Ohne Kinder kein Wachstum

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Caviteño
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Re: Ohne Kinder kein Wachstum

Beitrag von Caviteño »

Yeti hat geschrieben:Bei den überzeugten Dinks besteht ganz entschieden Handlungsbedarf, vor allem staatlicherseits. Die sind auch mit Appellen oder religiösem Glauben nicht erreichbar und haben sich für unsere Gesellschaft zu einer argen Belastung entwickelt:
Fräulein Vicky Pedia hat geschrieben:Die wirtschaftliche Lage von Dink-Paaren erscheint gegenüber Familien mit Kindern deutlich attraktiver: Für den Lebensunterhalt von Dinks stehen für zwei Personen zwei Arbeitseinkommen zur Verfügung, Familien mit Kindern haben teilweise für drei oder mehr Personen nur ein Arbeitseinkommen. Entsprechend erarbeiten Dinks zwei volle und unabhängige Altersversorgungen; ein Alleinverdiener einer Familie kann nur eine volle Altersversorgung erwirtschaften. Trotz staatlicher so genannter Transferleistungen für Familien wie Kindergeld, die Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei der Rentenberechnung, Steuererleichterungen durch Freibeträge und Ehegattensplitting u. a. wird das Leben in der DINK-Situation häufig als attraktiver als die Bildung einer Familie empfunden, die gesellschaftlichen Leitbilder ändern sich. Dadurch mehren sich auch die Bemühungen, Dinks stärker an der Finanzierung des Sozialsystems zu beteiligen.
Bleibt die Gruppe der unfreiwilligen Dinks oder Singles. Aber wie fände man die unter den überzeugten DINKS und Singles heraus? Genau an diesem Punkt bin ich der Meinung, dass ein gläubiger und unfreiwilliger DINK eigentlich angesichts der genannten Punkte bereit sein müsste, einen höheren Solidarbeitrag zu leisten. Insgesamt aber müsste diese Gruppe durch einen alten Grundsatz bisher jeder menschlichen Gesellschaft "zur Einsicht" gezwungen werden: Gemeinwohl bricht Einzelwohl. Auch wenn es jetzt noch nicht danach aussieht (Geschichte verläuft niemals linear), bin ich der Überzeugung, dass eine solche Entwicklung kommen wird, weil sie für das Gemeinwesen notwendig werden wird.
Das läuft im Endeffekt auf eine zusätzliche Belastung der sog. "Besserverdienenden" hinaus, die aber nicht so einfach zu realisieren ist. Gehen wir zunächst einmal die vorhandenen Möglichkeiten - es sind nur zwei - durch:

1. Erhöhung des Rentenversicherungsbeitrag
Einmal ganz davon abgesehen, daß aufgrund des der Rentenversicherung innewohnenden Äquivalenzprinzips höhere Einzahlungen (der Kinderlosen) später auch zu höheren Renten führen müssen, wären die folgenden zwei Punkte zu beachten:
- Es wird nur ein Teil der Bevölkerung erfaßt, weil Selbständige und Beamte keiner Rentenversicherungspflicht unterliegen.
- Aufgrund des Umlageverfahrens kämen die zusätzlichen Gelder nicht den Familien sondern den gegenwärtigen Rentnern zugute.

Eine Minderung des Rentenbeitrags für Familien würde später bei diesen zu geringeren Renten führen (s.o. Rentenberechnung, Äquivalenzprinzip).

Man kann natürlich den Zusammenhang zwischen Beitragseinzahlungen und späterer Rentenhöhe vollkommen aufheben, die Rentenbeiträge als zusätzliche Steuer ansehen, bei allen Steuerzahlern erheben und in den Bundeshaushalt überführen. Die spätere Rentenhöhe würde nach anderen Kriterien als bisher berechnet. Das wäre allerdings das Ende der Rentenversicherung, wie sie über 1 Jahre angewandt wurde und liefe auf eine Rente nach Gutsherrenart aus. Das Parlament oder wer auch immer würde bestimmen, wie hoch die Rente bei welchen Gruppen wäre - die schon schwindende Akzeptanz des vorhandenen Alterssicherungssystems würde weiter sinken.

