Türkei: Religionsfreiheit in den Blick nehmen

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Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Ragnar hat geschrieben:Serben und Kroaten sind genauso nahe verwandt,
wie es Baiern und Westfaeln sind.
Serben und Kroaten hatten von Anfang (und das heißt: seit dem siebenten Jahrhundert) an eine getrennte Geschichte.
Du weisst auch,
dass vor ca. 100 Jahren in den Papieren der im deutschen Reich lebenden Deutschen noch stand: Sachse oder Baier...?

Der Unterschied von Baiern zu Tyrolern ist geringer,
als von Westfalen zu Baiern...
Berliner mal ganz aussenvor. ;)

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Linus
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Beitrag von Linus »

Ragnar hat geschrieben:Serben und Kroaten sind genauso nahe verwandt,
wie es Baiern und Westfaeln sind.
Serben und Kroaten wanderten gemensam in das Gebiet ein...
Die einen haben das "Pech" gehabt orthodoxe
und die anderen römisch-katholische Christen zu werden...
Was man ja auch sofort merkt: Gleiche Sprache(wo?) Gleiche Schrift(wo?) gleiche Religöse Praxis (wo?)

Das Serbokroatische ist eine Kunstsprache, was man auch merkt, da die Kroaten ihr (Retro-)Kroatisch stark an das Burgenlandkroatisch (weil "ursprünglichere" unanhängige Entwicklung) anlehnen.
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
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Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

Linus hat geschrieben:
Ragnar hat geschrieben:Serben und Kroaten sind genauso nahe verwandt,
wie es Baiern und Westfaeln sind.
Serben und Kroaten wanderten gemensam in das Gebiet ein...
Die einen haben das "Pech" gehabt orthodoxe
und die anderen römisch-katholische Christen zu werden...
Was man ja auch sofort merkt: Gleiche Sprache(wo?) Gleiche Schrift(wo?) gleiche Religöse Praxis (wo?)

Das Serbokroatische ist eine Kunstsprache, was man auch merkt, da die Kroaten ihr (Retro-)Kroatisch stark an das Burgenlandkroatisch (weil "ursprünglichere" unanhängige Entwicklung) anlehnen.
Lieber Linus,

das westfälische Platt unterscheidet sich derart vom Bairischen,
dass wohl kaum eine Verständigung allein über die "Sprachen" möglich ist,
weshalb dein Argument bezüglich der Sprache wegfällt.

Auch Religion ist kein Kriterium für ethnische Wurzeln.
Serben wie Kroaten wurden vom römischen Reich in der Gegend gegen die Awaren angesiedelt,
und später in der Auseinandersetzung Rom versus Byzanz römisch bzw byzantinisch christianisiert,
was zur Folge auch unterschiedliche Schriften hatte...

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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

Montag, 3. Oktober 2005 um 17:00
VPS : 17.00



Das Forum der Europäer
Magazin, Frankreich 2005, ARTE F, Erstausstrahlung


Türkei: Worüber verhandeln?

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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

Mittwoch, 5. Oktober 2005 um 15:15
VPS : 15.15


Welches Europa wollen wir?
Dokumentarfilm, Frankreich 2005, Erstausstrahlung
http://www.arte-tv.com/de/woche/244,bro ... =2005.html

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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

Die folgende rot-sozialistische Feststellung sollte sich jeder auf der Zunge zergehen lassen. :D
Die modernsten Europäer leben in den Niederlanden und in Skandinavien. Denn sie sind am tolerantesten, was Homosexualität und Scheidung betrifft [...] http://www.taz.de/pt/2005/10/15/a0183.nf/text

Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

Knecht Ruprecht hat geschrieben:Die folgende rot-sozialistische Feststellung sollte sich jeder auf der Zunge zergehen lassen. :D
Die modernsten Europäer leben in den Niederlanden und in Skandinavien. Denn sie sind am tolerantesten, was Homosexualität und Scheidung betrifft [...] http://www.taz.de/pt/2005/10/15/a0183.nf/text
Aus dem angegebenen Bericht:
Das meinen zum Beispiel über 70 Prozent der befragten Deutschen. In Belgien und Großbritannien dagegen lehnt immerhin ein Drittel der Umfrageteilnehmer diese Aussage ab. Mit anderen Worten: Sie wollen, dass die Frau zu Hause bleibt.

