Gott befiehlt Völkermord

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
Benedikt

Gott befiehlt Völkermord

Beitrag von Benedikt »

Ich weiß, dass dieser Titel manche Leute ärgern wird, aber in diesem Forum bin ich mir wenigstens sicher, dass es keine Häme geben wird. Gleichzeitig führt er dazu, dass er mehr Leute diesen Thread lesen, also scheint er mir sehr angemessen zu sein.

Im ersten Buch Samuel, Kapitel 15, lesen wir vom Krieg der Israeliten unter König Saul gegen die Amalekiter. Dieser Krieg ist göttlicher Auftrag, aber nicht nur der Feldzug wird dem König durch den Propheten Samuel aufgetragen, sondern auch:
1 Sam 15, 3 hat geschrieben:Weihe alles, was ihm gehört, dem Untergang! Schone es nicht, sondern töte Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel!
Saul zieht also los und besiegt die Stadt der Amalekiter. Er bringt auch das gesamte Volk um, lässt aber die Rinder und Schafe sowie den König am Leben. Das erzürnt nun den Herrn und er spricht (wiederum durch Samuel):
1 Sam 15, 19 hat geschrieben:Warum hast du nicht auf die Stimme des Herrn gehört, sondern hast dich auf die Beute gestürzt und getan, was dem Herrn missfällt?
Krasse Sache. Natürlich könnte man einwenden, dass man diese Begebenheit nicht mit unseren Maßstäben messen sollte. Richtig. Ich behaupte aber trotzdem, dass - egal nach welchen Maßstäben - eine Komplettausrottung eines Volkes niemals eine positive Angelegenheit ist.

Der Exeget könnte nun nach dem tieferen Sinn, nach der "Message" forschen. Er findet sie wohl in Vers 22. Zuvor hatte Saul dem Herrn das Zugeständnis gemacht, die erprellten Viecher zu opfern.
1 Sam 15,22 hat geschrieben:Hat der Herr an Brandopfern und Schlachtopfern das gleiche Gefallen wie am Gehorsam gegenüber der Stimme des Herrn? Wahrhaftig, Gehorsam ist besser als Opfer, hinhören besser als das Fett von Widdern.
Aber auch er wird zugeben müssen, dass das Beispiel ein schlechtes ist und dass das Lehrstück so seine Wirkung verfehlt.

Was denkt ihr über 1 Sam, 15?

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Erich
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Beitrag von Erich »

Die Frage, die Gott heute an mich via 1 Sam, 15 stellt ist:

"Kannst Du den Gott lieben, der einst befohlen hat Säuglinge und Kinder umzubringen, ohne dass ER Dir erklärt, warum ER so gehandelt hat. Reicht Dein Vertrauen zu ihm aus zu glauben, dass dies der einzig richtige Weg für Dein Heil war?
Das Wort ward Fleisch, nicht Kerygma!

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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

Also bei Apg oder Judas stehen viele schöner Sachen unter anderem das Christus die Völker vereint und ihre Trennung, die zu Auseinandersetzungen führt, ,,wegmacht". Kann aber auch ganz wo anders stehen. :roll:

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Wächtersbach
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Re: Gott befiehlt Völkermord

Beitrag von Wächtersbach »

Benedikt hat geschrieben:...Im ersten Buch Samuel, Kapitel 15, lesen wir vom Krieg der Israeliten unter König Saul gegen die Amalekiter. Dieser Krieg ist göttlicher Auftrag, aber nicht nur der Feldzug wird dem König durch den Propheten Samuel aufgetragen, sondern auch:
1 Sam 15, 3 hat geschrieben:Weihe alles, was ihm gehört, dem Untergang! Schone es nicht, sondern töte Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel!
Saul zieht also los und besiegt die Stadt der Amalekiter. Er bringt auch das gesamte Volk um, lässt aber die Rinder und Schafe sowie den König am Leben. Das erzürnt nun den Herrn und er spricht (wiederum durch Samuel):
1 Sam 15, 19 hat geschrieben:Warum hast du nicht auf die Stimme des Herrn gehört, sondern hast dich auf die Beute gestürzt und getan, was dem Herrn missfällt?
Krasse Sache. Natürlich könnte man einwenden, dass man diese Begebenheit nicht mit unseren Maßstäben messen sollte. Richtig. Ich behaupte aber trotzdem, dass - egal nach welchen Maßstäben - eine Komplettausrottung eines Volkes niemals eine positive Angelegenheit ist.