2. Zusätzliche Leistungen aus dem Bundeshaushalt
Diese Lösung hätte den Charme, daß man die zusätzlichen Leistungen direkt an die Familien ausgezahlt würden.
Der Nachteil ist, daß diese Möglichkeit nur bei Umschichtungen oder neuen Steuern denkbar ist. Wenn man Umschichtungen einmal aufgrund der unterschiedlichen persönlichen Präferenzen nicht in die Diskussion einbezieht, blieben nur Steuererhöhungen.
Eine Erhöhung der Verbrauchs- oder Verkehrssteuern läge vermutlich nicht im Sinne der Familien, die je nach Ausgestaltung hier verstärkt zur Kasse gebeten würden. Bliebe also nur eine Erhöhung der Einkommensteuer (ESt), denn die Erbschaftsteuer ist eine Landessteuer.
Nun ist der ESt-Tarif schon seit Jahren nicht mehr an die Inflationsrate angepaßt worden (kalte Progression) und außerdem steigt er insbesondere bei den geringeren Einkommen besonders stark an. Hier wäre also eine Steuererhöhung nicht angebracht. Es bleiben also nur die sog. "Besserverdienenden" - allerdings ist dieser Begriff relativ. Vermutlich wird zunächst niemand widersprechen, wenn man die 1% der Bevölkerung mit dem höchsten Einkommen als "Besserverdiendende" bezeichnen würde. Wenn man allerdings weiß, daß diese Grenze bei ca. brutto 5. €/Monat (zzgl. 13. Gehalt) liegt, sieht das schon ein wenig anders aus.

http://www.steuerzahler-nrw.de/Die-Vert ... index.html

Das Nettogehalt eines alleinstehenden sozialversicherungspflichten Arbeitnehmer beträgt bei einem Bruttogehalt von 5. € (nur) 2.8 €. Soll hier wirklich noch die steuerliche Belastung erhöht werden? :nein:
Plant man nur eine zusätzliche Abgabe für die sog. Einkommensmillionäre, wird das zusätzliche Aufkommen so gering ausfallen, daß damit keine großen Förderprogramme finanziert werden könnten. Außerdem sind diese Steuererhöhungen nicht sehr erfolgreich - die sozialistische französische Regierung schafft sie gerade wieder ab.

Im übrigen muß man berücksichtigen, daß eine Steuererhöhung bei höheren Einkommen auch auf die Familien durchschlägt. Ein alleinverdienender Familienvater mit gutem Einkommen wäre dann von einer Erhöhung der ESt ebenso betroffen, wie Dinks mit gleichem Einkommen.

Wenn man also die Familienleistungen verbessern will, sollte man das auch ganz klar und deutlich sagen, daß die steuerliche Belastung erhöht werden soll.

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Yeti
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Re: Ohne Kinder kein Wachstum

Beitrag von Yeti »

