeutung dieses berühmten Satzes: Tolle lege!
Man darf vermuten, daß overkott ähnliches meinte ...........

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Gamaliel
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Gamaliel »

Raphael hat geschrieben:Man darf vermuten, daß overkott ähnliches meinte ...........
Ja, ja, Deine Fähigkeiten im Gedankenlesen sind mir bekannt. :D

Auch dieser Satz des hl. Augustinus bedurfte/bedarf der Erklärung, um ihn nicht falsch zu verstehen.

Raphael

Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Raphael »

Gamaliel hat geschrieben:Ja, ja, Deine Fähigkeiten im Gedankenlesen sind mir bekannt. :D
Ich kenn' den ovi halt schon ein bißchen länger als Du, da kann man seine Schreibe auch besser einschätzen und muß nicht immer gleich mit Deiner Hermeneutik des Verdachts an seine Texte herangehen! :kussmund:

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overkott
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von overkott »

Ich habe da keine eigene Meinung zu außer dem Maßstab Jesu der Gottes- und Nächstenliebe.

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Niels
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Niels »

overkott hat geschrieben:Ich habe da keine eigene Meinung zu außer dem Maßstab Jesu der Gottes- und Nächstenliebe.
Ergo? :detektiv:
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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overkott
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von overkott »

Niels hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Ich habe da keine eigene Meinung zu außer dem Maßstab Jesu der Gottes- und Nächstenliebe.
Ergo? :detektiv:
Denkt an beides.

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overkott
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von overkott »

Ist der Gottesbeweis der prima causa noch zu retten und wenn ja, wie? Inwieweit müssen wir die Erstursache personal denken, weil wir sie autonom denken? Warum denken wir sie nicht als Tier?

LePenseur
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von LePenseur »

@Overkott:
Ist der Gottesbeweis der prima causa noch zu retten und wenn ja, wie? Inwieweit müssen wir die Erstursache personal denken, weil wir sie autonom denken? Warum denken wir sie nicht als Tier?
... zum Beispiel als riesige Schildkröte ...? ;D

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overkott
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von overkott »

LePenseur hat geschrieben:@Overkott:
Ist der Gottesbeweis der prima causa noch zu retten und wenn ja, wie? Inwieweit müssen wir die Erstursache personal denken, weil wir sie autonom denken? Warum denken wir sie nicht als Tier?
... zum Beispiel als riesige Schildkröte ...? ;D
Jetzt ist diese Frage nach dem Tier tatsächlich eine Frage und kein Vorschlag. Dabei glaube ich schon, dass es darauf eine Antwort gibt. Wir begreifen mit Begriffen und je strukturierter unsere Begriffe sind, desto leichter fällt uns die Antwort:

Gott verstehen wir nicht als Tier, weil wir Gott als dem Menschen überlegen ansehen, das Tier aber dem Menschen unterlegen.

Die Begriffshierarchie nach dem Menschen lautet absteigend: Tier, Pflanze, Erde. Erde verstehen wir als unbelebtes Wesen, Pflanze als belebtes Wesen, Tier als belebtes und fühlendes Wesen, Mensch als belebtes, fühlendes und vernunftsbegabtes Wesen. Damit unterscheidet sich der Mensch von Erde (Materie), Pflanze und Tier nicht prinzipiell, sondern nur durch die jeweiligen zusätzlichen Eigenschaften, insbesondere durch die Vernunft und die Liebe. Gott als das höchste Wesen ist über der Natur, über dem Menschen, über der Person, übernatürlich, übermenschlich, überpersonal. Gott ist dem Menschen überlegen, weil er den Beginn und das Ende des Lebens festlegt, während der Mensch nur bedingt darüber verfügen kann. Die Überlegenheit Gottes wird im Bild des Herrschers und des Vaters ausgedrückt.

Kritisch stellt sich die Frage: Kann das Tier denken und lieben? In welchen Punkten ist das Tier dem Menschen überlegen? Warum scheint der Mensch dem Tier insgesamt überlegen?