Wenn ich richtig rechne,
so ergibt von den verbleibenden 30% der Deutschen doch etwa fast genauso viele,
wie das 1/3 (macht 33 1/3%) Belgiens oder GB...
3 1/3% ist das der grosse Unterschied?

Uwe Schmidt
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Beitrag von Uwe Schmidt »

Dirk hat geschrieben:
Ragnar hat geschrieben: was sagten die denn,
ich habe bezüglich Kroatien nichts gefunden.

... und wie ist es mit der Doppelmoral bezüglich Serbiens?
Dass man mit der Türkei Beitrittsverhandlungen durchführen will, obwohl es dort heute noch erhebliche Probleme mit den Menschenrechten gibt, die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien aber auf Eis gelegt hat, weil Kroatien sich weigert, einen angeblichen Kriegsverbrecher auzuliefern.

Ähnliche Probleme gibt es mit Sebien, allerdings sind die dort noch nicht festgenommenen Kriegsverbrecher Hauptkriegstreiber gewesen, wie z.B. Karacic.

Mir ist es darüber hinaus völlig uneinsichtig, warum man sich eher um nichteuropäische Länder kümmert, als um europäische. Kroatien wäre nach Slowenien der nächste logische Kandidat für Beitrittsverhandlungen.


Kroatien hat doch nur 6 Mio Einwohner (Serbien 10 Mio); dessen Aufnahme ist doch nun wirklich kein großes Problem. Die Türkei dagegen über 80 Mio. Für die religiöse Entwicklung in Europa wäre ein EU-Beitritt der Türkei möglicherweise sogar gut, allein wegen der Masse der dann nach Deutschland strebenden jungen Türken mit ihrer "natürlichen Religiosität" (die allerdings immer noch viel nüchterner als die der Araber ist). Die deutsche Jugend ohne religiöse Wurzeln wird dagegen in 20 Jahren ziemlich alt aussehen, was sie wiederum dazu zwingt, sich mit dem Glauben auseinanderzusetzen.

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Uwe Schmidt hat geschrieben:Für die religiöse Entwicklung in Europa wäre ein EU-Beitritt der Türkei möglicherweise sogar gut, allein wegen der Masse der dann nach Deutschland strebenden jungen Türken mit ihrer "natürlichen Religiosität" (die allerdings immer noch viel nüchterner als die der Araber ist). Die deutsche Jugend ohne religiöse Wurzeln wird dagegen in 20 Jahren ziemlich alt aussehen, was sie wiederum dazu zwingt, sich mit dem Glauben auseinanderzusetzen.
Hmm, immer wieder interessant welch merkwürdige Blüten der religiöse Konservativismus treibt.

Da gibt es tatsächlich Christen, die sich den EU-Beitritt von Leuten wünschen, die Christen immer noch als Menschen zweiter Klasse behandeln, die Christen fundamentale Rechte verweigern, die das Christentum behindern wo es nur geht, und das alles nur aus dem einzigen Grund, weil sie hoffen, daß dadurch der Prozentsatz des Konservativismus in der EU erhöht wird.

Würdest du tatsächlich dein Christentum lieber in einer Gesellschaft wie der Türkei leben als in einer wie der (heutigen) EU?

Du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, daß deine christlichen Ansichten in der Türkei weniger kritisch gesehen würden als heute in der EU, oder daß jemand mit Buttigliones Ansichten in der Türkei auch nur ein anatolischer Dorfbürgermeister werden dürfte.

Werner

Petra
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Beitrag von Petra »

Werner001 hat geschrieben: oder daß jemand mit Buttigliones Ansichten in der Türkei auch nur ein anatolischer Dorfbürgermeister werden dürfte.
M.E. irrst du dich da. Wenn überhaupt in anatolischen Dörfern ein Christ Bürgermeister werden kann, dann noch eher Buttiglione als andere.

Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

Petra hat geschrieben:
Werner001 hat geschrieben: oder daß jemand mit Buttigliones Ansichten in der Türkei auch nur ein anatolischer Dorfbürgermeister werden dürfte.
M.E. irrst du dich da. Wenn überhaupt in anatolischen Dörfern ein Christ Bürgermeister werden kann, dann noch eher Buttiglione als andere.
mit der "Religiösität" anatolischer Dörfer,
hätte man auch einen "Gottesbezug"
(was immer das auch sein ma)
in die EU-Verfassung gekriegt...