Selina hat geschrieben:Es käme also keine Allgemeinheit für "mich" auf.
Die Frage, warum dann aber automatisch der Kinderlose in Saus und Braus leben könnte, bleibt bestehen.
Das stimmt, ohne ein solidarisches Sozialsystem käme die Allgemeinheit nicht für dich auf. Aber ein solches System würde ich nie befürworten. Der Kinderlose lebt bestimmt nicht automatisch in Saus und Braus, ab einer gewissen Einkommensstufe aber eben schon - gerade weil er (ebendieser Kinderlose ab einer bestimmten Einkommensstufe) keine Kinder hat. Und er lebt eben in Saus und Braus - eben weil er keine Kinder hat - auf Kosten des Gesellschaftskerns (s. die rechtliche Erläuterungen des Schutzes von Ehe und Familie), weil dieser höhere Ausgaben mit der Kindererziehung und -Fürsorge hat, die von den staatlichen Familienhilfen nicht gedeckt werden. Vielleicht ist es jetzt noch einmal klarer geworden.
Selina hat geschrieben:Kinderlose werden dafür mehr zur Kasse gebeten, denn, wie gesagt, sie zahlen für etwas, das sie nicht nutzen. Das ist in einer Solidargemeinschaft auch korrekt und sinnvoll und wird von kaum jemandem bestritten. Lediglich eine zusätzliche Mehrbelastung halte ich weiterhin für moralisch fragwürdig, denn es kommt eine Bestrafung gleich für etwas, auf das viele Menschen keinen Einfluss haben.
Und ich frage mich eben, weshalb eine solche steuerliche Mehrbelastung moralisch fragwürdig wäre - ganz abgesehen davon, dass ein Rechtssystem viele Dinge erlaubt oder regelt, die moralisch fragwürdig sind - es könnte ja der Punkt erreicht werden, an welchem die Reproduktionsrate der Bevölkerung trotz Zuwanderung hinten und vorne nicht mehr ausreicht, um ein bestehendes Solidarmodell weiter finanzieren zu können, Stichwort "Generationenvertrag". Dazu einmal Oswald von Nell-Bräuning:
Wenn die Kinderlosen und die Kinderarmen ihr Dasein, insbesondere ihre Versorgung im Alter, auf anderer Leute Kinder aufbauen, dann bilden Familienlastenausgleich und Altersversorgung eine Einheit; eine sinnvolle Regelung ist nur möglich, wenn man beides zusammen anfasst. Der Gesetzgeber habe bei der 1957 in Kraft getretenen Rentenreform diesen Zusammenhang zwischen Familienlastenausgleich und Altersversorgung völlig übersehen und außer acht gelassen. Diejenigen, die Beiträge zahlen, empfangen ja nicht ihre Beiträge zurück, wenn sie alt geworden sind. Durch die Beiträge haben sie nicht die Rente erdient, sondern durch sie haben sie erstattet, was die Generation zuvor ihnen gegeben hat. Damit sind sie quitt. Die Rente, die sie selbst beziehen wollen, die verdienen sie sich durch die Aufzucht des Nachwuchses. Wer dazu nichts beiträgt, ist in einem ungeheuren Manko.
Soweit der Theologe, der für den bundesdeutschen Sozialstaat die Soziallehre der Kirche auslegt. Was aber sagen denn Juristen, gar Verfassungsrechtler, zu dieser angeblichen "moralischen Fragwürdigkeit"? Schauen wir mal bei Wolfgang Zeidler:
„Was die Sozialversicherung, insbesondere das System der Alters- und Hinterbliebenenversorgung betrifft, hat dieses sich noch weiter von den Verfassungsgeboten und Wertvorstellungen des Grundgesetzes entfernt als das Steuerrecht.“
Oder bei Paul Kirchhof:
Solange sich die Kinderlosen überhaupt nicht am finanziellen Kindesunterhalt beteiligen, gebührt die im Rahmen des Generationenvertrages erbrachte Alterssicherung ausschließlich den Eltern; die übrige Bevölkerung müsste für ihr Alter durch sonstige Vorkehrungen, z. B. eine Lebensversicherung, vorsorgen.
Aber auch Juristinnen haben sich dazu geäußert, z.B. Eva Marie von Münch, eine Koryphäe im Ehe- und Familienrecht:
Die Alterslast wurde kollektiviert, die Kinderlast blieb Privatsache. Mit dieser Konstruktion bestraft das geltende Rentenrecht die Familie und innerhalb der Familie ganz besonders die nicht oder nicht voll berufstätige Mutter.
Oder, zu guter Letzt, der gute Roman Herzog:
Es kann nicht sein, dass ein Ehepaar – bei dem nur der eine ein Leben lang ein Gehalt oder einen Lohn einsteckt – Kinder aufzieht und am Ende nur eine Rente bekommt. Auf der anderen Seite verdienen zwei Ehepartner zwei Renten. Und die Kinder des Paares, das nur eine Rente bekommt, verdienen diese beiden Renten mit. Das ist ein glatter Verfassungsverstoß.
Alle Quellenangaben hier. Das klingt alles andere als "moralisch fragwürdig", im Gegenteil.
Caviteño hat geschrieben:Wenn man also die Familienleistungen verbessern will, sollte man das auch ganz klar und deutlich sagen, daß die steuerliche Belastung erhöht werden soll.
Ja, ich denke schon, dass die genannten Juristen dieser Ansicht sind. Da kommt im Moment aber auch viel Bewegung in die politische Landschaft in Deutschland.

