Die Unfehlbarkeit

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Edith
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Beitrag von Edith »

Julia Wolf hat geschrieben:Warum erst seit dem Dogma? Warum haben Päpste vorher geirrt. Und bezieht sich das nicht auf die Lossprechung bei der Beichte (dachte ich immer)?
Julia,
ein Dogma ist nicht eine "neue Erkenntnis" sondern die schriftliche Festhaltung dessen, was die Kirche IMMER SCHON GEGLAUBT hat.
(Meist aus irgendeinem aktuellen Anlaß feierlich definiert).

Das steht, meines Wissens, auch im Text dieses Dogmas.

Edith
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Beitrag von Edith »

Julia Wolf hat geschrieben:Worauf bezieht es sich dann? Auf Lehraussagen?
auf alles, was er löst oder bindet.
Auf Petrus ist die Kirche gebaut (!)

Edith
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Beitrag von Edith »

Im Wortlaut:

"Wenn der Römische Bischof 'ex cathedra' spricht, das heißt, wenn er in Ausübung seines Amtes als Hirte und Lehrer aller Christen kraft seiner höchsten Apostolischen Autorität entscheidet, dass eine Glaubens- oder Sittenlehre von der gesamten Kirche festzuhalten ist, dann besitzt er mittels des ihm im seligen Petrus verheißenen göttlichen Beistands jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei der Definition der Glaubens- und Sittenlehre ausgestattet sehen wollte; daher sind solche Definitionen des Römischen Bischofs aus sich, nicht aber aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich. Wer sich aber - was Gott verhüte - unterstehen sollte, dieser Unserer Definition zu widersprechen: der sei mit dem Anathema (Kirchenbann) belegt."


Päpstliche Unfehlbarkeit bedeutet nicht, dass der Papst in seinem persönlichen Leben keine Fehler machen könnte, sondern, dass er, wenn er eine von Gott geoffenbarte Glaubens- oder Sittenwahrheit endgültig zu glauben vorlegt, kraft göttlichen Beistandes nicht irren kann.
Zuletzt geändert von Edith am Dienstag 24. Februar 2004, 19:19, insgesamt 2-mal geändert.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Na, diese Schriftstelle alleine ist es natürlich nicht. Das ist a) zu einfach und unterstellt dadurch b) anderen Schwesterkirchen wie denen des Ostens eine gewisse Leseschwäche.

Nein, wie viele andere Dogmen auch musste die Überzeugung für diese Glaubenswahrheit erst einmal reifen (ein wenig wie in der Kunst: nur das Gute und Wichtige setzt sich über Jahrhunderte hinweg durch).

Die Erfahrung der (relativ) Frühen Kirche mit verschiedenen Auffassungen über Kernthemen des Glaubens, besonders Trinität/Dreifaltigkeit und Christologie, aber auch die Gnadenlehre (nachzuschlagendes Stichwort Donatismus) - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - zeigt, dass die Bischöfe und Theologen anderer Diözesen sich häufig in Rom beim Bischof ihre Ansicht als mit der reinen überlieferten Lehre in Einklang befindlichen...... was für ein Deutsch!
Also: die anderen wollten wissen, ob das okay ist und gingen nach Rom um zu gucken, ob das wirklich okay ist (ich bin halt ein einfacher Geist)!

Da holten sich auch manche eine Abfuhr, wie Marcion, der den kompletten Kanon auf das Lukasevangelium und davon nur Teile zurechtstutzen wollte (also AT ganz weg, weil der böse AT-Gott ihm nicht passte....klingt so bekannt....).
Auch war zur Zeit des großen christologischen Streits um den Arianismus (wieder so ein Begriff aus der Kirchengeschichte) der Bischofssitz Roms der Stützpfeiler des katholischen Glaubens, während in Konstantinopel und anderswo Arianer das Sagen hatten.



Das nur gaaaaaaaaaaaaanz kurz.



Ich empfehle bei tieferm Interesse, wenn man im Netz bleiben will, das sehr gute englischsprachige http://www.newadvent.org. Ist super umfangreich zu fast allem aus der katholischen Welt. Einfach "Infallibility" eingeben, dann kommt ein riesen Artikel. Lässt sich aber nicht mal eben so abhandeln. Und die Geschichte gehört als bei einem sich in der Geschichte offenbarenden Gott eben einfach dazu. Wie sagte Einstein: Bitte so einfach wie möglich, aber nicht einfacher!
Zuletzt geändert von Ralf am Dienstag 24. Februar 2004, 19:45, insgesamt 1-mal geändert.

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Antwort auf Edith bezogen.

Das ist mir schon klar (dass nicht jedes mal, wenn der Papst den Mund aufmacht, es unfehlbar ist, sondern nur wenn er ex cathedra spricht).

Aber warum gab es, wenn das Unfehlbarkeits-Dogma schon immer galt, z.B. zwei Päpste, Gegenpapst, einen Papst mit Sohn, der ihm in Parma viel gebaut und ihn protegiert hat usw. Warum hat sich Petrus geirrt, als er meinte, das Christentum sei nur für die Juden? Paulus hat nicht an die Unfehlbarkeit dieser Aussage geglaubt.

Oder waren das halt keine erklärten Dogmen? Aber wichtige Angelegenheiten waren es schon. Also irgendwie leuchtet mir das noch nicht ein.
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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Wenn nun (theoretisch angenommen) über Jahrhunderte nun viele Christen und auch Priester das Unfehlbarkeits-Dogma nicht glauben können, wäre es dann fragwürdig, weil es dann nicht immer geglaubt werden kann?

Oder umgekehrt: wenn es immer schon geglaubt wurde, warum muss es dann zum Dogma erklärt werden, dann wird es doch auch weiterhin geglaubt werden, durch die Kraft des Hl. Geistes? Fehlt dazu das Vertrauen? :kratz:
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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Edith hat geschrieben:Auf Petrus ist die Kirche gebaut (!)
Nun, da wir hier nicht in den Katholikengesprächen sind, erlaube ich mir "zu provozieren" (wie Robert es einmal sinngemäß nannte). Natürlich ist es nicht so, daß die Kirche "auf Petrus" gebaut wäre. Und man muß nicht nur den Zeugen Jehovas immer mal wieder vorhalten, den Kontext, aus dem etwas zitiert wird, tunlichst zu beachten: Matth. 16,16-19.
Es ist der Glaube und das Bekenntnis des Petrus, auf dem die Kirche steht, nämlich: "Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes." In Matth. 16,18 steht auch "..., kai epi tautE tE petra" und nicht "..., kai epi tautE tO PetrO", also ist die Behauptung, die Kirche sei auf Petrus gebaut, schlichtweg falsch. Die Kirche ist auf Christus Jesus gebaut, und/also auf dem Glauben an Ihn und auf einem Bekenntnis wie dem des Petrus. (Tut mir Leid, ich kann keine griechische Schrift hier einbringen.)

Ich für meinen Teil halte es für unmöglich, das Primat und ganz besonders eine Unfehlbarkeit des Bischofs von Rom (um die es eigentlich hier geht) aus der Hl. Schrift herzuleiten. Das gilt ja als Dogma auch nur in der Römischen Kirche.

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Nietenolaf hat geschrieben:
Edith hat geschrieben:Auf Petrus ist die Kirche gebaut (!)
Nun, da wir hier nicht in den Katholikengesprächen sind, erlaube ich mir "zu provozieren" (wie Robert es einmal sinngemäß nannte). Natürlich ist es nicht so, daß die Kirche "auf Petrus" gebaut wäre. Und man muß nicht nur den Zeugen Jehovas immer mal wieder vorhalten, den Kontext, aus dem etwas zitiert wird, tunlichst zu beachten: Matth. 16,16-19.
Es ist der Glaube und das Bekenntnis des Petrus, auf dem die Kirche steht, nämlich: "Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes." In Matth. 16,18 steht auch "..., kai epi tautE tE petra" und nicht "..., kai epi tautE tO PetrO", also ist die Behauptung, die Kirche sei auf Petrus gebaut, schlichtweg falsch. Die Kirche ist auf Christus Jesus gebaut, und/also auf dem Glauben an Ihn und an ein Bekenntnis wie das des Petrus. (Tut mir Leid, ich kann keine griechische Schrift hier einbringen.)