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Petra hat geschrieben:
Werner001 hat geschrieben: oder daß jemand mit Buttigliones Ansichten in der Türkei auch nur ein anatolischer Dorfbürgermeister werden dürfte.
M.E. irrst du dich da. Wenn überhaupt in anatolischen Dörfern ein Christ Bürgermeister werden kann, dann noch eher Buttiglione als andere.
und nochmal extra: Wenn überhaupt in anatolischen Dörfern ein Christ Bürgermeister werden kann

Werner

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Ragnar hat geschrieben:
Petra hat geschrieben:
Werner001 hat geschrieben: oder daß jemand mit Buttigliones Ansichten in der Türkei auch nur ein anatolischer Dorfbürgermeister werden dürfte.
M.E. irrst du dich da. Wenn überhaupt in anatolischen Dörfern ein Christ Bürgermeister werden kann, dann noch eher Buttiglione als andere.
mit der "Religiösität" anatolischer Dörfer,
hätte man auch einen "Gottesbezug"
(was immer das auch sein ma)
in die EU-Verfassung gekriegt...
Klar. Dann würde die EU-Verfassung beginnen mit "Im Namen Alllahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen. Allah ist Groß und Mohammed ist sein Prophet!"
Aber das wäre manchen ja anscheinend egal, Hauptsache das Wort "Gott/Allah" wird irgendwie erwähnt.

Werner

Petra
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Beitrag von Petra »

Werner001 hat geschrieben:
und nochmal extra: Wenn überhaupt in anatolischen Dörfern ein Christ Bürgermeister werden kann
Was genau meinst du damit? :hmm:

Ich sehe das genau so wie: wenn überhaupt in italienischen Dörfern ein Muslim Bürgermeister werden kann.

Petra
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Beitrag von Petra »

Werner001 hat geschrieben: Klar. Dann würde die EU-Verfassung beginnen mit "Im Namen Alllahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen. Allah ist Groß und Mohammed ist sein Prophet!"
Aber das wäre manchen ja anscheinend egal, Hauptsache das Wort "Gott/Allah" wird irgendwie erwähnt.
Also Uwe Schmidt wäre das bestimmt nicht egal. :D

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Petra hat geschrieben:
Werner001 hat geschrieben:
und nochmal extra: Wenn überhaupt in anatolischen Dörfern ein Christ Bürgermeister werden kann
Was genau meinst du damit? :hmm:

Ich sehe das genau so wie: wenn überhaupt in italienischen Dörfern ein Muslim Bürgermeister werden kann.
In einem italienischen Dorf könnte ein Muslim ohne weiteres Bürgermeister werden, wenn er nur eine Mehrheit findet die ihn wählt.

Christen in der Türkei wierden dagegen fundamentale Menschenrechte vorenthalten. Ganz offiziell, von Amts wegen.

Google mal mit "türkei christen politische ämter"

Werner

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Werner hat geschrieben:Christen in der Türkei wierden dagegen fundamentale Menschenrechte vorenthalten. Ganz offiziell, von Amts wegen.
Google mal mit "türkei christen politische ämter"
Ich hoffe, du weißt auch, seit wann, und woher das
kommt. Das ist nämlich die „laizistische“ Türkei des
Mustafa Kemal Pascha, jenes Sprosses der Dunmeh
von Thessalonich.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Werner hat geschrieben:Christen in der Türkei wierden dagegen fundamentale Menschenrechte vorenthalten. Ganz offiziell, von Amts wegen.
Google mal mit "türkei christen politische ämter"
Ich hoffe, du weißt auch, seit wann, und woher das
kommt. Das ist nämlich die „laizistische“ Türkei des
Mustafa Kemal Pascha, jenes Sprosses der Dunmeh
von Thessalonich.
Komisch ist nur, daß Muslime unter dieser laizistischen Fuchtel gar nicht benachteiligt werden.
Der türkische Laizismus ist ein völlig anderer als der europäische, während der europäische auf einer strikten Trennung von Staat und Kirche besteht, was auch gut ist, ist das Ziel des türkischen Laizismus die Beherrschung der Religion durch den Staat. Weil das beim "ausländischen" Christentum nicht funktioniert, werden den Christen Bürgerrechte vorenthalten.

Den Islam hat man unter staatlicher Kontrolle, darum werden Muslimen keine Rechte vorenthalten, nur weil sie Muslime sind

Das Vorenthalten von Rechten, nur weil jemand der "falschen" Religion angehört, ist kein Kennzeichen des europäischen Laizismus, ganz im Gegenteil, es war ein Kennzeichen des europäischen Feudalismus.

