Galileo Galilei, die x-te

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Tipheret
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Tipheret »

Auf diese Diskussion hier trifft das zu, was Fred Hoyle in seinen Überlegungen zum Universum gesagt hat:

Kosmologen irren sich oft - aber zweifeln tun sie selten.

Und das Verhältnis von Wissenschaft und (Religions)Philosophie wird von manchen behandelt nach dem Mottot:

Verwirrt nicht durch Fakten - unsere Meinung steht fest!

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Tipheret
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Heinrich II
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Heinrich II »

Tipheret und Sempre - da haben sich die richtigen gefunden... ;)
Wer euch ein anderes Evangelium verkündet, als ihr angenommen habt, der sei verflucht. Geht es mir denn um die Zustimmung der Menschen, oder geht es mir um Gott?

Fragesteller
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Fragesteller »

Sempre, Dein Ansatz scheint ja zu sein, auf die von der modernen Naturwissenschaft selbst zugestandenen Relativität ihrer Raummodelle zu pochen und dem dann die klassische kirchliche Sicht auf absolute Räumlichkeit hinzuzufügen. Wie lässt sich aber naturphilosophisch oder aus der Schrift belegen, dass es so etwas wie absolute Ruhe bzw. Bewegung, einen absoluten Raum etc. geben muss?

Raphael

Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Raphael »

Fragesteller hat geschrieben:Sempre, Dein Ansatz scheint ja zu sein, auf die von der modernen Naturwissenschaft selbst zugestandenen Relativität ihrer Raummodelle zu pochen und dem dann die klassische kirchliche Sicht auf absolute Räumlichkeit hinzuzufügen. Wie lässt sich aber naturphilosophisch oder aus der Schrift belegen, dass es so etwas wie absolute Ruhe bzw. Bewegung, einen absoluten Raum etc. geben muss?
Einen Hinweis darauf gibt der berühmte Aphorismus des Hl. Augustinus: Unruhig ist mein Herz, bis es Ruhe findet in Dir!

Fragesteller
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Fragesteller »

Ja gut, das ist ja nun ein zwar absoluter, aber nicht physikalischer Ruhepunkt (und nach einem solche war ja gefragt, ein absolut ruhender Punkt in Augustins Sinne ist die Erde eher nicht ...).

Raphael

Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Raphael »

Fragesteller hat geschrieben:Ja gut, das ist ja nun ein zwar absoluter, aber nicht physikalischer Ruhepunkt (und nach einem solche war ja gefragt, ein absolut ruhender Punkt in Augustins Sinne ist die Erde eher nicht ...).
Naturphilosophisch:
Wenn es einen relativen Raum gibt, dann muß es denknotwendigerweise auch einen absoluten Raum geben. Denn wenn ein relativer Raum jeweils als Bezugspunkt wiederum einen relativen Raum hätte, führte dies letzten Endes in den infiniten Regress.
Weil jedoch der infinite Regress unlogisch ist, gibt es den absoluten Raum.

Fragesteller
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Fragesteller »

Falls unsere Orientierung so funktioniert, dass wir kleinere Raumstrukturen in größere einordnen, dann kommt es in der Tat zu einem infiniten Regress, wenn man nicht irgendwann einen absoluten Raum findet, in den sich alles einordnet (es würde sich dann allerdings auch fragen, ob das schlimm ist). Falls unsere Orientierung umgekehrt so funktioniert, dass wir Wissen um größere Raumstrukturen um die uns bekannten kleinen herum ordnen, dann wäre auch ohne einen absoluten Raum ein (relativ zum Betrachter) fester Orientierungspunkt bereits gegeben. Ich weiß nicht, was von beidem zutrifft.

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Peregrin
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Peregrin »

Raphael hat geschrieben:muß es denknotwendigerweise auch einen absoluten Raum geben. Denn wenn ein relativer Raum jeweils als Bezugspunkt wiederum einen relativen Raum hätte, führte dies letzten Endes in den infiniten Regress.
Weil jedoch der infinite Regress unlogisch ist, gibt es den absoluten Raum.
Das möchte zwar klingen wie ein gültiger Syllogismus, ist aber keiner.
Ich bin der Kaiser und ich will Knödel.

Raphael

Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Raphael »

Peregrin hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:muß es denknotwendigerweise auch einen absoluten Raum geben. Denn wenn ein relativer Raum jeweils als Bezugspunkt wiederum einen relativen Raum hätte, führte dies letzten Endes in den infiniten Regress.
Weil jedoch der infinite Regress unlogisch ist, gibt es den absoluten Raum.
Das möchte zwar klingen wie ein gültiger Syllogismus, ist aber keiner.
Wie auch immer das in Deinen Ohren klingen mag, es sollte ein Axiom sein! :hmm:

Wenn's mir mißglückt ist, bitte ich um Aufklärung, woran's liegt bzw. weswegen es umgefallen ist. :huhu:

Thomas_de_Austria
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Ein Syllogismus (modus tollendo tollens) als Axiom?

(1) (A --> B)
(2) ~B
c. (3) ~A

Wie wird in diesem konkreten Fall eine Verschachtelung von unendlich vielen Räumen genau ausgeschlossen?

