Karl Rahner

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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mr94
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Beitrag von mr94 »

Zum Komplex Anthropozentrismus vs. Theozentrismus kann ich zur Lektüre empfehlen:

Wer ist Johannes Paul II. eigentlich?
Der Christozentrismus oder die gott-menschliche Dimension der Erlösung des Menschen: Gedanken zum Kern der Botschaft, die der Papst seit 25 Jahren verkündet
DT vom 16.10.2003
Von Tadeusz Styczen

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

mr94 hat geschrieben:Sorry, aber mehr als Kopfschütteln fällt mir dazu nicht ein... Hier findet wohl jede noch so absurde These ihre Claqueure.

Was kommt als nächstes? Verschwörungstheorien?
Aber all diese Leute finden gerade Rahner toll. Da soll es keinen Zusammenhang geben?

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

mr94 hat geschrieben:Sorry, aber mehr als Kopfschütteln fällt mir dazu nicht ein... Hier findet wohl jede noch so absurde These ihre Claqueure.

Was kommt als nächstes? Verschwörungstheorien?
Die Krankheit des Papstes ist wohl darauf zurückzuführen, dass er sich früher mehrmals "mit bedachter Zustimmung" positiv über Rahner geäußert hat... :roll:

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Dirk hat geschrieben:Ich merke heute bei vielen Menschen, besonders Theologen, dass sie nur noch wenig damit anfangen können, dass Jesus nicht nur Mensch, sondern auch Gott war.
Ich kann auch wenig damit anfangen, dass Jesus Gott war. Denn für mich ist Jesus noch immer Gott! - Und ich muss zugeben, dass ich auch Karl Rahner oft mit Wohlgefallen gelesen habe.

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mr94
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Beitrag von mr94 »

Dirk hat geschrieben:Aber all diese Leute finden gerade Rahner toll. Da soll es keinen Zusammenhang geben?
Über Zusammenhänge und Kausalität solltest Du als Akademiker eigentlich besser informiert sein.

Aber im Ernst:

1. Deiner Diagnose ("Ich merke heute bei vielen Menschen, besonders Theologen, dass sie nur noch wenig damit anfangen können, dass Jesus nicht nur Mensch, sondern auch Gott war. Alles, was Jesus getan hat, wird nur noch aus menschlicher Perspektive interpretiert. Der Gottmensch ist bei vielen zu einem reinen Menschen geworden, mit allen Konsequenzen, die daraus für das Glaubensleben folgen.") könnte ein wenig mehr Präzision nicht schaden. Wie siehst Du das Verhältnis von Theologie und Glauben? Und von welchen Theologen sprichst Du? Ross und Reiter nennen...

2. Deine rhetorische Frage ("Kann man diese Fehlentwicklung eigentlich auf Rahner mit seiner anthropozentrischen Wende zurückführen?") lädt zwar zum bequemen Rahner-Bashing ein, aber dient sie der Wahrheitsfindung? Da wäre es doch wenigstens wünschenswert, diese besagte anthropozentrischen Wende etwas genauer zu skizzieren. Ich wüsste nicht, dass sie darin bestanden hätte, den Gottmenschen auf einen reinen Menschen zu reduzieren. Ein einfacher Rückschluss "Fehlentwicklung << anthropozentrische Wende << Rahner" scheint mir etwas zu billig.

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Die "anthropozentrische Wende" hat mit einer "Entgöttlichung" Jesu nichts zu tun. Schon eher findet sich diese Wende in dem Wort von Johannes Paul II.: "Der Mensch ist der Weg der Kirche." - Übertragen auf die Theologie heißt das: "Der Mensch ist der Weg der Theologie."

PS: Das Ziel ist und bleibt Gott.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Johannes Paul II., zitiert von „Roncalli“ hat geschrieben:»Der Mensch ist der Weg der Kirche.«
Ich dachte, Jesus Christus sei der Weg. Der Menschensohn. Unser Herr und Gott.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ mr94
mr94 hat geschrieben:Sorry, aber mehr als Kopfschütteln fällt mir dazu nicht ein... Hier findet wohl jede noch so absurde These ihre Claqueure.