Faktum bis hierher bleibt: Der gewollt Kinderlose bewegt sich im Rahmen geltenden Rechts, welches maßgebliche Juristen aber als unzureichend bezeichnen. In Bezug auf die Soziallehre der Kirche in diesem Punkt (s. centesimus annus et.al.) kann er sich nimmermehr als rechtgläubigen Katholiken betrachten.
Selina hat geschrieben:Übrigens, Stichwort "Berufung": Warum ist dies keine Wahl bzw. kein Lebensmodell, während es ungewollte Kinderlosigkeit ist? In letzterem Falle hat doch offensichtlich ebenso der Herrgott entschieden, dass der- oder diejenige sich nicht fortpflanzen wird!
Es gibt Grenzen für den Begriff "Berufung" im säkularen Bereich; zu etwas "berufen" zu sein, verweist eigentlich immer auf eine metaphysische Instanz, die der Staat allein nicht bieten kann. Weshalb so jemand nicht nur meiner Meinung nach sich nicht im geistlichen Sinne als "Berufener" betrachten kann, müsste aus den Dokumenten der Kirche eigentlich deutlich geworden sein.
Selina hat geschrieben:Eine "bewusste Verweigerung" ist eben jenes - ein bewusster, aktiv erwählter (Willens)akt. Wie aber kann etwas Ungewolltes diese Kriterien erfüllen? Wo ist die bewusste Verweigerung der Frau mit fehlgebildeten Eileitern oder des Mannes mit Hodenkrebs?
Da greifst du dir einen Sonderfall heraus, der pars pro toto für eine Gesamtheit gelten soll. Ich bin aber mitnichten der Meinung, dass alle kinderlosen Paare fehlgebildete Eileiter oder Hodenkrebs haben, im Gegenteil; da du die obige Frage gestellt hast, würde mir andernfalls dazu ein Beleg weiterhelfen.
Selina hat geschrieben:Machst du es dir nicht ein wenig sehr einfach, wenn du so lapidar über Menschen urteilst, die keinen Partner finden? Wo führt das denn in letzter Konsequenz hin - zu einer Verpflichtung zum Zuchtprogramm für alle, die mit, sagen wie 30, noch nicht dauerhaft verpaart sind? Das ist allerdings auch nicht unbedingt das, was die Soziallehre der Kirche vorgibt.
Noch einmal: Zwischen "keinen Partner finden" und "zu hohe und unrealistische Ansprüche" (aus Kalkül oder Narzissmus) an einen möglichen Partner gibt es m.M. nach durchaus Schnittmengen und das gar nicht so selten. Und die Soziallehre der Kirche verneint - auch noch einmal - die Möglichkeit einer Wahl bei der Erfüllung des Schöpfungsauftrages.
Selina hat geschrieben:Das ist nicht willkürlich formuliert, sondern ein Beispiel, das gerade in Zeiten von hohen Arbeitslosenzahlen und Billiglöhnen recht aktuell ist. Kinder in die Welt zu setzen, nur damit dann die ganze Familie von Hartz IV leben kann/muss, ist nun auch nicht sozialverträglicher als keine Kinder zu bekommen.
Das ist eine beliebte versuchte Exkulpation bei vielen (übrigens gewollten) Kinderlosen und ich hätte gerne auch dafür einen Beleg, dass bei größerem Kinderreichtum eine solche Entwicklung zwangsläufig stattfinden würde.