Raphael

Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Raphael »

Wer sich im Übrigen über die Vereinbarkeit von modernem naturwissenschaftlichen Weltbild einerseits und katholischem Glauben andererseits informieren möchte, für den gibt's diese Leseempfehlung: Der Dreieine

Über die Autoren:
Bernhard Philberth
Karl Philberth

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Sempre
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Sempre »

Fragesteller hat geschrieben:Sempre, Dein Ansatz scheint ja zu sein, auf die von der modernen Naturwissenschaft selbst zugestandenen Relativität ihrer Raummodelle zu pochen und dem dann die klassische kirchliche Sicht auf absolute Räumlichkeit hinzuzufügen. Wie lässt sich aber naturphilosophisch oder aus der Schrift belegen, dass es so etwas wie absolute Ruhe bzw. Bewegung, einen absoluten Raum etc. geben muss?
Ich berufe mich nur aus rhetorischen Gründen auf die moderne Himmelsmechanik von Albert Einstein, weil beide oder zumindest letzterer heutzutage den Status eines Götzen genießt. Ich habe ja diverse Zitate gebracht, die dem verständigen Leser klarmachen, dass die moderne Astronomie keinerlei Glaubwürdigkeit verdient. Stephen Hawking, Edwin Hubble und George Ellis geben zu: Die moderne Astronomie verschaukelt die Welt mit Einstein, weil sie willkürlicherweise, aus ideologischen Gründen das antiwissenschaftliche, sogenannt kopernikanische Prinzip vorzieht, das aussagt, dass der Mensch keine ausgezeichnete, spezielle Stellung, sondern nur eine typisch durchschnittliche Stellung im Kosmos einnimmt. Die Herren verraten, dass sie genausogut ein kugelsymmetrisches geozentrisches Modell präsentieren könnten. Gibt man sich Mühe, das kopernikanische Prinzip möglichst knapp ins Lateinische zu übersetzen, dann kommt das luziferianische non serviam dabei heraus. Neben dem nicht vorhandenen Wahrheitsanspruch (Popper, Falsifizierung) hatte ich vor einer Weile an anderer Stelle in diesem Forum einen weiteren Grund für eine Zurückhaltung gegenüber der modernen Wissenschaft erwähnt (siehe hier).

Hilfreich für die Kirche ist allerdings der Sachverhalt, dass Albert Einstein die grundlegenden Überlegungen von Ernst Mach sozusagen praktisch habilitiert und die Mängel an Newtons Mechanik erkennt. Mach widerlegt die angeblichen Beweise gegen die Kirche. Leider setzt Einstein Mach aber nicht wirklich um, und auch die Mängel der Newtonschen Mechanik sind bei ihm nicht wirklich verschwunden.

Einsteins Theorie ist m.E. weder mit gesunder Philosophie noch mit der Lehre der Schrift, der Väter, der Kirche vereinbar. Die gekrümmte expandierende Raumzeit ist dadurch gekennzeichnet, dass - beispielhaft gesprochen - der Satz des Pythagoras nicht gilt, es keine eindeutige zeitliche Ordnung gibt, es kein Zentrum gibt, u.v.a.m. Einfache grundsätzliche Begriffe wie Abstand und zeitlicher Abstand werden ihres eigentlichen Sinns beraubt, und für subjektiv bzw. relativ erklärt. Wie Immanuel Kant leugnet Einstein grundsätzlich eine objektive unmehrdeutige Ordnung der Dinge, eine objektive Wirklichkeit. Letztlich bedeutet das eine Leugnung der Erkenntnisfähigkeit des Menschen und damit indirekt die Behauptung der Sinnlosigkeit des Denkens.

Die Prinzipien Machs können auch auf Newtonscher Basis in einem euklidischen, heute sogenannt flachen Raum umgesetzt werden. Dabei ist der Raum zwar relativ, er existiert nur bedingt, in Abhängigkeit von der Materie, er manifestiert sich in Abständen, d.h. in relativen Positionen, aber er ist nicht relativistisch, nicht gekrümmt, nicht beobachterabhängig usf. Auch Bewegungen sind bloß relativ. Die Frage nach dem geometrischen Zentrum der Anordnung der Materie kann eindeutig geklärt werden, die Frage danach, ob sich nun die Erde oder das Firmament dreht, allerdings nicht. Der heidnische Philosoph könnte also sagen: OK, die kugelsymmetrische Anordnung der Materie, die wir beobachten, zeigt an, dass die Erde im Zentrum derselben steht, aber unsere Sinne zeigen nicht an, ob wir uns drehen, oder das Firmament (oder beide), es ist also eher fraglich, ob man überhaupt sinnvoll von absoluter Drehung oder absoluter Ruhe sprechen kann. Dem würde ich entgegnen: Aber Du hast von absoluter Ruhe gesprochen, und die Schrift offenbart uns, dass die Erde ruht.

Wo offenbart die Schrift das? Weiter oben im Strang ist eine Seite verlinkt, die Schriftzitate dazu auflistet. St. Robert Bellarmin schreibt A.D. 1615 an Pater Foscarini:
St. Robert Bellarmin an P. Foscarini hat geschrieben:Ich füge noch an, daß jener, der da schrieb: „Oritur sol et occidit, et ad locum suum revertitur etc.“ [Die Sonne geht auf und geht unter und kehrt an ihren Ort zurück usw.], Salomo war, der nicht nur von Gott inspiriert sprach, sondern ein über alle andern hinaus weiser und in den menschlichen Wissenschaften und in der Erkenntnis der geschaffenen Dinge gelehrter Mann war; und all diese Weisheit hatte er von Gott. Daher ist es nicht wahrscheinlich, daß er etwas behauptete, was der bewiesenen oder beweisbaren Wahrheit entgegengesetzt wäre.

Wenn man einmal den Spuk einer durch den Raum rasenden Erde aus dem Hirn vertrieben hat, den die armen Lehrer auf der Schule einem mit nicht unerheblichem Aufwand eingebläut haben, dann sitzt es sich sonntags viel ruhiger auf der Terrasse (hier ist Sommer), absolut ruhig. Handelte es sich nicht um eine Offenbarungswahrheit, dann ginge es mir wohl an der allerwertesten Frau Justizminister vorbei, ob sich irgendetwas dreht oder nicht. Der andauernde Fall Galilei ist aber außerdem von fundamentaler Bedeutung für die Kirche, da er die Exegese der Schrift auf den Kopf gestellt hat, und er wesentliche Ursache für das allgemeine Misstrauen gegenüber den klaren Lehren der Kirche, für den allgemeinen Glaubensabfall und für den Aufstieg des Modernismus ist, der praktisch eine neue Religion darstellt.