Der Exeget könnte nun nach dem tieferen Sinn, nach der "Message" forschen....
oh je,

was könnte der exeget wohl forschen? ich denke mal, der exeget hätte hirn genug, über die entstehung der bibel zu wissen, dass die nicht (von gott) vom himmel gefallen ist. natürlich haben menschen beim aufschreiben dieser wichtigen "geschichten" auch "politik" gemacht und damit ihr eigenes, oder ihnen wichtiges verhalten darin begründet.

jetzt grusel ich mich aber wirklich... :nein:

wächt

Benedikt

Beitrag von Benedikt »

Lieber Wächtersbach,

herzlichen Dank für diese kompetente und sachorientierte Antwort. Das war genau, was ich hören wollte.

Ironie off.

:nein:

Wise Guy
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Beitrag von Wise Guy »

Benedikt hat geschrieben:Lieber Wächtersbach,

herzlichen Dank für diese kompetente und sachorientierte Antwort. Das war genau, was ich hören wollte.

Ironie off.

:nein:
jetzt sag aber nicht, dass dir die Antwort von Erich weitergeholfen hätte?

also mir fällt das schon schwer zu glauben, dass Gott Säuglinge für mein Heil hinschlachtet,

es gibt da eine Szene bei Dostojewski in den Brüdern Kasamarow, wo einer der Kasamrows sagt, also in den Himmel wolle er nicht, der einem Gott gehöre, der all die Kinder hat leiden und umkommen lassen (oder so ähnlich)
das sehe ich so nicht, aber ich finde die Vorstellung, dass Gott einen Völkermord braucht, um mich zu retten aburd!

Ansonsten die Exegese,
ich habe gerade keinen Kommentar da
meine mich aber erinnern zu können, dass das beschriebene gängige Praxis war im Nahen Osten zu dieser Zeit,
es erinnert mich auch an das Opfer Isaaks, mit dem Unterschied, dass Saul den Test nicht besteht,
aber das ist wohl "geistreich, aber spekualtiv" mein NT-Prof in PB zu sagen pflegte
Es ist nicht so wichtig etwas über Gott zu wissen, sondern ihn zu kennen. (Rahner)

Geronimo

Re: Gott befiehlt Völkermord

Beitrag von Geronimo »

Wächtersbach hat geschrieben:

was könnte der exeget wohl forschen? ich denke mal, der exeget hätte hirn genug, über die entstehung der bibel zu wissen, dass die nicht (von gott) vom himmel gefallen ist. natürlich haben menschen beim aufschreiben dieser wichtigen "geschichten" auch "politik" gemacht und damit ihr eigenes, oder ihnen wichtiges verhalten darin begründet.

jetzt grusel ich mich aber wirklich... :nein:

wächt
Naja. Auf diese Art kann man aber alles wegwischen, was einem in der Bibel evtl. nicht gefällt ... Und das dürfte dann eine Menge Stoff sein, der je nach dem Gutdünken dessen, was man dann für menschlich dazu gedichtet hält, wegfällt. Erinnert mich irgendwie an die Bibelverdunstung ...
Und eine Erklärung dessen, ob Gott so etwas befohlen hat, ist es auch nicht. :nein:

Nein, diese Antwort halte ich nicht für befriedigend. Noch weniger befriedigend finde ich das rasche Suchen nach der passenden Exegese - weil ja nicht sein darf, was man nicht akzeptieren will.

Ich sage nicht, dass ich die Stelle prima finde, aber mir gefallen auch die ägyptischen Plagen nicht und auch nicht die Sache mit Abraham und Isaak. Und mir gefällt auch nicht die Sintflut, und ehrlich gesagt - in diesem Zusammenhang gefällt mir am allerwenigsten der qualvolle Tod von Jesus. Ehe ich aber jetzt Exegeten bemühe, mache ich mir lieber erst mal meine eigenen Gedanken drüber.

Geronimo

Benedikt

Beitrag von Benedikt »

Wise Guy hat geschrieben:es erinnert mich auch an das Opfer Isaaks, mit dem Unterschied, dass Saul den Test nicht besteht, aber das ist wohl "geistreich, aber spekualtiv" mein NT-Prof in PB zu sagen pflegte
Allerdings, das ist wirklich reichlich spekulativ.

Warum ich die Bibel auch hier ernst nehme, ist eigentlich ganz einfach und hat zwei Gründe. Zum einen, weil ich die Bibel wirklich als Quelle der Wahrheit ansehe, und zum zweiten, weil mir jede Selektion, die einzelne Texte streicht willkürlich erscheint. Diese Selektion kriegt jeder hin, und am Ende verbleiben nur noch Bruchstücke, besser vielleicht sogar Scherben des Glaubens.

