Jesus unwissend?

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
SoliDeoGloria
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Jesus unwissend?

Beitrag von SoliDeoGloria »

Hallo,
ihr kennt sicher die Bibelstelle, wo Jesus nach dem letzten Tag gefragt wird, und er antwortet, es wisse niemand, außer der Vater. Die Auslegung, die ich kenne, lautet: Jesus hat mit seiner Menschwerdung temporär auch seine Allwissenheit abgelegt, genau wie andere göttliche Eigenschaften (z.B. die Unsterblichkeit). Nun frage ich mich nur, warum ihm bei dieser Frage nicht der heilige Geist zur Hilfe eilt. Oder habt ihr noch andere Auslegungen für diese Frage?

Schonmal danke im Vorraus
"Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt; und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben" (Joh 11,25)

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Protasius
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Protasius »

Ich weiß nicht, welche Bibelstelle du meinst, aber wenn du es mir sagst, kann ich in der Alliolibibel nachschauen, die zu wohl allen schwierigen Stellen eine Erklärung hat.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Hubertus
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Hubertus »

Mk 13,31f.
Der Kult ist immer wichtiger als jede noch so gescheite Predigt. Die Objektivität des Kultes ist das Größte und das Wichtigste, was unsere Zeit braucht. Der Alte Ritus ist der größte Schatz der Kirche, ihr Notgepäck, ihre Arche Noah. (M. Mosebach)

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Hubertus
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Hubertus »

In der Catena aurea lesen wir:
Indem der Herr seine Jünger von der Frage nach dem Tag und der Stunde abhalten wollte, sagte er: Von jenem Tag und jener Stunde aber weiß niemand, weder die Engel im Himmel, noch der Sohn, sondern nur der Vater. Denn hätte er gesagt: Ich weiß es, aber ich will es euch nicht offenbaren, so hätte er sie doch recht traurig gemacht. Er handelte also weiser und schnitt ihnen die Frage gleich ab, damit sie ihn nicht weiter drängten. (Theophylactus)

Nun macht man aber dieses "Nichtwissen" gegen den Einziggeborenen Sohn geltend: Er sei nicht Gott aus Gott geboren, nicht Gott gleich an Vollkommenheit. Fragen wir zuerst mit dem gesunden Menschenverstand, ob derjenige etwas nicht wissen könne, welcher der Urheber von allem ist, was ist und noch sein wird. [...] Wie kann der Herr der Herrlichkeit, wenn er den Tag seiner Ankunft nicht weiß, eine vollkommene Natur haben? [...] Aber wir müssen uns erinnern, daß in ihm Schätze des Wissens verborgen sind. Immer wenn Gott von sich sagt, er wisse etwas nicht, bedeutet dieses Nichtwissen nicht eine Einschränkung, sondern entweder, daß jetzt nicht die Zeit sei, darüber zu sprechen, oder der göttliche Heilsplan noch kein Handeln vorsehe. Wenn man also sagt, Gott habe dann gewußt, daß Abraham ihn liebe, als er dies dem Abraham nicht verbarg, dann muß man auch sagen, der Vater wisse den Tag, weil er ihn dem Sohn nicht verborgen hat. Wenn der Sohn den Tag "nicht weiß", dann bedeutet das geheimnisvoll,lat.: sacramentum est daß er darüber schweigt; und umgekehrt heißt: der Vater kennt den Tag, daß er darüber nicht schweigt. Und damit man nicht sagen könne, dieses Nichtwissen sei Schwäche, folgt: Nehmt euch in Acht, seid wachsam und betet, denn ihr wißt nicht die Zeit. (Hilarius)
(Quelle: http://catena-aurea.de/ljbpann33.html)
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Theresita
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Theresita »

Also wenn ich etwas weiß und es für mich behalten möchte, kann ich sagen, daß ich es nicht weiß ?
Ich habe das immer für eine Lüge gehalten.
Oder habe ich den obigen Text falsch verstanden ?