Ich für meinen Teil halte es für unmöglich, das Primat und ganz besonders eine Unfehlbarkeit des Bischofs von Rom (um die es eigentlich hier geht) aus der Hl. Schrift herzuleiten. Das gilt ja als Dogma auch nur in der Römischen Kirche.
Immerhin anerkannte auch die Kirche des Ostens bis zum großen Schisma eine gewisse Vorrangstellung des Patriarchen des Westens. Eben aufgrund dieser Schriftstelle hin. So aus den Fingern gesaugt, wie man das nach Deinem Beitrag meinen könnte, ist der Primat des Petrusamtes also nicht.
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Erich Dumfarth hat geschrieben:Immerhin anerkannte auch die Kirche des Ostens bis zum großen Schisma eine gewisse Vorrangstellung des Patriarchen des Westens. Eben aufgrund dieser Schriftstelle hin. So aus den Fingern gesaugt, wie man das nach Deinem Beitrag meinen könnte, ist der Primat des Petrusamtes also nicht.
Sicher nicht aufgrund dieser Schriftstelle. Aber ergeben hatte es sich trotzdem. Ralf hat es ganz gut beschrieben. Zwar war auch mal ein Arianer Papst von Rom (hab vergessen, welcher), ansonsten ist seine Ausführung dazu ganz akkurat. "Primat" ist auch nie ein jurisdiktionelles Primat gewesen, denn es war immer ein "primus inter pares", kein Chef von Ganzes. Bis zu einer gewissen Zeit. Man darf nicht vergessen, daß die vom römischen Bischof beanspruchte Vormachtstellung über die gesamte Christenheit einer der schwerwiegendsten Gründe für die Kirchenspaltung ist, auf jeden Fall ist es der Grund schlechthin dafür, daß sie weiterhin besteht. Es gab keine Zeit, zu der die Ostkirche ein funktionelles, jurisdiktionelles Primat des römischen Bischofs anerkannte. Das "Um Rat fragen" ist eine gute Sitte gewesen, da man auf höchster konziliarer Ebene einfach keine prompt Rede und Antwort stehende höhere Instanz mehr hatte, die z.B. schlichten konnte. Also wendete man sich in Streitfragen, ganz besonders zu Zeiten grassierender Häresien, an den Primus inter pares.

Biggi
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Beitrag von Biggi »

Julia Wolf hat geschrieben:Aber warum gab es, wenn das Unfehlbarkeits-Dogma schon immer galt, z.B. zwei Päpste, Gegenpapst, einen Papst mit Sohn, der ihm in Parma viel gebaut und ihn protegiert hat usw. Warum hat sich Petrus geirrt, als er meinte, das Christentum sei nur für die Juden? Paulus hat nicht an die Unfehlbarkeit dieser Aussage geglaubt.
Oder waren das halt keine erklärten Dogmen? Aber wichtige Angelegenheiten waren es schon. Also irgendwie leuchtet mir das noch nicht ein.
Die Unfehlbarkeit des Papstes ist absolut kein Schutz gegen persönliche Sünden und Fehler - wie nicht nur so einige Päpste des Mittelalters belegen. Für mich ist das übrigens keinerlei Glaubensproblem, ganz im Gegenteil: Wenn selbst diese erbärmlichen Figuren es nicht geschafft haben, den Karren der Kirche so in den Dreck zu fahren, dass er nicht mehr flott werden konnte, wenn sie trotz allen persönlichen Fehlverhaltens die Lehre der Kirche nicht zu verbiegen geschafft haben - dann muss da irgendwas dran sein am "Beistand des Hl. Geistes".

Und die Beschränkung auf das Judentum, die du oben erwähnst, war zwar urkirchliche Praxis, aber keine "ex cathedra-Lehraussage" (ganz davon abgesehen, dass die dogmatische und kirchenrechtliche Entwicklung damals noch - na ja, ich würde sagen im Embryonalstadium war).

LG
Biggi

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Samuel
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Beitrag von Samuel »

Ein paar Überlegungen zur päpstlichen Unfehlbarkeit:

1) Die Kirche glaubte schon immer, dass sie in der Lage sei, unfehlbare Dogmen zu formulieren (nämlich auf den ökumenischen Konzilien). Neu an dem Dogma von 1870 ist also lediglich, dass nun auch vom Papst die Fähigkeit ausgesagt wird, unfehlbare Dogmen zu formulieren. Der Papst hatte diese Fähigkeit schon immer; praktisch angewandt hat er sie nur 1854 und 1950.

2) Gott hat in Jesus Christus die Welt unwiderruflich und bleibend mit sich verbunden. Die sichtbare Gegenwart dieser bleibenden Verbindung ist die Kirche. Wo also die Kirche ihren Gläubigen etwas mit Einsatz ihrer ganzen Autorität zu glauben befiehlt, dürfen wir darauf vertrauen, dass sie uns damit nicht definitiv aus der Wahrheit herausführt.

3) Die Offenbarung ist mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen. Jede neue Glaubensaussage ist also nur Entfaltung des in Christus Geschehenen und hat den Grund ihrer Unfehlbarkeit in der Unfehlbarkeit des Christus-Geschehens. Also: An Jesus Christus erkennen wir unfehlbar, dass sich uns Gott unwiderruflich in vergebender Liebe zur innersten Mitte unseres Daseins macht. Warum? Jesus erscheint uns (in seinem Leben und Kreuzestod) als Mensch, der sich radikal und vorbehaltlos an Gott übergibt. Jesus lebt ganz aus dem Heiligen Geist. Vgl. dazu
Karl Rahner hat geschrieben:Den Glauben an die Auferstehung Jesu gibt es. Und zwar als einmaliges Faktum. Das ist in sich schon bedenkenswert. Solche Einmaligkeit besteht, obwohl es genug Menschen – bis hin zu den getöteten „Propheten“ – gibt, von denen man erfahren möchte, dass sie leben. Hat diese Einmaligkeit nicht darin ihren Grund, daß der Grund selbst einmalig und einfach und somit „wahr“ ist, daß er also nicht jenes zufällige Zusammentreffen von disparaten Erfahrungen und Überlegungen ist, das die Ursache von Irrtümern darstellt? (Grundkurs, S. 269)
Wenn aber diese Verbindung von Gott und Mensch in einem Menschen realisiert ist, dann können wir darauf vertrauen, dass auch für uns gilt: Wo wir die Verbindung mit Gott erfahren bzw. zugesagt bekommen, können wir darauf vertrauen, dass dies keine Illusion ist, sondern Realität.

4) Die christliche Botschaft ist so etwas wie ein performativer Sprechakt (in dem das geschieht, was mitgeteilt wird, wie etwa „ich heirate dich“ oder „ich verurteile dich“): Wenn mir jemand mitteilt „Gott liebt dich mit einer Liebe, auf die unbedingt Verlass ist“ und ich glaube dieser Botschaft, so dass ich mich in Gottes Liebe geborgen weiss, egal was passiert, dann geschieht in dieser Weitergabe und Annahme der Botschaft genau das, was mitgeteilt wird, nämlich die Liebe Gottes. Da somit das, worauf sich die christliche Botschaft bezieht, identisch ist mit ihrem Geschehen, gibt es hier keinen Unterschied, in den sich ein Irrtum einschleichen könnte: Jede als Glaubensaussage verstehbare Aussage ist aus sich heraus unfehlbar.

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Julia Wolf
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Beitrag von Julia Wolf »

Samuel hat geschrieben:
Wo also die Kirche ihren Gläubigen etwas mit Einsatz ihrer ganzen Autorität zu glauben befiehlt, dürfen wir darauf vertrauen, dass sie uns damit nicht definitiv aus der Wahrheit herausführt.
...

Da somit das, worauf sich die christliche Botschaft bezieht, identisch ist mit ihrem Geschehen, gibt es hier keinen Unterschied, in den sich ein Irrtum einschleichen könnte: Jede als Glaubensaussage verstehbare Aussage ist aus sich heraus unfehlbar.