Was kommt als nächstes? Verschwörungstheorien? (Es gibt ja die Behauptung, Rahner habe das II. Vaticanum manipuliert.)
Ironie an>Is' schon klar, mr94, Rahner-Kritiker können nur Claquere sein!<Ironie aus

GsJC
Raphael

Ralf

Beitrag von Ralf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Johannes Paul II., zitiert von „Roncalli“ hat geschrieben:»Der Mensch ist der Weg der Kirche.«
Ich dachte, Jesus Christus sei der Weg. Der Menschensohn. Unser Herr und Gott.
Der Weg des Menschen, ja. Der Weg der Kirche ist der Mensch. Wo ist das Problem?

Und Dirk: die Geburtenrate in Deutschland verläuft parallel zum Vorkommen von Storchenpaaren (hast Du die Graphik in der Statistik-Vorlesung nie gesehen?)...

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mr94
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Beitrag von mr94 »

Raphael hat geschrieben:Ironie an>Is' schon klar, mr94, Rahner-Kritiker können nur Claquere sein!<Ironie aus
Ironie, die man kennzeichnen muss, ist keine. Und ein schlichtes Ja ohne Begründung ein reichlich dürftiger Diskussionsbeitrag.

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Johannes Paul II., zitiert von „Roncalli“ hat geschrieben:»Der Mensch ist der Weg der Kirche.«
Ich dachte, Jesus Christus sei der Weg. Der Menschensohn. Unser Herr und Gott.
... als Menschgewordener! Lies nach beim Papst, er ist nicht häretisch.

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Johannes Paul II. hat geschrieben:Der Mensch in der vollen Wahrheit seiner Existenz, seines persönlichen und zugleich gemeinschaftsbezogenen und sozialen Seins - im Bereich der eigenen Familie, auf der Ebene der Gesellschaft und so vieler verschiedener Umgebungen, auf dem Gebiet der eigenen Nation oder des eigenen Volkes oder vielleicht auch nur des eigenen Klans oder Stammes, schließlich auch im Bereich der gesamten Menschheit - dieser Mensch ist der erste Weg, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrags beschreiten muß: er ist der erste und grundlegende Weg der Kirche, ein Weg, der von Christus selbst vorgezeichnet ist und unabänderlich durch das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung führt. [...] Christus ist mit jedem Menschen, ohne Ausnahme, in irgendeiner Weise verbunden, auch wenn sich der Mensch dessen nicht bewußt ist. (Redemptor Hominis 14)
Auch wenn der Papst hier ein wenig "rahnert", sollte man ihn ernst nehmen...

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

mr94 hat geschrieben: Und von welchen Theologen sprichst Du? Ross und Reiter nennen...
Weil ich fast jedes Wochenende in irgendeiner anderen Gemeinde in Deutschland bin, könnte ich Dir viele dieser Theologen zeigen - sie mit Namen zu nennen würde sich nicht lohnen. Ein bekannter Rahnerschüler mit eben den beschriebenen Problemen mit der Gottheit Christi ist Herbert Vorgrimler.
2. Deine rhetorische Frage ("Kann man diese Fehlentwicklung eigentlich auf Rahner mit seiner anthropozentrischen Wende zurückführen?") lädt zwar zum bequemen Rahner-Bashing ein, aber dient sie der Wahrheitsfindung? Da wäre es doch wenigstens wünschenswert, diese besagte anthropozentrischen Wende etwas genauer zu skizzieren. Ich wüsste nicht, dass sie darin bestanden hätte, den Gottmenschen auf einen reinen Menschen zu reduzieren. Ein einfacher Rückschluss "Fehlentwicklung << anthropozentrische Wende << Rahner" scheint mir etwas zu billig.
Man findet diese Fehlentwicklung ja auch schon bei Rahner. . Entgegen der Chalkedonensischen Christologie ist für Rahner – besonders deutlich in seinem Spätwerk – der Logos nie eine göttliche Person, „infolgedessen ist Christus nur eine menschliche Person, eine die Gott annimmt und von Gott angenommen wird.“ Christus meint in seiner Wirklichkeit nicht mehr als „genau das, was wir sind“ (K. Rahner).
http://www.die-tagespost.de/Archiv/tite ... .asp?ID=41

Das scheint mir nicht billig zu sein, sondern offensichtlich.

