Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

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Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Frank Schäffler zur gestern verabschiedeten Bankenunion:
Es geht um viel Geld. Letzte Woche habe ich hier an dieser Stelle über die Schuldensituation der spanischen Banken im Zuge der dortigen Immobilienkrise geschrieben. Danach stehen rund 17 Prozent des Kreditvolumens – rund 25 Milliarden Euro – an den Privatsektor im Feuer. Hohe Wertberichtigungen für den spanischen Bankensektor sind unausweichlich, die deren Eigenkapital im Winde verwehen lassen. In den anderen Krisenländern sieht es nicht viel besser oder sogar schlimmer aus. In Zypern wird jeder zweite Kredit (!) nicht ordnungsgemäß zurückgezahlt.
(...)
Glaubten die Volks- und Raiffeisenbanken noch, ihr seit dem 19. Jahrhundert stolzes Modell der Selbstorganisation und der gegenseitigen Notfallhilfe im Verbund der Volks- und Raiffeisenbanken würde sie vor dem Zugriff eines paternalistischen Europas schützen, sind sie seit gestern eines Besseren belehrt. Ebenso geht es den Sparkassen. Auch sie dachten, dass sie nicht für Bankenschieflagen in Europa zur Kasse gebeten werden. Jetzt geht es viel schneller. Ein Fonds, der in den ersten acht Jahren mindestens 55 Milliarden Euro von allen Banken in Europa einsammeln wird, soll bereits in den ersten zwei Jahren mit 33 Milliarden Euro befüllt werden. Er soll auch kapitalmarktfähig werden, das heißt, er kann sich verschulden. Vielleicht bekommt er auch noch eine eigene Banklizenz und damit die Eintrittskarte, um sich bei der EZB frisches Geld durch die Teilnahme an sogenannten Tendergeschäften zu besorgen. Dann könnte der Abwicklungsfonds Anleihen begeben, um frisches Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen, aber sich gleichzeitig auch direkt bei der EZB frisches Geld besorgen.
Ich gehe davon aus, dass es im zweiten Halbjahr sehr schnell gehen wird. Erst stellt die EZB per Beschluss fest (im Zweifel per Mehrheit), dass eine Bank abgewickelt beziehungsweise mit frischem Eigenkapital ausgestattet werden muss, und anschließend stellt der Ausschuss des einheitlichen Abwicklungsmechanismus die notwendigen Mittel aus dem Abwicklungsfonds (im Zweifel per Mehrheit) bereit. Wenn jetzt noch die direkte Hilfe für Banken aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM möglich wird, dann hat sich die Schlinge endgültig zugezogen.
http://ef-magazin.de/214/3/21/598-ba ... ht-sich-zu

Ergänzend dazu berichtet heute die FAZ, daß die Bank of Cyprus Außenstände iHv knapp 19 Mrden € hat; die Jahreswirtschaftsleistung des Landes beträgt rd. 16 Mrden € (das Land ist für die EU [Punkt]). Die Hälfte der Kredite wird nicht ordentlich bedient und die zwei Dutzend größten zyprischen Unternehmen schulden der Bank rd. sechs Mrden €. Da diese Unternehmen auch vielfach große Arbeitgeber sind, wird die Schuldeneintreibung bei einer Arbeitslosenrate von 19% zum Politikum.
Verständlich, daß man dann nach den Geldern der sog. "reichen" Länder verlangt (und sich für den Einnahmeausfall bei Sanktionen gg. Rußland wg. der Krim großzügig entschädigen lassen will).

Die Bankschulden im Euroraum übersteigen die Staatsschulden. Dadurch wird deutlich, um welches Volumen es sich handelt. Während der ESM von der Bevölkerung noch zur Kenntnis genommen wurde, kennt man die Bankenunion kaum, ihre Auswirkungen sind unbekannt. Dabei werden die Sparer mit (noch) niedrigeren Zinsen, die Kreditnehmer mit höheren Zinsen und die Aktionäre mit geringerer Dividende die Einzahlung in den Bankenfond bezahlen.
Wenn dann die Einlagensicherung sozialisiert (sorry: "vergemeinschaftet") wird, können endlich die Zombiebanken des Südens mit Hilfe deutscher Spargelder aufgepäppelt werden.

Piusderdritte
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Piusderdritte »

Die Österreicher scheinen auch wohl von bestechlichen Politikern und betrügrischen Bänkern gesegnet zu sein:
Seit einigen Monaten wird uns täglich ein Affentheater um die Hypo Alpe Adria Bank vorgespielt.

Man könnte bei diesem Affentheater zur Ansicht kommen, dass sich die SPÖ/ÖVP-Bundesregierung damit bewusst in der Öffentlichkeit als unfähig hinstellt. Vielleicht ist es das im Auftrag „höherer Mächte“, wahrscheinlich ist es vermutlich nur Inkompetenz.

Die Bad Bank:
Im letzten Artikel steht auch, dass man sich für eine Bad Bank, die vom Steuerzahler finanziert wird, entschieden hat. Damit soll eine Insolvenz, die die anderen Hypos in Österreich und möglicherweise sogar Raiffeisen umreißen könnte, vermieden werden.

Und gleich wieder gibt es Geldbedarf. Nachzulesen auf format.at: „Hypo braucht bis September noch 1,43 Mrd. Euro“
. Bisher sind schon 4,8 Mrd. Euro in dieses Fass ohne Boden geflossen. Das ist wirklich eine „Bad Bank“.
http://www.format.at/articles/1412/938/ ... ffenthater

es würde im Grunde keinen interessieren, wenn nicht die Bürger in Haftung via Steuergelder genommen werden.

Auch hier ist der Geldfluss deutlich zu erkennen:
Von Fleißig nach Faul oder
Vom Steuerzahler zu den Banken!

gruß, PiusIII.
"Katholische Haus- und Schulbibel" (aus1928) von Paul Bergmann, ist eine sehr gute Zusammenfassung der Bibel! Sollte jeder Katholik mal gelesen haben. Verständlich geschrieben und schnell durchgelesen!

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Auch die Jubelmeldungen über die Rückkehr GR an die Kapitalmarkt führen zu keiner anderen Einschätzung - das Volk ist nicht so blöd, wie die Politiker meinen:
Das neue ZDF-Politbarometer ergab, dass nur 22 Prozent der Deutschen die Euro-Krise bereits als überwunden ansehen. Eine Mehrheit von 51 Prozent ist jedoch der Meinung, dass von Griechenland keine große Gefahr für die Stabilität des Euro ausgeht. Deutliche Sorgen macht die Wirtschaftskrise in Griechenland 45 Prozent der Befragten.
http://www.handelsblatt.com/politik/int ... 51182.html

Ein bitterer Kommentar dazu auch in der FAZ:
Insgesamt haben die Euro-Retter Griechenland 24 Milliarden an Krediten eingeräumt, davon allein vom Krisenfonds 134 Milliarden, die im Schnitt mit 1,5 Prozent verzinst werden und 3 Jahre laufen. Wegen der verheerenden Finanzlage möchte Hellas nun eine weitere Aussetzung der Rückzahlung und noch eine Zinssenkung.
Während der Schuldner also öffentliche Gläubiger um einen weiteren Aufschub bittet, verspricht er Privatanlegern eine Rendite von etwa 5 Prozent. Offenbar hat Athen zu viel Geld für Symbolpolitik.
Zu den eingeräumten Krediten müßte man auch noch die Gelder zählen, die GR durch den "freiwilligen" Schuldenerlaß nicht an seine Gläubiger zurückzahlen muß. Es handelt sich dabei um weitere 13 Mrden €. Aber schon allein das eingeräumte Kreditvolumen bedeutet, daß jeder Grieche ca. 24. € Kredit erhalten hat (und zurückzahlen müßte). Insgesamt wurde er dann mit 37. € "gesponsort" - immerhin ein Familiengehalt im Lande des größten Kreditgebers....

Zahlen wird es der (nord-)europäische Steuerzahler.....