Hm. Warum muss ich etwas zu glauben befehlen, wenn jede Glaubensaussage aus sich heraus unfehlbar ist? Das empfinde ich als widersprüchlich. Warum kann man es den Gläubigen nicht nach ihren persönlichen Vermögen entsprechend selbst überlassen, wie tief sie in die Geheimnisse eindringen? Erzwingen läßt sich doch da sowieso nichts.

Ich stelle mir daher die Frage, ob die unfehlbaren Dogmen nicht der (missglückte) Versuch sind, Glauben durch Wissen zu ersetzen.

In einer Zeit, in der die Wissenschaften immer exakter und glaubwürdiger wurden, ist es verständlich, dass seitens der Kirche auch der Wunsch aufkam, den geglaubten Wahrheiten eine Festigkeit und Griffigkeit zu geben, wie sie die wissenschaftlichen, überprüfbaren Aussagen zu haben schienen (wie weit das schon früher so war, weiß ich nicht - ich glaube es bezog sich auf mystischere Aussagen als wie die letzten Dogmen).

Dadurch aber wurden scheinbar materielle Glaubensinhalte (Hymen Mariens, Körperlichkeit Mariens) zu vermeintlich gewissen Wissensinhalten. Sie waren kein Geschenk mehr, das der vertrauensvolle Glaube dem inneren Auge eröffnet, sondern sie wurden dem harten Tatsachenwissen angenähert.

Ironischerweise hat sich die Naturwissenschaft genau umgekehrt entwickelt, wird immer weniger hart und eindeutig in den Aussagen und in der Quantenphysik bekommt der geistige Impuls eine ganz neue Bedeutung.


Dies ist heute mein einziges Posting, also werde ich auf Reaktionen heute nicht antworten, da ich in der Fastenzeit nur ein Posting pro Tag im Kreuzgang schreibe.

Viele Grüße
Julia
Nur der Schwache wappnet sich mit Härte.
Wahre Stärke kann sich Toleranz, Verständnis und Güte leisten.
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Biggi
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Beitrag von Biggi »

Die Dogmen stellen Klarstellungen dar: sie sollen für den "gutwilligen" Gläubigen präzisieren, was zur katholischen Glaubenslehre gehört und damit dem Disput verschiedener Theologenschulen - den es in gewissen Grenzen ja durchaus gibt und geben darf - entzogen ist. Natürlich kann Glauben durch Dogmen nicht "befohlen" werden. Es wird lediglich - immer "aus gegebenem Anlass" - sozusagen unterstrichen: Wenn du das glaubst, befindest du dich auf dem Boden der katholischen Lehre. Wenn du das nicht glaubst (mit Wissen und Entschiedenheit nicht glaubst!), bist du im Begriff ihn zu verlassen.

LG
Biggi

josef
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Re: Was gibt Gewissheit über die Unfehlbarkeit des Papstes?

Beitrag von josef »

Hallo Julia,

Julia Wolf hat geschrieben:Ich wollte mal fragen, worin die Gewissheit der katholischen Kirche bezüglich des Dogmas von der Unfehlbarkeit des Papstes besteht?
...
Was also ist der Beweis, dass dieses Dogma recht ist, und nicht nur der tiefen Sorge eines Papstes in einer schwierigen Glaubenssituation entspringt?
Der Beweis liegt in der Gewißheit die GOTT allen wahren Christen eingegeben hat.

Die Gewißheit kann nur und nur GOTT, anwesend in der Person des HEILIGEN GEISTES geben.
Und gibt sie allen wahren Christen auch.
Julia Wolf hat geschrieben:Das Dogma wurde ja verkündet, als es eben dieses Dogma noch nicht gab. Es kann also schlecht auf sich selbst angewendet werden (sonst könnte ich ja morgen sagen, ich bin unfehlbar und das hat zu gelten).
Ein Dogma ist nicht Menschenwerk sondern Werk des HEILIGEN GEISTES hergestellt unter Mitwirkung von Menschen.

Der HEILIGE GEIST ist es, DER die dienstlichen Veröffentlichungen der Päpste unfehlbar hält - nicht der 1870 vom Konzil beschlossene Unfehlbarkeitstext.

Wenn der HEILIGE GEIST, den Papst Pius IX und das Konzil die Unfehlbarkeit des Papstamtes feierlich verkünden läßt, ist die Annahme berechtigt, daß ER ab 1870 alle Veröffentlichungen, die ER die Päpste als Hirten und Lehrer der Christenheit in Sachen des Glaubens und der Sitte auf endgültige Weise machen läßt, immer und ohne Ausnahme unfehlbar halten werde.

Man kann auch sicher sein, daß die Mehrheit der Christen je nach dem Grade des Gehorsams und der Einsicht, diese Unfehlbarkeit als wahr annehmen werden.
Julia Wolf hat geschrieben:Aber warum gab es, wenn das Unfehlbarkeits-Dogma schon immer galt, z.B. zwei Päpste, Gegenpapst, einen Papst mit Sohn, der ihm in Parma viel gebaut und ihn protegiert hat usw.
Warum hat sich Petrus geirrt, als er meinte, das Christentum sei nur für die Juden? Paulus hat nicht an die Unfehlbarkeit dieser Aussage geglaubt.
GOTT will auf den Gehorsam und die Einsicht der Menschen angewiesen sein.
Und richtet SICH am Gehorsam und Einsicht das ER bei den Menschen findet.

- Die Renaissance-Päpste wollten dem HEILIGEN GEIST nicht gehorchen - die Luther-Katastrophe war die Konsequenz.
- Petrus konnte nicht gehorchen weil er nichts verstanden hat - zunächst mal.
- Paulus hat die Absichten des HEILIGEN GEISTES früher begriffen als Petrus und andere Apostel.
Julia Wolf hat geschrieben: Also irgendwie leuchtet mir das noch nicht ein.
Besprich' Dein Verständnisproblem mit dem HEILIGEN GEIST, Deinem Beistand.
Per Gebet.



Gruß
josef

josef
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Beitrag von josef »

Hallo Julia,

Julia Wolf hat geschrieben:Warum muss ich etwas zu glauben befehlen, wenn jede Glaubensaussage aus sich heraus unfehlbar ist? Das empfinde ich als widersprüchlich.
Befohlen wird garnichts.
Weil GOTT die Einsicht und den Gehorsam nicht befehlen will.
Julia Wolf hat geschrieben:Warum kann man es den Gläubigen nicht nach ihren persönlichen Vermögen entsprechend selbst überlassen, wie tief sie in die Geheimnisse eindringen?
Ist ohnehin jedem Gläubigen aufgegeben.

Das seit 1870 Neue:
Niemand - kein Theologe, kein Katholik und kein Christ - kann seitdem aufstehen und behaupten er sei im Besitze der Wahrheit die der HEILIGE GEIST eingibt, und der Papst nicht.

Jeder Christ der sich nicht in Einmütigkeit mit dem Papst findet, kann seit 1870 wissen, daß er den HEILIGEN GEIST nicht richtig verstanden hat.
Und ist gehalten, IHN um Aufklärung und Einsicht zu bitten.

Ich stelle mir daher die Frage, ob die unfehlbaren Dogmen nicht der (missglückte) Versuch sind, Glauben durch Wissen zu ersetzen.
Nein.
Es ist eine enorme Einsparung an Reibungsverlusten unter den Christen.
Wodurch große Kräfte frei werden.

Wie lähmend nicht endendwollende Diskussionen wirken, und welchen Problemstau sie erzeugen, kann am Thema "Frauenordination" erkannt werden.