Ich las vor kurzem über die Bibel-Interpretationen der Nazis bzw. der Thule-Gesellschaft. Es war dort eine weit verbreitete Interpretation, dass die Juden vom Satan geleitet wurden. Sie machen dann eine Exegese von Joh 8, 30-47, die mit den Worten gipfeln: "Wer aus Gott ist, hört die Worte Gottes; ihr hört sie deshalb nicht, weil ihr nicht aus Gott seid." Auf diesem Hintergrund gipfelnd deuten sie das alte Testament als Buch einer teuflischen Grausamkeit, die in den Juden fortlebt, und weite Teile der jesuanischen (=arischen, da Jesus jüdische Herkunft sich nicht direkt aus dem neuen Testament ergibt, lediglich sein Ziehvater ist unumstritten jüdisch) Botschaft ins Gegenteil verkehrt. Nun, diese Exegese ist natürlich weit verquerer als vergleichbares aus der theologischen Forschung, aber der schale Geschmack bei solchen Deutungen bleibt, weil das Problem nicht gelöst, sondern ihm nur ausgewichen wurde.
Zuletzt geändert von Benedikt am Dienstag 10. August 2004, 01:10, insgesamt 1-mal geändert.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Man könnte hier auch noch die ganze Geschichte der Eroberung des Gelobten Landes unter Josues Führung anführen. Oder die Vernichtung fast der ganzen Menschheit in der Sintflut.
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Wise Guy
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Beitrag von Wise Guy »

Benedikt hat geschrieben:Warum ich die Bibel auch hier ernst nehme, ist eigentlich ganz einfach und hat zwei Gründe. Zum einen, weil ich die Bibel wirklich als Quelle der Wahrheit ansehe, und zum zweiten, weil mir jede Selektion, die einzelne Texte streicht willkürlich erscheint. Diese Selektion kriegt jeder hin, und am Ende verbleiben nur noch Bruchstücke, besser vielleicht sogar Scherben des Glaubens.


Die Bibel ist nunmal widersprüchlich und du hast zwei Möglichkeiten:
du sagt das ist so, weil auch Gott so ist und läßt es damit gut sein
oder du sucht nach einem roten Faden in der Bibel und versuchst die Widersprüche durch geistreche Hypotesen aufzulösen, da bist du natürlich beim selektieren
wähle!
oder hast du eine andere Idee?
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Benedikt

Beitrag von Benedikt »

@Wise Guy
Mir schmecken beide Lösungen nicht. Die erste nicht, weil ich so vor dem Berg von Widersprüchen stehen bleiben muss. Die zweite nicht, weil sie dazu führt (wie ich oben schon dargelegt habe), dass die Bibel nicht mehr Quelle der Wahrheit ist, sondern Rechtfertigung meiner eigenen Meinung. Vielleicht ist Erichs Ansatz (das zweite Posting) sogar das beste: Zu schauen, was dieser Text mir persönlich sagt. Mich nicht an exegetischen Spitzfindigkeiten aufhalten, sondern mich der Bibel stellen.

Wise Guy
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Beitrag von Wise Guy »

Benedikt hat geschrieben:@Wise Guy
Mir schmecken beide Lösungen nicht. Die erste nicht, weil ich so vor dem Berg von Widersprüchen stehen bleiben muss. Die zweite nicht, weil sie dazu führt (wie ich oben schon dargelegt habe), dass die Bibel nicht mehr Quelle der Wahrheit ist, sondern Rechtfertigung meiner eigenen Meinung. Vielleicht ist Erichs Ansatz (das zweite Posting) sogar das beste: Zu schauen, was dieser Text mir persönlich sagt. Mich nicht an exegetischen Spitzfindigkeiten aufhalten, sondern mich der Bibel stellen.
wo ist der Unterschied zwischen: "Rechtfertigung meiner eigenen Meinung" und "zu schauen was der Text mir sagt"

ich finde das eine gute Methode "zu schauen was der Text mir sagt", aber ein objektiveres Element, z.b.wissenschaftliche Erkenntnisse, mithinzuzunehemen hilft auch weiter
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Benedikt

Beitrag von Benedikt »

wo ist der Unterschied zwischen: "Rechtfertigung meiner eigenen Meinung" und "zu schauen was der Text mir sagt"
Nun, ist doch ganz einfach. Beim ersteren schaue ich, was ich dem Text zu sagen habe, beim letzteren schaue ich, was der Text mir zu sagen hat.

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lancelot
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Beitrag von lancelot »

Benedikt hat geschrieben:
wo ist der Unterschied zwischen: "Rechtfertigung meiner eigenen Meinung" und "zu schauen was der Text mir sagt"
Nun, ist doch ganz einfach. Beim ersteren schaue ich, was ich dem Text zu sagen habe, beim letzteren schaue ich, was der Text mir zu sagen hat.
Aber Du bringst schon eine Perspektive mit, unter der Text bestimmte Dinge sagen kann und andere nicht. Wir bringen z.B. alle die Perspektive mit, daß die Ausrottung des Gegners, die GOtt da verlangt, unmenschlich und unmoralisch ist. Das war in früheren Jahrhunderten oder speziell wohl beim jüdischen Volk, in dem diese Schriften ja entstanden sind, doch wohl anders.