Nachtrag:
Die WELT meldet, daß ein Drittel der Griechenbonds von Hedgefonds erworben wurden - also von Anlegern, die nicht für langfristige Investitionen bekannt sind:
Hedgefonds haben ein Drittel der neuen Griechenland-Anleihe gekauft, die das Land am Donnerstag plaziert hat. Das ist aus dem Bankenkonsortium zu hören, dass für die Mittelmeerrepublik die Rückkehr an die Märkte gemanagt hat. Damit wetten die Hedgefonds mit insgesamt einer Milliarde Euro auf Griechenland. Die Griechen hatten insgesamt drei Milliarden an den Märkten plaziert.
Griechenland ist damit einmal mehr der Spielball der Risiko-Investoren. Normalerweise engagieren sich solche Anleger nicht in Staatsanleihen.
(...)
Tatsächlich scheint Griechenland mit seiner Emission vor allem die Zocker angelockt zu haben. Lediglich vier Prozent der Emission gingen an Versicherungen oder Pensionsfonds, die normalerweise zu den größten Investoren von Staatsanleihen zählen. Banken sicherten sich 14 Prozent der neuen Hellenen-Bonds, 49 Prozent gingen an Fondsgesellschaften und Vermögensverwalter. Auch diese Investorengruppe zockt häufig mit Anleihen.
(...)
"Es ist offensichtlich, dass viele der Griechenland-Käufer nicht die klassischen Investoren sind, die eine Anleihe kaufen und liegen lassen", sagt Lena Komileva, Ökonomin beim unabhängige Researchhaus G+Economics. Vielen gehe es um den spektakulären Gewinn. "Griechenland bleibt ein Problemfall, der Mühe hat, ernsthafte Investoren zu finden."
Es ist wohl nicht damit zu rechnen, daß die Eurogruppe die Griechen zwingen wird, einen Staatsbankrott auszurufen, obwohl das Land damit durchaus Erfahrung hat. Stattdessen füllen sich die Spekulanten die Taschen und GR wird "alternativlos" "gerettet" werden.....

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Torsten
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Torsten »

spon hat geschrieben:Rede zur Finanzwelt: Gauck, der Banker-Versteher
Von Stefan Kaiser, Berlin

Jürgen Fitschen konnte sein Glück kaum fassen, als er nach Joachim Gauck die Bühne betrat. Der Applaus der 800 Banker hallte noch nach. Einige Funktionsträger in den ersten Reihen waren sogar aufgestanden, um den Bundespräsidenten mit Standing Ovations zu feiern. Und auch Fitschen rang sichtlich nach Worten, um Gaucks Rede gebührend zu würdigen. Der Bundespräsident habe "uns aus dem Herzen gesprochen", jubelte der Co-Chef der Deutschen Bank und Präsident des Deutschen Bankenverbands schließlich. Er spüre "viel Unterstützung und Vertrautheit mit Ihrem Umgang mit unserem Thema".
[...]
Sicher, "einige Banken und einige Mitarbeiter" hätten sich eine Menge zuschulden kommen lassen, konstatierte Gauck. "Da war viel fehlgeleitete Kreativität im Spiel"
"Da war viel fehlgeleitete Kreativität im Spiel", das heißt übersetzt aus dem Neusprech: Da war und ist richtiggehende, kriminelle Energie am Werk.
telepolis hat geschrieben:"Gezielte Zerstörung der sozialen Sicherungssysteme in Europa"
Marcus Klöckner 10.04.2014

In Europa gibt es einen stillen Putsch, einen kalten Staatsstreich. Er erfolgt aus dem Innern diskreter wirtschaftspolitischer Machtnetzwerke und er ist gegen die Bevölkerung Europas gerichtet. So lautet die Kernthese im neuen Buch des Investigativjournalisten Jürgen Roth mit dem Titel "Der stille Putsch".
DER ÖKONOMISCHE PUTSCH oder: Was hinter den Finanzkrisen steckt - WDR5 Info

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Torsten
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Torsten »

Der Wahnsinn geht weiter
Peter Gauweiler

Griechenland ist nach wie vor strukturell überschuldet. Wenn jetzt die Emission griechischer Staatsanleihen am Kapitalmarkt auf großes Interesse stößt, dann liegt das einzig und allein daran, dass die privaten Investoren sich darauf verlassen können, dass ESM und EZB für die Risiken geradestehen. Dafür streichen sie jetzt risikolose 4,75 % Zinsen ein, während die Eurostaaten sich mit durchschnittlich 1,5% Zinsen für ihre Hilfskredite begnügen.
[...]
Profiteure sind allein die Investoren. (Die Banken holen sich bei der EZB für 0,5% Zinsen Kredit und kaufen damit griechische Staatsanleihen, für die sie 4,75% bekommen.) Die Eurokrise wird durch diese Politik verschärft.
Das Kapital muss beschäftigt bleiben. Pro aufgenommener Kredit-Milliarde machen die Banken hier 42,5 Millionen Zinsen-Euro. Da kann man sich schon mal gegen eine Deckelung der Gehälter wehren.

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Torsten hat geschrieben:
Das Kapital muss beschäftigt bleiben. Pro aufgenommener Kredit-Milliarde machen die Banken hier 42,5 Millionen Zinsen-Euro. Da kann man sich schon mal gegen eine Deckelung der Gehälter wehren.
Aber nur, wenn sie "nackt", d.h. ohne Absicherung, spekulieren.
CDS (credit default swaps oder Kreditausfallversicherung) kosten z. Zt. 4 Basispunkte, also 4%, Das bedeutet, die Absicherung eines Kredits über 1 Mio € (handelbare CDS-Einheit) kostet 4. €. Bei einer Kredit-Milliarde wären das 4 Mio €....

http://www.cnbc.com/id/3845175

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Torsten
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Torsten »

Caviteño hat geschrieben:Aber nur, wenn sie "nackt", d.h. ohne Absicherung, spekulieren.
Hast Du es denn nicht gelesen? "dass ESM und EZB für die Risiken geradestehen."

Also der Steuerzahler, im Rahmen einer Neuverschuldung, an der die Banken nochmal verdienen.

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Torsten
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Torsten »

Oder bzw. und in Form von sozialen Einschnitten, einer totalen Umformung der Gesellschaft und Durchökonomisierung, die auf demokratischem Wege nicht erreichbar wäre, wie es oben bei dem von mir verlinkten Text und im Radiofeature zur Sprache kommt.

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Torsten hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben:Aber nur, wenn sie "nackt", d.h. ohne Absicherung, spekulieren.
Hast Du es denn nicht gelesen? "dass ESM und EZB für die Risiken geradestehen."

Also der Steuerzahler, im Rahmen einer Neuverschuldung, an der die Banken nochmal verdienen.
Das steht aber nirgendwo in den Anleihebedingungen und die Bonds wurden auch nicht von der EZB (wäre verbotene Staatsfinanzierung, da Primärmarkt) oder vom ESM erworben. In dem oben von mir verlinkten Artikel der WELT wird darauf hingewiesen, daß die Anleihe überwiegend von Zockern erworben wurde.

Man kann damit rechnen, daß GR wieder durch die EU "gerettet wird. Wie dann das "Rettungspaket" aussieht, weiß allerdings niemand

Bei den alten Griechen-Bonds wurden die Gläubiger im Frühjahr 2012 ganz schmerzhaft an der Umschuldung durch einen "freiwilligen Verzicht", dessen Voraussetzungen unter Bruch der entsprechenden Kreditverträge vom Parlament in Athen beschlossen wurde, zur Kasse gebeten. Hier ging - ebenso wie wenig später in Zypern - die Spekulation, vom Steuerzahler "gerettet" zu werden, nicht auf. Man verlor eigenes Geld und die Verluste waren größer als die höheren Zinsen.

Wenn Du so überzeugt bist, das nichts passiert, dann kauf die Bonds. Die Rendite ist attraktiv, wenn sie denn zurückgezahlt werden (sollten)......

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Torsten
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Torsten »

Caviteño hat geschrieben:Wenn Du so überzeugt bist, das nichts passiert, dann kauf die Bonds. Die Rendite ist attraktiv, wenn sie denn zurückgezahlt werden (sollten)......
Hahaha. Ich bin sozial schwach und kann mir das nicht leisten.