Selina hat geschrieben:Ja, wer aus Kalkül handelt, erfüllt diverse Aspekte des Narzismus, aber das tut der überzeugte Junggeselle, der jedes Wochenende eine andere Barbekanntschaft beglückt ebenso wie die vierfache Mutter, die ihren Mann für einen Anderen verlässt. Nur weil sie zusätzlich Kinder in die Welt gesetzt hat, wird dieses Verhalten nicht besser und sie nicht beziehungsfähiger.
Es reicht auch, wenn ein solcher Schwanzlurch oder eine solche Nymphomanin jedes Jahr den Bettpartner wechselt. Aber Schwamm drüber, was die Kirche dazu sagt, dürfte ja klar sein und ich sehe keinen Widerspruch zwischen ihren Forderungen und deinem Einwand. Ich freue mich allerdings trotzdem über jedes geborene Kind auch aus solchen Begegnungen, die Alternative wäre furchtbar - es sei denn, das "wegmachenlassen" (was für ein widerwärtiger Euphemismus) hätte in Kreisen Einzug gehalten, die sich (einstmals?) katholisch dünkten. Aber nun zu Fragen der Sprachästhetik:
Selina hat geschrieben:Und schon wieder ein Seitenhieb auf mein "Lebensmodell", das du überhaupt nicht kennst. Was soll das?
Wenn ich mir deine Standpunkte so ansehe, fügt es sich recht lückenlos in genau das Lebensmodell ein, das im ganzen Strang und von der Kirche kritisiert wird.
Selina hat geschrieben:Auch "wüte" ich nicht, ich widerspreche nur deinen Ansichten und der Form und Weise, in der du sie formulierst.
Dass das Thema hochgradig emotionalisiert, wirst du ja nicht bestreiten können. Wenn ich dich mit meiner Art und Weise verletzt haben sollte, bitte ich dich um Verzeihung, das war nicht meine Absicht. Ich stehe mit meinem Leben für ein Lebensmodell, das mein Glaube - neben dem Zölibat für die dazu Berufenen (von hier stammt der Begriff genuin ab) - als ein unbedingtes Ziel des Schöpfergottes bezeichnet und das ich infolgedessen auch staatlich-rechtlich möglichst breitflächig verwirklicht sehen möchte, wogegen eben Lebensformen, die dazu diamentral entgegen laufen, ihren Widerstand setzen. Ich bin mir dessen bewusst, dass dieser Widerstand durch Dialog allein in den seltendsten Fällen gebrochen werden kann; dies könnte allein die Einsicht aus dem Glauben oder staatlicher Zwang durch schiere Notwendigkeit (s.o.) erreichen, so wird es - nach meiner Abschätzung - auch kommen. Dass dieser Widerstand aber aus Kreisen kommen könnte, die sich selbst als gläubig begreifen, ist einerseits sehr menschlich (schließlich schrecken wir allgemein vor der Verfolgung eines Zieles zurück, wenn es uns [auch] Nachteile bringt), andererseits ein eindeutiger Mangel. Wenn dieser Mangel aber mit der Behauptung auftritt, er wäre gar kein Mangel, sondern nur eine weitere Wahlmöglichkeit, steht das im Widerspruch eigentlich zu all dem, was die Kirche zu diesem Thema lehrt. Insofern ist dieser Strang im Brauhaus eigentlich nicht gut aufgehoben und sollte - als recht eindeutige Materie der Christlichen Sozialethik, Moraltheologie und der Caritaswissenschaft - in das Skriptorium verschoben werden.
PigRace hat geschrieben:Hallo an alle Leser dieses Threads,