Raphael

Beitrag von Raphael »

@ mr94
mr94 hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:Ironie an>Is' schon klar, mr94, Rahner-Kritiker können nur Claquere sein!<Ironie aus
Ironie, die man kennzeichnen muss, ist keine.
Ironie an>Entschuldige bitte, daß ich Mißverständnisse vermeiden wollte!<Ironie aus
mr94 hat geschrieben:Und ein schlichtes Ja ohne Begründung ein reichlich dürftiger Diskussionsbeitrag.
Ironie an>Jetzt wo Du's sagst, fällst es mir auch auf!<Ironie aus

Aber vielleicht kannst Du mir ja die bereits andernorts gestellte Frage beantworten: Wieso mußte Karl Rahner SJ sich bei der Verbreitung seiner Theologie so kompliziert ausdrücken? :roll:

GsJC
Raphael

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Lieber Dirk, ich will mich eigentlich nicht mehr in die hier geführte Rahner-Diskussion einschalten, aber ich muss wenigstens etwas klarstellen:
Der Person-Begriff hat sich im Lauf der Jahrhunderte ja geändert. Heute verstehen wir unter Person auch ein eigenes Aktzentrum. In Gott gibt es aber nicht drei Aktzentren. Darum meidet Rahner das missverständliche Wort "Person" und spricht in Anlehnung an den altchristlichen Begriff "Hypostase" von drei "distinkten Subsistenzweisen". Das kann man natürlich kritisieren, aber häretisch ist Rahner nicht. Ich sage dazu manchmal scherzhaft, Rahner hat einen miss-verständlichen durch einen un-verständlichen Begriff ersetzt! Das Anliegen Rahners sollte man ernst nehmen, freilich auch das seiner Gegner in dieser Frage (z.B. G. Greshake, Der dreieine Gott, 1997).

Peter
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Beitrag von Peter »

Ich sage dazu manchmal scherzhaft, Rahner hat einen miss-verständlichen durch einen un-verständlichen Begriff ersetzt!
Seufz. Ich kann’s nachfühlen; habe ich doch manchmal Hemmungen, irgendeine christologische Aussage zu machen, aus Angst, gleich wieder in irgendeine Häresie zu tappen.

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Samuel
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Beitrag von Samuel »

Dirk hat geschrieben:Ich merke heute bei vielen Menschen, besonders Theologen, dass sie nur noch wenig damit anfangen können, dass Jesus nicht nur Mensch, sondern auch Gott war...

Aber all diese Leute finden gerade Rahner toll.
Nun, ich bin auch schon Menschen begegnet, die den Glauben total verwässern und sich dafür auch noch auf Rahner berufen. Dazu folgende Überlegungen (man verzeihe mir die starke Vereinfachung):

Rahner wirkte in einer Zeit, als in der katholischen Kirche eine "Festungsmentalität" vorherrschte: Neuerungen, insbesondere auf dem Gebiet der Bibelwissenschaften wurden als unchristlich verdammt. (Man nehme nur die Antworten der Bibelkommission auf entsprechende Anfragen: DH 3505-3528).
Vielen, insbesondere Intellektuellen, erschien die Kirche damals völlig veraltet, und sie taten sich hart, der Kirche zu glauben, wenn diese forderte, man solle akzeptieren dass 2+2=5.
Für solche Menschen brachte Rahner eine Befreiung, da er die Menschen- und Vernunftgemäßheit des Glaubens lehrte. Sie erlebten: "Ich darf wieder glauben" und konnten ihren (nun in akzeptable Form gebrachten) Kinderglauben wieder ausgraben.