Wise Guy
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Beitrag von Wise Guy »

Benedikt hat geschrieben:
wo ist der Unterschied zwischen: "Rechtfertigung meiner eigenen Meinung" und "zu schauen was der Text mir sagt"
Nun, ist doch ganz einfach. Beim ersteren schaue ich, was ich dem Text zu sagen habe, beim letzteren schaue ich, was der Text mir zu sagen hat.
aber wo entsteht denn die botschaft deines Textes? In deinem Kopf, (wenn du ihn benutzt :D )
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Benedikt

Beitrag von Benedikt »

Nein. Die Botschaft steht zunächst in der Schrift, landet dann (hoffentlich mit Hilfe des Heiligen Geistes, den vielzitierten) in meinem Kopf. Bei der selektiven Exegese ist es umgekehrt. Da ist zunächst der Kopf. Und was nicht passt, wird passend gemacht.

Wise Guy
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Beitrag von Wise Guy »

Benedikt hat geschrieben:Nein. Die Botschaft steht zunächst in der Schrift, landet dann (hoffentlich mit Hilfe des Heiligen Geistes, den vielzitierten) in meinem Kopf. Bei der selektiven Exegese ist es umgekehrt. Da ist zunächst der Kopf. Und was nicht passt, wird passend gemacht.
Mach dir bitte nichts vor, in keinem Text der Welt steht die Botschaft so drin, du liest sie heraus, stellst die Worte in einen größeren Zusammenhang usw.
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Wächtersbach
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Beitrag von Wächtersbach »

Benedikt hat geschrieben:...Zum einen, weil ich die Bibel wirklich als Quelle der Wahrheit ansehe...
hallo benedikt,

lassen wir mal alle streitigkeiten oben außer acht *handreich*.

kannst du noch ein bisschen erläutern, wie du das meinst? fänd ich echt mal interessant...

wächtersbach

Benedikt

Beitrag von Benedikt »

Quelle der Wahrheit in drei Schritten:

1. Quelle bedeutet soviel wie Ursprung. Der Quelltext eines Computerprogramms enthält alle wichtigen Informationen. Daher ist die Bibel das Buch, wo wir die Wahrheit finden.

2. Eine Quelle ist lebendig. Die Bibel ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern wurde vom Menschen geschrieben. Daher reicht der Ursprung nicht aus. Wir müssen die Bibel ernst nehmen, doch sie ist von Menschen geschrieben, ein inspiriertes und authentisches Zeugnis des Wirken Gottes in der Heilsgeschichte.

3. Eine Quelle ist letzten Endes Durchlauf. Eine Quelle erschafft kein Wasser, sondern sie ist nur die Stelle, wo das Wasser aus dem Berg nach außen tritt. Das heißt auf das Beispiel übertragen: Die Bibel ist ein Durchlass göttlicher Offenbarung zu uns Menschen. Sie enthält also auch nur das, was wir fassen können. Vieles ist in der Tiefe verborgen, das wir allenfalls erahnen können.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Sag mal, Benedikt ... was ist für dich an der Frage so interessant? Glaubst, es gibt da eine schlüssige Antwort drauf?

Weiter vorn hat Erich was sehr Kluges dazu gesagt ...aber es scheint mir irgendwo nicht richtig durchgedrungen zu sein.

Brauchen wir eine Antwort ...weil es uns einfach schwerfällt, zu glauben, dass Gott ....so sein kann?

Der Mensch hat nun mal gern eine klare Linie ...und sucht die auch bei seinem Schöpfer.

Geronimo

Benedikt

Beitrag von Benedikt »

Der Mensch hat nun mal gern eine klare Linie ...und sucht die auch bei seinem Schöpfer.
Eben. Und fragen kostet nichts.

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Vielleicht hilft das ein wenig zum Verständnis mancher biblischer "Brutalgeschichten":
http://members.surfeu.at/veitschegger/t ... rausam.htm

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Benedikt hat geschrieben:
Der Mensch hat nun mal gern eine klare Linie ...und sucht die auch bei seinem Schöpfer.
Eben. Und fragen kostet nichts.
Klar ... nur von wem willst du die Antworten bekommen? Von uns? Oder Gott?
Gibt es nicht auch so was wie ...einfach die Spannung aushalten, die manches Biblische von abfordert? Und zu wissen, dass uns die Auflösung verwehrt ist?