Werner

Petra
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Beitrag von Petra »

Danke für den Hinweis, Werner.

Mir war bekannt, dass bestimmte Christen Asyl in D. beantragen können, aber es scheint in den letzten Jahren wirklich noch übler geworden zu sein. *kopfschüttel*

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Da hast du wohl keine Ahnung von der Geschichte der
Türkei, Werner, nicht einmal von der allerjüngsten.

Hast du Ende der 90er jahre den Kampf der Logen und
Generäle gegen Erbakans Wohlfahrtspartei nicht mitbe-
kommen?

Seitdem hat sich allerdings einiges geändert. Erdogan hat
in gewisser Weise Erbakans Nachfolge angetreten, sich
dabei aber mit den bis dahin herrschenden Kräften arran-
giert. Das Ringen um islamische oder laizistische Ausrich-
tung des Staats geht dabei freilich hinter der Kulisse wei-
ter und ist noch nicht entschieden.

Gleichwohl hat sich die Lage für die Christen seit Erdo-
gans Machtantritt wenigstens ein wenig entspannt. Die
fortbestehenden Beschränkungen gehen aber auf das Konto
der alten, laizistischen Eliten.

Ebenso die Beschränkungen für die Muslime. Versuch doch
einmal, als türkisches Mädchen mit Kopftuch zur Schule zu
gehen oder an der Universität ins Seminar.

Die kemalistische Türkei hat scharf antiislamisch begonnen.
Die islamische Geistlichkeit, die sich Kemal Paschas Reli-
gionsgesetzen nicht unterwerfen wollte, wurde blutig ver-
folgt.

Richtig ist, daß man den Islam dann doch de facto zur Staats-
religion gemacht hat – als nationale Religion des türkischen
Staatsvolks, des einzig anerkannten. Dies war aber ein ke-
malistisch beschnittener, gleichsam ziviler National-Islam
als Bürgerpflicht im laizistischen Staat.

Ein traditioneller oder gar „islamistischer“ Islam paßte dort
ebensowenig ins Bild wie das Christentum an sich.

In einem traditionell islamischen Staat, wie es das osmanische
Reich einst war, wären die Christen gewiß auch nicht „gleich-
berechtigte Bürger“, aber sie hätten – hatten jedenfalls einst –
einen gesicherten Rechtsstatus und könnten womöglich auch
wie im osmanischen Reich in höchste politische Ämter auf-
steigen.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Petra hat geschrieben:Mir war bekannt, dass bestimmte Christen Asyl in D. beantragen können, aber es scheint in den letzten Jahren wirklich noch übler geworden zu sein.
Nein, Petra, das ist völlig falsch. Das Gegenteil ist richtig.
(Siehe oben.) Woher hast du diese Fehlinformation?
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prim_ass
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Beitrag von prim_ass »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Da hast du wohl keine Ahnung von der Geschichte der
Türkei, Werner, nicht einmal von der allerjüngsten.

Hast du Ende der 90er jahre den Kampf der Logen und
Generäle gegen Erbakans Wohlfahrtspartei nicht mitbe-
kommen?

Seitdem hat sich allerdings einiges geändert. Erdogan hat
in gewisser Weise Erbakans Nachfolge angetreten, sich
dabei aber mit den bis dahin herrschenden Kräften arran-
giert. Das Ringen um islamische oder laizistische Ausrich-
tung des Staats geht dabei freilich hinter der Kulisse wei-
ter und ist noch nicht entschieden.

Gleichwohl hat sich die Lage für die Christen seit Erdo-
gans Machtantritt wenigstens ein wenig entspannt. Die
fortbestehenden Beschränkungen gehen aber auf das Konto
der alten, laizistischen Eliten.

Ebenso die Beschränkungen für die Muslime. Versuch doch
einmal, als türkisches Mädchen mit Kopftuch zur Schule zu
gehen oder an der Universität ins Seminar.

Die kemalistische Türkei hat scharf antiislamisch begonnen.
Die islamische Geistlichkeit, die sich Kemal Paschas Reli-
gionsgesetzen nicht unterwerfen wollte, wurde blutig ver-
folgt.