Gruß
josef

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Gerade frage ich mich, welcher GEIST es ist, der Josef die folgenden ermüdenden Statements schreiben ließ:
josef hat geschrieben:...Der Beweis liegt in der Gewißheit die GOTT allen wahren Christen eingegeben hat...
...man kann auch sicher sein, daß die Mehrheit der Christen je nach dem Grade des Gehorsams und der Einsicht, diese Unfehlbarkeit als wahr annehmen werden...
...Das seit 1870 Neue...
Ich glaube, Niels hat vorhin irgendwo einen Link zu den ganz, ganz wahren Christen gebracht ("Papst Pius XIII"). Ansonsten bitte ich zu akzeptieren, daß in "Theologie und Ökumene" der "Grad des Gehorsams und der Einsicht" nicht ganz dem entspricht, wie er z.B. für die "Katholikengespräche" programmatisch ist. Ich merke nur gerade, wie mir angesichts von Josefs Mitteilungen das Gesicht einschläft, und das sollte hier nicht provoziert werden.

Petra
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Beitrag von Petra »

Nietenolaf hat geschrieben:Ansonsten bitte ich zu akzeptieren, daß in "Theologie und Ökumene" der "Grad des Gehorsams und der Einsicht" nicht ganz dem entspricht, wie er z.B. für die "Katholikengespräche" programmatisch ist.
Werter Kollege,

die Katholikengespräche sind nicht zur Käfighaltung für die Josefs deutscher Sprache verpflichtet. Der Katholik jeglicher Couleur hat in Kreuzgang freien Auslauf. ;)

Petra

PS. Wie siehste denn mit eingeschlafenem Gesicht aus? :D

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Linus
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Beitrag von Linus »

Dogmen werden nur dann abgefasst, sobald ein Teil der Kirche an wesentlichen Glaubensgrundsätzen/wahrheiten (= das was die Kirche immer schon geglaubt und gelehrt hat) zu zweifeln beginnt, oder eventuell bereits abgefallen ist.
(zB Trinität, Jungfrauengeburt,...)
damit wird eigentlich immer nur die "Notbremse" gezogen, falls irgend jemand glaubt, sich gegenüber dem immer schon geglaubten Gut der Kirche aufpudeln zu müssen. (wie gesagt es muss wesentlich sein, wenn jemand postuliert, Jesus hätte keine Tempelflitzer sondern Adidas getragen, wirds ihr wurscht sein).
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

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Beitrag von Biggi »

Petra hat geschrieben: PS. Wie siehste denn mit eingeschlafenem Gesicht aus? :D
Ich vermute mal stark: so wie auf seinem Avatar - brrrrrrrr *kräftigschüttel* :/ ;D

LG
Biggi

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Samuel
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Beitrag von Samuel »

Hallo Julia,

ich möchte gleich vorausschicken, dass ich deine Frage, wie die Kirche zu unfehlbaren Glaubensaussagen kommt, für eine der schwierigsten Fragen in der Theologie halte. Insofern verstehe ich meine Ausführungen nicht als souveränes Lehren, sondern eher als suchendes Tasten (und würde mich freuen, Belehrung durch jemand Kompetenteren zu finden). Meine Ausführungen sind zugegebenermaßen kaum zusammenhängend; für widersprüchlich halte ich sie nicht.

Ich halte die Frage für wichtig: Wenn sich die Kirche nicht bloß als Gemeinschaft frommer Gottsucher versteht, sondern als Braut Christi und Gegenwartsform Gottes in unserer Welt, dann muss sie den Menschen als autoritäre Verkündigerin des Wortes Gottes gegenübertreten können. (In diese Richtung geht meine Aussage 2). Insofern beansprucht so gut wie jede Religion oder Sekte, die etwas auf sich hält, für ihre Fundamente Unfehlbarkeit - dass wir Katholiken dies (als einzige!?) zu Recht tun, das gilt es aufzuweisen.

In die Frage nach der Unfehlbarkeit spielen viele Bereiche hinein, etwa die Unfehlbarkeit des Christusgeschehens (wie ich unter 3. angedeutet habe) oder unsere eigene Glaubenssicherheit (4.).
Julia Wolf hat geschrieben:
Samuel hat geschrieben: Wo also die Kirche ihren Gläubigen etwas mit Einsatz ihrer ganzen Autorität zu glauben befiehlt, dürfen wir darauf vertrauen, dass sie uns damit nicht definitiv aus der Wahrheit herausführt.
...

Da somit das, worauf sich die christliche Botschaft bezieht, identisch ist mit ihrem Geschehen, gibt es hier keinen Unterschied, in den sich ein Irrtum einschleichen könnte: Jede als Glaubensaussage verstehbare Aussage ist aus sich heraus unfehlbar.
Hm. Warum muss ich etwas zu glauben befehlen, wenn jede Glaubensaussage aus sich heraus unfehlbar ist? Das empfinde ich als widersprüchlich. Warum kann man es den Gläubigen nicht nach ihren persönlichen Vermögen entsprechend selbst überlassen, wie tief sie in die Geheimnisse eindringen? Erzwingen läßt sich doch da sowieso nichts.

Ich stelle mir daher die Frage, ob die unfehlbaren Dogmen nicht der (missglückte) Versuch sind, Glauben durch Wissen zu ersetzen.
Inwiefern es im einzelnen immer oppurtun und glücklich war, wenn die Kirche eine ihrer Lehren definitiv verkündet hat, darüber kann man natürlich verschiedener Meinung sein. Faktisch hat die Kirche vor allem in der Auseinandersetzung mit Irrlehrern diesen Weg gewählt - erstmals beim Konzil von Nizäa 325. Bei den frühen Theologen kann man noch ein starkes Unbehagen feststellen (welches du wohl auch verspürst), wenn es darum geht, Gott gewissermaßen zu definieren. Siehe dazu folgenden Text:
Hilarius v. Poitiers hat geschrieben:Durch die böswilligen Lehren der lästernden Häretiker werden wir gezwungen zu tun, was unerlaubt, zu ersteigen, was übersteil, auszusprechen, was unsäglich, uns zu erdreisten, wo es verwehrt ist. Denn obschon man nur im Glauben die Anweisungen erfüllen sollte: den Vater anbeten, mit ihm zusammen den Sohn verehren, des Heiligen Geistes überströmend reich sein, so zwingt man uns doch, unsere ohnmächtige Sprache bis zum Unsagbaren hin sich erstrecken zu lassen; durch fremde Übergriffe werden wir selbst zum Übergriff gedrängt, so dass, was in der gläubigen Innigkeit des Herzens verborgen bleiben sollte, nun der Gefährdung menschlicher Rede ausgesetzt wird.(De Trinitate II, 2)

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Petra hat geschrieben:die Katholikengespräche sind nicht zur Käfighaltung für die Josefs deutscher Sprache verpflichtet. Der Katholik jeglicher Couleur hat in Kreuzgang freien Auslauf. ;)
Mit Sicherheit, nur hat er sich in Zurückhaltung zu üben, wenn er versucht ist, die halbe Menschheit aufgeblasenerweise implizit als nicht wahre Christen oder Christen mit geringerem Grad an Einsicht und Gnade zu bezeichnen.
Petra hat geschrieben:PS. Wie siehste denn mit eingeschlafenem Gesicht aus? :D
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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Nietenolaf hat geschrieben:Bild
Möglicherweise sollte ich Dich bei Gelegenheit treffen ... Bild
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

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Juergen
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Beitrag von Juergen »

Nietenolaf hat geschrieben:
Edith hat geschrieben:Auf Petrus ist die Kirche gebaut (!)
Nun, da wir hier nicht in den Katholikengesprächen sind, erlaube ich mir "zu provozieren" (wie Robert es einmal sinngemäß nannte). Natürlich ist es nicht so, daß die Kirche "auf Petrus" gebaut wäre. Und man muß nicht nur den Zeugen Jehovas immer mal wieder vorhalten, den Kontext, aus dem etwas zitiert wird, tunlichst zu beachten: Matth. 16,16-19.
Es ist der Glaube und das Bekenntnis des Petrus, auf dem die Kirche steht, nämlich: "Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes." In Matth. 16,18 steht auch "..., kai epi tautE tE petra" und nicht "..., kai epi tautE tO PetrO", also ist die Behauptung, die Kirche sei auf Petrus gebaut, schlichtweg falsch. Die Kirche ist auf Christus Jesus gebaut, und/also auf dem Glauben an Ihn und auf einem Bekenntnis wie dem des Petrus. (Tut mir Leid, ich kann keine griechische Schrift hier einbringen.)