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Torsten hat geschrieben:Oder bzw. und in Form von sozialen Einschnitten, einer totalen Umformung der Gesellschaft und Durchökonomisierung, die auf demokratischem Wege nicht erreichbar wäre, wie es oben bei dem von mir verlinkten Text und im Radiofeature zur Sprache kommt.
Sorry Torsten - es mag zwar auf "demokratischen Weg" nicht erreichbar sein, sehr wohl aber durch simple Fakten, nämlich der Weigerung der Gläubiger, dem Land weiterhin Kredite zur Verfügung zu stellen. In dem von Dir verlinkten Text sagt Herr Jürgen Roth folgendes:
Und ich könnte noch mehr Beispiele anbringen, zum Beispiel Portugal. Dort hat die Troika genau das an sozialem und gesellschaftlichem Kahlschlag durchgesetzt, was die konservative Regierung auf demokratischem Weg nicht erreichen konnte. Ich weise nach, dass die Regierung in Lissabon der Troika sogar diktiert hatte, was alles an sozialen Errungenschaften zerschlagen werden muss. Und genau das wurde dann von der Troika umgesetzt.
Natürlich kann man die 35 Stunden-Woche, das niedrige Renten-Eintrittsalter oder das 13. und 14. Gehalt in Portugal als "soziale Errungeschaften" sehen, die nun zerschlagen wurden.
Für jeden sollte sich aber die Frage stellen, wie diese "sozialen Errungenschaften" denn finanziert wurden - und das waren eben nicht nur die portugiesischen Steuereinnahmen. Es waren zu einem großen Teil Kredite, die Wohltaten waren kreditfinanziert - "auf Keife", wie man es hier im Ruhrgebiet plastisch ausdrückt.

Die Staatsschulden in Portugal haben sich von 2003 bis 2011 von knapp 80 Mrden € auf knapp 185 Mrden € mehr als verdoppelt. Das wäre kein Problem, wenn es auch ein entsprechendes Wirtschaftswachstum gegeben hätte. Das schwankte jedoch in diesem Zeitraum zwischen + 2,3% und -2,9% - rechtfertigte also keinesfalls eine derartige Schuldenaufnahme.

Wenn die Schulden steigen, gleichzeitig aber nicht sicher ist, ob die Kredite zurückgezahlt werden, wird es sehr schwierig, neue Kredite zu erhalten. Insofern sollte Portugal dankbar sein, daß "Europa" geholfen hat - der Weg in den Staatsbankrott wäre sonst vorgezeichnet gewesen. Dann hätten nicht nur die - ausländischen - Gläubiger ihr Geld verloren, die Sparmaßnahmen in Portugal wären auch viel schmerzhafter ausgefallen.
Im übrigen ist es nicht Neues, das gerade in Südwest-Europa die Bevölkerung Schwierigkeiten hat, Arbeit zu finden. Früher wanderte sie in die Kolonien aus, später kamen die "Gastarbeiter" nach Mitteleuropa. Der Boom der letzten zwanzig Jahre war überwiegend durch den Beitritt zur EU/EG bedingt. Es gibt nicht viele international wettbewerbsfähige Konzerne, ein gesunder Mittelstand fehlt weitgehend. Wo sollen die Arbeitsplätze also herkommen, zumal unangenehme oder unattraktive Arbeiten an Immigranten aus Marokko oder Rumänien "outgesourct" wurden?

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Torsten
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Torsten »

Caviteño hat geschrieben:Sorry Torsten - es mag zwar auf "demokratischen Weg" nicht erreichbar sein, sehr wohl aber durch simple Fakten, nämlich der Weigerung der Gläubiger, dem Land weiterhin Kredite zur Verfügung zu stellen.
Diese "simplen Fakten" wurden im Falle Argentiniens durch eine andere Politik durchbrochen, wie es im von mir oben verlnkten Radiofeature zur Sprache kommt .. Es gibt Alternativen, wo der Großteil der Bevölkerung nicht ganz so zu leiden hat. Es sei denn, man ist der Auffassung, "sie haben es verdient" ...

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Torsten hat geschrieben:
Caviteño hat geschrieben:Sorry Torsten - es mag zwar auf "demokratischen Weg" nicht erreichbar sein, sehr wohl aber durch simple Fakten, nämlich der Weigerung der Gläubiger, dem Land weiterhin Kredite zur Verfügung zu stellen.
Diese "simplen Fakten" wurden im Falle Argentiniens durch eine andere Politik durchbrochen, wie es im von mir oben verlnkten Radiofeature zur Sprache kommt .. Es gibt Alternativen, wo der Großteil der Bevölkerung nicht ganz so zu leiden hat. Es sei denn, man ist der Auffassung, "sie haben es verdient" ...
Gute Vorlage - Argentinien, denn mit Sicherheit hatte die Bevölkerung es dort nicht verdient. Der Fehler war die Bindung des Pesos an den Dollar im Kurs 1:1 in 1991, die Argentinier waren plötzlich reich, reisten in die USA und nach Europa, kauften Importwaren. Natürlich konnte das nicht lange gut gehen - die Ähnlichkeiten mit GR sind nicht rein zufällig. Eine Währung muß immer auf die Bedürfnisse des Wirtschaftsgebietes, in dem sie gilt, entsprechen. Ist das nicht der Fall, kommt es zum Kollaps. Er trat im Fall Argentiniens und GR nach fast dem gleichen Zeitraum (ca. 1 Jahren) ein.

Die Folgen des Staatsbankrotts sind noch immer weitreichend. Argentinien ist seit 22 vom intern. Kapitalmarkt ausgeschlossen; es kann keine Kredite mehr aufnehmen. Soweit die Gläubiger das Umschuldungsangebot nicht angenommen haben, versuchen sie, sich ihr Geld durch Pfändungen zu beschaffen. Das ist für arg. Regierung unangenehm, da sie Angst haben muß, daß auch die altersschwache Präsidentenmaschine Tango 1 gepfändet wird. Die Pfändung des Segelschulschiffes "Libertad" in Ghana erregte ebenfalls weltweites Aufsehen.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/a ... 76322.html

Dies sind natürlich nur Nadelstiche, die zwar für Aufsehen und negative Schlagzeilen sorgen, aber weitergehend folgenlos sind.

Schwerwiegender dürfte da schon die Klage zweier Geierfonds sein, die in New York verhandelt wird. Richter Griesa vom New Yorker Berufungsgericht entschied aufgrund einer Klage des Geierfonds NML folgendes:
Da ordnete Griesa an, Argentinien könne keine weitere Zahlungen an die Inhaber der neuen umgeschuldeten Anleihen leisten, wenn es nicht gleichzeitig auch die Altschuldner wie NML bediene. Zugleich drohte er allen Banken und Clearingstellen mit Strafe, die Argentinien bei der Abwicklung der untersagten Zahlungen unterstützen würden. Das brachte Argentinien in Bedrängnis. Bleibt die Regierung bei ihrer Weigerung, die Altgläubiger zu bezahlen, so darf sie auch die umgeschuldeten Papiere nicht bedienen.
Damit aber würde Argentinien erneut zahlungsunfähig. Die Regierung von Cristina Fernández de Kirchner legte Berufung gegen Griesas Urteil ein.
http://www.zeit.de/wirtschaft/geldanlag ... e-new-york

Die Sache liegt jetzt beim Obersten Gerichtshof der USA, eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.

Bevor jetzt wieder das große Lamento über die bösen Geierfonds, die arme arg. Regierung und die willfährige US-Justiz einsetzt:
Die Anleihebedingungen enthielten sog. "pari-passu"-Klauseln, in denen Argentinien die Gleichbehandlung aller Gläubiger zusicherte.
Während die von der Klausel begünstigten Anleihegläubiger keine Zinszahlungen zum vorgesehenen Fälligkeitszeitpunkt erhielten, wurde der IWF durch Argentinien weiter bedient, obwohl er formal nicht zu den vorrangigen Gläubigern gehörte. Deshalb sind Klagen von Anleihegläubigern wegen Verstoßes gegen die Anleihebedingungen anhängig.
http://de.wikipedia.org/wiki/Pari-passu-Klausel

Sich durch einen Staatsbankrott aller Schulden zu entledigen und gleichzeitig überhaupt keine Bereitschaft zu zeigen, einen Teil der Schulden zurückzuzahlen, ist vielleicht keine besonders gute Idee. Die Folgen wirken sich konkret auf die Handelsbeziehungen aus. BMW wird für seine Exporte nach Argentinien praktisch mit Reis und Leder bezahlt, Porsche erhält Wein und die Chinesen Früchte.

http://www.focus.de/finanzen/finanz-new ... 8972.html

Das so etwas nicht unbedingt dazu beiträgt, ausl. Investitionen im Lande zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen, ist wohl klar. Die Enteignung der argentinischen Repsol-Tochter YPF ist ein weiterer Punkt, die argentinische "Alternative" zurückhaltend zu betrachten und zu überlegen, ob die Vorteile einer Staatsbankrotts ohne Rückzahlungsbereitschaft die künftig entstehenden Nachteile aufwiegen.