viele der Maßnahmen, die unter dem Oberbegriff „Kinder- und Familienpolitik“ laufen, sind wohl eher auf Bundes- und Landesebene angesiedelt und von uns üblicherweise kaum zu beeinflussen.

Anders verhält es sich mit der Stadt- oder (noch besser, weil kleiner/überschaubarer) Gemeindepolitik. Dort kann man aktiv werden, sich einbringen und damit auch tatsächlich durchdringen.

Meine Frage:
Welche Maßnahmen, die auf der Ebene des Stadtparlaments oder der Gemeindevertretung umgesetzt werden könnten, würden einer Frau/Familie die Entscheidung für ein jeweils weiteres Kind (also u.U. auch das erste) erleichtern?

Wenn Ihr mehrere Vorschläge habt, könnt Ihr sie auch gerne in ein Ranking setzen.

Jeden Gedanken fände ich spannend! Vielen Dank!

PigRace

PS: Die Hypothese hinter dieser Frage lautet natürlich: mehr Kinder = gut :fieselschweif: :emil: :anton: :nuckel:
Das sind sehr wertvolle Hinweise, die ich auch vorhabe, umzusetzen. Vielen Dank, PigRace!
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overkott
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Re: Ohne Kinder kein Wachstum

Beitrag von overkott »

Wichtig wäre für die Familien die automatische Koppelung des Familienleistungsausgleichs an die wirtschaftliche Entwicklung wie bei den Diäten der Abgeordneten. Das sollte mal vor dem Bundesverfassungsgericht mit Berufung auf Gleichbehandlung eingeklagt werden.

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overkott
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Re: Ohne Kinder kein Wachstum

Beitrag von overkott »

Natürlich dürfen Familien auch im Vergleich mit Rentnern nicht schlechter gestellt.

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overkott
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Re: Ohne Kinder kein Wachstum

Beitrag von overkott »

Die Automatisierung des Familienleistungsausgleichs wird die Familien nicht reich machen. Bei 100 Euro pro Familienleistungsausgleichs sind 3 Prozent 3 Euro.

Aber je mehr Kinder eine Familie hat, desto mehr wird sie durch das Verschieben einer Anpassung belastet. Vor allem, wenn die Abgeordneten den Familien zu Beginn einer Legislaturperiode diese 3 Euro wegnehmen, um sie ihnen am Ende der Periode wieder zu geben. Das macht Familien ärmer und gefährdet die demographische Entwicklung. Soweit die Politiker die Automatik für sich selbst einführen, aber die Familien benachteiligen, muss das Bundesverfassungsgericht gleiches Recht für alle herstellen.

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Yeti
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Re: Ohne Kinder kein Wachstum

Beitrag von Yeti »