Was wäre denn mit einem Gott, der so etwas fordert - was wäre dieser Gott für uns?

Unerträglich ...?

Geronimo

Benedikt

Beitrag von Benedikt »

Geronimo, in Gesprächen werden einem diese Bibelstellen oft vorgehalten. Daher mache ich mir über solche Fragen - die sicher nicht wichtig für mein eigenes Glaubensleben sind - Gedanken. Ich halte es da mit Boethius: "Verknüpfe, soviel du vermagst, den Glauben mit der Vernunft" Ich bin mir durchaus bewusst, dass mein Vermögen eingeschränkt ist.

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

@ Benedikt:
http://members.surfeu.at/veitschegger/t ... rausam.htm
Hilft dir das gar nicht?

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Benedikt hat geschrieben:Geronimo, in Gesprächen werden einem diese Bibelstellen oft vorgehalten. Daher mache ich mir über solche Fragen - die sicher nicht wichtig für mein eigenes Glaubensleben sind - Gedanken. Ich halte es da mit Boethius: "Verknüpfe, soviel du vermagst, den Glauben mit der Vernunft" Ich bin mir durchaus bewusst, dass mein Vermögen eingeschränkt ist.
Das ist klar, Benedikt. Ich kenne auch solche vertrackten Gespräche, die manchmal von Leuten mir aus dem Nichts heraus aufs Auge gedrückt werden. Ich frage mich bloß, ob irgendwelche exegetischen Ausführungen dann für den Gesprächspartner die Lage erhellen - ganz einfach, weil ich selbst nicht richtig hinter solchen Ausführungen stehe ...

Ich wollte eigentlich deshalb eher mal auf den Punkt kommen - was ist, wenn wir keine Erklärungen finden? Und das anderen gegenüber vertreten müssen?
Und was bedeutet das alles für unser Gottesbild?

Geronimo

Benedikt

Beitrag von Benedikt »

Dein erster Absatz spricht mir aus dem Herzen.
Ich wollte eigentlich deshalb eher mal auf den Punkt kommen - was ist, wenn wir keine Erklärungen finden? Und das anderen gegenüber vertreten müssen?
Das fällt mir nich leicht. Offensichtlich finde ich keine Erklärungen.
Und was bedeutet das alles für unser Gottesbild?
Und hier wird es noch schwieriger. Die erwähnten Stellen aus der Bibel sind absolut unkompatibel mit meinem Gottesbild. Ich sehe nicht, dass sie eine Facette aufdecken könnten, die meinem Gottesbild fehlen würde. Dies würde nur ein widersprüchliches Gottesbild ergeben. Dein Ansatz, auf Gott zu vertrauen, gefällt mir prinzipiell. Aber mein kritisch hinterfragender und skeptischer Geist, der oft ein Segen ist, erweist sich hier eher als Hindernis.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich stand nicht vor langem vor demselben Problem, als ich mit andern eine Reihe von Liturgien und Katechesen zum Thema der Eroberung des Gelobten Landes, sprich: zum Buch Josue, vorzubereiten hatte.

Aber ich will erst mal noch folgende Begebenheit zu bedenken geben:

Lucas (Act 5,1-11) hat geschrieben:»Ein Mann aber, mit Namen Ananias, samt seiner Frau Saphira, verkaufte ein Gut und entwendete von dem Erlös, unter Mitwissen seiner Frau, und brachte einen Teil davon und legte ihn den Aposteln zu Füßen. Petrus aber sprach: Ananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, den heiligen Geist zu belügen und von dem Erlös des Gutes etwas zu entwenden? Konntest du es nicht als dein Eigentum behalten? Und als du es verkauft hattest, war es nicht in deiner Gewalt? Warum beschlossest du denn in deinem Herzen diese Tat? Du hast nicht Menschen belogen, sondern Gott! Als aber Ananias diese Worte hörte, fiel er nieder und verschied. Und es kam große Furcht über alle, die es hörten. Es standen aber die Jünglinge auf, hüllten ihn ein, trugen ihn hinaus und begruben ihn. Und es begab sich, nach einer Weile von ungefähr drei Stunden, da kam seine Frau herein, ohne zu wissen, was geschehen war. Da hob Petrus an und sprach zu ihr: Sage mir, habt ihr das Gut um so und so viel verkauft? Sie sprach: Ja, um so viel! Petrus aber sprach zu ihr: Warum seid ihr übereingekommen, den Geist des Herrn zu versuchen? Siehe, die Füße derer, die deinen Mann begraben haben, sind vor der Tür und werden auch dich hinaustragen! Da fiel sie alsbald zu seinen Füßen nieder und verschied; und als die Jünglinge hereinkamen, fanden sie sie tot und trugen sie hinaus und begruben sie bei ihrem Manne. Und es kam große Furcht über die ganze Gemeinde und über alle, die davon hörten.«
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Fichtel-Wichtel
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Beitrag von Fichtel-Wichtel »