Die Kirche sollte die Verurteilung Galileis bestätigen und die Wissenschaft dieser fürchterlichen zeitgenössischen Kultur nicht so ernst nehmen. Oder aber Papst Benedikt XVI. wird zurecht wie 2009 an der Universität La Sapienza rausgeworfen, wenn er Galilei nicht endlich in den modernistischen Kanon aufnimmt und das Dekret von 1616 sowie das Urteil von 1633 feierlich widerruft.

Aber das verhindert, Gott sei Dank, der Hl. Geist. Bis heute und bis zum jüngsten Tag.

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Jarom1
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Jarom1 »

Tipheret hat geschrieben:Auf diese Diskussion hier trifft das zu, was Fred Hoyle in seinen Überlegungen zum Universum gesagt hat:

Kosmologen irren sich oft - aber zweifeln tun sie selten.

Und das Verhältnis von Wissenschaft und (Religions)Philosophie wird von manchen behandelt nach dem Mottot:

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Tipheret
Fred Hoyle bezog sich mit dieser Aussage aber auf die Anhänger der Urknalltheorie. Er selbst hat diese Theorie immer abgelehnt; nachdem er zuerst von einem homogenen, ewigen Universum ausgegangen ist (Steady-State-Theorie), hat er sich zuletzt für ein ewiges Universum ausgesprochen, in dem mehrere "Urknalle" in verschiedenen Bereichen stattgefunden haben. Dies würde auch zur beobachteten grossräumigen "Blasenstruktur" des Universums passen.
Consciousness of sin, certainty of faith, and the testimony of the Holy Spirit

Raphael

Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Raphael »

Jarom1 hat geschrieben:
Tipheret hat geschrieben:Auf diese Diskussion hier trifft das zu, was Fred Hoyle in seinen Überlegungen zum Universum gesagt hat:

Kosmologen irren sich oft - aber zweifeln tun sie selten.

Und das Verhältnis von Wissenschaft und (Religions)Philosophie wird von manchen behandelt nach dem Mottot:

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Tipheret
Fred Hoyle bezog sich mit dieser Aussage aber auf die Anhänger der Urknalltheorie. Er selbst hat diese Theorie immer abgelehnt; nachdem er zuerst von einem homogenen, ewigen Universum ausgegangen ist (Steady-State-Theorie), hat er sich zuletzt für ein ewiges Universum ausgesprochen, in dem mehrere "Urknalle" in verschiedenen Bereichen stattgefunden haben. Dies würde auch zur beobachteten grossräumigen "Blasenstruktur" des Universums passen.
Wobei die Steady-State-Theorie etwas anderes ist als das, was von Geozentristikern vertreten wird.
Hat sich Fred Hoyle in einer seiner Veröffentlichungen 'mal zu der Geozentristik geäußert? :hmm:

Pilgerer
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Pilgerer »

Sempre hat geschrieben: die Schrift offenbart uns, dass die Erde ruht.
Sie offenbart auch, dass du den Sabbat halten sollst, also wie wärs mit den Sieben-Tags-Adventisten? :D
In sechs Tagen schuf der Herr „Himmel und Erde“ und alle Lebewesen auf der Erde und ruhte am siebenten Tag
dieser ersten Woche. So setzte er den Sabbat ein als eine beständige Erinnerung an
sein vollendetes schöpferisches Werk.
http://www.adventisten.de/fileadmin/dow ... z_26.pdf
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Jarom1
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Jarom1 »

Raphael hat geschrieben:
Jarom1 hat geschrieben: ... Fred Hoyle bezog sich mit dieser Aussage aber auf die Anhänger der Urknalltheorie. Er selbst hat diese Theorie immer abgelehnt; nachdem er zuerst von einem homogenen, ewigen Universum ausgegangen ist (Steady-State-Theorie), hat er sich zuletzt für ein ewiges Universum ausgesprochen, in dem mehrere "Urknalle" in verschiedenen Bereichen stattgefunden haben. Dies würde auch zur beobachteten grossräumigen "Blasenstruktur" des Universums passen.
Wobei die Steady-State-Theorie etwas anderes ist als das, was von Geozentristikern vertreten wird.
Hat sich Fred Hoyle in einer seiner Veröffentlichungen 'mal zu der Geozentristik geäußert? :hmm:
Ich kann mich im Moment nicht an ein explizites Zitat erinnern, aber er hat die Geozentristik sicher abgelehnt.
Consciousness of sin, certainty of faith, and the testimony of the Holy Spirit

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Juergen
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Juergen »

Pilgerer hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben: die Schrift offenbart uns, dass die Erde ruht.
Sie offenbart auch, dass du den Sabbat halten sollst, also wie wärs mit den Sieben-Tags-Adventisten? :D
In sechs Tagen schuf der Herr „Himmel und Erde“ und alle Lebewesen auf der Erde und ruhte am siebenten Tag
dieser ersten Woche. So setzte er den Sabbat ein als eine beständige Erinnerung an
sein vollendetes schöpferisches Werk.
http://www.adventisten.de/fileadmin/dow ... z_2006.pdf
Wieso, die Christen halten doch den Sabbat – allerdings an einem anderen Tag.
Gruß Jürgen

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Fragesteller
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Fragesteller »