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Protasius
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Protasius »

Die Catena aurea ist wesentlich besser und ausführlicher als die Fußnote der Alliolibibel; diese besagt, daß das Nichtwissen des Sohnes sich nur auf die menschliche Natur beziehe.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Esperanto
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Esperanto »

Jesus als Mensch hat es natürlich nicht gewusst, als Gott schon.

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Pelikan
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Pelikan »

Theresita hat geschrieben:Also wenn ich etwas weiß und es für mich behalten möchte, kann ich sagen, daß ich es nicht weiß ?
Ich habe das immer für eine Lüge gehalten.
Oder habe ich den obigen Text falsch verstanden ?
Das kommt darauf an, ob du als befugter Geheimnisträger erkennbar bist. Wenn z.B. ein Regierungsbeamter nach Staatsgeheimnissen befragt wird, darf er sein Wissen bestreiten.

Diese Erklärung ist für Christus insofern problematisch, als er lediglich durch übernatürliches Wissen als Geheimnisträger erkennbar war. Ungläubige konnten nicht anders, als ihn hier mißzuverstehen.

civilisation
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von civilisation »

Jesus hat nicht nur mit diesem Satz ausgedrückt, daß er auch ganz Mensch ist, sondern daß der Vater der lebendige Ursprung alles Geschehens im Himmel und auf Erden ist und bleibt.

Und eben weil niemand "die Stunde" der Wiederkunft kennt, mahnt Jesus mit dem Wörtchen "Wachet!" Der Mensch hat mit all seinen Kräften dem Wiederkommenden entgegenzuharren, denn Gottes Leben und Liebe wurde schon durch Jesus, wahrer Mensch und wahrer Gott, vermittelt.

azs
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von azs »

Ich finde vor allem den Gedanken beeindruckend, dass für Gottes Handeln noch keine Endgültigkeit vorliegt - d.h. dass jenes zweite Kommen Christi durchaus von menschlichen Entscheidungen abhängig sein kann, und von daher wirklich noch kein Wissen darüber möglich ist. Das Ganze würde sich dann wieder auf die freie Entscheidungsmöglichkeit des Menschen beziehen.

btw: Gibt es die gesamte Catena des Thomas von Aquin in Buchform auf deutsch?
ad te suspiramus in hac lacrimarum valle

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Bernado
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Bernado »

azs hat geschrieben:Ich finde vor allem den Gedanken beeindruckend, dass für Gottes Handeln noch keine Endgültigkeit vorliegt - d.h. dass jenes zweite Kommen Christi durchaus von menschlichen Entscheidungen abhängig sein kann, und von daher wirklich noch kein Wissen darüber möglich ist. Das Ganze würde sich dann wieder auf die freie Entscheidungsmöglichkeit des Menschen beziehen.

btw: Gibt es die gesamte Catena des Thomas von Aquin in Buchform auf deutsch?
Ja, gibt es:

Johann Nepomuk Paul Oischinger: Des heiligen Thomas von Aquin, des englischen Lehrers, goldene Kette oder fortlaufende, ganz aus den Stellen der Kirchenväter und Kirchen-Schriftsteller bestehende und kunstvoll verbundene Auslegung der vier Evangelien, in 7 Bänden. Regensburg 1847

Das Werk ist praktisch nicht zu bekommen, Einzelbände unter € 100 gelten als Schnäppchen.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

Pilgerer
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Pilgerer »

Auch Jesus als Gott steht in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Vater und kann nicht allein entscheiden. Doch dadurch wird der Vater im Sohn sichtbar. Der Vater ist größer als der Sohn, aber alles, was der Sohn ist, ist vom Vater.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Reinhard
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Reinhard »

Ich habe hier doch sehr den Eindruck, dass wir bei dieser Frage an der Begrenztheit unserer Logik, und an nichts anderem scheitern.