Heute ist die Situation anders: Das Glaubensfundament ist weitgehend weggebrochen und es stellt sich die Frage: Wie bringen wir junge Menschen zum Glauben?
Viele in der Jugendarbeit Beschäftigte werden darauf antworten: "Indem wir die jungen Menschen dort abholen, wo sie stehen". Für einen solchen Ansatz kann man tatsächlich auf Rahner zurückgreifen, da er die Tiefendimensionen unseres alltäglichen Daseins aufzeigt und zeigt, inwiefern wir (immer schon) auf Christus hingeordnet sind.
Dieser Weg ist jedoch mühsam: Selbst wenn man die Jugendlichen abholt, gelingt es oft nicht, sie auch bis in die Kirche zu führen. Da liegt es nahe, zu sagen: "Auf den Kirchgang kommt es nicht an, Hauptsache sie sind gute Menschen" - und sich dafür auch noch auf Rahner zu berufen, der sich (um die Menschengemäßheit des Glaubens darzutun) ja tatsächlich bemüht hat, unseren Gottesbezug auch ausserhalb der kirchlichen Vollzüge aufzuzeigen (vgl. etwa die unsägliche Rede vom "anonymen Christen")

Ein anderer Weg, der oft erfolgsversprechender aussieht, wird heute insbesondere von neuen geistlichen Gemeinschaften beschritten: Man holt die Jugendlichen nicht mehr dort ab, wo sie sind, sondern lädt sie ein, sich in ein intensiv religiöses Umfeld zu begeben (etwa zum WJT, nach Medugorje, zu Prayerfestivals und Holy Hours...), um dort zu erleben, wie erfüllend... die Gottesbeziehung ist.
Dieser zweite Weg passt übrigens gut in unsere heutige postmoderne Patchwork- und Eventkultur.

Die Vertreter dieser beiden Wege leben bisweilen in einer gewissen Opposition; da sich die ersteren gerne auf Rahner berufen, ist eine gewisse Reserve gegen Rahner bei Zweiteren verständlich.

Welchen Sinn hat es nun, sich heute mit Rahner zu beschäftigen?

Wenn ich jungen Menschen helfen will, eine Gottesbeziehung zu leben, so gelingt mir das am besten, indem ich Anbetungsstunden, Fahrten zu Prayerfestivals... anbiete.

Trotzdem habe ich in meiner letzten Pfarrei einen Rahner-Kurs gehalten und habe vor, dies hier wieder zu tun. Meine Motivation dazu ist (hoffentlich) nicht nur, weil ich Rahner-Diskussionen liebe ;) sondern auch folgende:
Bei allen Vorzügen kommt bei den neuen Gemeinschaften doch auch manches Ungesunde vor: Neigungen zu Fundamentalismus, zu recht abstrusen Vorstellungen... Kinderkrankheiten, gewiss, dennoch halte ich es für sinnvoll, hier ein rationales Gegengewicht zu setzten - und dafür eignet sich m.E. Rahner hervorragend.

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Samuel, diesem Beitrag stimme ich zu. Die Wirkung Rahners grade mit sienen kleinen Schriften ( ich hab ehedem mal das Mini-Bändchen "Worte gläubiger Erfahrung" geschenkt bekommen) hat damals vielen Leuten Mut gemacht, sich auf ihre eigene Glaubenserfahrung zu einzulassen bzw. auch die von ihnen subjektiv erlebte Gottferne nicht als das Ende zu betrachten. Für den - ich will ihn mal so nennen - einfachen Christen wie mich damals waren bestimmte Worte Rahners überaus trostvoll, weil sie eben weit weg von jedem theologischen Gehabe mir versicherten, dass auch mein magerer Glaube und meine ganze irdische Unzulänglichkeit christlich gelebtes Leben sein kann.
Diese Verdienste würde ich ihm auch nie abstreiten.

Mulmig wird es mir einfach, wenn Rahner nicht als ein Teil der Theologie oder eine theologische Stimme gehandelt wird, sondern von bestimmten Leuten quasi schon in den Rang eines Kirchenlehrers erhoben wird. Da entsteht eben die Gefahr der Einäugigkeit, denn was den Kern von Rahners Theologie betrifft, ja, da sehe ich schwarz ...und bin Roberts und Jürgens Ansicht.

Gut wäre ja, wenn Rahner als eben einer der Theologen des letzten Jahrhunderts angesehen würde und man wertfrei seine Verdienste und seine Schwachstellen anschauen würde. Denn jeder Theologe hat Schwachstellen, selbst die Kirchenlehrer haben ihre Schräglagen. Ob das Augustin ist oder Thomas von Aquin oder wer auch immer in der illustren Reihe ... wir haben es hier mit Menschen zu tun, die in ihrer Auffassung fehl gehen können und es auch teilweise taten.

