Aber davon redet wohl keiner.
Das mit der aufgezwungenen Meinung ist solch eine Sache. Einige Leute fühlen sich bereits bedrängt, wenn ich sage: «Ich glaube an Gott. Gott existiert.»
Dann ist der Protest groß, denn wenn ich sage, Gott existiere – und zwar nicht nur als meine eigene Gottesvorstellung, sondern wirklich, absolut und unantastbar –, dann mache ich eine Aussage, die ja auch
für sie gilt.
Und das darf nicht sein; das ist ja fundamentalistisch. Ich behaupte: alles was dem Relativismus zuwiderspricht, gilt heutzutage als fundamentalistisch.
Fiore hat geschrieben:… und demzufolge anderen abspreche ebenso wahre Dinge zu leben und zu reden und ihnen im Schlimmsten Fall versuche meine Meinung aufzuzwängen.
Aber auch diese Kritik sehe ich ganz relativ. Doch – genauso wie ich einem Esoteriker absprechen würde, daß alles vereinbar wäre (um die Diskussion an dieser Stelle nicht auf
andere Fragen des Glaubens und der Sittenlehre zu bringen). Er muß damit leben, daß ich hier eine entschiedene Meinung vertrete, auch wenn er mich mit Sicherheit als Fundamentalisten bezeichnen würde.
Innerweltlich betrachtet, wäre es doch etwas sehr Erfreuliches, wenn es jemandem gelänge, einen schönen Mix aus allen Religionen zu brauen, oder aus dem Christentum eine schöne, reine Lehre zu ziehen, die ihm eine Richtlinie für ethisch verantwortetes Handeln oder eine Schöpfungsspiritualtität gäbe!
Wie oft kommt es vor, daß mir ein Gesprächspartner im realen Leben sagt. Ach, das ist doch «fundamentalistisch»! — Kaum je meint er dann damit etwas, das ich als fundamentalistisch bezeichnen würde; etwa die Buchstabentreue zur Bibel; gewisse millenaristische Vorstellungen, eine feindselige, abkapselnde Haltung der Kirche gegenüber, eine seltsame Hassliebe zu den Naturwissenschaften; sondern meist ist die Ernstnahme ganz klarer Glaubenssätze gemeint; etwa die Auferstehung Jesu und seine Wiederkehr.
In dieser vulgären Anwendung des begriffes wird vor allem von denen, die ihn benutzen – und das sind leider oft sogar Theologen – vermieden, den Begriff allzu genau zu fassen. Offenbar ist nur ein bewußt unscharf gehaltener Begriff eine gute Streubombe gegen alles theologisch Mißliebige.