Die Frage: "Weiß Jesus nicht, wann die letzte Stunde dieser Welt ist, oder ist Er (als Gott) allwissend" können wir deshalb nicht auflösen, weil wir so furchtbar in unserem "digital - logischen" Denken verhaftet sind.

Das wesentliche Problem dabei ist, dass wir uns über die Grundlagen unseres Denkens oft keine Rechenschaft ablegen, sondern sie unreflektiert, quasi als "heimliche Axiome" voraussetzen (oder uns evtl. sogar aufdrücken lassen) und uns dann von diesem Diktat bestimmen lassen, ohne dass uns das bewusst ist.

Wer sagt denn, dass hier die Logik des "entweder-oder" (also des tertium non datur) gilt ?
Mit welchem Recht setzen wir das voraus und unterwerfen Gott Jesus dem Diktat dieser Logik ?

In Wirklichkeit ist das wohl weniger ein Widerspruch, oder eine legitime Infragestellung von Gott Jesus mit Seiner Allmacht, sondern allein eine Schwäche unserer Logik.

Auf anderen Gebieten müssen wir uns ja auch mit Dualismen abfinden, die mit Digital-Logik definitiv nicht zu lösen sind.
In der Physik z.B. der Welle- / Teilchen-Dualismus: ein Lichtstrahl ist immer zugleich ein Strom ganz real zählbarer Teilchen und zugleich eine kontinuierliche Welle.
Das akzeptieren wir ohne Murren, ohne der beobachtbaren Wirklichkeit oder den Physikern Unlogik vorzuwerfen.

Oder dass Jesus gleichzeitig ganz Gott (also Schöpfer) und ganz Mensch (also Geschöpf) ist, ist mit digitaler Logik nicht auflösbar, aber es ist wahr: de fide
- und wir glauben es als Christen.

Warum lassen wir uns dann also in anderen Fragen in das Bockshorn einer unzulässig beschränkten Logik jagen ?

Es kommt noch eine zweite Frage hinzu: wie viel haben wir von dem Wesen der Zeit verstanden ?
Schon in der Physik ist die Zeit z.B. von der Geschwindigkeit abhängig (-> relativistische Zeitdehnung) und läuft offensichtlich teilweise rückwärts (z.B. bei Antiteilchen).
Wenn Gott (und damit auch Jesus) bereits "vor aller Zeit" existiert hat (also definitiv auch noch wesentlich vor dem Urknall !), dann sollten wir nicht so tun, als könnten wir hinsichtlich der Kategorie "Zeit" Ihm auch nur ansatzweise das Wasser reichen.
Die Physiker haben die Demut, sich dazu zu bekennen, dass sie nicht wirklich wissen, was Zeit ist.

Ich glaube, dass Gott Jesus allwissend ist, und dennoch nicht weiß, wann die letzte Stunde der Welt ist, und dass Er in der Lage ist, diesen Widerspruch aufzulösen.

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Protasius
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Protasius »

Reinhard hat geschrieben:Ich habe hier doch sehr den Eindruck, dass wir bei dieser Frage an der Begrenztheit unserer Logik, und an nichts anderem scheitern.

Die Frage: "Weiß Jesus nicht, wann die letzte Stunde dieser Welt ist, oder ist Er (als Gott) allwissend" können wir deshalb nicht auflösen, weil wir so furchtbar in unserem "digital - logischen" Denken verhaftet sind.

Das wesentliche Problem dabei ist, dass wir uns über die Grundlagen unseres Denkens oft keine Rechenschaft ablegen, sondern sie unreflektiert, quasi als "heimliche Axiome" voraussetzen (oder uns evtl. sogar aufdrücken lassen) und uns dann von diesem Diktat bestimmen lassen, ohne dass uns das bewusst ist.

Wer sagt denn, dass hier die Logik des "entweder-oder" (also des tertium non datur) gilt ?
Mit welchem Recht setzen wir das voraus und unterwerfen Gott Jesus dem Diktat dieser Logik ?

