Aristoteles

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Jarom1
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Aristoteles

Beitrag von Jarom1 »

Ich bin bei meiner Lektüre von Nicolas Gomez Davila nach längerer Zeit wieder einmal an die Stelle gekommen, in der er schreibt, dass das Problem der mittelalterlichen Philosophie nicht in ihrer Rolle als Magd der Theologie bestand, sondern darin, dass sie Magd des Aristoteles war.

Daher meine (vielleicht naive) Frage: Wie Rolle spielt die Philosophie des Aristoteles und (damit verbunden) der Scholastik für die Katholische Kirche heute? Wie grundlegend ist die Philosophie für die Ausgestaltung der Lehre?
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Sempre
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Re: Aristoteles

Beitrag von Sempre »

Jarom1 hat geschrieben:Wie Rolle spielt die Philosophie des Aristoteles und (damit verbunden) der Scholastik für die Katholische Kirche heute? Wie grundlegend ist die Philosophie für die Ausgestaltung der Lehre?
Der hl. Thomas von Aquin ist der »Fürst unter den Scholastikern« (Leo XIII.). Im Jahre 1879 hat Papst Leo XIII. die Philosophie des hl. Thomas von Aquin in der Enzyklika Aeterni Patris praktisch zur »offiziellen Philosophie« der katholischen Kirche erklärt. Er besaß großes Wissen in allen philosophischen Fächern; Er zeigte die Harmonie von Vernunft und Glaube; Von allen katholischen Schulen wird sein Ruhm anerkannt; Die Päpste loben ihn; Die Konzilien ehren ihn; Die Feinde der Kirche geben seine Geistesmacht zu.

Das Lehramt hat immer wieder die besondere Autorität des Aquinaten betont. Beim Konzil von Trient lag seine Summa neben der Hl. Schrift und dem Meßbuch am Altar. Das Zweite Vatikanische Konzil empfiehlt ausdrücklich seine Lehre. Zuletzt ebenso auch Paul VI. in Lumen ecclesiae und Johannes Paul II in Fides et ratio.


Johannes Paul II., [i]Fides et ratio[/i] hat geschrieben:Das Lehramt hat sich freilich nicht darauf beschränkt, nur die Irrtümer und Abweichungen der philosophischen Lehren aufzudecken. Mit derselben Aufmerksamkeit hat es die Grundprinzipien für eine echte Erneuerung des philosophischen Denkens unterstrichen und auch konkret einzuschlagende Wege aufgezeigt. In diesem Sinn vollzog Papst Leo XIII. mit seiner Enzyklika Aeterni Patris einen Schritt von wahrhaft historischer Tragweite für das Leben der Kirche. Jener Text war bis zum heutigen Tag das einzige päpstliche Dokument auf solcher Ebene, das ausschließlich der Philosophie gewidmet war. Der große Papst griff die Lehre des I. Vatikanischen Konzils über das Verhältnis von Glaube und Vernunft auf und entwickelte sie weiter, indem er zeigte, daß das philosophische Denken ein grundlegender Beitrag zum Glauben und zur theologischen Wissenschaft ist. Nach über einem Jahrhundert haben viele in jenem Text enthaltene Hinweise sowohl unter praktischem wie unter pädagogischem Gesichtspunkt nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt; das gilt zuallererst für die Bedeutung in bezug auf den unvergleichlichen Wert der Philosophie des hl. Thomas. Das Denken des Doctor Angelicus neu vorzulegen, erschien Papst Leo XIII. als der beste Weg, mit der Philosophie wieder so umzugehen, daß sie mit den Ansprüchen des Glaubens übereinstimmt. Der Papst schrieb: ‚Im selben Augenblick, in dem er (der hl. Thomas), wie es sich gehört, den Glauben vollkommen von der Vernunft unterscheidet, vereint er die beiden durch Bande wechselseitiger Freundschaft: er sichert jeder von ihnen ihre Rechte zu und schützt ihre Würde’. Die glücklichen Folgen, die jene päpstliche Aufforderung nach sich zog, sind bekannt. Die Forschungen über das Denken des hl. Thomas und anderer scholastischer Autoren erfuhren einen neuen Aufschwung. Starken Auftrieb erhielt die historische Forschung mit der Wiederentdeckung der bis dahin weithin unbekannten Schätze des mittelalterlichen Denkens zur Folge; außerdem entstanden neue thomistische Schulen.
Das Werk des Aristoteles ist zwar Grundlage für Thomas von Aquin, Thomas geht aber weit über Aristoteles hinaus und integriert auch u.a. die Partizipationslehre des Plato, die Aristoteles kritisiert hatte.
Zuletzt geändert von Sempre am Freitag 11. November 2011, 17:51, insgesamt 1-mal geändert.
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overkott
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Re: Aristoteles