Nun neben den vielen kriegerischen Auseinandersetzungen im AT.gibt es auch viele positive erfreuliche Begebenheiten.Und außerdem hat Gott nicht nur immer auf der Seite seines auserwählten Volkes gestanden,sondern oft genug auch die anderen vielen Völker gewinnen lassen.
Oder er hat nicht nur Moses mit Strenge behandelt und ihn nicht nach Jerusalem einziehen lassen.Oder er hat einfach soundsoviele Juden töten lassen,wegen irgendwelcher Vergehen.
Nicht nur die Ägypter hat er mit den 7 Plagen geschlagen,sondern auch Josef wegen seinem unhöflichen geschwisterlichen Verhalten ziemlich arg ran genommen.
Erst später landete er dann auf der Sonnenseite des Lebens.
Vielleicht sollten wir mal eine Aufzählung von positiven Ereignissen im alten Testament vornehmen.Das wäre doch eine ganz gute Handreichung im / für Gespräch(e) mit Menschen die eigentlich genauso wie wir überwiegend die negativen ,kriegerischen,harten Seiten des alttestamentarischen Seiten und Verhaltensnormen Gottes und der Völker,sowie Einzelpersonen über die die Bibel berichtet ,sehen, darüber reden.
Sollte es dann genug Material sein kann es vielleicht gesichte,zusammengestellt und gegen einen Unkostenbeitrag hier auf dem Forum erworben werden.
Das von Roncalli angeführte Beispiel aus der Website,ist sehr gut rausgearbeitet,für den alltgl.Gebrauch mit Kumpel Anton und dem Sepp sowohl in Bayern,als auch in Österreich ein wenig sehr wissenschaftlich,mit Beispielen kann man wesentlich besser argumentieren,wenn solche Fragen auftauchen im alltgl.Kontakt mit Menschen die sich so ihre Gedanken über das göttliche Verhalten im Alltag des AT. machen.
Meine Meinung jedenfalls,
Gruß,
FiWi

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Robert Ketelhohn
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Grausamkeiten im Alten Testament?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Nun ja, den gnadenlosen Vernichtungskrieg bei der Landnahme zum Beispiel würde man heute wohl Völkermord nennen. Das ist schon starker Tobak – nicht leicht zu verdauen.
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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Nun ja, den gnadenlosen Vernichtungskrieg bei der Landnahme zum Beispiel würde man heute wohl Völkermord nennen. Das ist schon starker Tobak – nicht leicht zu verdauen.
Darüber komme ich auch nicht hinweg; was soll man da machen?

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Nun ja, den gnadenlosen Vernichtungskrieg bei der Landnahme zum Beispiel würde man heute wohl Völkermord nennen. Das ist schon starker Tobak – nicht leicht zu verdauen.
Ewald Mrnka hat geschrieben:Darüber komme ich auch nicht hinweg; was soll man da machen?
Ich bringe mal die Übersetzung eines Werks, das sich damit beschäftigt und die Sache anhand eines gut verständlichen Gleichnisses erklärt. Es ist viel Text, liest sich aber ziemlich leicht.
Diakon Andrej Kuraew hat geschrieben:"Die Religion Israels ist relativ spät auf der Arena der Weltgeschichte erschienen. Die Menschheit hatte mehr als ein Jahrtausend Kulturgeschichte hinter sich. Die ägyptischen Pyramiden standen schon. Die sumerischen Legenden waren schon geschrieben. Auf Kreta war das Labyrhinth bereits gebaut. In den verschiedensten Völkern wurden verschiedene Varianten der Legende erzählt, daß Gott gestürzt und/oder getötet worden ist. Seine Stelle nahmen inzwischen die jetzigen "Herren des Himmels" ein: die "Baale" ("Baalim", vgl. z.B. Ri. 2,11; 3,7 u.a.). Die Verwandten der Hebräer, die Bewohner Kanaans, glaubten so; der Höchste Gott (der von ihnen El genannt wurde; daher "Allah" bei den Moslems und El, Eloah, Elohim als Namen Gottes in der Bibel) sei von seinem Urenkel Baal gestürzt worden. Ähnliches glaubten die Griechen; die Welt wurde in ihren Vorstellungen vom Usurpator Zeus beherrscht, der seinen Vater Kronos entmachtet hatte. Im Sumer wurde geglaubt, daß ihr derzeitiger Gott - Marduk - an die Macht kam, nachdem er die Urmutter Tiamat getötet hatte...

