Ich glaube, an dieser Stelle sollte ich ’mal etwas ausholen, damit die Zusammenhänge klarer werden.ar26 hat geschrieben:Genau an der Gleichzeitigkeit fehlt es aber bei der Sub-Prime-Krise. Die Hütten, die für die Hälfte oder das Drittel versteigert werden, sind danach auch nicht plötzlich automatisch wieder auf dem Wertniveau vor dem Crash. Eine entsprechende Marktberuhigung kann hier Jahre dauern.
Die Subprimekrise geht zurück auf die Phase der Niedrigzinspolitik der Fed (Zentralbank der USA) zwischen Ende 2002 bis ins Jahr 2004 (Leitzinsentwicklung). Um die Investitionstätigkeit der amerikanischen Wirtschaft anzuheizen, hatte Alan Greenspan den Leitzins der Fed bis auf 1% p.a. herabgeschleust.
Für die Banken bedeutet ein niedriger Zinssatz jedoch, daß sie, wenn sie den gleichen (oder einen höheren) Ertrag erwirtschaften wollen, ein höheres Volumen an Ausleihungen vornehmen müssen. Dies ist eine schlichte mathematische Gesetzlichkeit.
Wichtig ist hier, daß die Steuerungsgröße der zu erzielende Ertrag der Banken ist. Das Gewinnstreben ist Folge der ökonomischen Rationalität, welcher dann mit der Festlegung von Ertragszielen gefolgt wird.
Die von den Banken gewollte - und von der Fed initiierte - Volumenausweitung stieß bei den Kreditnehmern jedoch nicht unbedingt auf Interesse, sodaß sich die Banken aggressiv im Markt - und hier insbesondere im Hypothekenmarkt - engagierten. Es wurden Kredite vergeben (um nicht zu sagen: „den Kunden auf’s Auge gedrückt“), bei denen die Risikomerkmale nicht mehr den Stellenwert hatten, der angemessen gewesen wäre. Außerdem kennt der amerikanische Hypothekenmarkt Kreditkonstruktionen, die hierzulande glücklicherweise weitgehend unbekannt sind. Zum Beispiel:
1. 100%- oder 110%-Finanzierungen
2. Hypotheken, bei denen nur ein Teil der Zinsen gezahlt wird und die nicht gezahlten Zinsen den Kreditbetrag erhöhen
3. Hypotheken mit Stufenzinsvereinbarungen
Daneben ist noch anzumerken, daß in den Jahren davor die Häuserpreise in den USA stark gestiegen waren. Die Hypothekenkredite wurden demzufolge auch in der Hoffnung vergeben, daß bei stetigen Steigerungsraten die gestiegenen Verkaufspreise zur Tilgung der eigentlich überhöhten Hypothekenkredite genutzt werden könnten.
Die Volumenausweitung hatte zur Folge, daß auch Bevölkerungskreise, die eigentlich nicht zum Kreise der Hypothekenkunden zu zählen sind, mit Hypotheken versorgt wurden. Dies sind die sog. Subprime-Kunden. Subprime-Kunden sind mit Kunden in Deutschland vergleichbar, die am unteren Ende der Einkommensskala zu finden sind oder bei denen eine negative Schufa-Auskunft vorliegt.
Nun kam es, wie es kommen musste: Durch die Erhöhungen der Fed-Leitzinsen in den Jahren 2005 und 2006, die nun wegen des wachsenden Inflationsdrucks erforderlich geworden waren, konnte ein Großteil der Hypothekenkredite nicht mehr bedient werden. Die Gläubiger griffen auf die gestellten Sicherheiten zurück und versuchten, diese Sicherheiten auf dem Wege einer Zwangsversteigerung zu Geld zu machen. Dies führte jedoch gleichzeitig zu einem Überangebot von Häusern auf dem Immobilienmarkt und dem damit zwangsläufig verbundenen Preisverfall.
Die Folge: Die Hypothekenschuldner, die ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten, waren ihre Häuser los und die Hypothekengläubiger, sahen nur einen Teil ihrer ausgegebenen Kredite wieder, weil die gestellten Sicherheiten sich als nahezu wertlos erwiesen hatten.