Ich für meinen Teil halte es für unmöglich, das Primat und ganz besonders eine Unfehlbarkeit des Bischofs von Rom (um die es eigentlich hier geht) aus der Hl. Schrift herzuleiten. Das gilt ja als Dogma auch nur in der Römischen Kirche.
Also:
es heißt - wie Du richtig sagst: καὶ ἐπὶ ταύτῃ τῇ πέτρᾳ
und nicht: καὶ ἐπὶ ταύτῳ τῷ πέτρῳ

Also für die "Nichtgriechen":
Petrus (der Name) ist masculin (πέτρος)
Felsen (=gr. Petros) ist feminin (πέτρα)

Das Pronomen ("diesen") ist im Satz feminin; bezieht sich logischerweise auf ein fem. Substantiv und kann sich nicht auf den masc. Namen Petrus beziehen.
Soweit so gut - oder schlecht.

Dann will ich mal eine Spekulation anstellen:
Meiner Meinung nach wird hier aber in der gr. Sprache ein hebr. bzw. aram. Sprachspiel abgebildet.
Aramäisch ist Fels = Kephas. Das Wort Kephas für Petrus kennt man aus Joh 1,42. Wenn der Ur-Matthäus tatsächlich in aramäischer Sprache verfasst war, dann könnte man weiter spekulieren ob nicht das Wort vom "binden" dieses Wortspiel weiter fortsetzt, hat doch im aram. das Verb Binden die Wurzel כפת (Kephet / Kaphet o.ä.).

Um nun dieses Wortspiel angemessen aus dem Aram. zu übersetzen, war es leider notwendig, kleinere gram. Unregelmäßigkeiten im Griechischen in kauf zu nehmen....
:roll:

(Das Ganze ist auf meinen Mist gewachsen, ich weiß nicht ob es irgendwelche Exegeten so sehen...)
Gruß Jürgen

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Erich_D
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Beitrag von Erich_D »

Dazu bzw. als Weiterführung von Jürgens Spekulation Günther Schiwy, Weg ins Neue Testament, Band 1, S. 135-138:

Simon Petrus antwortete: "Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!"
Da sagte Jesus zu ihm: "Selig bist du, Simon, Sohn des Jona! Denn nicht Fleisch und Blut haben dir das geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel.
Und ich sage dir: Du bist Petrus. Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. *
Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben. Was du auf Erden binden wirst, wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, wird im Himmel gelöst sein."


Wann Jesus dieses Wort gesprochen hat, wissen wir nicht mehr - es ist nicht wahrscheinlich, daß es Markus ausgelassen hätte, wenn dies sein geschichtlicher Ort gewesen wäre -; aber der echt aramäische Ausdrücke und Vorstellungen widerspiegelnde Text und seine in allen Handschriften gesicherte Überlieferung sprechen dafür, daß er in der jüdischen Christengemeinde als Wort Jesu im Umlauf gewesen ist.

17## Jesus (s. zu Mt 1,1 B) antwortete ihm: Selig (s. zu Mt 5,3-12) bist du! Simon (s. zu Mt 10,2 B) Barjona: ein nach dem Vaternamen gebildeter semitischer Eigenname (Bar = Sohn; Jona = Johannes?). Denn Fleisch (sarx, s. zu Joh 1,14 A) und Blut (s. zu Mt 23,30) - alttestamentlich für - der schwache, durch die Sünde dem Tod verfallene Mensch - hat dir das nicht geoffenbart (apokalypse, s. zu Röm 1,17 B), sondern mein Vater (s. zu Mt 6,9 A) im Himmel (s. zu Mt 5,34-35 B), der allein die Herzen für mich öffnet und zu mir »zieht« (s. zu Joh 6,44-47). »Denn nicht ist der Mensch wie Gott, noch seine Gedanken wie die Gedanken der Menschenkinder. Was ist heller als die Sonne? Doch selbst diese verfinstert sich; und so ist böse der Trieb von Fleisch und Blut. Das Heer der Höhen mustert er; und erst die Menschen, die nur Staub und Asche sind... Wer kann seine gewaltige Größe beschreiben, und wer kommt ans Ende, seine Machterweise aufzuzählen?... Darum ist der Herr langmütig mit ihnen und gießt sein Erbarmen über sie aus... Er weist zurecht, erzieht und belehrt und führt zurück, gleich wie der Hirt seine Herde« (Sir 17, 30 - 32;Sir 18, 1 - 13).
18## A - ¶ Wie dir mein Vater offenbart hat, wer ich bin, so sage auch ich dir (s. zu Mt 5,18 A), wer du bist, welche Aufgabe ich dir im Heilswerk des Messias zugedacht habe: Du bist Petrus, und auf diese Petra (= Fels) will ich meine Kirche (ekklesia) bauen, und Hadespforten (s. zu Mt 12,40;Lk 16,23) werden sie nicht überwältigen. Simon erhält den aramäischen Beinamen Kephas, griechisch Petrus, von petra = Fels (s. zu Mt 7,24-27;Mt 10,2 B), ein bis dahin völlig ungewöhnlicher Eigenname, weshalb er in erster Linie als Amtsbezeichnung zu verstehen ist, die eine dem Simon Barjona gestellte Aufgabe ausdrückt (s. zu 1,21 A). Ob Amt und Aufgabe des Felsseins ausschließlich dem Simon gilt, oder ob er nur der erste Träger in der Reihe dieses von Jesus eingesetzten Amtes ist, hängt davon ab, ob das Amt für den Bestand der Kirche dauernd notwendig ist oder nicht. In welchem Sinn Fels zu verstehen ist, sagt Mt 7, 24 - 29, wo Jesus sich selbst mit dem unumgänglich notwendigen Felsenfundament vergleicht, auf das wir das Haus unseres Lebens bauen müssen, wenn es Bestand haben soll. Da die Kirche nach den Worten Jesu (s. zu Mt 16,18 C) den zeitlichen Tod nicht schauen, also den Simon Barjona überleben wird, da der Bau der Kirche aber nicht ohne Fundament sein kann, muß des Simon Funktion auf andere übergehen, muß er Nachfolger haben bis zum Ende der Weltzeit.

Letzter Fels der Kirche ist selbstverständlich Jesus, wie schon das Alte Testament Gott den »Felsen Israels« (s. zu Mt 1,16 A) nennt: Israel »mißachtete seinen rettenden Fels« (Dtn 32, 15), »Gott, mein Fels, auf den ich baue« (Ps 18, 3), »Fels und Feste bist du mir« (Ps 31, 4). Aber schon im Alten Testament macht Gott, ohne sein eigenes Fundamentsein dadurch zu verkleinern, einen Menschen, den Abraham, zum felsigen Werkstoff Israel: »Die ihr nach Gerechtigkeit trachtet, die ihr Jahwe sucht! Blicket auf den Felsen, aus dem ihr gehauen, und auf den Brunnenschacht, aus dem ihr gegraben seid! Blicket auf Abraham, euren Vater, und auf Sara, die euch gebar! Ja, als einzigen habe ich ihn gerufen, ihn gesegnet und gemehrt« (Jes 51, 1f). Ein spätjüdischer Autor sieht in einer Betrachtung zu Num 23, 9 Abraham als das religiöse Fundament der Welt. Er schaut einen »König, der einen Bau aufführen wollte. Immer tiefer ließ er graben und suchte das Fundament zu legen; aber er fand Wassersümpfe, und so an vielen Stellen. Da ließ er nur noch an einer Stelle graben, und er fand in der Tiefe einen Felsen. Da sprach er: Hier will ich bauen! Und er legte das Fundament und baute. So suchte Gott die Welt zu erschaffen, und er saß und dachte nach über das Geschlecht des Henoch (des Sohnes Kains) und das Geschlecht der Flut. Er sprach: Wie kann ich die Welt erschaffen, da diese Gottlosen erstehen und mich ärgern werden. Als aber Gott auf Abraham schaute, der erstehen sollte, sprach er. Siehe, ich habe einen Felsen gefunden, auf dem ich die Welt bauen und gründen kann. Deshalb nannte er Abraham einen Felsen.«

Christus ist nun der letzte und endgültige und vollkommene Fels der Schöpfung, das Fundament der Welt, aber diese Funktion Christi wird, bis er wiederkehrt, sakramental vergegenwärtigt (s. zu Mt 18,18) durch Petrus und seine Nachfolger.