Ich denke, die Rahner-Diskussion würde sich entschärfen, wenn man ihn nicht auf ein Podest stellte, sondern ganz einfach als einen Theologen neben einer Reihe anderer betrachten. Sobald jedoch eine Verabsolutisierung seiner Theologie beginnt - und das ist ja teilweise der Fall - wirds kritisch, und da kann man auch verstehen, dass die Gegenseite auf die Barrikaden steigt und sein Werk auseinandernimmt.
Muss sie sich auch, um der Gefahr zu begegnen.

Rahner verficht für meinen Begriff eine sehr enge und mutlose Theologie - und das ist eben genau das, was wir heutzutage nicht brauchen.

Geronimo

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Samuel hat geschrieben:»Ich habe, als ich den Grundkurs gelesen habe, zu jedem Absatz ein paar Stichpunkte notiert - ist etwas langwieriger, aber man hat eine bessere Kontrolle, ob man etwas verstanden hat.«
[justify]Ehrlich gesagt stehe ich fassungslos vor solcher Rahner-Anhimmelei. Mann Gottes, der Kaiser ist nackicht, splitter-faser-etc. Nimm dir auf diese Weise doch die Heiligen Schriften vor und die Werke der heiligen Väter der Kirche.[/justify]
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Edi
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Beitrag von Edi »

Offenbar haben die Rahner-Apologeten gute Arbeit geleistet. So verurteilt Vorgrimler, ein Rahnerschüler die Kritik an Rahner mal als "niederträchtig", mal als böswillig. Hans Urs von Balthasar unterstellt Vorgrimler diesbezüglich sogar "pathologische Züge".

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Edi, das ist ja genau die Crux. Rahner wird nicht als Theologe angesehen, sondern als Bringer der Theologie, die der Mensch heut angeblich braucht. Und das ist völlig unwissenschaftlich gedacht. Weil aber so viel Gefühl hineinkommt, wird auch Kritik oder auch nur kritisches Hinsehen als Böswilligkeit aufgenommen. Meines Erachtens eine seltsame Herangehensweise ...

Meine Güte - selbst unseren Augustin halte ich in vielen Dingen nicht für das Gelbe vom Ei ... und Rahner soll unangreifbar sein?

Es wird auch der Glaube bei der Diskussion zu sehr mit den Glaubenszugängen verquickt ... letztendlich kann es nicht sein, dass Kritik von vornherein nicht erwünscht ist. Das ist eine Vergötzung Rahners, die unzulässig ist (und auch unwissenschaftlich).

Wir haben es hier mit dem Glaubenszugang eines einzelnen Menschen zu tun - dem wir gedanklich folgen mögen oder nicht, der gewiss teilweise faszinierende Züge hat, in einer gewissen Dosierung auch glaubensstärkend wirken kann, aber als ganzes Gebäude lediglich einen bestimmten Zugang zum Glauben anbietet, denn ich als reduziert bezeichnen möchte. Alles, was vom Menschen ausgeht, muss reduziert enden. Es fehlt an allen Ecken und Enden das Himmelsstürmende.

Mulmig wird es mir, wenn Leute hingehen und dieses Gedankengebäaude als heute gültige unangreifbare Theologie an sich verkaufen wollen. Da fehlt doch völlig der eigene Abstand zu der Sache.

Geronimo

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Edi
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Beitrag von Edi »

In der Wissenschaft gibt es bekanntlich auch herrschende "Schulen" und "Päpste", besonders auch in der Medizin. Das bezieht sich also nicht nur auf die Theologie. Jemand hat mal gesagt, es müssen erst die Professoren samt ihrer Schüler aussterben, bevor sich Neues durchsetzen kann.

Könnte man auch auf die Rahnerschule übertragen.

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Edi hat geschrieben:In der Wissenschaft gibt es bekanntlich auch herrschende "Schulen" und "Päpste", besonders auch in der Medizin. Das bezieht sich also nicht nur auf die Theologie. Jemand hat mal gesagt, es müssen erst die Professoren samt ihrer Schüler aussterben, bevor sich Neues durchsetzen kann.
Könnte man auch auf die Rahnerschule übertragen.
Bei Thomas von Aquin hat es etwas länger gedauert.