Sempre hat geschrieben: Einsteins Theorie ist m.E. weder mit gesunder Philosophie noch mit der Lehre der Schrift, der Väter, der Kirche vereinbar. Die gekrümmte expandierende Raumzeit ist dadurch gekennzeichnet, dass - beispielhaft gesprochen - der Satz des Pythagoras nicht gilt, es keine eindeutige zeitliche Ordnung gibt, es kein Zentrum gibt, u.v.a.m. Einfache grundsätzliche Begriffe wie Abstand und zeitlicher Abstand werden ihres eigentlichen Sinns beraubt, und für subjektiv bzw. relativ erklärt.
Wie Immanuel Kant leugnet Einstein grundsätzlich eine objektive unmehrdeutige Ordnung der Dinge, eine objektive Wirklichkeit. Letztlich bedeutet das eine Leugnung der Erkenntnisfähigkeit des Menschen und damit indirekt die Behauptung der Sinnlosigkeit des Denkens.
Das Gefettete dürfte der Kernsatz sein: Relativismus leugnet objektive Wahrheit und die Möglichkeit von deren Erkenntnis. Das ist richtig. Sowohl bei Einstein, als auch bei Kant bin ich mir allerdings nicht sicher, ob sie einen Relativismus in diesem Sinne vertreten. Zwar kann bei Einstein jede Zeitdauer aus verschiedenen Perspektiven unterschiedlich gemessen werden, bei Kant ist ferner der zeitliche Charakter der erfragten Wahrheit nicht im Ding an sich angelegt, aber dennoch kann ist bei beiden, soweit ich sehe, Wahrheit und Unwahrheit klar geschieden: Wenn Du nach Einstein einen Standpunkt definierst, und bei Kant setzst, dass es sich um ein in zeitlichen Strukturen denkendes Wesen handelt, dann ist ganz klar, welches Ergebnis von dem betreffenden Standpunkt her ausschließlich Wahrheit beanspruchen kann und welche Ergebnisse schlicht falsch sind. Die Gültigkeit bestimmter Aussagen ist somit relativ im Sinne von standortabhängig, aber keinesfalls beliebig; die Wahrheit muss sich zwar notwendig in variablen subjektiven Formen ausdrücken, ist aber selbst objektiv. (phaenomenon bene fundatum nennt das Leibniz, glaube ich: zwar Phänomen, beobachterabhängig, aber dennoch wahrheitshaltig und klar zu unterscheiden von einem falschen Nur-Phänomen.)
Ferner weiß ich nicht, warum Du die Existenz eines Zentrums zu den philosophischen Selbstverständlichkeiten zählst, deren Beseitigung Zweifel an der menschlichen Erkenntnisfähigkeit nach sich ziehen muss. Beim Satz des Pythagoras muss man sich in der Tat überlegen, ob und wie sich seine unmittelbare Evidenz mit seiner relatvistischen Leugnung vereinbaren lässt, aber hat die objektive Zentriertheit des Universums auf einen bestimmten Punkt die gleiche Evidenz und Denknotwendigkeit für sich?
Sempre hat geschrieben: Der heidnische [?!] Philosoph könnte also sagen: OK, die kugelsymmetrische Anordnung der Materie, die wir beobachten, zeigt an, dass die Erde im Zentrum derselben steht, aber unsere Sinne zeigen nicht an, ob wir uns drehen, oder das Firmament (oder beide), es ist also eher fraglich, ob man überhaupt sinnvoll von absoluter Drehung oder absoluter Ruhe sprechen kann. Dem würde ich entgegnen: Aber Du hast von absoluter Ruhe gesprochen,
Dass man von absoluter Ruhe sprechen kann, heißt ja nicht, dass solche Rede sinnvoll ist.
Sempre hat geschrieben: und die Schrift offenbart uns, dass die Erde ruht.

Wo offenbart die Schrift das? Weiter oben im Strang ist eine Seite verlinkt, die Schriftzitate dazu auflistet. St. Robert Bellarmin schreibt A.D. 1615 an Pater Foscarini:
St. Robert Bellarmin an P. Foscarini hat geschrieben:Ich füge noch an, daß jener, der da schrieb: „Oritur sol et occidit, et ad locum suum revertitur etc.“ [Die Sonne geht auf und geht unter und kehrt an ihren Ort zurück usw.], Salomo war, der nicht nur von Gott inspiriert sprach, sondern ein über alle andern hinaus weiser und in den menschlichen Wissenschaften und in der Erkenntnis der geschaffenen Dinge gelehrter Mann war; und all diese Weisheit hatte er von Gott. Daher ist es nicht wahrscheinlich, daß er etwas behauptete, was der bewiesenen oder beweisbaren Wahrheit entgegengesetzt wäre.
Ist es kirchliche Tradition, diese Schrifstellen kosmologisch auszulegen, oder ist das Bellarmins (u. a.) Privatexegese (im letzteren Falle würde Pilgerers sonst unangemessene Analogie ins Schwarze treffen, denn es ist auch eine Privatexegese denkbar, die die Einhaltung des alten Sabbats fordert).