Beitrag von overkott »

Auch wenn wir uns die Logik des Gottesbeweises bei Thomas selbst zusammenreimen müssen, um ihm Recht geben zu können, war er doch wie Jesus zu seiner Zeit modern. Thomas geistiger Lavastrom ist allerdings heute erstarrt, wodurch seine Modernität heute nicht mehr richtig erkannt wird. Wie Thomas zu denken, bedeutet also nicht das Selbe zu machen wie er, sondern das Gleiche - und damit wie Bonaventura Antworten finden im Licht der befreienden Botschaft Jesu auf die aktuellen Fragen der Zeit.

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Sempre
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Re: Aristoteles

Beitrag von Sempre »

overkott hat geschrieben:Auch wenn wir uns die Logik des Gottesbeweises bei Thomas selbst zusammenreimen müssen, um ihm Recht geben zu können, war er doch wie Jesus zu seiner Zeit modern. Thomas geistiger Lavastrom ist allerdings heute erstarrt, wodurch seine Modernität heute nicht mehr richtig erkannt wird. Wie Thomas zu denken, bedeutet also nicht das Selbe zu machen wie er, sondern das Gleiche - und damit wie Bonaventura Antworten finden im Licht der befreienden Botschaft Jesu auf die aktuellen Fragen der Zeit.
Auch Bonaventura ist Scholastiker und selbstverständlich hätte er den Antimodernisteneid abgelegt. Die Existenz Gottes, so lehrt er gleich wie Thomas von Aquin sowie wie alle ernstzunehmenden Denker, ist eine unbezweifelbare Wahrheit:
Bonaventura, Quaestiones disputatae de mysterio Trinitatis I, 1 ad 1.2.3 hat geschrieben:Das Erkenntnisvermögen hat nämlich in sich selbst, so wie es geschaffen ist, ein Licht, das ausreicht, jenen Zweifel (ob Gott ist), weit von sich zu weisen [...]. Im Falle des Toren versagt dieses Erkenntnisvermögen eher freiwillig als zwangsweise [...].
Bonaventura spricht hier nicht von Nerdsnipern sondern von Toren. Papst Johannes Paul II. spricht im gleichen Zusammenhang von einer Abdankung des menschlichen Verstandes.
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overkott
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Re: Aristoteles

Beitrag von overkott »

Sempre hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Auch wenn wir uns die Logik des Gottesbeweises bei Thomas selbst zusammenreimen müssen, um ihm Recht geben zu können, war er doch wie Jesus zu seiner Zeit modern. Thomas geistiger Lavastrom ist allerdings heute erstarrt, wodurch seine Modernität heute nicht mehr richtig erkannt wird. Wie Thomas zu denken, bedeutet also nicht das Selbe zu machen wie er, sondern das Gleiche - und damit wie Bonaventura Antworten finden im Licht der befreienden Botschaft Jesu auf die aktuellen Fragen der Zeit.
Auch Bonaventura ist Scholastiker und selbstverständlich hätte er den Antimodernisteneid abgelegt. Die Existenz Gottes, so lehrt er gleich wie Thomas von Aquin sowie wie alle ernstzunehmenden Denker, ist eine unbezweifelbare Wahrheit:
Bonaventura, Quaestiones disputatae de mysterio Trinitatis I, 1 ad 1.2.3 hat geschrieben:Das Erkenntnisvermögen hat nämlich in sich selbst, so wie es geschaffen ist, ein Licht, das ausreicht, jenen Zweifel (ob Gott ist), weit von sich zu weisen [...]. Im Falle des Toren versagt dieses Erkenntnisvermögen eher freiwillig als zwangsweise [...].
Bonaventura spricht hier nicht von Nerdsnipern sondern von Toren. Papst Johannes Paul II. spricht im gleichen Zusammenhang von einer Abdankung des menschlichen Verstandes.
Bonaventura vermochte es, allen -ismen ihre Randschärfe zu nehmen, war also ein Moderner, ohne ein Modernist zu sein. Wer Gott als den Guten versteht, aus dem alles hervorgeht, erkennt auch seine Existenz in allem Seienden. Nur Gutwillige werden Gott bejahen. Das hat Bonaventura selbstevident richtig erkannt. Und das hat die Franziskanertheologie über Duns Scotus ja auch weiter geprägt.