Dies alles ist aber nur ein Teil der Geschichte, denn jetzt kommt der finanzwirtschaftliche [Punkt]
Schon seit den 90-er-Jahren hatte sich - insbesondere in den USA - in der Bankenwelt ein neues Geschäftsfeld aufgetan, der Handel mit Forderungen aller Art: Kreditkartenforderungen, Autokredite, Hypothekenkredite, Unternehmenskredite usw.
Die großen Investmentbanken kauften diese Forderungen und strukturierten sie zu neuen Wertpapieren, den sog. ABS (Asset backed Securities). Als Sicherheiten für diese neuen Wertpapiere dienten die eben genannten Kreditforderungen aller Art. Man versprach sich, von der Strukturierung einen maßgeschneiderten Risikomix für den Investor, d.h. den Käufer dieser ABS-Wertpapiere. Strukturierung heißt, daß unterschiedliche Arten der Forderungen mit unterschiedlichen regionalen Ursprüngen und unterschiedlichen Laufzeiten zusammengewürfelt wurden, um eben einen ausgeglichenen Risikomix für den Investor herzustellen. Wenn also eine Forderung ausfallen würde, würde das Forderungsportfolio insgesamt nur marginal tangiert werden und das ABS-Wertpapier weiterhin werthaltig sein.
Durch den weltweiten Verkauf dieser ABS-Wertpapiere wurde das Risiko des US-amerikanischen Kreditmarktes an alle interessierten Investoren auf dem globalen Kapitalmarkt weitergegeben. Am Rande sei bemerkt, daß mit der Ebene der ABS-Wertpapiere die Hexenküche der Finanzalchimisten noch lange nicht ausgelastet war. Es gibt darüber hinaus noch weitere komplexere Wertpapiere mit denen Risikotransfer betrieben worden ist.
Das ganze Geschäft geht solange gut, wie sich die Ausfallraten der zugrundeliegenden Forderungen im Rahmen der Erwartungen halten. Durch die Zinspolitik der Fed - starke Leitzinserhöhungen in den Jahren 2005 und 2006 wurden die Ausfallraten jedoch in ungeahnte Höhen getrieben und die ganze Finanzierungspyramide brach in sich zusammen. Dies zeigte sich dann im 2. und 3. Quartal 2007 mit Bear Stearns in den USA und der IKB in Deutschland.
Bei einer Insolvenz ist genau die Gleichzeitigkeit gegeben, die ich weiter oben gemeint hatte.ar26 hat geschrieben:Ein anderes Fallbeispiel ist mir noch aus meiner Tätigkeit beim Insolvenzverwalter bekannt. Da haben Leute Anfang bis Mitte der Neunziger Jahre in ihre Häuser ein Haufen Geld gesteckt, in der Erwartung und im Vertrauen auf eine einigermaßen stabile wirtschaftliche Entwicklung. Irgendwann sind die Leute dann aber doch pleite gegangen. Wenn jetzt seitens des Verwalters oder aber i.d.R. seitens der Bank das Haus versteigert wird, fällt auf, daß mit dem Erlös kaum die Investitionen aus den Neunzigern rausgeholt wird. Da es sich teilweise um Gegenden in Brandenburg handelte, deren ökonomische und damit demographische Perspektive eher mies ist, ist davon auszugehen, daß in den nächsten 20 Jahren hier das Wertniveau aus den Neunzigern nicht mehr erreicht wird. Einen Vermögenszuwachs sehe ich da bei keinem der Beteiligten.
Der Gläubiger wird entreichert (Vermögensminderung) und der Schuldner wird bereichert (Schuldminderung). Wenn man die zu zahlenden Gebühren und Prozesskosten einmal außer Acht lässt, gleichen sich bei einer Insolvenz Vermögensminderung und Schuldminderung genau aus.
Der eigentliche Vermögensverlust (oder die „Vermögensvernichtung“) tritt vorher ein, und zwar wenn Finanzmittel konsumiert und nicht investiert werden.
Der Konsum von Finanzmitteln ist auch darin zu sehen, wenn man Häuser saniert und die Sanierungskosten über den Verkaufserlös nicht wieder hereinholen kann; oder - wie vor der Subprimekrise in den USA häufig geschehen - Hypothekenkredite für eine luxuriösere Lebenshaltung verwendet.
Man hat über seine Verhältnisse gelebt ……………….