Thomas_de_Austria
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Fragesteller hat geschrieben: […] bei Kant ist ferner der zeitliche Charakter der erfragten Wahrheit nicht im Ding an sich angelegt […]
Zu Kants Wahrheitsbegriff:
Enders, M., J. Szaif (Hrsg.), Die Geschichte des philosophischen Begriffs der Wahrheit, de Gruyter, S. 248 hat geschrieben:
Es besteht [lt. Kant] also eine zwischen den Kategorien gestiftete Korrespondenz zwischen ihnen und den Daten der Anschauung. Die Korrespondenz wird also durch Kants transzendentalphilosophische Wende in das erkennende Subjekt verlagert, dessen kategoriale Formung des Anschauungsmaterials den Grund der Wahrheit darstellt.
Letztlich ist bei ihm also das Subjekt Grund der Wahrheit, ja.
L. B. Puntel, Struktur und Sein, Mohr Siebeck, S. 146 & 148 hat geschrieben:»Erkenntnis« bei Kant ist, servitas servandis, mit [Timothy] Williamsons Konzeption vergleichbar […], vor allem in der Hinsicht, dass Kants »Erkenntnis« mit so etwas wie »Glauben« und »Rechtfertigung« im Gettierschen Sinne nichts zu tun hat (bzw. haben kann). Kants Erkenntnis hat vielmehr einen Bezug zum Kantischen Begriff der Wahrheit; mann [im Original] muss sogar sagen, dass Kants »Erkenntnis« sich fast vollständig mit diesem letzten Begriff deckt. Darin unterscheidet sich Kant ganz deutlich von Williamson, der seinen Wahrheitsbegriff zwar nicht im einzelnen expliziert, ihn aber eindeutig nicht im transzendentalen Sinne Kants versteht. […] »Erkenntnis« bei Kant (in der Kritik der reinen Vernunft) und die von ihm transzendental (um)gedeutete »Nominaldefinition« von Wahrheit stellen sich als äquivalent heraus. Wenn oben Erkenntnis bei Kant mit der Formulierung »die voll-endete theoretische Strukturiertheit der Subjektivität« umschrieben wurde, so wäre diese Formulierung auch eine Umschreibung des transzendental (um)gedeuteten Wahrheitsbegriffs.
Objektive Wahrheit, so wie man sie bspw. noch bei Platon und Aristoteles, beim hl. Anselm und beim hl. Thomas versteht, gibt es, als Folge seiner Voraussetzungen, bei ihm nicht. Seine „Objektivität“ kommt von seinen Kategorien her, deren Geltung von seinem seltsamen (transzendentalen) Subjekt und dessen "Aktivität", der Formung des Materials, von dem man nach seiner Lehre allerdings nicht einmal so genau weiß, wie man dazu kommt, her stammt.
Fragesteller hat geschrieben:
Ferner weiß ich nicht, warum Du die Existenz eines Zentrums zu den philosophischen Selbstverständlichkeiten zählst, deren Beseitigung Zweifel an der menschlichen Erkenntnisfähigkeit nach sich ziehen muss.
Mit strenger Notwendigkeit „muss“ speziell das, d. h. die Leugnung der Existenz eines Zentrums des Alls, überhaupt nichts nach sich ziehen, faktisch hat die Verwerfung dieser Sache in der Neuzeit aber zumindest etwas Ähnliches bewirkt, nämlich die Urteile des kirchlichen Lehramtes und besonders die Lehren, die Naturphilosophisches und dergleichen betreffen, in den Augen vieler frag- und unglaubwürdig werden lassen, da man hier auf einen – nach dieser Position – offensichtlichen Fehler hinweisen konnte. Diese Dummheiten werden auch jetzt immer noch, da offenbar sehr tief im gemeingesellschaftlichen Bewusstsein zu derartigen Fragen verankert, bis heute wiedergekäut. Ansonsten wird es auch herangezogen um zu zeigen, dass die Zentrierung des Kosmos – der nicht mehr als ein Kosmos und auch nicht als Schöpfung Gottes verstanden wird – auf den Menschen, durch Gott, nur ein primitives Hirngespinst aus dem „dunklen Mittelaler" ist (s. auch diese ganze Rede von der "Kränkung" des Menschen etc.).
Relativistische und subjektivistische Konzeptionen und Modelle führen, je nach Umfang und Bedeutung des Anwendungsbereichs, natürlich mindestens zu einem partiellen Relativismus und Subjektivismus (beim Wahrheitsbegriff allerdings wohl mehr als nur partiell).

Zum hl. Robert Kardinal Bellarmin wird Robert wohl bald etwas sagen, wenn er es bemerkt, aber diese Stellen wurden nicht nur, aber eben auch auf jeden Fall als für die Kosmologie relevant gedeutet, schon bei den Vätern, auch wenn sie bei der Auslegung sehr behutsam vorgegangen sind. Der Catechismus Romanus macht dann dazu aussagen, auch päpstliche Lehrschreiben, die letztlich auf kosmolog. Relevantes abzielen, gibt es, wie man in diesem Strang lesen kann.
Zuletzt geändert von Thomas_de_Austria am Montag 17. Dezember 2012, 22:59, insgesamt 1-mal geändert.

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Protasius
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Protasius »

Fragesteller hat geschrieben:Beim Satz des Pythagoras muss man sich in der Tat überlegen, ob und wie sich seine unmittelbare Evidenz mit seiner relatvistischen Leugnung vereinbaren lässt, aber hat die objektive Zentriertheit des Universums auf einen bestimmten Punkt die gleiche Evidenz und Denknotwendigkeit für sich?
Das läßt sich ganz einfach miteinander vereinbaren; der Satz des Pythagoras gilt nur in euklidischen Geometrien, die Raumzeit folgt jedoch einer hyperbolischen (also nichteuklidischen) Geometrie. Die gleiche Ungültigkeit hast du auch ganz klassisch und unrelativistisch, wenn du ein Dreieck auf einer Kugeloberfläche zeichnest (siehe sphärische Geometrie).
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Fragesteller
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Fragesteller »

Thomas_de_Austria hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:

Objektive Wahrheit, so wie man sie bspw. noch bei Platon und Aristoteles, beim hl. Anselm und beim hl. Thomas versteht, gibt es, als Folge seiner Voraussetzungen, bei ihm nicht. Seine „Objektivität“ kommt von seinen Kategorien her, deren Geltung von seinem seltsamen (transzendentalen) Subjekt und dessen "Aktivität", der Formung des Materials, von dem man nach seine
Aber das "Material" ist doch objektiv, oder? Und seine Verarbeitung in den subjektiven Formen ist ebenfalls nicht beliebig. Und das bedeutet, dass auch unter Kants Voraussetzungen eindeutig klar ist, was ein mit bestimmten Sinneseindrücken konfrontiertes Subjekt wahrheitsgemäß denken muss.