Die Menschen dienten Geistern, und die Religion war untrennbar mit Magie und Zauberei verbunden. Das lag nicht nur am schwachen menschlichen Wesen. Jene Geister, die unter so verschiedenen Namen angerufen wurden, waren hinreichend real. Sie konnten den Menschen eine gewisse Hilfe gewähren, aber unter der Bedingung, daß sich die Anbetung durch die Menschen auf sie beschränkt und nicht Gott sucht.

Mit einem Wort - die Menschheit hatte zur Zeit Mose schon eine sehr lange, und nicht allzu erfolgreiche religiöse Geschichte hinter sich. Das, was mit Moses passierte, ist nicht zu verstehen, wenn man ihn lediglich aus unserer Zeit und mit unseren Maßstäben betrachtet. Wenn die Sonne strahlt, scheint einem ein kleines Lichtchen unnötig, es macht eher Ruß als Licht. Aber stellen wir uns vor, daß die Sonne noch nicht aufgegangen ist. Dann finden sich gute Worte auch über ein kleines Licht.

Die Brutalitäten des Alten Testaments scheinen erschreckend. Aber ... wenn wir darüber so empfinden, dann heißt das, es hat uns letzten Endes doch zu dem Ziel geführt, dessentwegen es einst gegeben wurde. Die Welt ist tatsächlich besser geworden. Das moralische Empfinden hat sich verfeinert. Wir sind inzwischen fähig, uns über das, was in früheren Zeiten als selbstverständlich galt, zu empören.

(...)

Ein ganz und gar nicht heller Hintergrund existiert beim Auftauchen Israels und umgibt es im Verlaufe seiner Wanderungen. Die Welt ist von Heidentum und Tod befallen. Da bauen die Menschen den babylonischen Turm. Wozu? Nicht dazu, um zu den Füßen Gottes niederzufallen, sondern dazu, sich vor dem Himmel und den anderen Menschen mit den Errungenschaften ihrer "wegweisenden Technologie" zu brüsten und "sich einen Namen" zu machen.

Darin liegt das Problem: wenn Gott verloren wurde, ist es dem Menschen unmöglich, Ihn wiederzufinden. Wie es einst der hl. Johannes Chrysostomos ausdrückte - wie kann der Mensch das wiederherstellen, was Gott Selbst zerstört hat? Wenn Gott Sein Gesicht abgewendet hat, kann der Mensch in keiner Weise "drumrumlaufen", um Ihm wieder in die Augen zu schauen. (...)

Zurück zur Ausgangssituation für die ganze Geschichte Israels. Gott wurde einsam auf der Welt. "Es ist kein Mensch auf Erden, der Gutes tue..." (Ekkl. 7:20). Die Strahlung der Sünde und des Todes hat nach einer Reihe von ersten Katastrophen (von den Ereignissen im Garten Eden bis zum Turmbau zu Babel) die ganze Erde erfaßt.

Stellen wir uns vor, auf der Erde hat ein Atomkrieg stattgefunden. Eine gewisse Anzahl Menschen hat überlebt. Aber sie befanden sich nun in einer Welt, in der nicht einmal Bunker sie vor dem Tod schützen können. Die ganze Erde, das Wasser, die Luft sind von der tödlichen Strahlung durchdrungen. Es gibt eine einzige Chance, wenigstens einer Handvoll Menschen aus zukünftigen Generationen Sicherheit zu geben: während des Kriegs war eine Raumstation im Orbit, auf der man Experimente zum Pflanzenwuchs in der Schwerelosigkeit durchführte. Da sie sich im Orbit befand, haben die Stürme des Atomkriegs sie nicht behelligt. Auf dieser Raumstation, und nur dort gibt es gesundes Saatgut, eine Handvoll unverseuchte Erde und einen Tank mit sauberem Wasser. Und diese Raumstation wird auf die Erde geholt, damit man diese nun schon unikalen Ressourcen nutze. Wenn man die Samen, die sich auf ihr befinden, einfach nur verteilt, würde das niemandem helfen.

Die Regierung, die die verbliebene Menschheit führt, entscheidet sich für harte Maßnahmen: es wird ein kleines Grundstück ausgewählt, von dem die obere, verseuchte Erdschicht abgetragen wird. Die zutagegetretenen Schichten werden mit Feuer ausgebrannt und durchgeglüht, damit keine einzige Spore eines mutierten Gewächses auf dieser Oberfläche bleibe.