Stiftung für Zukunftsfragen: Kinder = Kein Geld, keine Freiheit, keine Karriere? Warum die Deutschen keine Kinder bekommen
Als Hauptgrund gegen eigene Kinder werden die hohen Kosten angeführt. Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes liegen diese bei über 600 Euro monatlich oder rund 130.000 Euro bis zum 18. Lebensjahr. Daher verwundert es nicht, dass unabhängig vom Alter, Einkommen, Geschlecht oder Wohnortsgröße fast zwei Drittel der Bevölkerung (63%) die finanziellen Belastungen als Erklärung für Kinderlosigkeit nennen. Im 5-Jahres-Vergleich stieg der Wert damit um rund zehn Prozent an (2011: 58%).
Da ist irgendwo das Wissen auf tragische Weise verlorengegangen, dass Gesellschaftsgebilde aus Menschen bestehen, die nun mal sterben und deren Anzahl nur auf einem Wege wieder ausgeglichen werden kann. Oder eben durch Migration...aber ob die Mehrzahl derjenigen, die kommen, überhaupt dazugehören wollen, steht noch aus.
Auf Platz zwei liegt – in etwa gleich auf wie 2011 – die Sorge, an eigener Freiheit einzubüßen (61%). Waren es in der Vergangenheit jedoch überdurchschnittlich viele Männer, die sich nicht persönlich einschränken wollten, so sind es mittlerweile mehr Frauen, die dieses Argument nennen.
Ist das Evolution oder Regression? Wie wollen solche Frauen eigentlich die kulturgeschichtlich durch die Regeneration der Gesellschaft begründete Ehrfurcht ihnen gegenüber aufrecht erhalten? Denn der Anspruch darauf besteht ja bei ihnen oft weiterhin (das kann man am Grad der Affektiertheit ablesen, mit der sie das "einfordern")
Ebenfalls häufiger als Männer führen Frauen den fehlenden richtigen Partner
Dieser Grund folgt an siebter Stelle. Belegt das Bindungsunfähigkeit oder Narzissmus - oder beides?
und Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Karriere und Familie an. Im Zeitvergleich zeigt sich hierbei zudem, dass die Bemühungen von Unternehmen, familienfreundlichere Strukturen zu bieten, bisher nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben.
Ach da gab es "Bemühungen"? Wäre mir ganz neu.

So oder so: Wenn man sich die Entwicklung einer schleichenden Aufkündigung des Generationenvertrags ansieht, kommen wir der Vilmar'schen Vision des sozialverträglichen Frühablebens näher.
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Vir Probatus
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Re: Ohne Kinder kein Wachstum

Beitrag von Vir Probatus »

Es ist im wesentlichen Sache der Politik, die Bedingungen für Kinderfreundlichkeit in allen Belangen zu schaffen.

Da könnte man noch vieles schaffen.
Finanzielle Hilfen wie Kinderfreibeträge, Kindergeld, Zuschläge beim Wohngeld, Förderbeträge für familiengerechte Autos, Extra-Urlaubstage, Zinsfreie Baudarlehen, usw.

Aus meiner Kindheit kenne ich noch den "Würmeling-Ausweis": Ein Ausweis der Bundesbahn, der ab dem 3. Kind alle Kinder über 10 Jahre berechtigte, weiter zum Kinderfahrpreis (=50 % ermässigt) zu fahren.

Geht man beispielsweise durch Finnland, sieht man daß es da funktioniert.

Nur die Deutschen Politiker sind ja selbst solche Raffkes wie die Bevölkerung, die sie repräsentieren, und bedienen sich zuallererst erstmal selbst.

Wir haben zwar immer höhere Hartz-IV Regelsätze, immer mehr Tafel-Vereine und von kirchlichen Konzernen wie Caritas regelrecht verwaltete und bisweilen auch gesteuerte Armut. Aber das ist nicht die Lösung.

Ein Familienvater, auch wenn er nur einfacher Arbeiter ist, muss mit seinem Einkommen die Familie, die er hat, ernähren können. Und dazu muss er nicht auf eine zweite oder dritte Teilzeitbeschäftigung neben dem Haupterwerb angewiesen sein: Denn so etwas kann niemand für 2 Jahrzehnte durchhalten.
Er muss seine Kinder am Leben teilhaben lassen können: Also alle Schularten, Schulausflüge, Sportverein usw.
In meiner Kindheit gab es auch Familien, die, so hiess das damals, "vom Sozialamt" lebten. Wenn es hoch kam waren das vielleicht 5%.
Heute sieht das so aus: In NRW kommt jedes fünfte Kind aus einem Hartz-IV finanzierten Haushalt, in Berlin jedes dritte! Und wer erst einmal in der Hartz-IV Mühle ist, der bleibt da oft für mehrere Generationen.
Das der als Erwachsener keine Lust hat, sich selbst Kinder anzuschaffen, ist doch einfach nur normal.
Der Versuch der Kirche dagegen auch noch anzupredigen ist eine Beleidigung der Menschen durch den staatlich und stattlich alimentierten Deutschen Klerus.
„Die Kirche will herrschen, und da muss sie eine bornierte Masse haben, die sich duckt und die geneigt ist, sich beherrschen zu lassen. Die hohe, reich dotierte Geistlichkeit fürchtet nichts mehr als die Aufklärung der unteren Massen.“ (J.W. von Goethe)