Thomas_de_Austria
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Fragesteller hat geschrieben:Aber das "Material" ist doch objektiv, oder?
Das ist für sich genommen irgendwie gar nichts, das scheint letztlich der Witz an Kant zu sein. Die reinen Verstandesbegriffe, sprich die Kategorien, formen es hier überhaupt erst zu „Gegenständen der Erfahrung“ (KrV B 126).
Enders, M., J. Szaif (Hrsg.), Die Geschichte des philosophischen Begriffs der Wahrheit, de Gruyter, S. 248 hat geschrieben: [Nach den Sätzen des obigen Zitats folgt:] In den Kategorien liegt die „transscendentale Wahrheit, die vor aller empirischen vorhergeht und sie möglich macht“. [KrV B 185] Diese empirische Wahrheit ist nichts anderes als die „Übereinstimmung unserer Begriffe mit dem Objecte“. [KrV B 670].
Das klingt so nett, lustig ist nur, dass es so ein „Object“ ohne die reinen Verstandesbegriffe gar nicht als irgendein bestimmtes Objekt gibt. "Objektive Realität" ist bei Kant „transzendentale Wahrheit“. Die Kategorien, die reinen Verstandesbegriffe des Subjekts, sind dafür konstitutiv. Was ein Subjekt wahrheitsgemäß denken muss (witzig auch, was es denken muss, aber nicht, was wirklich wahr ist, das könnte hier auch ganz anders sein, man weiß es nach dieser Lehre schlicht nicht; vor Skeptizismus war auch Kant nicht gefeit, im Gegenteil hat er ihm ganz neue Impulse gegeben), ist letztlich von ihm selbst abhängig.
Fragesteller hat geschrieben:Und seine Verarbeitung in den subjektiven Formen ist ebenfalls nicht beliebig.
Was heißt „nicht beliebig“? Beliebig genug, eben subjektiv. Gegen den Solipsismus sollte dann u. a. die vertrackte Annahme eines transzendentalen Subjekts helfen.

Mit objektiver Wahrheit (im Sinne der oben genannten Autoritäten) hat das alles nichts zu tun.

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Sempre
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Sempre »

Fragesteller hat geschrieben:Zwar kann bei Einstein [...] bei Kant ist ferner [...] aber dennoch [...] ist bei beiden, soweit ich sehe, Wahrheit und Unwahrheit klar geschieden: [...] Die Gültigkeit bestimmter Aussagen ist somit relativ im Sinne von standortabhängig, aber keinesfalls beliebig; die Wahrheit muss sich zwar notwendig in variablen subjektiven Formen ausdrücken, ist aber selbst objektiv.
Ja, man kann den Wahrheitsbegriff manipulieren, und dann irgendwie formal definieren, dass er dennoch objektiv sei. Was immer dann das Wort objektiv bedeuten mag, wenn der Gegenstand einer in dieser Weise "wahren" Aussage ein bloßes Hirngespinst ist. Dazu der hl. Papst Pius X.:
Pascendi Dominici Gregis auf domus-ecclesiae.de hat geschrieben:Diese blinden Führer haben im Taumel ihrer hochmütigen Arroganz über das Wissen sogar die ewig wahren Begriffe von Wahrheit und Religion verändert. Begründet auf ein neues System und in wilder, zügelloser Jagd nach Neuem vergessen sie, die Wahrheit an der Stelle zu suchen, wo sich ihre sichere Stätte befindet. Die heiligen, apostolischen Überlieferungen werden verachtet und dafür andere, eitle, nichtige und ungewisse Lehren eingesetzt, die von der Kirche nicht gebilligt werden.

Fragesteller hat geschrieben:Ferner weiß ich nicht, warum Du die Existenz eines Zentrums zu den philosophischen Selbstverständlichkeiten zählst, deren Beseitigung Zweifel an der menschlichen Erkenntnisfähigkeit nach sich ziehen muss.
So war meine Liste von Eigenschaften der ART nicht gemeint. Die Nichtexistenz eines Zentrums allein sähe ich nicht als Problem an. Mehrdeutigkeiten sind problematisch.

Fragesteller hat geschrieben:Beim Satz des Pythagoras muss man sich in der Tat überlegen, ob und wie sich seine unmittelbare Evidenz mit seiner relatvistischen Leugnung vereinbaren lässt
Die Gültigkeit des Satzes des Pythagoras ist, wie Bernhard Riemann dargelegt hat, keine philosophische Notwendigkeit. Ein Problem ergibt sich für gesunde Philosophie, wenn die Gültigkeit des Satzes des Pythagoras (oder welches Abstandsmaß den auch immer nun ersetzen mag) etwa vom Bewegungszustand des Beobachters abhängt.

Fragesteller hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Der heidnische [?!] Philosoph
Na, halt ein Philosoph, der in bezug auf Schrift, Väter und Lehramt der Kirche ignorant ist.