Thomas_de_Austria
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Re: Aristoteles

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Jarom1 hat geschrieben:Daher meine (vielleicht naive) Frage: Wie Rolle spielt die Philosophie des Aristoteles und (damit verbunden) der Scholastik für die Katholische Kirche heute? Wie grundlegend ist die Philosophie für die Ausgestaltung der Lehre?
Sempre hat geschrieben: Das Werk des Aristoteles ist zwar Grundlage für Thomas von Aquin, Thomas geht aber weit über Aristoteles hinaus und integriert auch u.a. die Partizipationslehre des Plato, die Aristoteles kritisiert hatte.
Das ist ein wichtiger, inhaltlich auch zutreffender Hinweis. St. Thomas war kein Aristoteles sklavisch ergebener Schreiber, sondern passte ab und an etwas an und akzentuierte so manches anders als Aristoteles. Schon alleine, wenn man die "De ente et essentia" mit der "Metaphysik" oder den "Kategorien" vergleicht, fällt einem das auf. Gewisse Inhalte, die bei Aristoteles noch offen sind, behandelt St. Thomas in eindeutiger Weise (z. B. das, was man heute das "Leib-Seele-Problem" nennt). Auch floss nicht nur indirekt, sondern vereinzelt auch direkt (neu-)platon. Gedankengut in die Philosophie des Heiligen ein. So waren z. B. einige Schriften im Umlauf, die man damals fälschlicherweise Aristoteles zuschrieb. Der sog. "Liber de causis" ist so ein Fall: Wohl ein von arab. Kompilatoren zusammengestelltes Exzerpt eines prokleischen Werks, galt er im Abendland lange Zeit als eine "Theologia Aristotelis" und Ergänzung zur "Metaphysik". Man verfasste dazu Kommentare etc. St. Thomas erkannte in diesem Fall allerdings schon (da ihm bereits das Werk, aus dem die Zusammenstellung erfolgt war - die "Elementatio theologica" -, in der Übersetzung von Wilhelm von Moerbeke vorlag), dass es sich nicht um eine Schrift des Aristoteles handelt. Trotzdem übte dieses Buch (und andere neuplaton. Schriften) durchaus einen gewissen Einfluss auf St. Thomas und ganz allgemein auf den damaligen Philosophiebetrieb aus. Beachten sollte man m. E. auch:
[quote="R. Schönberger, "Thomas von Aquin zur Einführung" (Junius-Verlag), S. 26"]
Ein mittelalterlicher Kommentator hat ein prinzipiell anderes Verhältnis zu dem von ihm kommentierten Text als ein moderner Autor, sei er Philologe oder Philosoph oder selbst theologischer Exeget. Es geht ihm nicht primär um eine »historische« Erläuterung eines Textes, darum also, was ein Autor gemeint hat, dem dieser mithin zustimmen könnte, wenn man ihn noch fragen könnte. Die Maßgeblichkeit eines Textes beruht nicht wie in einem historistischen Zeitalter auf einem sog. »Einfluß«, sondern auf der Wahrheitsunterstellung. Die moderne Trennung von eigenem Gedanken mit selbst definiertem Anspruch auf Wahrheit und/oder Originalität einerseits und Erläuterung eines fremden Textes andererseits ist auf diese Zeit nicht ohne weiteres übertragbar. Aber gleichwohl hat man auch in der Scholastik um die Auslegung des Aristoteles und Augustinus, des Boethius und Dionysius ausgiebig gestritten. Bei Thomas findet man immer wieder die Konfrontation verschiedener Deutungen mit dem, was der Autor gemeint hat (»intentio auctoris«). Er hebt eigens einmal hervor, daß von Glaubenaussagen nicht abhängen darf, wie man Aristoteles deutet: »Ich sehe nicht ,was es mit der Lehre des Glaubens zu tun habe, wie die Worte des Aristoteles interpretiert werden.« (Resp. de 43 art., a 34; ed. Leon. XLII, 333) Und doch bleibt wahr, daß man die Kommentare des Thomas als Ausdruck von dessen eigener Lehrmeinung lesen darf.
[/quote]