LePenseur
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von LePenseur »

@Overkott:
In diesem Zusammenhang verweise ich auf den auch sonst sehr vergnüglichen und lesenswerten Roman "Das Messingherz oder Die kurzen Beine der Wahrheit (München 1979) von Rosendorfer, wo der (theologisch nicht unbeleckte, aber sicher unorthodoxe!) Autor gegen Ende einen Priester in einem Essay Gott "am ehesten noch" mit Stein bzw. Fels vergleichen läßt ...

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overkott
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von overkott »

Wer Gott vor das Gleichheitszeichen setzt, würde so etwas nicht tun. Aber die Geschichte mit dem Gleichheitszeichen setzt ein hohes Maß an sprachlicher Reflexion voraus. Ich vermute, dass der Romanpriester Gott anders verstand als Anselm von Canterbury, nicht als höchste Form des Seins, sondern als Konstante in seiner Rechnung.

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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von LePenseur »

@Overkott:
Lesen sie einfach das "Messingherz"! Es ist die ideale Sommer-Urlaubslektüre, durchaus mit Tiefgang und viel Sprachwitz (wie meistens bei Rosendorfer) geschrieben und eine unnachahmliche (und eigentlich, wenn man's nicht gelesen hat: unvorstellbare) Kombination eines bezaubernden Liebes-Romans mit Kritik am "Feeling" der Flower-Power- und 68er-Generation und einem großen Schuß Agenten-Slapstick. LESEN!

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overkott
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von overkott »

Ich werde schauen. Den Inhalt habe ich schon gecheckt. Man kann sich nicht immer nur mit Gottesbeweisen beschäftigen.

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Sempre
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von Sempre »

LePenseur hat geschrieben:@Overkott:
Ist der Gottesbeweis der prima causa noch zu retten und wenn ja, wie? Inwieweit müssen wir die Erstursache personal denken, weil wir sie autonom denken? Warum denken wir sie nicht als Tier?
... zum Beispiel als riesige Schildkröte ...? ;D
Du verlinkst hier denselben Text von Bertrand Russell, den Du weiter vorne im Strang bereits zitiert hattest und der kommentiert wurde.

Es ist mindestens merkwürdig, dass ein so berühmter Philosoph, Mathematiker und Logiker, der neben seinen vielen Werken auch noch den Nobelpreis für Literatur ergatterte, in einer Vorlesung über die Beweisbarbarkeit Gottes per Kausalschluss redet, ohne überhaupt zu wissen, wovon er redet. Ein Mangel an Verständnis kann wohl getrost ausgeschlossen werden. Es muss sich um schlichte Unkenntnis handeln.

Aber auch schlichte Unkenntnis ist mindestens merkwürdig. Immerhin bezeichnet auch Kant den Schluss vom Bedingten auf das Unbedingte, der den unendlichen Regress ausschließt, als eine Synthesis des bloßen Verstandes (KrV, Antinomie der reinen Vernunft - siebenter Abschnitt) und verwendet diese Schlussweise selbst am laufenden Meter in seinem Hauptwerk.

Wie nun ein Bertrand Russell, berühmter Philosoph, Mathematiker und Logiker, nach Erkenntnis des Unbedingten weiterfragen kann Ja, aber was bedingt denn das Unbedingte? ist völlig unerklärlich.

Gruß
Sempre
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Re: Der Gottesbeweis

Beitrag von LePenseur »

@Sempre:
Wie nun ein Bertrand Russell, berühmter Philosoph, Mathematiker und Logiker, nach Erkenntnis des Unbedingten weiterfragen kann Ja, aber was bedingt denn das Unbedingte? ist völlig unerklärlich.
... aber vielleicht nur für Sie, bzw. all jene, die gleich Ihnen von metaphysischen Voraussetzungen ausgehen, die Russell offensichtlich so nicht für gegeben erachtet. Hume z.B. auch nicht — und der ist zwar ein Ihnen nicht eben genehmer, aber ein wohl nicht gerade unfähiger Philosoph (was u.a. auch Kants Meinung war ...)

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