Richtig ist, daß man den Islam dann doch de facto zur Staats-
religion gemacht hat – als nationale Religion des türkischen
Staatsvolks, des einzig anerkannten. Dies war aber ein ke-
malistisch beschnittener, gleichsam ziviler National-Islam
als Bürgerpflicht im laizistischen Staat.

Ein traditioneller oder gar „islamistischer“ Islam paßte dort
ebensowenig ins Bild wie das Christentum an sich.

In einem traditionell islamischen Staat, wie es das osmanische
Reich einst war, wären die Christen gewiß auch nicht „gleich-
berechtigte Bürger“, aber sie hätten – hatten jedenfalls einst –
einen gesicherten Rechtsstatus und könnten womöglich auch
wie im osmanischen Reich in höchste politische Ämter auf-
steigen.
Danke, für diesen berechtigten Nachhilfeunterricht...
Falls ich aber länger ausbleibe, sollst du wissen, wie man sich im Hauswesen Gottes verhalten muss, das heißt in der Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist.

1.Tim 3:15

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Da hast du wohl keine Ahnung von der Geschichte der
Türkei, Werner, nicht einmal von der allerjüngsten.

Hast du Ende der 90er jahre den Kampf der Logen und
Generäle gegen Erbakans Wohlfahrtspartei nicht mitbe-
kommen?

Seitdem hat sich allerdings einiges geändert. Erdogan hat
in gewisser Weise Erbakans Nachfolge angetreten, sich
dabei aber mit den bis dahin herrschenden Kräften arran-
giert. Das Ringen um islamische oder laizistische Ausrich-
tung des Staats geht dabei freilich hinter der Kulisse wei-
ter und ist noch nicht entschieden.

Gleichwohl hat sich die Lage für die Christen seit Erdo-
gans Machtantritt wenigstens ein wenig entspannt. Die
fortbestehenden Beschränkungen gehen aber auf das Konto
der alten, laizistischen Eliten.

Ebenso die Beschränkungen für die Muslime. Versuch doch
einmal, als türkisches Mädchen mit Kopftuch zur Schule zu
gehen oder an der Universität ins Seminar.

Die kemalistische Türkei hat scharf antiislamisch begonnen.
Die islamische Geistlichkeit, die sich Kemal Paschas Reli-
gionsgesetzen nicht unterwerfen wollte, wurde blutig ver-
folgt.

Richtig ist, daß man den Islam dann doch de facto zur Staats-
religion gemacht hat – als nationale Religion des türkischen
Staatsvolks, des einzig anerkannten. Dies war aber ein ke-
malistisch beschnittener, gleichsam ziviler National-Islam
als Bürgerpflicht im laizistischen Staat.

Ein traditioneller oder gar „islamistischer“ Islam paßte dort
ebensowenig ins Bild wie das Christentum an sich.

In einem traditionell islamischen Staat, wie es das osmanische
Reich einst war, wären die Christen gewiß auch nicht „gleich-
berechtigte Bürger“, aber sie hätten – hatten jedenfalls einst –
einen gesicherten Rechtsstatus und könnten womöglich auch
wie im osmanischen Reich in höchste politische Ämter auf-
steigen.
Ich weiß nicht wie du darauf kommst, daß ich keine Anhnung von der Situation in der Türkei hätte, denn nichts von dem was du schreibst habe ich je bestritten.
Alles, worauf ich hinaus wollte, war, daß man den aufgekärten Laizismus Westeuropas nicht mit nationalistischen Kemalismus in einen Topf werfen darf, nur weil letzterer sich auch laizistisch gibt.

Werner

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Beitrag von Petra »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Woher hast du diese Fehlinformation?
Vielleicht habe ich da verwechselt. Oder jemand hat mir was erzählt, was "corriger la verité" war. Dank auch dir für die Richtigstellung.