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mr94
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Beitrag von mr94 »

Wie der eine oder die andere vielleicht gesehen hat, habe ich gerade mit der Lektüre des Grundkurs des Glaubens begonnen. Inzwischen bin ich beim Zweiten Gang angekommen, irgendwo knapp über Seite 60. Was ich bisher gelesen habe, fand ich nicht komplizierter ausgedrückt als nötig. (Über Stil lässt sich immer streiten.) Es mag sein, dass sich das noch ändert. Die Christologie steht erst im Fünften Gang, wenn ich mich nicht irre. Vielleicht wird es ja noch komplizierter.

Ob Rahner unnötig kompliziert formuliert oder nicht, ist kein inhaltliches Argument. Man muss halt wissen, was man tut, wenn man ihn liest. Die Begriffe Grundkurs (im Titel) und Einführung (im Untertitel) signalisieren eine gewisse Harmlosigkeit und Anfängertauglichkeit - ein Versprechen, das allerdings nicht eingelöst wird.

Deshalb lese ich als Anfänger den Text auch nur relativ kursorisch und versuche nicht, im ersten Durchgang alles zu verstehen. Die erste spannende Frage ist, ob ich überhaupt das ganze Buch schaffe. Später kann ich immer noch gezielt nachschlagen.

Warum lese ich Rahner? In erster Linie aus Neugier. Gerade weil er hier zum Teil vehement abgelehnt wird, häufig relativ begründungsarm. Ich habe schon vor längerer Zeit David Bergers Abrechnung mit Rahner und seinen Schülern gelesen und bin ein wenig irritiert über den Ton, der darin angeschlagen wird - und den ich ganz ähnlich auch hier wieder höre.

Aber das liegt vielleicht nur daran, dass ich die Umgangsformen unter Theologen noch nicht so gut kenne. Habermas und Luhmann haben sich, jedenfalls in der Schriftform, auf etwas anderem Niveau gestritten.
Zuletzt geändert von mr94 am Dienstag 5. Oktober 2004, 15:09, insgesamt 1-mal geändert.

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Reinhard Gonaus
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Beitrag von Reinhard Gonaus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:[justify]...Ehrlich gesagt stehe ich fassungslos vor solcher Rahner-Anhimmelei. Mann Gottes, der Kaiser ist nackicht, splitter-faser-etc. ...[/justify]
Macht ja nix.
Kaiser, ob nackicht oder nicht, zum Anhimmeln freizugeben, ist ja neuerdings wieder Mode geworden, oder? :/
Reinhard
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Wir werden nie herausfinden, warum einer, der schnarcht,
sich selbst nicht schnarchen hören kann. (Mark Twain)

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Samuel
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Beitrag von Samuel »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Samuel hat geschrieben:»Ich habe, als ich den Grundkurs gelesen habe, zu jedem Absatz ein paar Stichpunkte notiert - ist etwas langwieriger, aber man hat eine bessere Kontrolle, ob man etwas verstanden hat.«
Ehrlich gesagt stehe ich fassungslos vor solcher Rahner-Anhimmelei. Mann Gottes, der Kaiser ist nackicht, splitter-faser-etc. Nimm dir auf diese Weise doch die Heiligen Schriften vor und die Werke der heiligen Väter der Kirche.
Ich habe den Eindruck, dass du bisweilen recht rasch urteilst. Ich habe in meinem Studium mehrere Bücher auf diese Weise gelesen - nicht um anzuhimmeln, sondern um zu verstehen.

@Mr94

David Berger ist m.E. kein gutes Beispiel für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Rahner. Es gibt auch sehr niveauvolle und ernstzunehmende Rahner-Kritiker. Sehr empfehlen kann ich Hans Urs v. Balthasar, bes. "Cordula oder der Ernstfall".

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mr94
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Beitrag von mr94 »

Balthasar habe ich schon auf der Liste. Leider kann ich nicht annähernd alles gleichzeitig lesen.

Frisch eingetroffen ist übrigens Dorothy L. Sayers: Creed or Chaos? Why Christians Must Choose Either Dogma or Disaster (Or, Why It Really Does Matter What You Believe)

Sehr günstig bei Amazon.com erworben.