Fragesteller hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Der heidnische [?!] Philosoph könnte also sagen: OK, die kugelsymmetrische Anordnung der Materie, die wir beobachten, zeigt an, dass die Erde im Zentrum derselben steht, aber unsere Sinne zeigen nicht an, ob wir uns drehen, oder das Firmament (oder beide), es ist also eher fraglich, ob man überhaupt sinnvoll von absoluter Drehung oder absoluter Ruhe sprechen kann. Dem würde ich entgegnen: Aber Du hast von absoluter Ruhe gesprochen,
Dass man von absoluter Ruhe sprechen kann, heißt ja nicht, dass solche Rede sinnvoll ist.
Ja, aber wenn offenbart ist, dass die Erde absolut ruht, dann verstehen wir schon, was gemeint ist. Der heidnische Philosoph mag sagen: Ja, aber meine Erkenntnisquellen begründen eine solche Rede nicht, er versteht dennoch ebenso wie wir, was gemeint ist.
Fragesteller hat geschrieben:Ist es kirchliche Tradition, diese Schrifstellen kosmologisch auszulegen, oder ist das Bellarmins (u. a.) Privatexegese
Ja, das ist kirchliche Tradition, wie das Lehramt im Rahmen der Galileo Galilei Affäre definitiv bestätigt hat. Und trotz der La Sapientia Affäre 2009 hat auch Papst Benedikt XVI., wie alle seine Vorgänger seither, weder das Dekret von 1616 noch das Urteil von 1633 zurückgenommen. Das verhindert offenbar bis heute der Hl. Geist, und dann wohl auch bis zum jüngsten Tag.

Thomas_de_Austria
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Zur Ergänzung: Wie sich das gegenwärtig vorherrschende Weltbild der gewöhnlichen Naturwissenschaft u. a. so – gerade auch in einem existentiellen Sinne – auswirkt, kann man exemplarisch an den Aussagen von zwei Naturwissenschaftlern, dem Physiker Steven Weinberg (*1933) und dem Biologen Jacques Monod (*1910 – †1976), sehen:
J. Monod, [i]Zufall und Notwendigkeit[/i] (Piper) 1971, S. 211 hat geschrieben:Wenn er diese Botschaft [von allem Leben als Produkt von Zufall und Notwendigkeit] in ihrer vollen Bedeutung erfasst aufnimmt, dann muß der Mensch aus seinem tausendjährigen Traum erwachen und seine totale Verlassenheit, seine radikale Fremdheit erkennen. Er weiß nun, daß er seinen Platz wie ein Zigeuner am Rande des Universums hat, das für seine Musik taub ist und gleichgültig gegen seine Hoffnungen, Leiden oder Verbrechen.
S. Weinberg, [i]Die ersten drei Minuten[/i] (Piper) 1977, S. 212 hat geschrieben:Welches kosmologische Modell sich auch immer als zutreffend erweisen mag – für uns wird es nicht besonders tröstlich sein. Die Vorstellung, daß wir ein besonderes Verhältnis zum Universum haben, daß unser Dasein nicht bloß eine Farce ist, die sich aus einer mit den ersten drei Minuten [nach dem Urknall] beginnenden Kette von Zufällen ergab, sondern daß wir irgendwie von Anfang an vorgesehen waren – dieser Vorstellung vermögen wir Menschen uns kaum zu entziehen […] Man begreift kaum, daß [unsere vertraute Umwelt] nur ein winziger Bruchteil eines überwiegend feindlichen Universums ist. Noch weniger begreift man, daß dieses gegenwärtige Universum sich aus einem Anfangszustand entwickelt hat, der sich jeder Beschreibung entzieht, und seiner Auslöschung durch unendliche Kälte oder unerträgliche Hitze entgegen geht. Je begreiflicher uns das Universum wird, um so sinnloser erscheint es auch.
---
Und noch etwas von Nietzsche:

[i]Fröhliche Wissenschaft[/i] 343 hat geschrieben:Das größte neuere Ereignis – daß »Gott tot ist«, daß der Glaube an den christlichen Gott unglaubwürdig geworden ist – beginnt bereits seine ersten Schatten über Europa zu werfen. Für die wenigen wenigstens, deren Augen, deren Argwohn in den Augen stark und fein genug für dies Schauspiel ist, scheint eben irgendeine Sonne untergegangen, irgendein altes tiefes Vertrauen in Zweifel umgedreht: ihnen muß unsre alte Welt täglich abendlicher, mißtrauischer, fremder, »älter« scheinen. In der Hauptsache aber darf man sagen; das Ereignis selbst ist viel zu groß, zu fern, zu abseits vom Fassungsvermögen vieler, als daß auch nur seine Kunde schon angelangt heißen dürfte; geschweige denn, daß viele bereits wüßten, was eigentlich sich damit begeben hat – und was alles, nachdem dieser Glaube untergraben ist, nunmehr einfallen muß, weil es auf ihm gebaut, an ihn gelehnt, in ihn hineingewachsen war: zum Beispiel unsre ganze europäische Moral. Diese lange Fülle und Folge von Abbruch, Zerstörung, Untergang, Umsturz, die nun bevorsteht: wer erriete heute schon genug davon, um den Lehrer und Vorausverkünder dieser ungeheuren Logik von Schrecken abgeben zu müssen, den Propheten einer Verdüsterung und Sonnenfinsternis, derengleichen es wahrscheinlich noch nicht auf Erden gegeben hat?...
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Raphael

Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Raphael »

Dem setze ich entgegen:

Selbst wenn die Erde "nur" der dritte Planet einer Sonne ist, die in einem der Spiralarme der Milchstraße um das Zentrum dieser Galaxie kreist, ist die Erde niemals gottverlassen gewesen.

Und ich gehe sogar soweit, daß ich behaupte, diese Erkenntnis ist nicht nur Christen zuteil geworden!

Jedoch muß man religiös sein, um diese Erkenntnis überhaupt gewinnen zu können. Wenn jemand wie Nietzsche hingeht und sich selbst seine religiösen Wurzeln mit aller Macht auszureißen versucht, dann ist dies das von sempre schon richtigerweise vorgebrachte Non serviam.
Kein wirklich empfehlenswerter Weg für Christen .............

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Jarom1
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Jarom1 »

Raphael hat geschrieben:Dem setze ich entgegen:

Selbst wenn die Erde "nur" der dritte Planet einer Sonne ist, die in einem der Spiralarme der Milchstraße um das Zentrum dieser Galaxie kreist, ist die Erde niemals gottverlassen gewesen.