In Wirklichkeit ist das wohl weniger ein Widerspruch, oder eine legitime Infragestellung von Gott Jesus mit Seiner Allmacht, sondern allein eine Schwäche unserer Logik.

Auf anderen Gebieten müssen wir uns ja auch mit Dualismen abfinden, die mit Digital-Logik definitiv nicht zu lösen sind.
In der Physik z.B. der Welle- / Teilchen-Dualismus: ein Lichtstrahl ist immer zugleich ein Strom ganz real zählbarer Teilchen und zugleich eine kontinuierliche Welle.
Das akzeptieren wir ohne Murren, ohne der beobachtbaren Wirklichkeit oder den Physikern Unlogik vorzuwerfen.

Oder dass Jesus gleichzeitig ganz Gott (also Schöpfer) und ganz Mensch (also Geschöpf) ist, ist mit digitaler Logik nicht auflösbar, aber es ist wahr: de fide
- und wir glauben es als Christen.

Warum lassen wir uns dann also in anderen Fragen in das Bockshorn einer unzulässig beschränkten Logik jagen ?

Es kommt noch eine zweite Frage hinzu: wie viel haben wir von dem Wesen der Zeit verstanden ?
Schon in der Physik ist die Zeit z.B. von der Geschwindigkeit abhängig (-> relativistische Zeitdehnung) und läuft offensichtlich teilweise rückwärts (z.B. bei Antiteilchen).
Wenn Gott (und damit auch Jesus) bereits "vor aller Zeit" existiert hat (also definitiv auch noch wesentlich vor dem Urknall !), dann sollten wir nicht so tun, als könnten wir hinsichtlich der Kategorie "Zeit" Ihm auch nur ansatzweise das Wasser reichen.
Die Physiker haben die Demut, sich dazu zu bekennen, dass sie nicht wirklich wissen, was Zeit ist.

Ich glaube, dass Gott Jesus allwissend ist, und dennoch nicht weiß, wann die letzte Stunde der Welt ist, und dass Er in der Lage ist, diesen Widerspruch aufzulösen.
Physiker wie meiner einer lösen dieses Problem unter anderem dadurch, daß wir nicht den Anspruch haben zu erklären wie die Welt wirklich ist, sondern eine Theorie vorzulegen, die die Beobachtungen erklärt. Deshalb können wir auch durch neue experimentelle Befunde gezwungen werden unsere Theorien zu revidieren (das führte z. B. auf Relativitätstheorie). Nach dem Standardmodell der Kosmologie können wir überhaupt nicht sagen, was vor dem Urknall war, weil Raum und Zeit erst im Urknall entstanden. Dieses Problem hat die Theologie nicht, weil die Offenbarung, die bei uns durch Experimente gewissermaßen andauert, auf diesem Gebiet abgeschlossen ist.

Der Vater ist allwissend und weiß, wann die Welt untergeht; der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sind eins (et hi tres unum sunt, Athanasianium). Folglich weiß auch der Sohn, wann die Welt untergeht; dies gilt aber nur für seine göttliche Natur, seine menschliche Natur ist wahrer Mensch und weiß das nicht. Er ist gleichzeitig Mensch und Gott, so wie ein Photon gleichzeitig als Welle und als Teilchen beschrieben werden kann; je nach dem Kontext ist aber die eine oder andere Beschreibung dieses Teilchens die korrektere (=die Beobachtungen besser erklärende). Und in diesem Kontext ist Sohn auf seine menschliche Natur bezogen zu verstehen, während die göttliche Natur als außer der Zeit stehend diesen Zeitpunkt schon kennt (ex Patre natum ante omnia saecula, Nicäno-Constantinopolitanum).
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Sempre
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Sempre »