Unter den bei Qumran (s. zu Mt 1,12-15 C), gefundenen Texten findet sich ein nur bruchstückhaft erhaltener Psalm, der auch im Bild der auf einem Felsen errichteten Gottesstadt (Jerusalem und sein Tempel? s. zu Mt 4,5 A) die heilbringende Ordnung der Essenersekte als göttlich gefügt und als Abbild der zukünftigen Heilsgemeinde besingt: »Ich war wie ein Schiffsmann in einem Schiff im Toben der Meere... Aber ich wurde wie einer, der in eine befestigte und starke Stadt hineingeht, in eine helle Mauer, (in die) man entkommt, zu einem ewigen Fundament gelangt, zu deiner Wahrheit, mein Gott. Denn du wirst einen Kreis (von Männern) auf einen Felsen setzen und einen Träger nach einer Schnur, die recht mißt, und einem Senkblei von Wahrheit, um erprobte Steine zu hauen für einen starken Bau, so daß er nicht erzittern wird und alle, die ihn betreten, nicht wanken werden. Kein Unbefugter wird hineingehen, denn seine Tore haben schildartige Flügel, die keinen Einfluß gewähren und starke Riegel, die nicht zerbrochen werden« (Übersetzung nach Otto Betz).

So ist das Petrusamt der Kirche, das - da Petrus als Bischof von Rom starb und seine Vollmacht auch tatsächlich von niemand sonst beansprucht worden ist - auf den Bischof von Rom übergegangen (der heute die Amtsbezeichnung Papst führt), gleichsam das in eine Person hinein verdichtete Zeichen, das die Kirche in ihrer Gesamtheit für die Welt ist: leibhaftiges, sichtbares Zeichen für die in der Welt endgültig gegenwärtige und wirksame Autorität, Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe Gottes, Zeichen für den Gott-Menschen Christus als den geheimnisvoll wirkenden Einigungsgrund der Menschen untereinander und mit Gott (s. zu Joh 11,51-52). - Zum Verhältnis Papst-Bischöfe s. zu Apg 20,28-31 B.

B - Den Neubau (s. zu Eph 2,19), den Jesus auf Simon als dem Fundament errichten will, nennt Matthäus ekklesia (von griechisch ekkalein: aufrufen, herausrufen).

Als deutsche Übersetzung von ekklesia ist Gemeinde und Kirche eingebürgert (von griechisch kyriakon: zum Herrn, kyrios, gehörig, s. zu Mk 16,19, und von daher: heilig). Die Heiden verstanden unter ekklesia die durch den Herold zusammengerufenen Bürger, die Volksversammlung (so auch noch Apg 19, 32. 39f), schließlich jede Versammlung, aber kaum eine religiöse. Die Christen unterschieden sich also von den heidnischen Religionsgemeinschaften durch die Wahl dieses »weltlichen« Ausdrucks und deuteten damit zugleich an: Wir sind die von Jesus als dem wahren Herold Gottes Berufenen und bilden die Volksversammlung der Königsherrschaft Gottes.

In der Septuagintaübersetzung des Alten Testamentes steht ekklesia in etwa für das hebräische kahal, mit dem das Alte Testament eine Versammlung, besonders die »Gemeinde des Herrn« bezeichnete: Nehemia »brachte eine große Volksversammlung zusammen« (Neh 5, 7). »Kein Mamzer (Bastard) darf in die Gemeinde Jahwes aufgenommen werden. Auch im zehnten Glied darf er noch nicht in die Gemeinde Jahwes aufgenommen werden. Kein Ammoniter oder Moabiter darf in die Gemeinde Jahwes aufgenommen werden... Abkömmlinge von ihnen (den Ägyptern) dürfen im dritten Geschlecht in die Gemeinde Jahwes aufgenommen werden« (Dtn 23, 2 - 4. 9).

Wenn Jesus an den alttestamentlichen Gemeindebegriff anknüpft, so bringt er zum Ausdruck: Ich bin der dem alttestamentlichen Bundesvolk verheißene Messias (s. zu Mt 1,1 D), der es regieren soll und die vollendete Gottesherrschaft heraufführt, die Fülle der Zeiten. Diesen Anspruch auf das jüdische Volk deuten auch Jesu zwölf Apostel an, die Israels zwölf Stämme symbolisieren (s. zu Mt 10,1 A). Doch als sich das jüdische Volk seinem Vollender gegenüber verschließt und somit nicht das sichtbare Zeichen der vollendeten Gottesherrschaft sein und seine endzeitliche Mission gegenüber der Welt nicht übernehmen will, begründet Jesus mit den wenigen gläubigen Juden das neue Volk Gottes als die gesellschaftlich legitim verfaßte Gemeinschaft, in der die in Christus geschehene volle und unüberbietbare Selbsterschließung Gottes für die Welt bis zur Wiederkunft Jesu gegenwärtig ist, und zwar unverlier- und unfehlbar, ist doch die Kirche die geheimnisvolle Präsenz des endgültigen WORTES Gottes selbst, der abwesend-anwesende Christus.

C - Die Unterwelt, griechisch Hades, hebräisch Scheol, ist als Aufenthaltsort der Toten (s. zu Mt 12,40) für die Antike ein Bild der Macht der todbringenden Mächte überhaupt: 0 Herr, »du hast Macht über Leben und Tod und führst hinab zu den Pforten der Unterwelt und wieder herauf« (Weish 16, 13).

Jesus garantiert demnach der auf Simon fundamentierten Kirche, daß sie das allgemeine Schicksal des Irdischen nicht teilen, daß sie nicht untergehen wird. So hatte einst Gott dem Jeremia das Gelingen seiner Aufgabe verheißen: »Du nun, gürte deine Lenden, tritt auf und sage ihnen alles, was ich dich heiße! Habe nicht Angst vor ihnen, daß ich dir vor ihnen nicht Angst mache! Ich selbst, siehe, ich mache dich heute zur Festung, zur (eisernen Säule und) ehernen Mauer wider das ganze Land, gegen die Könige Judas und gegen seine Würdenträger, gegen seine Priester und gegen die Bürger! Bekriegen werden sie dich, aber dich nicht bezwingen; denn ich bin dir zur Seite - Spruch Jahwes -, dich zu retten« (Jer 1, 17 - 19).
Damit ist die Kirche selbst das von Gott errichtete und von ihm immer garantierte Zeichen für das in Christus endgültig, nicht überholbar gewirkte Heil, ist wirksame Vergegenwärtigung dieses Heils, ist deshalb von einer durch kein menschliches Versagen, durch keine Schuld und keine Bosheit radikal aufhebbaren Heiligkeit, ist bis ans Ende der Zeit triumphierende Darstellung der siegreichen Gnade Gottes. Ist damit auch nicht ausgeschlossen, daß Sünder in der Kirche sind, ja daß selbst ihre Repräsentanten sündige Glieder sind, so ist dennoch auch zugesagt, daß es der Kirche nie an »Heiligen« fehlen werde, an Menschen, die sich dem Wirken des Geistes in ihrem Leben ganz eröffnen und selbst noch einmal sichtbare Zeichen der Gnade sind.