Aristoteles ist trotzdem - wenn auch oftmals stark modifiziert bzw. mit dem Neuplatonismus "synthetisiert" - für die Scholastik von fundamentaler Bedeutung.


overkott hat geschrieben:Auch wenn wir uns die Logik des Gottesbeweises bei Thomas selbst zusammenreimen müssen [...]


Mit der Logik (sc. "Logik" im Sinne von der Lehre vom vernünftigen, gültigen Schließen, wie das gegenwärtig verstanden wird - im Sinne von Frege und der analytischen Philosophie) des Heiligen ist alles in Ordnung.

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Maurus
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Re: Aristoteles

Beitrag von Maurus »

Sempre hat geschrieben:
Jarom1 hat geschrieben:Wie Rolle spielt die Philosophie des Aristoteles und (damit verbunden) der Scholastik für die Katholische Kirche heute? Wie grundlegend ist die Philosophie für die Ausgestaltung der Lehre?
Der hl. Thomas von Aquin ist der »Fürst unter den Scholastikern« (Leo XIII.). Im Jahre 1879 hat Papst Leo XIII. die Philosophie des hl. Thomas von Aquin in der Enzyklika Aeterni Patris praktisch zur »offiziellen Philosophie« der katholischen Kirche erklärt. Er besaß großes Wissen in allen philosophischen Fächern; Er zeigte die Harmonie von Vernunft und Glaube; Von allen katholischen Schulen wird sein Ruhm anerkannt; Die Päpste loben ihn; Die Konzilien ehren ihn; Die Feinde der Kirche geben seine Geistesmacht zu.

Das Lehramt hat immer wieder die besondere Autorität des Aquinaten betont. Beim Konzil von Trient lag seine Summa neben der Hl. Schrift und dem Meßbuch am Altar. Das Zweite Vatikanische Konzil empfiehlt ausdrücklich seine Lehre. Zuletzt ebenso auch Paul VI. in Lumen ecclesiae und Johannes Paul II in Fides et ratio.