Reinhard hat geschrieben:Auf anderen Gebieten müssen wir uns ja auch mit Dualismen abfinden, die mit Digital-Logik definitiv nicht zu lösen sind.
In der Physik z.B. der Welle- / Teilchen-Dualismus: ein Lichtstrahl ist immer zugleich ein Strom ganz real zählbarer Teilchen und zugleich eine kontinuierliche Welle.
Das akzeptieren wir ohne Murren, ohne der beobachtbaren Wirklichkeit oder den Physikern Unlogik vorzuwerfen.
Naivere Gemüter akzeptieren ohne Murren, was immer die hohe Wissenschaft ihnen zu glauben vorlegt. Und sei es gegen den gesunden Menschenverstand und gegen die Grundgesetze des Denkens. Die Winde und Wellen der Wissenschaft schwanken aber immer weiter. Deine Vorstellungen von der Physik müssen bereits heute als kindisch angesehen werden:
GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung, Physics FAQ hat geschrieben:Wohl kein Satz findet sich in populärwissenschaftlicher Literatur öfter, als: ,,Licht ist gleichzeitig Welle und Teilchen.`` Und kein Satz ist schwerer zu verstehen als dieser. Eine Welle ist nichts greifbares. Man kann eine Welle nicht in die Hand nehmen und mit sich herumtragen. Eine Welle ist kein ,,Ding``, sondern ein ,,(Bewegungs-)Zustand``. Ein Teilchen dagegen ist sehr wohl etwas greifbares, ein Stein beispielsweise, oder eine Murmel. Wie kann dann ein quantenmechanisches Objekt gleichzeitig (nichtgreifbare) Welle und (greifbares) Teilchen sein? Die Antwort der Physik darauf ist verblüffend einfach: überhaupt nicht.

Der ,,Welle-Teilchen-Dualismus`` ist ein Relikt aus den Anfängen der Quantenmechanik, welches (leider) immer noch nicht ganz in Vergessenheit geraten ist. Heute betrachtet man die Quantenwelt ganz anders. [...]
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

Raphael

Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Raphael »

Sempre hat geschrieben:
Reinhard hat geschrieben:Auf anderen Gebieten müssen wir uns ja auch mit Dualismen abfinden, die mit Digital-Logik definitiv nicht zu lösen sind.
In der Physik z.B. der Welle- / Teilchen-Dualismus: ein Lichtstrahl ist immer zugleich ein Strom ganz real zählbarer Teilchen und zugleich eine kontinuierliche Welle.
Das akzeptieren wir ohne Murren, ohne der beobachtbaren Wirklichkeit oder den Physikern Unlogik vorzuwerfen.
Naivere Gemüter akzeptieren ohne Murren, was immer die hohe Wissenschaft ihnen zu glauben vorlegt. Und sei es gegen den gesunden Menschenverstand und gegen die Grundgesetze des Denkens. .....
Das ist wohl wie mit dem unbewegten Beweger aus dem 2. Gottesbeweis des Aquinaten! :roll:

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Sempre
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Sempre »

@Raphael

Wir sind hier wohl eher off-topic. Daher Umleitung
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

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Heinrich II
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von Heinrich II »

Durch das Forum (http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php?p=573848#p573848) bin ich auf

Arbeitshilfen Nr. 248
Der Glaube der Kirche
Ein theologisches Lesebuch aus Texten Joseph Ratzingers
(Der Inhalt ist nach Schlagworten alphabetisch gegliedert, von Advent bis Zweifel.)
150 Seiten

bzw.
http://www.dbk-shop.de/media/files/DBK_5248.pdf

aufmerksam geworden. (Danke!) Dort findet man auf Seite 140 (im pdf: 142) Ratzingers Erklärung dazu.
Wer euch ein anderes Evangelium verkündet, als ihr angenommen habt, der sei verflucht. Geht es mir denn um die Zustimmung der Menschen, oder geht es mir um Gott?