19## ¶ Und Jesus fuhr fort: Geben will ich dir die Schlüssel der Königsherrschaft (s. zu Mt 4,17) der Himmel (s. zu Mt 5,34-35 B), und wenn du was auf Erden bindest, sei es in den Himmeln gebunden; und wenn du was auf Erden lösest, sei es in den Himmeln gelöst. Wer die Schlüssel besitzt, vertritt den Hausherrn selbst auf dessen Geheiß: »Es wird geschehen an jenem Tage, da berufe ich meinen Knecht Eljakim, den Sohn des Hilkija. Ich will ihn mit deinem Amtsgewand bekleiden und mit deiner Schärpe umgürten. Deine Verwaltung werde ich in seine Hand übergeben, daß er den Bewohnern Jerusalems und dem Hause Juda ein Vater werde. Ich lege den Schlüssel des Hauses David auf seine Schulter. Wenn er öffnet, wird niemand schließen, und wenn er schließt, wird niemand öffnen. Ich schlage ihn an einem festen Ort als Pflock ein, und er wird zum Ehrensitz für sein Vaterhaus« (Jes 22, 20 - 23).
Wenn Petrus also die Schlüssel der Gottesherrschaft anvertraut werden - die Schlüssel sind nicht das Heil selbst, sondern haben mit dem Weg, mit dem Zugang zu ihm zu tun - dann ist damit gesagt: Petrus ist der Verwalter des von Jesus eröffneten Heilsweges, er hat die höchste Vollmacht in der Kirche. Deshalb ist die Schlüsselgewalt, die nur dem Petrus übertragen wurde, von der Binde- und Lösegewalt wohl zu unterscheiden, die auch den anderen Aposteln gegeben worden ist. Die oberste Hirtengewalt kommt nur Petrus und seinen Nachfolgern zu, die Oberhirtengewalt auch den anderen Aposteln und ihren Nachfolgern, den Bischöfen (s. zu Mt 18,18;Apg 20,28-31 B). Aber die petrinische Schlüsselgewalt wird durch die Binde- und Lösegewalt unterstrichen.

¶ Spätjüdisch bedeutet Binden und Lösen: mit dem (Synagogen-)Bann belegen bzw. den Bann wieder aufheben, und davon abgeleitet: autoritativ erklären, verbieten bzw. erlauben.
»Rabbi Jechonias (um 70 n.Chr.) pflegte vor seinen Lehrstunden zu beten, daß Gott ihm und seinen Amtsbrüdern gewähren möge, daß sie niemals etwas binden möchten, was erlaubt ist, noch etwas lösen (gestatten) möchten, was verboten (gebunden) ist.«
Ein Qumranzitat s. zu Apg 20,28-31 B.

Biblisch bezeugt ist noch der Sprachgebrauch: dem Bösen überantworten bzw. vom Bösen befreien (z. B. Mk 7, 35; Lk 13, 12; Apg 2, 24; 1Joh 3, 8; Offb 9, 14f;Offb 20, 1. 3. 7). Damit wird die Binde- und Lösegewalt des Petrus und damit auch seines Nachfolgers im Amt, auf das die Kirche wegen der ihr noch aufgenötigten Kämpfe bis zur Vollendung der Zeit nicht verzichten kann, deutlich als Vollmacht, Gottes Gericht, Vergebung (s. zu Joh 20,23) und Offenbarung verbindlich zu vergegenwärtigen.


* Zur Namensänderung vgl. die Anm. zu 2Kön 23, 34. - Jesus hat beidemal dasselbe (aramäische) Wort "kepha" = Fels gebraucht (der später im NT verwendete Namen "Kephas" ist die gräzisierte Form von kepha).
"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern sing nicht ihre Lieder. Geh doch in die Oberstadt mach´s wie deine Brüder", so sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor."

Athanasius
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Beitrag von Athanasius »

Hallo zusammen,

seit ein paar Jahren bemühe ich mich, dem Lehramt der Kirche treu zu folgen, und es gelang mir im wesentlichen, von den Mariendogmen einmal abgesehen, mit denen ich stets manche Schwierigkeiten hatte (über die ich aber eine Entscheidung immer wieder vertagte).

Weil ich aber glaube, daß man seine eigene Position immer wieder durch Konfrontation mit Gegenpositionen prüfen sollte, las ich nun im Urlaub Hans Küngs "Unfehlbar? - Eine Anfrage" (Köln 1970). Ich hatte ein wenig Angst vor dem Buch, vielleicht weil ich unterschwellig befürchtete, daß es mich überzeugen könnte. Und tatsächlich: Wenn ich auch nicht die Argumente Küngs Hauptbeispiel "Humanae Vitae" teilen kann (diese Enzyklika scheint mir eindeutig dem Geist des Evangeliums zu entsprechen und gerade kein Gegenbeispiel gegen die päpstliche Unfehlbarkeit zu sein), finde ich, daß das Buch (von einigen polemischen Stellen abgesehen) tatsächlich sehr gute Argumente gegen die Unfehlbarkeit von Papst und Konzilien vorträgt.

So gab es in der Geschichte offensichtlich immer wieder Konzilien, die einander widersprachen:
"Die Konzilien von Nikaia und Sardika setzten mit vielen Väter voraus, daß in Gott nur eine Hypostase sei; das Erste Konzil von Konstantinopel und das Konzil von Chalkedon setzten mit vielen andern vorus, daß in Gott drei Hypostasen seien. Darüber hinaus gibt es die ausdrückliche Verwerfung eines voorausgegangenen Konzils: So verwarf das Konzil von Chalkedon 451 die Beschlüsse des als ökumenisches Konzil einberufenen Zweiten Konzils von Ephesos 449, dess Ökumenizität sich somit nicht durchsetzuen konnte; das Konzil von Konstantinopel 753 hat die Bilderverehrung verworfen, das Zweite Konzil von Nikaia 787 hat sie bestätigt. Schließlich gibt es die faktische Korrektur eines ökumenischen Konzils durch ein späteres ökumenisches Konzil: So korrigierte das Konzil von Chalkedon 451 faktisch das als ökumenisch anerkannte Konzil von Ephesos 431 ..." (Küng, a.a.O., S. 168; Hervorhebungen im Original)
Wenn Konzilien also nicht automatisch irrtumslos sind, woher wissen wir dann, daß das I. Vatikanum 1870 recht hatte und der Papst unfehlbar ist?

Und was mich am Ersten Vatikanischen Konzil am meisten schockiert hat: Wer die Unfehlbarkeit des Papstes verneint, ist automatisch aus der Kirche ausgeschlossen:
"Unter allgemeiner Berufung auf frühere römische und konziliare Zeugen und nach Wiederholung einer Aussage aus dem Dekret für die Griechen auf dem Konzil von Florenz 1439, dann einer genaueren Umschreibung des Jurisdiktionsprimates und Ausführungen über die untergeordnete Jurisdiktion der Bischöfe, den freien und direkten Verkehr des Papstes mit allen Gläubigen und die ständige Rekursmöglichkeit auf sein letztes und inappelables Urteil, wird schließlich jedermann ausgeschlossen, der sagt, 'der römische Bischof habe nur das Amt einer Aufsicht oder Leitung und nicht die volle und oberste Gewalt der Rechtsbefugnis über die ganze Kirche ..." (Küng, a.a.O., S. 76; meine Hervorhebung)
Wäre ich, wenn ich den Argumenten Küngs insoweit folgen würde, überhaupt noch Mitglied der Kirche? Oder gilt die Androhung des Ausschlusses heute nicht mehr?

Athanasius

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Athanasius hat geschrieben:So gab es in der Geschichte offensichtlich immer wieder Konzilien, die einander widersprachen
Und diese Tatsache wird von verschiedenen Kreisen immer wieder diskret unter den Teppich gekehrt, bzw. die Realität wird durch akrobatische theologische Interpretationen so verdreht, dass man doch eine gewisse Kontinuität kann akzeptieren. Aber das ist ganz einfach verlogen. Anderes Beispiel: Die Aussagen der Kirche zur Religionsfreiheit 1862 und 100 Jahre später.
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

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mr94
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Beitrag von mr94 »

Ich möchte noch einmal auf einen Aufsatz von Peter Knauer hinweisen:

Nicht unfehlbare Glaubenslehre,
aber doch definitive kirchliche Lehre?