Im übrigen ist es zweifelhaft, ob die Bevölkerung dort weniger gelitten hat. Kaufkraftverluste von über 2% in einem Jahr, die Abwertung der eigenen Ersparnisse und eine hohe Arbeitslosigkeit waren der Preis.

http://de.wikipedia.org/wiki/Argentinie ... ttelklasse

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Portugal will im Sommer den Rettungsschirm verlassen, um sich nicht mehr den Forderungen der Troika beugen zu müssen. Da es risikoreich sein kann, sich plötzlich zu Marktbedingungen verschulden zu müssen - die Zinsen könnten zu hoch sein - trickst die EZB. Sie wird auch weiterhin portugiesische Staatsanleihen als Sicherheit akzeptieren und hat dazu ihre Statuten geändert:
Geschäftsbanken können sich grundsätzlich unbegrenzt Geld bei der EZB leihen, müssen dafür aber Wertpapiere als Sicherheiten verpfänden. Entscheidendes Kriterium ist die Bonität: Die EZB akzeptiert nur Anleihen mit einem gewissen Mindestrating. Nach den bisherigen Regeln erfüllten portugiesische Staatsanleihen diese Anforderung nicht mehr.
Sie konnten nur deshalb bei der EZB eingereicht werden, weil für Länder mit einem ESM-Rettungsprogramm die Bonitätsschwelle außer Kraft gesetzt ist, sodass die EZB beispielsweise auch griechische Staatsanleihen weiterhin akzeptiert. Doch wenn Portugal das ESM-Programm im Laufe des Jahres wie geplant verlässt, läuft diese Sonderregel für das Land aus. Dann aber wären portugiesische Anleihen nicht mehr notenbankfähig gewesen. Damit wären Banken als Käufer dieser Anleihen wohl nahezu vollständig weggefallen.
Die nun bekannt gewordene Änderung bewirkt, dass die EZB auch Papiere für Geldgeschäfte annimmt, die von der kleinen kanadischen Ratingagentur DBRS mit einem "BBB (low)" ausgestattet sind. Bislang lag die Schwelle eine Ratingstufe höher, bei einer DBRS-Note von "BBB". Für Portugal macht das viel aus, denn das Land wird just mit "BBB (low)" bewertet.
Bei den drei großen Ratingagenturen S&P, Moody´s und Fitch ist Portugal schon seit Längerem aus dem BBB-Bereich herausgefallen. Weil aber in der EZB-Welt die eigenwillige Regel gilt, dass nur das beste Rating entscheidend ist, reicht die DBRS-Note nun aus, damit die Notenbank portugiesische Anleihen wieder akzeptiert.
(...)
In der Fachwelt nimmt man die Maßnahme jedenfalls mit Verwunderung zur Kenntnis. "Es ist überraschend, dass die EZB-Standards ausgerechnet für die Ratingagentur verändert werden, mit der Portugal am leichtesten die Bonitätsanforderungen wieder erfüllen kann", sagte Jörg Rocholl, Präsident der Berliner Wirtschaftshochschule ESMT, der sich seit Jahren mit der Sicherheitenpolitik der Notenbank beschäftigt, der "Welt am Sonntag". "Ein solcher Schritt schafft kein Vertrauen in die Bonitätsanforderungen der EZB und sollte transparenter erläutert werden."
http://www.welt.de/wirtschaft/article12 ... stieg.html

Hauptsache, man kann der Öffentlichkeit verkaufen, daß die "Rettungspolitik" im Falle von Portugal "erfolgreich" war - das dicke Ende wird schon kommen. Ich befürchte, daß man - sobald die Troika nicht mehr in den nationalen Haushalt reinreden und Auflagen machen kann - sich zunächst zur "Belohnung" einmal einen kräftigen "Schluck aus der Pulle" gönnt und Renten und Gehälter erhöht. In wenigen Jahren wird man wieder dort stehen, wo man vorher stand. Auch in GR hat die ganze "freiwillige" Schuldenerlaß nichts gebracht. Für die Südländer ist der Euro die falsche Währung - jedenfalls solange, wie D. diesem Verbund angehört.

Welche "Sicherheiten" von Portugal hinterlegt wurden, kann man hier sehen. Da findet man auch Anleihen, die 194 - 1943 aufgelegt wurden, und am 31. 12. 9999 - also in 7.985 Jahren zur Rückzahlung anstehen. Welcher normale Mensch würde einen solchen Schrott als "Sicherheit" akzeptieren? :D

s.a.: http://www.mmnews.de/index.php/wirtscha ... -euro-trug

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Edi
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Edi »

Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Daraus:
Mayer: Der Reformeifer der Griechen war früher schon nicht sehr groß und wir werden sehen, dass künftig kaum noch Reformen umgesetzt werden. Griechenland will sich den Kontrollen der Troika entziehen. Die Regierung hat den Haushalt soweit im Griff, dass sie für die laufenden Ausgaben kein frisches Geld mehr braucht. Damit haben die Euro-Staaten kein Druckmittel mehr, um Reformen zu erzwingen. Die Machtverhältnisse haben sich geändert. Sobald die letzte Tranche ausgezahlt ist, wird die Regierung in Athen aufhören, zu kooperieren.
Etwas ähnliches befürchte ich für alle Südländer, die unter dem Diktat der Troika "leiden". Sobald es irgendwie möglich ist - z.B. mit den Ankauf von Staatsanleihen durch die südlich dominierte EZB - wird man in den alten Trott zurückfallen. Man wird sich hohe Lohnsteigerungen, eine "bürgerfreundliche" Steuerverwaltung, zusätzliche Stellen im öffentlichen Dienst und unnötige Infrastrukturausgaben gönnen, ob "das Wachstum anzuschieben".
Die gegenwärtige Ruhe ist den Europa-Wahlen geschuldet. Man hat GR mit Geld vollgepumpt, damit es auf keinen Fall im Frühjahr zu einer neuen "Rettungsaktion" kommen muß, die den euro(pa)-skeptischen Parteien weiteren Auftrieb geben würde. Die Rechnung wird danach präsentiert werden; die Fußball-WM ist ein guter Zeitpunkt. Man sollte deshalb auf einen total verregneten Sommer und ein Ausscheiden der deutschen Mannschaft in der Vorrunde hoffen - vielleicht ist Volke's Stimmung dann so schlecht, daß auch der Dümmste etwas merkt und sich nicht von Fußball-Bildern blenden läßt. Allerdings ist diese Hoffnung gering.....