Johannes Paul II., [i]Fides et ratio[/i] hat geschrieben:Das Lehramt hat sich freilich nicht darauf beschränkt, nur die Irrtümer und Abweichungen der philosophischen Lehren aufzudecken. Mit derselben Aufmerksamkeit hat es die Grundprinzipien für eine echte Erneuerung des philosophischen Denkens unterstrichen und auch konkret einzuschlagende Wege aufgezeigt. In diesem Sinn vollzog Papst Leo XIII. mit seiner Enzyklika Aeterni Patris einen Schritt von wahrhaft historischer Tragweite für das Leben der Kirche. Jener Text war bis zum heutigen Tag das einzige päpstliche Dokument auf solcher Ebene, das ausschließlich der Philosophie gewidmet war. Der große Papst griff die Lehre des I. Vatikanischen Konzils über das Verhältnis von Glaube und Vernunft auf und entwickelte sie weiter, indem er zeigte, daß das philosophische Denken ein grundlegender Beitrag zum Glauben und zur theologischen Wissenschaft ist. Nach über einem Jahrhundert haben viele in jenem Text enthaltene Hinweise sowohl unter praktischem wie unter pädagogischem Gesichtspunkt nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt; das gilt zuallererst für die Bedeutung in bezug auf den unvergleichlichen Wert der Philosophie des hl. Thomas. Das Denken des Doctor Angelicus neu vorzulegen, erschien Papst Leo XIII. als der beste Weg, mit der Philosophie wieder so umzugehen, daß sie mit den Ansprüchen des Glaubens übereinstimmt. Der Papst schrieb: ‚Im selben Augenblick, in dem er (der hl. Thomas), wie es sich gehört, den Glauben vollkommen von der Vernunft unterscheidet, vereint er die beiden durch Bande wechselseitiger Freundschaft: er sichert jeder von ihnen ihre Rechte zu und schützt ihre Würde’. Die glücklichen Folgen, die jene päpstliche Aufforderung nach sich zog, sind bekannt. Die Forschungen über das Denken des hl. Thomas und anderer scholastischer Autoren erfuhren einen neuen Aufschwung. Starken Auftrieb erhielt die historische Forschung mit der Wiederentdeckung der bis dahin weithin unbekannten Schätze des mittelalterlichen Denkens zur Folge; außerdem entstanden neue thomistische Schulen.
Das Werk des Aristoteles ist zwar Grundlage für Thomas von Aquin, Thomas geht aber weit über Aristoteles hinaus und integriert auch u.a. die Partizipationslehre des Plato, die Aristoteles kritisiert hatte.
Man sollte auch nicht vergessen, dass Thomas häufiger Augustinus als Aristoteles zitiert (hab ich mir jedenfalls von einem Theologen sagen lassen). Manche bestreiten deshalb auch, dass man Thomas einfach als "Aristoteliker" bezeichnen kann.

Allerdings ist das Mittelalter ja nicht nur Thomas. Insgesamt dürfte die Philosophie des Mittelalters doch ganz deutlich von Aristoteles dominiert worden sein, bisweilen sehr zum Ärger der Oberen.

Thomas_de_Austria
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Re: Aristoteles

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Maurus hat geschrieben:Manche bestreiten deshalb auch, dass man Thomas einfach als "Aristoteliker" bezeichnen kann.
Ja, natürlich, allerdings nicht speziell wegen der Augustinus-Zitate. So war bspw. Gregor von Rimini einer der besten Augustinus-Kenner des Mittelalters schlechthin und natürlich zitierte er ihn auch entsprechend häufig, aber seine Ontologie war trotzdem völlig von der Augustins verschieden. Die Forschung zu dieser Frage hat erst so richtig begonnen. Welche philosophiegeschichtlichen Einflüsse überwiegen, was man jetzt genau worauf zurückführen kann etc. pp. - das alles ist noch nicht eindeutig geklärt. Aristoteles spielt bei ihm ohne Zweifel ein ganz große Rolle, wie im gesamten Hoch- und auch noch Spätmittelalter, aber man muss auch fragen: Welcher Aristoteles genau? Derjenige, der "radikalen Aristoteliker", also eines Siger v. Brabant oder Boethius' v. Dacien, wohl eher nicht. Vielleicht doch eher die neuplaton. Variante (siehe z. B. Porphyrios)? Oder ist es eine ganz eigene Ausprägung?
Die Probleme dabei, ergaben sich ja schon aus den Schriften des Aristoteles selbst und das eventuell schon zu seinen Lebzeiten. So wird er von seinem Nachfolger (in der Leitung seiner Schule), Theophrastos von Eresos (*371 - +287 v. Chr.), schon teilweise recht scharf für einzelne Lehrstücke kritisiert (u. a. für die Finalkausalität). Das geht dann auch so weiter, sodass in der Antike eher eine Art "naturalistischer" Aristotelismus vorliegt (speziell im Vergleich zum "klass." scholastischen Aristotelismus).