Auf dieses gesäuberte Grundstück wird die gesunde Erde von der Raumstation geschichtet. Das gesunde Saatgut von ebendaher wird dort ausgesät, und sparsam mit unverstrahltem Wasser gegossen. Und an den Begrenzungen des Grundstücks wird eine Wache aufgestellt, damit keiner von den Menschen oder Tieren diesen einmaligen Anbau zertreten könne. Damit nicht einmal der Blütenstaub von Mutanten oder radioaktiver Staub hereindringt, wird das Grundstück mit einer durchsichtigen Kuppel überdacht.

Trotzdem dringt durchs Grundwasser, durch Risse in der Kuppel, durch eintretende Menschen, Hintergrundstrahlung von benachbarten Grundstücken die Radioaktivität selbst hier hinein. Die Pflanzen sind weniger krank als in nichtgereinigten Bereichen, aber trotzdem auch krank. Auch hier tauchen hin und wieder mutierte Pflanzen auf. Und wenn der eine oder andere Trieb so aussieht, als würde er diese krankhaften Mutationen zeigen, schneidet der Gärtner ihn ohne Gnade ab und verbrennt die vertrockneten oder mutierten Halme und Zweige. Die erste Ernte wird nicht unter den Menschen verteilt. Sie wird vollständig wieder angepflanzt (denkt daran, wie der Gärtner Robinson Crusoe seinen Garten bestellte). Manche verhungern - aber auch ihnen wird keine Handvoll der wertvollen Körner gegeben. Und das läuft so viele Generationen lang, bis, letztlich, ein Saatgut entstanden ist, das so resistent gegen die Strahlung ist, daß man daraus ein Gegenmittel gewinnen kann und alle Pflanzen zu heilen vermöge - sowohl unter der Kuppel, als auch außerhalb - auf der ganzen Erde. Letzlich hat unter den vielen Tausend Trieben ein Zweigchen die Frucht gebracht, wegen welcher diese seltsame Art Gärtnerei angelegt wurde. Diese Frucht kann man aus dem Bereich der Versuchskuppel heraustragen und allen denen geben, die sie wünschen, damit bei ihnen, die schon seit Generationen krank sind, eine neue, diesmal eine gutartige, Mutation stattfinde.

Analog zu diesem Szenario sind auch die Grausamkeiten in der Geschichte Israels nicht so sehr durch die Grausamkeit des Volkes von Israel und seines Gottes bedingt, als durch die Einmaligkeit Jener Gabe, Die durch Israel in die Welt treten sollte. Damit die "neue Generation Israels nicht Pepsi-Cola wählt", wird um Israel herum eine Wand der Isolation aufgebaut. Jeder Mensch und jedes Volk trägt das Heidentum in sich. Wenn man dem religiösen Gefühl des Menschen freien Lauf läßt, schafft es sich genau das Heidentum, eine angenehme Religion des Verkehrs mit Geistern. Wenn es dazu noch eine äußere Einwirkung gibt, die von der heidnischen Kultur und dem Alltag ausgeht, wird das gänzlich unvermeidlich. Also wird eine strenge Quarantäne verordnet.

Und das alles, damit auf dem Baum Jesse ein einziger Zweig entstünde, ein einziger Trieb. Damit es auf der Erde eine Seele von solcher Reinheit gäbe, solch einer Offenheit vor Gott, daß, wenn Sie sagt: "Siehe, ich bin des HERRN Magd; mir geschehe, wie Du gesagt hast", in Ihr das Wort Gottes menschlichen Leib annehmen könne. Auf der Erde entsteht jenes Himmlische Brot, das man nunmehr schon allen Menschen, allen Epochen verteilen kann.

Das ist der fundamentale Unterschied zwischen dem christlichen Verständnis der Geschichte Israels und dem jüdischen. Vom Standtpunkt der Christen hat die Geschichte Israels ein Ziel. Das ist ein schwerer, aber notwendiger Weg, der eines Tages zu Ende sein wird. Und das, was am Ende dieses Weges erworben werden sollte, wird nicht nur Israel und nicht nur um Israel willen gegeben werden. Durch Israel wird es allen und um aller Menschen willen gegeben werden. Das bedeutet - Israel tötet die Heiden nicht für das Glück seiner eigenen Nachkommen, sondern ebenso für das Heil der Nachkommen derer, die ihm und seiner Mission jetzt noch entgegenstehen.

Das Christentum achtet die historische Mission des Volkes Israel weit höher als Israel selbst. Nicht um seiner selbst willen existiert Israel, sondern um der ganzen Menschheit willen. Jenes Maß an Nähe zu Gott, das es hat, wurde ihm nicht dafür gegeben, es für immer von den anderen Völkern abzuheben, sondern dafür, daß die besonderen Privilegien Israels einmal allen Menschen zuteil würden."
Quelle: Diakon Andrej Kuraew, "Тайна Израиля" ("Das Geheimnis Israels")

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