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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Kommt ein erneuter Schuldenschnitt in GR nach den Europawahlen? :/ Der Bund aus Bern hält das für unausweichlich und verweist dazu noch einmal auf die Entwicklung der griechischen Schulden:
Wie weit die Zieleinfahrt für die Griechen aber noch immer entfernt ist, lässt der Blick auf das staatliche Gesamtdefizit erahnen. Dieses ist 213 unter Einbezug des Schuldendienstes weiter gestiegen – auf horrende 12,7 Prozent der Wirtschaftsleistung, nach 8,9 Prozent im Jahr zuvor. Noch dramatischer verläuft die Entwicklung der öffentlichen Schuldenlast: 212 sank sie zwar von 17,3 Prozent auf 157,2 Prozent aufgrund einer Umschuldung, die den privaten Kreditgebern Verluste von über 1 Milliarden Euro bescherte. Doch im Berichtsjahr ist Griechenlands Schuldenstand wieder auf 175,1 Prozent hochgeschossen. Da das jährliche Haushaltdefizit auch in den kommenden Jahren höher ausfallen dürfte als das Wirtschaftswachstum, ist mit einem weiteren Anstieg der Schuldenlast zu rechnen.
Und es kommt noch schlimmer: Inflationsbereinigt wiegen die griechischen Staatsschulden schwerer, weil das Preisniveau im Land rückläufig ist. Für den März ist eine negative Jahresteuerungsrate von 1,5 Prozent errechnet worden. Angesichts einer solchen Negativspirale bleibt im Grunde schleierhaft, woher die Investoren ihren Optimismus nehmen und wieder bereit sind, Griechenland Geld zu leihen – und das zu Zinssätzen, wie man sie so tief seit Jahren nicht mehr gesehen hat.
Eines wird doch zunehmend klar: Ohne einen nochmaligen Forderungsverzicht seiner Gläubiger wird es Griechenland nicht gelingen, den immensen Schuldenberg abzutragen.
http://www.derbund.ch/wirtschaft/konjun ... y/11642447

Zwei Dinge kann man festhalten:
1. Der Schuldenerlaß durch den "freiwilligen Gläubigerverzicht" im Frühjahr 212 iHv über 1 Mrden € (immerhin 1. €/Einwohner) wurde von den Griechen verfrühstückt. Ihre Schuldenquote ist so hoch wie vor dem Erlaß. Selbst wenn man jetzt die Gelder des Steuerzahlers einsetzt - mit einer Besserung ist nicht zu rechnen. Die gleichen Argumente, warum ein Schuldenschnitt für die Gesundung GR notwendig sei, wurden 212 schon von den Politikern erzählt.
Warum sollte es diesmal anders sein?
2. Für mich weitaus erstaunlicher ist, daß die Teuerungsrate trotz der vielen Geldspritzen der EZB nicht steigt. Dies könnte den Finanzpolitikern, die hoffen, aus ihren Schulden mit Hilfe der Inflation wachsen zu können, erhebliches Kopfzerbrechen bereiten. Für sie wären fallende Preise, also eine Deflation, eine Katastrophe:
Nur einer verliert garantiert in der Deflation – der Staat. Seine monströse Schuldenlast schrumpft mit der Inflation, in der auch die Steuern steigen. Wer mehr verdient, und sei es eben nur zum Ausgleich für steigende Preise, rutscht in der Progressionstabelle des Steuertarifs nach oben. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist also Inflationsgewinner und Deflationsverlierer. Das gilt auch für die südeuropäischen Staaten. Während ihre Unternehmen durch sinkende Löhne wettbewerbsfähiger werden, klettern die Staatsschulden. Daher machen die Südländer massiven Druck auf die EZB. Sie soll gegen die böse Deflation noch mehr Süd-Staatsanleihen kaufen, damit die Inflation wieder steigt und die Zinsen sinken. Genau das wollen auch die Franzosen: mehr EZB-Geld für noch höhere Schulden, um so gleich auch noch lästige Wirtschaftsreformen zu vermeiden.
http://blog.wiwo.de/chefsache/214/4/1 ... on-guttut/

Schäuble hat sich schon geweigert, die Steuermehreinnahmen, die ihm durch die Kalte Progression zufließen, wieder herauszugeben. Was er einmal hat, wird dann für so "sinnvolle" soziale Vorhaben wie Rente mit 63 oder Mütterrente genutzt. Nur was ist, wenn die Konjunktur abkühlt, Arbeitslosigkeit und Zinsen steigen und dafür die Steuereinnahmen sinken? :hmm: Hat er dann den Mut, die sozialen Wohltaten wieder einzusammeln :nein: oder wird man weiter die Steuern erhöhen? :ja:

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Die Kritik an den geschönten Zahlen GR über den angeblichen Primärüberschuß wird immer lauter. Prof. Sinn spricht von einer Irreführung der Öffentlichkeit und hat dabei Recht:
„Das ist eine Irreführung der Öffentlichkeit. Von solchen Haushaltsüberschüssen kann in Wahrheit nicht die Rede sein", sagte der Präsident des Ifo-Instituts am Donnerstag in München. Der Wirtschaftsprofessor beklagt, dass aus der eigentliche Haushaltslücke Athens von stolzen 12,7 Prozent zu viele Posten herausgerechnet wurden. „Irgendwelche Haushaltssalden sind immer positiv, wenn man nur hinreichend viele Ausgabenposten weglässt", polterte Sinn.
(...)
In der Tat hat die Berechnung der EU-Kommission ihre Tücken. Normalerweise bleiben staatliche Geldspritzen für die Sanierung von Pleitebanken und Beiträge an internationale Organisationen Teil der Schuldenlast. Im Falle Griechenlands hieße dies, dass statt eines Überschusses unter dem Strich ein Minus von 8,7 Prozent stehen würde. Dann aber könnten die Europartner keine weiteren Kredite an Athen freigeben, weil sie den Primärüberschuss selbst als Bedingung dafür erklärt haben. Allerdings hatten sie dabei bereits die gelockerte Definition festgesetzt.
http://www.wsj.de/article/SB1142452 ... manyEuropa

Der letzte Satz ist entscheidend: Man weiß vorher schon, daß das Ziel eines Primärüberschusses im herkömmlichen Sinn nicht erreicht werden kann. Also wird der einfach neudefiniert und voilá - das Ziel ist erreicht.

Ein anderer Gesichtspunkt - die Verpflichtung der EZB, jede Staatsanleihe zu kaufen bzw. als Sicherheit zu akzeptieren, wird hier näher untersucht. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, daß die beeindruckende Rückkehr von GR und PT an den Kapitalmärkten nur der Tatsache geschuldet ist, daß die Staaten nach der EZB-Garantie nicht pleite gehen können:
Nun wird offensichtlich, was die tatsächliche Ursache für die beeindruckende Rückkehr der Krisenländer an die Kapitalmärkte und die unerhört günstigen Zinsen ist: In den letzten Wochen wurden keine griechischen oder portugiesischen Anleihen begeben, sondern tatsächlich Euro-Bonds. Vordergründig gedeckt durch die Notenpresse der EZB, tatsächlich aber durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die finanzielle Bonität insbesondere der deutschen Bürger und Steuerzahler.
Diese Staaten- und Bankenrettung wird von der EZB mit "Deflationsgefahrenabwehr" begründet. Tatsächlich stellt die geringe Inflationsrate für die Staaten ein Problem dar:
Nun, die westliche Welt befindet sich seit 1981 in einem fallenden Inflationszyklus, Disinflation genannt. Seit der Jahrtausendwende haben Globalisierung und die Digitalrevolution den Verfall des Preisniveauanstieges noch beschleunigt.
Der moderne Wohlfahrtsstaat braucht aber die Inflation als Schmiermittel, denn nur so können die systemgefährdenden Staatsschulden und private Vermögenswerte mittelfristig abgebaut werden.
http://www.welt.de/finanzen/article1273 ... usion.html

Das "Schmiermittel" Inflation - wenn es nicht mehr hilft, wird es in den Staatsfinanzen knirschen.....

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Edi
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Edi »

Das neue Buch von Hans-Werner Sinn mit dem Titel "Gefangen im Euro".

http://www.amazon.de/Gefangen-im-Euro-H ... 3868815252
Es lebt der Mensch im alten Wahn.
Wenn tausend Gründe auch dagegen sprechen,
der Irrtum findet immer freie Bahn,
die Wahrheit aber muss die Bahn sich brechen.

Die meisten Leute werden immer schmutziger je älter sie werden, weil sie sich nie waschen.