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Robert Ketelhohn
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Re: Aristoteles

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Jarom1 hat geschrieben:Ich bin bei meiner Lektüre von Nicolas Gomez Davila nach längerer Zeit wieder einmal an die Stelle gekommen, in der er schreibt, dass das Problem der mittelalterlichen Philosophie nicht in ihrer Rolle als Magd der Theologie bestand, sondern darin, dass sie Magd des Aristoteles war.

Daher meine (vielleicht naive) Frage: Wie Rolle spielt die Philosophie des Aristoteles und (damit verbunden) der Scholastik für die Katholische Kirche heute? Wie grundlegend ist die Philosophie für die Ausgestaltung der Lehre?
Weil wir diese Thematik schon öfter beim Wickel hatten, erst einmal bloß einige Verweise:
viewtopic.php?f=4&t=2362&p=76368&hilit= ... %2A#p76368
viewtopic.php?f=4&t=11979&p=186716&hili ... 2A#p186716
http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php?p=15291#p15291
viewtopic.php?f=3&t=7166&p=188891&hilit ... 2A#p188891
viewtopic.php?f=2&t=1174&p=36177&hil ... 2A#p36177
viewtopic.php?f=2&t=1174&p=361145&hil ... 2A#p361145
viewtopic.php?f=3&t=11948&p=425617&hili ... 2A#p425617
viewtopic.php?f=2&t=12316&p=445372&hil ... 2A#p445372
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Robert Ketelhohn
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Re: Aristoteles

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Sempre hat geschrieben:Der hl. Thomas von Aquin ist der »Fürst unter den Scholastikern« (Leo XIII.). Im Jahre 1879 hat Papst Leo XIII. die Philosophie des hl. Thomas von Aquin in der Enzyklika Aeterni Patris praktisch zur »offiziellen Philosophie« der katholischen Kirche erklärt.
Das ist obsolet.
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Sempre
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Re: Aristoteles

Beitrag von Sempre »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Der hl. Thomas von Aquin ist der »Fürst unter den Scholastikern« (Leo XIII.). Im Jahre 1879 hat Papst Leo XIII. die Philosophie des hl. Thomas von Aquin in der Enzyklika Aeterni Patris praktisch zur »offiziellen Philosophie« der katholischen Kirche erklärt.
Das ist obsolet.
Wie kommst Du auf diese Idee? Hat das Lehramt das etwa widerrufen oder sonst eine Philosophie an die Stelle gesetzt? Nein, hat es nicht.

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Mit dem Thomismus kommt man i. d. R. ganz schlecht an, will sagen: findet weder offenes Ohr noch Verständnis.
Das ist zwar nicht ganz falsch, aber kein Argument.
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Re: Aristoteles

Beitrag von Jarom1 »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Jarom1 hat geschrieben:Ich bin bei meiner Lektüre von Nicolas Gomez Davila nach längerer Zeit wieder einmal an die Stelle gekommen, in der er schreibt, dass das Problem der mittelalterlichen Philosophie nicht in ihrer Rolle als Magd der Theologie bestand, sondern darin, dass sie Magd des Aristoteles war.

Daher meine (vielleicht naive) Frage: Wie Rolle spielt die Philosophie des Aristoteles und (damit verbunden) der Scholastik für die Katholische Kirche heute? Wie grundlegend ist die Philosophie für die Ausgestaltung der Lehre?
Weil wir diese Thematik schon öfter beim Wickel hatten, erst einmal bloß einige Verweise:
viewtopic.php?f=4&t=2362&p=76368&hilit= ... %2A#p76368
viewtopic.php?f=4&t=11979&p=186716&hili ... 2A#p186716
http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php?p=15291#p15291
viewtopic.php?f=3&t=7166&p=188891&hilit ... 2A#p188891
viewtopic.php?f=2&t=1174&p=36177&hil ... 2A#p36177
viewtopic.php?f=2&t=1174&p=361145&hil ... 2A#p361145
viewtopic.php?f=3&t=11948&p=425617&hili ... 2A#p425617
viewtopic.php?f=2&t=12316&p=445372&hil ... 2A#p445372

Danke für die Links.
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