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ChrisCross
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von ChrisCross »

Da all die Erklärungen, die der papst hier vorbringt zumindest den Heiligen Geist vernachlässigen, bleibe ich doch lieber bei den Vätern, die das göttliche "nicht kennen" als "das geht euch nichts an" deuten. Da wird meines Erachtens des Heiligen Geistes Wissen gewahrt, denn dieser kann sich nicht auf eine menschliche Beschränkung berufen, oder sehe ich da etwas falsch? Beachten die Scholastiker auch das bei ihren Erläuterungen zum Thema?
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
Augustinus Conf. I. 1

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ChrisCross
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von ChrisCross »

Vielleicht hat der ein oder andere noch Interesse daran, die Auslegung des heiligen Johannes Chrysostomos zur besprochenen Stelle zu lesen. Etwa zwei Drittel der Homilie widmen sich ihrer: http://www.unifr.ch/bkv/kapitel486.htm
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
Augustinus Conf. I. 1

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ChrisCross
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Re: Jesus unwissend?

Beitrag von ChrisCross »

Für alle, die Latein einigermaßen beherrschen, gibt es hier die Deutung des heiligen Thomas von Aquin. In der englischen Sammlung seiner Werke ist der Kommentar online noch nicht vorhanden.
De die autem et hora illa nemo scit. In parte autem ista determinat de incertitudine temporis. Et circa hoc duo facit. Primo ponit temporis incertitudinem; secundo hortatur ad similitudinem; tertio ostendit eventum futurum. Secunda ibi sicut in diebus Noe etc.; tertia ibi tunc duo erunt in agro. Dicit quod videbunt filium hominis. Tu dicis indeterminate; dicas nobis determinate si est verum. De die autem et hora nemo scit, neque Angeli caelorum. Quod dicit de Angelis caelorum, manifestum est, et non habet magnam dubietatem, quia est cognitio naturalis in eis, et hoc non se extendit nisi ad ea quae secundum cursum naturae fiunt; iudicium autem non fiet nisi secundum voluntatem Dei. Item est alia cognitio gloriae, et sic tantum sciunt sicut quibus dominus vult revelare, et istud sibi retinuit; Mal. c. III, 2: ecce veniet dominus, et quis poterit scire adventum eius? I ad Thess. V, 2: dies domini sicut fur in nocte, ita veniet. Sed est quaestio hic, secundum Hieronymum, quia dicit Marcus XIII, 26: nec etiam filius hominis; ex quo videtur Arius suam haeresim confirmare, quia si pater scit quod nescit filius, ergo maior est eo. Ideo potest dici quod filius scit, et quod dies iudicii secundum aliquam rationem determinatus est, et quidquid determinatur a Deo, suo verbo aeterno determinatur; ideo impossibile est quin verbum sciat. Sed quare dicitur nescire? Augustinus et Hieronymus dicunt quod consuetus modus loquendi est dicere nescire aliquid, quando non facit illud scire; sicut dicitur Gen. XXII, v. 12: nunc cognovi quod timeas Deum; idest, cognoscere feci; ideo dicitur filius nescire, quia non facit scire. Alio modo dicit Origenes quod Christus et Ecclesia sunt sicut caput et corpus, quia sicut caput et corpus sunt sicut una persona, ita Christus et Ecclesia. Sed Christus aliquando accipit formam Ecclesiae, ut in illo Ps. XXI, v. 2: Deus, Deus meus, respice in me, unde quod dicitur quod Christus non scit, intelligitur quod Ecclesia non scit: unde dominus, Act. I, 7: non est vestrum scire tempora vel momenta et cetera. Notate quod dicit Augustinus quod ipse volebat ostendere ex quibusdam signis, quod adventus iudicii non possit sciri determinate, quia non determinat quodcumque tempus. Probatio dicit quod non possit sciri, quia sicut est in aetatibus hominis, ita est in aetatibus mundi. Unde sicut ultima aetas hominis non habet terminum certum, sed aliquando protenditur plusquam aliae, sic et de ultima parte mundi dici debet, quod non habet certum terminum, et poterit plus durare quam omnes aliae partes.
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
Augustinus Conf. I. 1

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