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Ein Bericht aus Italien zum Euro und zur Europawahl:
Fünf Parteien – nach Meinungsumfragen mit Aussicht auf rund 6 Prozent der Stimmen – werben derzeit mit schrillen Tönen für den Austritt aus dem Euro, für ein Referendum über den Austritt oder für völlig neue Verträge als Bedingung für den Verbleib Italiens in der Währungsunion.
Für Italiens Partner ist diese Entwicklung mehr als überraschend. Waren es doch die Italiener, die in den neunziger Jahren den Rest Europas bestürmten, ihr Land trotz aller Bedenken von Anfang an in die neue Währungsunion aufzunehmen und nicht erst nach einer zusätzlichen Bewährungszeit. Umso befremdlicher klingt es, wenn nun von italienischen Politikern behauptet wird, der Euro sei Italien aufgezwungen worden. Der Parteiführer der Lega Nord sagt sogar, der Euro sei Teil eines kriminellen Projektes zur Bereicherung Deutschlands und Beherrschung Italiens. Silvio Berlusconi wiederholt gerne, der Euro müsse als ausländische Währung betrachtet werden, wie es der amerikanische Dollar für Argentinien gewesen sei.
(...)
Das Ergebnis der insgesamt acht Regierungen seit den Entscheidungen über die Währungsunion ist daher vernichtend: Italien hatte zwar beste Voraussetzungen, mit dem Stabilitätsanker des Euro zu einer der wohlhabendsten Nationen Europas aufzusteigen – mit Produkten, die als Inbegriff von Luxus, Design und gutem Geschmack gelten, mit erfolgreichen Tüftlern im Maschinenbau, mit Millionen kreativer Unternehmer in weltoffenen Industriedistrikten, zudem mit vielerlei Voraussetzungen für Erfolg auf dem Reisemarkt. Aus diesen Chancen hat Italien nichts gemacht. Der Marktanteil Italiens am internationalen Welthandel hat sich seit 1998 fast halbiert, auf nur noch 2,7 Prozent für 213. Gegenüber dem Durchschnitt der Staaten im Euroraum hat Italien in diesem Zeitraum einen realen Wachstumsrückstand von 15 Prozentpunkten angesammelt. Italien gehört zu den Verlierern der Globalisierung.
(...)
Stattdessen versprechen sie[=die Politiker], dass Italien ohne Euro zum Schlaraffenland werde, mit mehr Inflation als vorgeblichem „Schmierstoff des Wachstums“ oder mit einer bequemen Finanzierung von Staatsschulden durch die Zentralbank.
In der vielstimmigen Kampagne gegen den Euro werden wieder die Mechanismen aus dem Italien der siebziger Jahre aufgetischt. Die führten das Land mehrfach an den Rand des Abgrunds, weshalb dann überhaupt der Euro als Rettungsanker gebraucht wurde. Doch Fakten zählen nicht, solange man mit Lügenmärchen auf Wählerfang gehen kann.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/e ... 24571.html

Man versucht hier in D. der Bevölkerung "Erfolgsmeldungen" zu verkaufen - IRL, PT und ES haben den Rettungsschirm verlassen und in GR sprudeln die Haushaltsüberschüsse.... - sieht man sich aber die beiden größten Problemvolkswirtschaften im Euro-Raum an, kann einen das kalte Grausen überkommen. Nicht umsonst sieht es so aus, daß die Euro(pa)-Kritiker in F und IT viel Zulauf haben.
Länder mit unterschiedlicher wirtschaftlicher Tradition können nicht zu einem Gesamtmarkt mit einheitlicher Währung und einheitlichem Rechtssystem zusammenpresst werden. Ein Freihandelsabkommen zwischen den nordeuropäischen Ländern (einschl. D. und Benelux) und den USA würde vermutlich zu weniger wirtschaftlichen Spannungen führen als der Euro.
Wie soll denn ein Land wie Italien oder Frankreich, das jahrzehntelang mit einer hohen Inflations- (und Lohnsteigerungs-)Rate gelebt hat und bei dem die Zentralbank praktisch eine Unterabteilung des Finanzminsterium war, mit einem System leben, das der Geldpolitik der Deutschen Bundesbank nachgebildet wurde. :hae?:

Allerdings ist keine der Systemparteien in D. bereit, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und der deutsche Michel zahlt.

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Marcus
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Marcus »

Lösung zum Abbau der Staatsverschuldung in Sichtweite:

http://www.preussische-allgemeine.de/na ... geben.html
Jesus spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh. 14,6)

ad_hoc
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von ad_hoc »

Du liest diese Zeitung?

:ikb_thumbsup: :ikb_thumbsup:

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

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Ewald Mrnka
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Ewald Mrnka »

Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

ad_hoc
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von ad_hoc »

Aber wirklich.
Die nächsten Tage werden interessant.

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

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martin v. tours
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von martin v. tours »

Definitiv !
Und gefährlicher als vieles andere in diesem Konflikt. Ob die Ukraine pro Russland oder pro "Westen" ist - das ist nur ein Bauer im globalen Schachspiel.
Aber den Dollar anzugreifen, das geht frontal gegen den König und hat schon einigen anderen Staatschefs die Lebenserwartung drastisch verkürzt.
Aber, und das ist das dramatische, Russland ist nicht Lybien. Putin kann man nicht so einfach Gaddafisieren oder aus einem Erdloch ziehen wie den ollen Saddam.
Da aber die absolute Macht des Dollars ein tragendes Element des amerikanischen "house of power" ist, werden unsere amerikanischen Freunde bis zum äussersten gehen um dies zu verhindern.
Beängstigend.
Nach dem sie nicht erreicht hat, daß die Menschen praktizieren, was sie lehrt, hat die gegenwärtige Kirche beschlossen, zu lehren, was sie praktizieren.
Nicolás Gómez Dávila

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Ewald Mrnka
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Ewald Mrnka »

martin v. tours hat geschrieben:Definitiv !
Und gefährlicher als vieles andere in diesem Konflikt. Ob die Ukraine pro Russland oder pro "Westen" ist - das ist nur ein Bauer im globalen Schachspiel.
Aber den Dollar anzugreifen, das geht frontal gegen den König und hat schon einigen anderen Staatschefs die Lebenserwartung drastisch verkürzt.
Aber, und das ist das dramatische, Russland ist nicht Lybien. Putin kann man nicht so einfach Gaddafisieren oder aus einem Erdloch ziehen wie den ollen Saddam.
Da aber die absolute Macht des Dollars ein tragendes Element des amerikanischen "house of power" ist, werden unsere amerikanischen Freunde bis zum äussersten gehen um dies zu verhindern.
Beängstigend.
Wenn die die Amis für ihr bedrucktes Papier nicht mehr bedient werden, stürzen sie ins bodenlose, weil sie als wirkliche Wirtschaftsmacht schon lange nicht mehr konkurrieren können. Ihre Lebensstandard wird schon lange weitgehend über gigantische Schulden finanziert, die sie niemals real bedienen können.

Das böse Väterchen Putin greift die U$A an ihrer verwundbarsten Stelle an.
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Ewald Mrnka hat geschrieben: Wenn die die Amis für ihr bedrucktes Papier nicht mehr bedient werden, stürzen sie ins bodenlose, weil sie als wirkliche Wirtschaftsmacht schon lange nicht mehr konkurrieren können. Ihre Lebensstandard wird schon lange weitgehend über gigantische Schulden finanziert, die sie niemals real bedienen können.

Das böse Väterchen Putin greift die U$A an ihrer verwundbarsten Stelle an.
Wieso?
Für die Lösung der Schuldenproblematik in den USA wurde bereits vor einem Jahr ein möglicher Weg aufgezeigt:

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/h ... -1.1564755

Im übrigen halte ich die Vorstellung des Rubels als Reservewährung oder sogar als Fluchtwährung für reichlich bizarr. Der Zusammenbruch des us-amerikanischen Schuldenturms wird schon seit 2 - 3 (oder mehr Jahren) für die jeweils nahe Zukunft vorhergesagt und er erscheint mir gegenwärtig viel unwahrscheinlicher als noch vor fünf oder zehn Jahren. Die USA werden in nächster Zeit von Ölimporten weitgehend unabhängig sein und prüfen z. Zt. sogar die Aufhebung des noch bestehenden Ölexport-Verbots.