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Yeti
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Re: Ohne Kinder kein Wachstum

Beitrag von Yeti »

Papst: Freiwillig kinderlose Paare sind egoistisch
„Mir fallen da einige Länder ein, die den Weg der Sterilität gewählt haben und an dieser hässlichen Krankheit leiden, dem ‚demografischen Winter‘. Sie haben keine Kinder. Ja, der Wohlstand und dies und das. Länder, die entleert sind von Kindern: das ist kein Segen. Fruchtbarkeit ist immer ein Segen Gottes“ [...] Gottes Widersacher sei im Spiel, wo dies nicht gewollt werde. „Egoismus, Hochmut, Eitelkeit: das ist Seelenverfettung, und die Entscheidung, ohne für andere zu leben. Ja, es stimmt, der Teufel will Sterilität. Er will, dass jeder von uns nicht dafür lebt, den anderen Leben zu geben, sondern sich selber.“
Huch. Was wohl die DBK dazu sagt? Nix. Passt nicht zur Projektionsfläche, die sie vor diesen Papst aufgespannt hat. :breitgrins:
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Niels
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Re: Ohne Kinder kein Wachstum

Beitrag von Niels »

Der gute Mann scheint sich bisweilen zu widersprechen: http://www.faz.net/aktuell/politik/ausl ... 79837.html
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

Melicus
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Re: Ohne Kinder kein Wachstum

Beitrag von Melicus »

Niels hat geschrieben:
Freitag 22. Dezember 2017, 02:49
Der gute Mann scheint sich bisweilen zu widersprechen: http://www.faz.net/aktuell/politik/ausl ... 79837.html
Der Papst widerspricht sich keinesfalls, Niels.
Er ist ein guter Mann.
Es ist die Intention fortpflanzungsfähiger Partner, die das alles entscheidende Kriterium für das Kinderkriegen sein sollte.
Eine geistige, nicht ein biologische Dimension!
Weder ist es die richtige Intention, ohne Liebe zwischen Partnern Nachwuchs zu zeugen, noch ist es die richtige Intention aus egoistischen Gründen auf Nachwuchs zu verzichten.
In beiden Fällen wird die Beziehung von Abhängigkeit und Egoismus dominiert, aber nicht von erwachsener oder reifer Liebe.
Ohne Kinder kein Wachstum ist überdies so auch nicht (mehr) richtig.
Zunächst einmal geht es um Selbstliebe und das reif werden für die Liebe.
Denn erst wer sich selbst zu liebengelernt hat, kann seinen Partner wertschätzen, respektieren, lieben, begehren und ihn in seiner Individualität belassen.
Der Nachwuchs ist heute leider mehr denn je in Gefahr, die unreifen Beziehungsmuster vorangegangener Generationen zu übernehmen.
Und die Lage spitzt sich zu, was sich in Beziehungsunfähigkeit zeigt.
Sie ist die tiefere Ursache des „demografischen Winters“, um mit den Worten des Papstes zu sprechen.
Es gibt eine Analogie: Die vom Papst beklagte gesellschaftliche „Sterilität" ist auch eine kirchliche.
Und die Endzeit der Kirche ist auch die Endzeit der Gesellschaft.
Alles ist miteinander verzahnt.
Laizismus gibt es letzlich nur auf dem Papier.
„Manchmal verliert man das Gute, wenn man das Bessere sucht.“
(Pietro Antonio Domenico Bonaventura Trapassi)

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Niels
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Re: Ohne Kinder kein Wachstum

Beitrag von Niels »

Dann bin ich ja beruhigt.
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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