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roncalli
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Beitrag von roncalli »

Karl-Rahner-Lesebuch
http://www.perlentaucher.de/buch/16828.html
Vielleicht ganz gut zur Auffrischung für alle, die für oder gegen Rahner schreiben wollen.

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Godjonga
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Beitrag von Godjonga »

Kann ich sehr empfehlen! :D 8)

Grüße

Mathias
MPHCEV: Mater perfectam habebit curam et victoriam

Geronimo

Beitrag von Geronimo »

Schön, mal wieder was von dir zu hören, Matthias!


Geronimo

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ralf hat geschrieben:
Ketelhohn hat geschrieben:
Johannes Paul II., zitiert von „Roncalli“ hat geschrieben:»Der Mensch ist der Weg der Kirche.«
»Ich dachte, Jesus Christus sei der Weg. Der Menschensohn. Unser Herr und Gott.«
»Der Weg des Menschen, ja. Der Weg der Kirche ist der Mensch. Wo ist das Problem?«
Ich halte das, mit Verlaub, trotz aller plakativen Wirksamkeit dieses Bonmots, für eine nicht zu Ende gedachte Sumpfblase. Wir sind Menschen, wir – die Kirche. Doch unser Ziel ist droben: Gott. Gesandt zu den Menschen sind wir freilich auch. Aber in beidem in Jesus Christus unser Weg.
Roncalli hat geschrieben:»Lies nach beim Papst, er ist nicht häretisch«
Johannes Paul II. hat geschrieben:»Der Mensch … (Redemptor Hominis 14)«
Die Anthropologie, die in Redemptor Hominis – und nicht nur dort – durchscheint, ist nicht unproblematisch. Aber das wäre ein anderes Thema. Vielleicht gelegentlich mal in einem neuen Strang.
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mr94
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Beitrag von mr94 »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Die Anthropologie, die in Redemptor Hominis – und nicht nur dort – durchscheint, ist nicht unproblematisch. Aber das wäre ein anderes Thema. Vielleicht gelegentlich mal in einem neuen Strang.
Die Anthropologie (oder vielmehr die Frage nach dem Menschenbild) halte ich überhaupt für eine der spannendsten Fragen, der wir uns heute stellen müssen. Letztlich, das haben auch viele Diskussionen in jenem anderen Forum gezeigt, lassen sich viele umstrittene Punkte auf Differenzen in der Anthropologie zurückführen.

Weswegen ich, um den Bogen zu schlagen, auch den Ansatz Rahners interessant finde. Er stellt (im Grundkurs des Glaubens) genau die Frage an den Anfang, welche Grundannahmen das Christentum über den Menschen macht und machen muss, um sich überhaupt verständlich machen zu können. Gerade diese Grundannahmen sind es, die heute nicht mehr selbstverständlich sind.

Und an dieser Stelle läuft auch die Katechese gern gegen die Wand, weil weder Katecheten noch Katechumenen (oder anderen Sakramentsbewerbern) klar ist, dass das christliche Menschenbild nicht mehr so recht mit dem common sense übereinstimmt. Vom common sense her gesehen werden aber viele Aussagen der frohen Botschaft bestenfalls unverständlich.

Die Herausforderung für die Theologie ist, nicht einfach per Abspaltung sozusagen zwei Sphären zu schaffen, Wissenschaft vom Menschen (=Anthropologie) und vom Glauben (=Theologie) voneinander zu trennen, sondern aufeinander zu beziehen. Es reicht nicht aus, schlicht jegliche auf den ersten Blick unvereinbare Erkenntnis oder These am Prüfstein des Dogma zerschellen zu lassen. Das wäre zu einfach.

Ein paar Schlagworte sind ja oben schon gefallen: Theozentrismus, Anthropozentrismus - und die jedenfalls mich überraschende These, Johannes Paul II. vertrete einen Christozentrismus, wenn man so will als Synthese aus den beiden Ismen.

Ganz offensichtlich ist, dass Rahner nicht auf der Höhe der Zeit ist. (Wie sollte er auch? Er ist seit zwanzig Jahren tot.) In seinen anthropologischen Thesen scheint mir auch deutlich der Einfluss von Martin Heidegger erkennbar zu sein, dessen Schüler Rahner war. Und Heidegger ist nun ein Kapitel für sich.

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