Sie haben bereits im letzten Jahr Rußland als den größten Gas- und Ölproduzenten abgelöst.

http://www.welt.de/wirtschaft/article12 ... -Welt.html

Aber Fracking führt nicht nur zu einer Unabhängigkeit der USA von Energieimporten - es stärkt auch die Wettbewerbsfähigkeit des dortigen Standorts. Dabei ist es egal, ob es sich um us-amerikanische oder z.B. europäische Firmen handelt, die dort investieren. Die billigen Energiepreise wirken sich investitionsfördernd aus - in D. ist durch die Energiewende das Gegenteil der Fall:
Europa ist heute mit 36 Prozent Weltmarktanteil der größte Exporteur energieintensiver Güter wie Stahl, Papier und chemische Erzeugnisse. Gleichzeitig zahlt die Industrie für Import-Gas rund dreimal so viel wie Amerikaner für heimisches Gas. Die Strompreise für die Industrie liegen in Europa etwa doppelt so hoch.
Das kann auf Dauer nicht gutgehen, warnt jetzt die Internationale Energieagentur IEA. In ihrem Branchenbarometer World Energy Outlook stellt sie eine dunkle Prognose: Energieintensive Industriezweige werden zukünftig in Schwellenländer und die USA abwandern. Bis 235 wird dadurch der Exportanteil der EU um ein Drittel zurückgehen. Ähnlich düster sehe es für Japan aus.
Dass die Energiekosten in Europa und den USA stark voneinander abweichen, liegt nur zum Teil an der Energiewende hierzulande. Die USA haben sich vielmehr einen anderen entscheidenden Vorteil erspielt: Sie fördern Schiefergas, das in tiefen Gesteinsschichten gebunden ist.
http://www.ingenieur.de/Politik-Wirtsch ... -verlieren
Vor allem energieintensiven Betrieben kommen die niedrigen Kosten zu Gute. Nach einer Studie des Beratungsunternehmens NUS Consulting zahlen Großverbraucher in Amerika zwei Drittel weniger für Gas als in Deutschland, beim Strom liegt die Ersparnis bei 4 Prozent. Den US-Unternehmen winken ungeahnte Wettbewerbsvorteile. So schätzen die Berater von Pricewaterhouse-Coopers, dass durch sinkende Energiepreise bis 225 eine Million neue Fabrikjobs in den USA entstehen könnten.
Da zögern die Unternehmen nicht lange mit Investitionen. Chemiekonzerne etwa, die in den 199er Jahren ihre Produktion ins Ausland verlagert hatten, kommen dafür sogar zurück: So will etwa Dow Chemical bis 217 vier Milliarden Dollar in den Bau neuer Produktionsanlagen am Golf von Mexiko stecken. Ähnliches hat Chevron Phillips vor. „Wir haben uns davon überzeugt, dass das keine vorübergehende Sache ist“, sagte kürzlich Unternehmenschef Peter Cella dem „Wall Street Journal“. „Das ist ein echtes, dauerhaftes Phänomen, ein potenzieller Wettbewerbsvorteil für die Vereinigten Staaten“.
Auch die Europäer haben ihre Fühler schon ausgestreckt: Der Energieriese Shell baut eine Produktion in Pennsylvania auf, der deutsche Verbundstoffhersteller SGL Carbon investiert in ein Werk im Bundesstaat Washington. Und der österreichische Stahlkonzern Voesalpine will 5 Millionen Euro in eine Fabrik für Vormaterial für die Stahlproduktion in Nordamerika investieren.
http://www.handelsblatt.com/unternehmen ... 61-2.html

Auch BASF prüft eine Großinvestition in den USA, ebenso wie das Schweizer Unternehmen Clariant:
Herr Kottmann, Clariant hat soeben ein Forschungszentrum für 5 Mitarbeiter in Frankfurt-Höchst eingeweiht. Planen Sie weitere Investitionen in Deutschland?
Kottmann: Clariant besteht zu 7 Prozent aus Geschäften der früheren Hoechst AG, in Höchst arbeiten die meisten Forscher. Somit war klar, dass wir dort das Forschungszentrum eröffnen. Ansonsten: Warum sollten wir in Deutschland noch einen Cent in neue Anlagen investieren? Dafür sehe ich derzeit keinen Grund. Wir hatten zwei, drei Projekte in Deutschland favorisiert. Wir investieren nun lieber in den USA.

Sind Sie ein Energieflüchtling? In den USA liegen die Kosten deutlich niedriger.
Das ist ein Grund. Zudem sind die USA für uns im Gegensatz zu Europa nicht mehr ein reifer Markt, sondern ein Wachstumsmarkt, wo Konsum und Investitionen mächtig anziehen. Ich war neulich bei Kunden in Houston, da herrscht Goldgräberstimmung. Allein die Aussicht auf billigere Energie treibt die Investitionen nach oben und sorgt für mehr Wachstum.
(Hervorhebung von mir)

http://www.wiwo.de/unternehmen/industri ... 46244.html

Ich halte es daher für Phantasterei in absehbarer Zeit die Vormacht des USD brechen zu wollen.

Auch sonst gilt, was ich immer wieder sage/schreibe: Die Politik kann alles machen oder anordnen - sie muß sich nur darüber im klaren sein (und sollte es auch sagen), daß es bezahlt werden muß. Die "Energiewende" beschert dem kleinen Mann nicht nur höhere Zahlen auf seiner Stromrechnung, sie führt auch zu Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Wirtschaft, die bis zum Abbau der Arbeitsplätze gehen können. Wird die Industrie aus Wettbewerbsgründen geschont, werden die Beträge auf den "kleinen Mann" umgelegt - den Kosten kann man nicht entfliehen.
Ob die bei Einführung der Energiewende tatsächlich in Aussicht gestellten zusätzlichen Arbeitsplätze jemals geschaffen werden, ist mehr als fraglich. Die Förderung der Solaranlagen in D. hat jedenfalls zu einem Boom in China geführt und einige deutsche Hersteller in den Ruin getrieben.

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Edi hat geschrieben:Das neue Buch von Hans-Werner Sinn mit dem Titel "Gefangen im Euro".

http://www.amazon.de/Gefangen-im-Euro-H ... 3868815252
Hier gibt er eine kurze Zusammenfassung:
Nicht nur der Fall des Eisernen Vorhangs hat mich davon überzeugt, dass die Gesetze der Ökonomie sich letztlich durchsetzen werden. Mittel- bis langfristig ist keine Wirtschaftspolitik erfolgreich, die diesen Gesetzen widerspricht. Sie scheitert – auch wenn uns Politiker gern anderes glauben machen möchten, um wirtschaftliche Probleme in spätere Wahlperioden zu verschieben. So, wie das seit Jahrzehnten bei der Rente geschieht.
(...)
Auch beim Euro zeigen sich die ökonomischen Gesetze unerbittlich. Kurzfristig – nach seiner Einführung – sah alles bestens aus. Aber nun zeigt sich, dass er Europa in eine ökonomische Zwickmühle gebracht hat, aus der es keinen leichten Ausweg mehr gibt. Exzessive Kreditflüsse haben die Länder Südeuropas in die Inflation getrieben und ihrer Wettbewerbsfähigkeit beraubt.
Ohne Euro-Austritt kämen diese Länder nur dann aus ihrer Misere wieder heraus, wenn sie eine lange Phase der Stagnation und Deflation akzeptierten, die die Inflation wieder neutralisiert. Während einer solchen Phase herrscht indes eine Massenarbeitslosigkeit, an der die Gesellschaft zerbrechen kann. Diese Gefahr sollte man nicht unterschätzen. Wird aber versucht, die Massenarbeitslosigkeit durch Nachfrage stimulierende Maßnahmen abzumildern – etwa durch schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme –, dann entsteht ein chronisches Siechtum, weil die Deflation nicht stattfindet und sich die Wettbewerbsfähigkeit nicht verbessert.
Genau das zeichnet sich ab. Die Länder Südeuropas sind im Euro gefangen, weil der Austritt als politisches Unglück deklariert wird und sie im Euro nur dann wieder wettbewerbsfähig werden, wenn sie zuvor eine lang währende Massenarbeitslosigkeit erdulden, die weit über das hinausgeht, was man von Tiefpunkten in konjunkturellen Zyklen kennt. Das ist eine fast ausweglose Situation.
(...)
Zu Hause haben wir nicht mehr genug investiert, und die Auslandsinvestitionen erwiesen sich, soweit sie finanzieller Art waren und über unsere Banken und Lebensversicherungen flossen, als Flop. Um es auf eine Kurzformel zu bringen: Wir haben genug Arbeit, doch das Vermögen geht verloren. Uns geht es also nur scheinbar gut.
(...)
Doch damit nicht genug: Auf der zwischenstaatlichen Ebene hat die Krise Spannungen hervorgebracht, wie wir sie in Europa – abgesehen vom Ost-West-Konflikt – seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr erlebt haben. Und das paradoxerweise als Ergebnis eines politischen Friedensprojektes! Helmut Kohl hat den Euro ja nicht ökonomisch begründet, sondern als großes europäisches Friedensprojekt. Er war kein Ökonom, und er hörte auch wenig auf ökonomische Argumente. Die Folgen erleiden wir heute und noch stärker in der Zukunft.
Gerade beim Euro sehen wir also: Die Politik kann nicht auf Dauer gegen die ökonomischen Gesetze funktionieren.
Alles bekannt - aber trotzdem glauben noch zu viele Zeitgenossen den Beschwörungen der Politiker und ihren Versprechungen "jetzt ist alles anders...". Dabei "fühlt" jeder,
daß die Krise nicht vorüber ist;
daß die Bankenunion zu einer "Vergemeinschaftung" der europaweiten Einlagensicherungssysteme führen wird;
daß eine Haftung für die Schulden der Euro-"Partner" nicht zu vermeiden ist, egal ob es sich dabei um Eurobonds, um Anleihen des ESM oder um von der EZB aufgekaufte Staatsanleihen handelt;
kurzum
daß Deutschland die Zeche bezahlen wird, auf der andere gefeiert haben.