Gedruckt in: ZKT 122 (2000) 60–74

Neben den eigentlichen Glaubensaussagen, die »aus sich«, nämlich von ihrem Inhalt her unfehlbar sind, gibt es auch bestimmte Vernunftwahrheiten, die vom Glauben vorausgesetzt werden und deshalb ihrerseits von der Kirche als definitiv gültig zu vertreten sind. Es gibt also Lehren, die nicht unfehlbar im Sinne des Glaubens sind, aber dennoch von der Kirche definitiv vorgelegt werden und nicht geleugnet werden können, ohne damit auch den Glauben zu verleugnen. Davon zu unterscheiden ist »nicht unfehlbare und auch nicht definitive, sondern bloß authentische« Lehre; bei ihr handelt es sich insbesondere um moralische Normen. Solche Lehre ist in der Weise verbindlich, daß, wer sie infragestellen will, die Beweislast zu tragen hat. Bei Vorlage eines unwiderleglichen Gegenbeweises hört solche Lehre auf, verbindlich zu sein.

Wichtig ist vor allem der Aspekt, dass Glaubensaussagen im eigentlichen Sinne »aus sich« (ex sese), von ihrem Inhalt her unfehlbar sind. Die Unfehlbarkeit kommt nicht dem Papst zu, sondern den Glaubensaussagen, die er ex cathedra spricht.

Häufig versteht man die Formulierung der Definition des I. Vatikanums für die päpstliche Unfehlbarkeit in dem Sinn, daß der Papst »aus sich«, nämlich aus eigener Machtvollkommenheit unfehlbare Glaubensdefinitionen erlassen könne und dazu nicht der Zustimmung der Kirche bedürfe. Das »ex sese« müßte sich dann auf die Person des Papstes beziehen.

Grammatisch ist diese letztere Deutung, so verbreitet sie auch sein mag, kaum möglich. Denn nach den Regeln der lateinischen Grammatik bezieht sich das Reflexivpronomen auf das Subjekt des Satzes. Nicht der Papst, sondern seine Definitionen sind das Subjekt des Satzes. Es wäre deshalb bereits semantisch unzutreffend, die Bedeutung des »ex sese« auf die bloße Ablehnung des »ex consensu ecclesiae« und damit des sogenannten Gallikanismus einzuschränken. Es hat vielmehr die positive Bedeutung, daß die Eigenschaft der Irreformabilität den Definitionen aufgrund eines in ihnen selber liegenden Sachverhalts zukommt.


Meines Erachtens deckt sich Knauers Interpretation durchaus mit der von Hermann Josef Pottmeyer (in der Zeitschrift 30 Tage). Pottmeyer ist Mitglied der Internationalen Theologenkommission und emeritierter Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Bochum.

Der Vorschlag Hans Küngs lautete, das Dogma aus formalen Gründen zu „annullieren“, da das Konzil bei seiner Definition aufgrund historischer Umstände in seiner Entscheidung nicht frei gewesen sei. Außerdem mußte man das Konzil wegen des Krieges vorzeitig abbrechen. Welchen Vorschlag würden Sie dagegen machen?

POTTMEYER: Küng war der Meinung, daß das I. Vatikanum den Primat als eine absolute Monarchie des Papstes und die päpstliche Unfehlbarkeit als A-priori-Unfehlbarkeit definiert habe – Vorstellungen, die mit der Bibel und mit der Tradition der Kirche unvereinbar seien. Aber das I. Vatikanum verdient diesen ihm anhaftenden schlechten Ruf nicht. Im 19. und im 20. Jahrhundert hatte sich eine maximalistische Interpretation der beiden Dogmen breitgemacht, von welcher auch viele Konzilsväter nicht frei waren. Sie hat das Bild, das man sich von diesen Dogmen machte, bis heute inner- und außerhalb der Kirche bestimmt.

Das gestaltet die Dinge noch komplizierter. Wie kann man da einen Ausweg finden?

POTTMEYER: Man muß überprüfen, ob die Möglichkeit einer relecture der Dogmen von 1870 gegeben ist, und zwar auf der Grundlage einer anderen als der lange vorherrschenden maximalistischen Interpretation – einer Interpretation nämlich, die ebenfalls als legitim zu gelten hat und die mit der vom II. Vatikanum vorgeschlagenen Communio-Ekklesiologie und auch mit einer weniger zentralistischen Primatsausübung vereinbar ist. Diese Interpretation gibt es: es ist die Interpretation der Minorität des I. Vatikanums. Wir finden sie in den Texten und Akten des Konzils und in einigen nach dem Konzil gemachten offiziellen Erklärungen des Lehramtes, mit denen man das Dogma vor Mißverständnissen schützen wollte.

Josef Steininger
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Beitrag von Josef Steininger »

Knauer schreibt:
„Häufig versteht man die Formulierung der Definition des I. Vatikanums für die päpstliche Unfehlbarkeit in dem Sinn, daß der Papst »aus sich«, nämlich aus eigener Machtvollkommenheit unfehlbare Glaubensdefinitionen erlassen könne und dazu nicht der Zustimmung der Kirche bedürfe. Das »ex sese« müßte sich dann auf die Person des Papstes beziehen.
Grammatisch ist diese letztere Deutung, so verbreitet sie auch sein mag, kaum möglich.“

Die Definition des I.Vatikanums lautet:

„Wenn der Römische Bischof «ex cathedra» spricht, das heißt, wenn er in Ausübung seines Amtes als Hirte und Lehrer aller Christen kraft seiner höchsten Apostolischen Autorität entscheidet, daß eine Glaubens- oder Sittenlehre von der gesamten Kirche festzuhalten ist, dann besitzt er mittels des ihm im seligen Petrus verheißenen göttlichen Beistands jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei der Definition der Glaubens- oder Sittenlehre ausgestattet sehen wollte; und daher sind solche Definitionen des Römischen Bischofs aus sich, nicht aber aufgrund der Zustimmung der Kirche unabänderlich.

.. ideoque eiusmodi Romani Pontificis definitiones ex sese, non autem ex consensu Ecclesiae, irreformabiles esse“

Also weil der Römische Bischof „jene Unfehlbarkeit ..“ besitzt, deshalb sind seine Definitionen ex sese, non ex consensu ecclesiae unabänderlich und er kann sie sehr wohl aus eigener Machtvollkommenheit erlassen, wenn er es für nötig hält. Nur so kann man den Text verstehen und ich finde die Art, wie Knauer das zu zerreden versucht ausgesprochen ärgerlich, um nicht stärkere Worte zu verwenden.

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mr94
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Beitrag von mr94 »

Ich schlage noch einmal vor, auch Knauer vollständig zu lesen, nicht nur das einschlägige Konzilsdokument. In dem von Dir zitierten Abschnitt ist übrigens von einer Machtvollkommenheit des Papstes keine Rede.

Knauer argumentiert, dass nur Glaubensaussagen überhaupt unfehlbar sein können und andernfalls keine wären. Träfe der Papst also ex cathedra Aussagen, die keine Glaubensaussagen seien, dann könne er dafür auch keine Unfehlbarkeit in Anspruch nehmen. Unfehlbar seien Glaubensaussagen aus sich, nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche.

Im Übrigen bin ich sehr gespannt, ob sich jemals ein Papst dazu hinreißen lässt, in Fragen der Sittenlehre ex cathedra zu sprechen...

Kurt
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Beitrag von Kurt »


sofaklecks
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Danke

Beitrag von sofaklecks »

Danke, Kurt.

Die Feststellung

"dann besitzt er mittels des ihm im seligen Petrus verheißenen göttlichen Beistands jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei der Definition der Glaubens- oder Sittenlehre ausgestattet sehen wollte"

glaube ich.


sofaklecks

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Kurt hat geschrieben:pastor aeternus online
Die Konstitution beruft sich unter anderem auf das sogenannte Constantinopolitanum IV von 870, welches auszugsweise (unter Auslassung der Beschimpfungen gegen Photius) zitiert wird. Dummerweise wurde diese Synode – was man 1870 noch nicht so klar sah, wenn auch hätte sehen können – nur zehn Jahre später von einer weiteren Constantinopolitaner Synode kassiert und der ehedem verurteilte Patriarch Photius vollständig rehabilitiert, und zwar unter ausdrücklicher Approbation durch den Bischof von Rom.

Soll ich nun wider besseres Wissen und die historische Faktizität dem Vaticanum I glauben – oder vielmehr davon ausgehen, daß es dringend einer Interpretation im Lichte der Tradition und der geschichtlichen Fakten bedürfe?
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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