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Hier ein paar aktuelle Links zum Thema

Bericht der EKD über die Lage der christlichen Kirchen in der Türkei vom Oktober 2005:
http://www.ekd.de/presse/pm194_2005_ekd ... erkei.html

Hier eine Schweizer Seite zum gleichen Thema:
http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/190/7544/
An der Ziffernfolge im Personalausweis kann jeder Polizist sofort erkennen, ob er gerade einen Christen kontrolliert oder nicht. Hohe politische oder gesellschaftliche Ämter sind Christen in der Regel verwehrt; im Parlament gibt es keinen einzigen.
Und der apostolische Vikar in Istanbul meint, es gebe zwar Fortschritte, die Lage sei aber noch nicht einfach für Christen.
http://religion.orf.at/projekt02/news/0 ... ischof.htm

Werner

Petra
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Beitrag von Petra »

off topic/on

Vorhin habe ich nach einer zweiten Quelle gesucht, die den Bericht auf Werners "schweizer Seite" bestätigt, der meldet, die künftige niederländische Rechtschreibung würde Christus nur noch kleinschreiben. Nix gefunden. Aber ich müsste auch mal einen Google-Grundkurs machen. :/

off-topic/off

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Zur Situation in der Türkei hier ein sehr ausführlicher Vortrag eines katholischen Priesters aus Istanbul
http://www.kirche-in-not.de/03_wiewir/l ... angler.php

Werner

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Beitrag von Werner001 »

Ohne im Netz etwas zu dieser Rechtschreibreform gefunden zu haben (ausser kath.net, das auch berichtet, daß die Niederländer "Christus" künftig klein schreiben):

Mir mißfällt der reisserische Stil des Berichtes. Es handelt sich ganz offensichtlich um eine Rechtschreibreform, derene eine, winzige (kuriose?) Auswirkung halt ist, das das Wort "Christus" künftig klein geschrieben wird.

Es handelt sich aber nicht, wie der Artikel (und, wenn auch etwas weniger stark, auch der auf kath.net) suggerriert, um irgendeine Verschwörung, mit dem Ziel Christen zu ärgern oder das Christentum zu herabzusetzen.

Genau so wie es nur eine komische Folge unserer Rechtschreibreform, aber kein nationales Komplott zur Diffamierung der Philosophie ist, daß die Deutschen "Philosophie" jetzt "Filosofie" schreiben "müssen"

Werner

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Nach einigem Stöbern auf niederländischen Seiten habe ich zwar keine eindeutige Aussage gefunden, es sieht aber alles danach aus, daß "Christus" künftig klein geschrieben wird, weil es kein Eigenname ist. "Jezus" auf der anderen Seite wird als Eigenname weiterhin groß geschrieben.

Werner

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Werner hat geschrieben:Ich weiß nicht wie du darauf kommst, daß ich keine Anhnung von der Situation in der Türkei hätte, denn nichts von dem was du schreibst habe ich je bestritten. Alles, worauf ich hinaus wollte, war, daß man den aufgekärten Laizismus Westeuropas nicht mit nationalistischen Kemalismus in einen Topf werfen darf, nur weil letzterer sich auch laizistisch gibt.
Na, dann hab’ ich dich wohl mißverstanden, und wir
sind uns ganz einig. – Übrigens wird man doch auch
in Westeuropa Vergleichbares finden. Kommt immer
bloß darauf an, wo und in welcher Zeit man sucht.
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Beitrag von Werner001 »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Werner hat geschrieben:Ich weiß nicht wie du darauf kommst, daß ich keine Anhnung von der Situation in der Türkei hätte, denn nichts von dem was du schreibst habe ich je bestritten. Alles, worauf ich hinaus wollte, war, daß man den aufgekärten Laizismus Westeuropas nicht mit nationalistischen Kemalismus in einen Topf werfen darf, nur weil letzterer sich auch laizistisch gibt.
Na, dann hab’ ich dich wohl mißverstanden, und wir
sind uns ganz einig. – Übrigens wird man doch auch
in Westeuropa Vergleichbares finden. Kommt immer
bloß darauf an, wo und in welcher Zeit man sucht.
Auf den Punkt bringt es die katholische Bischofskonferenz der Türkei in einem Memorandum an die Regierung Erdogan im Jahr 2004, zitiert hier:
Laizismus bedingt die Trennung von Staat und Kirche, aber in keinem Land der Europäischen Union hat dies die Nichtanerkennung religiöser Einrichtungen als juristische Personen bzw. die Nichtanerkennung ihrer erworbenen Rechte zur Folge.
Werner

Ragnar
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Beitrag von Ragnar »

http://www.livenet.ch/www/index.php/D/article/190/7544/
War vor 100 Jahren noch jeder fünfte Osmane in Kleinasien ein Christ, so ist der Anteil auf heute 0,1 Prozent gesunken - kaum mehr als 100.000 Gläubige.
Vor 100 Jahren,
war das vor
oder
nach der gegenseitigen Säuberung
Griechenlands und der Türkei?

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