Aber das sind ja wieder böse Klischees......

Caviteño
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Caviteño »

Ein Vergleich zwischen den südeuropäischen Krisenstaaten und Island. Während im Süden Europas die Arbeitslosigkeit noch immer hoch ist, liegt sie in Island inzwischen wieder bei nur 5%, verglichen mit 2% in Spanien und 1% in Irland. Auch das Wachstum ist in Island zurückgekehrt. Die Gründe für diese Unterschiede bringt der Tagesanzeiger wie folgt auf den Punkt:
Wie war das möglich? Ganz einfach: Die isländische Krone wertete um mehr als 3 Prozent ab, und die Zentralbank konnte die Banken schnell mit Liquidität versorgen.

Ein zweites Element waren die beiden Volksentscheide, die verhinderten, dass der isländische Staat die ausländischen Bankkunden vollständig entschädigen musste, während Irland von der EU dazu gezwungen wurde und seither mit einer hohe Staatsverschuldung beladen ist.

Was das ökonomische Lehrbuch voraussagt, hat sich voll bewahrheitet: Eine unabhängige Geld- und Währungspolitik ist in Krisenfällen Gold wert. Irland und Südeuropa würde es heute viel besser gehen, wenn sie dieses Instrument immer noch in den Händen hätten.
(Hervorhebung von mir)

http://blog.tagesanzeiger.ch/nevermindt ... g-islands/

So etwas wird man in der europafreundlichen EU-Presse wohl kaum lesen, denn den Euro darf man nicht in Frage stellen oder man wird als europakritisch oder "Stammtischler" verunglimpft.
Die Politiker machen für den Fall der Abschaffung des Euros (in ihrem Land oder generell in Europa) Angst vor "unabsehbaren Konsequenzen". Sicherlich wird ein Wechsel zurück zu den nationalen Währungen nicht störungsfrei ablaufen - jedoch werden die langfristigen Vorteile überwiegen. Jedes Land kann wieder eine Wirtschaftspolitik betreiben, die den eigenen historisch gewachsenen Voraussetzungen entspricht und ist nicht mehr einem Diktat aus Brüssel oder eine Haftungs- bzw. Zahlungspflicht unterworfen. Der Euro ist für die sog. "politische Elite" ein Selbstzweck, das Wohl der Menschen spielt für sie keine Rolle.

Auch der zweite Grund - die Volksabstimmung bzgl. der Entschädigung ausl. Bankkunden - verdient Beachtung. Hier zeigt sich der Vorteil, daß man ein ganzes Volk nicht unter Druck setzen kann. Die isländischen Politiker wären vermutlich in Verhandlungen mit ihren Kollegen eingeknickt, die Volksabstimmungen haben verhindert, daß Island zahlen muß und die Investoren das Risiko ihres Investments (hier: Anlagen bei isl. Banken) auch tragen müssen. Möglich ist dies, weil das Volk distanzierter urteilen kann als die Politiker, die meinen, verschiedenen "Sachzwängen" folgen zu müssen.
Auf D. übertragen: Während Merkel & Co sich dem Ansinnen der EU und ihrer "Partner" einen Rettungsschirm zu errichten nicht widersetzen konnten, wäre das Thema bei einer Volksabstimmung (wie in der Schweiz) nie angesprochen worden bzw. "vom Tisch". Aber bei Volksabstimmungen hätte es auch nie einen Euro gegeben und die jetzigen Probleme wären nie aufgetaucht.

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Gamaliel
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Gamaliel »

Es geht auch ohne "Dollar":

China Signs Non-Dollar Settlement Deal With Russia's Largest Bank

Daraus:
VTB - among Russia's largest banks - has signed a deal with Bank of China to pay each other in domestic currencies, bypassing the need for US Dollars for "investment banking, inter-bank lending, trade finance and capital-markets transactions."

Selbiges gilt auch für das noch zu finalisierende Gasgeschäft zwischen Rußland und China:
Quelle hat geschrieben:Russland sollte über die nächsten 30 Jahre China täglich in etwa so viel Gas liefern, wie die Russen derzeit nach Deutschland liefern. Bis zu rund 38 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr sollte die Liefermenge bis 2020 betragen, dann sollte sie schrittweise auf das Doppelte aufgestockt werden.
[...]
Dieses Abkommen könnte überdies das Weltgefüge verändern: Denn abgerechnet werden soll direkt in Rubel beziehungsweise dem Yuan, der chinesischen Währung. Der amerikanische Dollar spielt bei dem Gigageschäft keine Rolle mehr.

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Torsten
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Torsten »

Gamaliel hat geschrieben:Es geht auch ohne "Dollar":
Quelle hat geschrieben:Denn abgerechnet werden soll direkt in Rubel beziehungsweise dem Yuan, der chinesischen Währung. Der amerikanische Dollar spielt bei dem Gigageschäft keine Rolle mehr.

Das ist wohl nicht ganz korrekt. Denn einer wenn nicht der wichtigste Absatzmarkt der Chinesen sind die VStvA. Von dem, was sie dorthin gegen Schuldversprechen exportieren, finanzieren sie ihren Energieimport.

Ganz einfach bildlich gesprochen: Die Amis sind das schwarze Loch des Kapitalismus, welches die weltweiten Überschüsse vertilgt, und die sich daraus ergebenden Schulden weltweit mit militärischer Gewaltandrohung verteilt. Mal mehr oder weniger gerecht.

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Torsten
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Re: Finanzmärkte - Finanzkrise - Zentralbanken II

Beitrag von Torsten »

USA = Unserer System Arschkarte

ARD Mediathek - Edelmarken zum Hungerlohn
Vor einem Jahr stürzte eine Textilfabrik in Bangladesch ein und begrub über tausend Näherinnen unter den Trümmern. Spätestens da war klar: Die Arbeitsbedingungen für Näherinnen dort und in anderen Billiglohnländern sind unzumutbar.
Bessere Arbeitsbedingungen und ein Lohn, der zum Leben reicht und vllt. ein bisschen mehr - das ist die Vision. Und das wird sich versprochen von der Arbeit für Märkte, an denen man gar keine Teilhabe hat? Von Märkten, die von der Exklusion leben? Und deren Sinnhaftigkeit komplett in das Abstraktum der Kapitalschöpfung entrückt ist?

Dafür weltweit die Vorreiterrolle zu übernehmen, und noch die Träume selbst der Hinterbliebenen und "Kollateralschäden" dieser Arbeitswelt zu beherrschen, was die Gestaltung der Zukunft angeht, dafür verdienen die USA nicht unbedingt Respekt, aber Mitleid. Und vielleicht Hilfe. In der Aufklärung darüber, dass das nur Quintessenz dessen ist, was alle anstreben.

http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/ ... lem_schuld
In letzter Konsequenz hat jeder freie Mensch auf dieser Welt nur eine Schutz- und Trutzmacht: die Vereinigten Staaten von Amerika.

Ganz genau.

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