Und ich gehe sogar soweit, daß ich behaupte, diese Erkenntnis ist nicht nur Christen zuteil geworden!

Jedoch muß man religiös sein, um diese Erkenntnis überhaupt gewinnen zu können. Wenn jemand wie Nietzsche hingeht und sich selbst seine religiösen Wurzeln mit aller Macht auszureißen versucht, dann ist dies das von sempre schon richtigerweise vorgebrachte Non serviam.
Kein wirklich empfehlenswerter Weg für Christen .............
:klatsch:
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Pilgerer
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Pilgerer »

Raphael hat geschrieben:Dem setze ich entgegen:

Selbst wenn die Erde "nur" der dritte Planet einer Sonne ist, die in einem der Spiralarme der Milchstraße um das Zentrum dieser Galaxie kreist, ist die Erde niemals gottverlassen gewesen.

Und ich gehe sogar soweit, daß ich behaupte, diese Erkenntnis ist nicht nur Christen zuteil geworden!
Das stimmt. Doch hat Gott die Erde vermutlich bewusst zu einem Planeten unter vielen gemacht, um die Hybris des Menschen zu beugen. Es ist nicht so, dass sich alles in Gottes Schöpfung um die Menschen drehen würde. Sondern Gott ist das Zentrum, um das "wir" kreisen.
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Marion
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Marion »

Aus nem andern Strang
Raphael hat geschrieben:Tja, Reinhard, erst wenn Du sonntagnachmittags auf der Terasse sitzen und behaupten kannst, daß ganze Universum drehe sich um die Erde, erst dann bist Du - zumindest in sempre's Augen - ein ganzer Kerl. :D :D :D
Rein interessehalber. Wie schnell - mit welchem bestimmt brutalen Affenzahn meint einer, der nicht der Lehre Kirche glaubt, sonntagnachmittags auf der Terasse mit seim Bierchen oder Kaffeechen und Törtchen durch das Weltalt saust und dreht?
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Raphael

Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Raphael »

Marion hat geschrieben:Aus nem andern Strang
Raphael hat geschrieben:Tja, Reinhard, erst wenn Du sonntagnachmittags auf der Terasse sitzen und behaupten kannst, daß ganze Universum drehe sich um die Erde, erst dann bist Du - zumindest in sempre's Augen - ein ganzer Kerl. :D :D :D
Rein interessehalber. Wie schnell - mit welchem bestimmt brutalen Affenzahn meint einer, der nicht der Lehre Kirche glaubt, sonntagnachmittags auf der Terasse mit seim Bierchen oder Kaffeechen und Törtchen durch das Weltalt saust und dreht?
Da gibt es mehrere Geschwindigkeiten, mit denen man am Sonntagnachmittag auf der Terasse unterwegs ist:
1. Die Geschwindigkeit, mit der die Erdoberfläche sich um die Rotationsachse der Erde dreht
2. Die Geschwindigkeit, die die Erde auf ihrer Umlaufbahn um die Sonne hat
usw.

Man verändert ständig seinen Aufenthaltsort, auch wenn man sich selber als unbewegt empfindet. Das ist zwar paradox, ist aber so.

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Reinhard
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Reinhard »

Marion hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:Tja, Reinhard, erst wenn Du sonntagnachmittags auf der Terasse sitzen und behaupten kannst, daß ganze Universum drehe sich um die Erde, erst dann bist Du - zumindest in sempre's Augen - ein ganzer Kerl. :D :D :D
Rein interessehalber. Wie schnell - mit welchem bestimmt brutalen Affenzahn meint einer, der nicht der Lehre Kirche glaubt, sonntagnachmittags auf der Terasse mit seim Bierchen oder Kaffeechen und Törtchen durch das Weltalt saust und dreht?
Wenn Du allein die Erddrehung meinst: das sind maximal 41.750 km / 24 h = 1740 km/h (nämlich am Äquator)
Es wird Dir allerdings nicht die Torte vom Teller wehen, weil sich die Lufthülle freundlicherweise mit dem selben Tempo mitdreht. :blinker:

Die Fliehkraft verbeult die Erde allerdings doch etwas: zum einen liefert sie den Flutberg auf der sonnenabgewandten Seite, zum Andern drückt sie die Erde ein kleines bisschen diskusförmig zusammen: zwar nur um 43 km, aber das kommt eindeutig von der Fliehkraft.

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Robert Ketelhohn
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Die Fliehkraft ist stärker, als du denkst.

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Thomas_de_Austria
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Re: Galileo Galilei, die x-te

Beitrag von Thomas_de_Austria »

Raphael hat geschrieben:Und ich gehe sogar soweit, daß ich behaupte, diese Erkenntnis ist nicht nur Christen zuteil geworden!
Viel wurde einigen der Vernünftigsten unter den Heiden auf der ganzen Welt, in Griechenland oder in Indien, auch bei den Chinesen u. A. m., zuteil. So ziemlich alles, was man noch mit Hilfe der natürlichen Vernunft (die letztlich auch von Gott stammt) erfassen kann.
Pilgerer hat geschrieben:Es ist nicht so, dass sich alles in Gottes Schöpfung um die Menschen drehen würde.
Verwechsle das, was hier gesagt wird, 'mal nicht mit irgendeiner Form von gottlosem Humanismus. Der Mensch als Höhepunkt der Schöpfung stammt von Gott als seiner Ursache her und ist auch auf Gott ausgerichtet. Gott ist immer mehr, größer und wichtiger als der Mensch und jede endliche Kreatur, dennoch gibt es auch innerhalb der Schöpfung eine klare Hierarchie und eine dementsprechende Ordnung, die in dieser Form durchaus Sinn macht.

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