Tritonus hat geschrieben:
Kaum zu fassen, so ein Schwachsinn. Schon wieder alles vergessen? Es waren deutsche (und nicht griechische) Politiker, die ihren eigenen Bürgern das sogenannte Rettungspaket als "alternativlos" präsentiert haben. Es waren deutsche Politiker, die die Bankschulden eines damals wie erwartungsgemäß auch heute insolventen Schuldners sozusagen auf die eigene Bevölkerung umgeschuldet haben. Und es waren vorwiegend deutsche Politiker, denen es niemals um Griechenland, sondern um das Wohl von ein paar Banken ging, denen im Fall einer sang- und klanglosen Insolvenz Griechenlands der Schuldner, d.h. ihre Geldquelle, abhanden gekommen wäre.
Schon wieder die Geschichte, von den Banken die gerettet wurden - fehlt nur noch die Ergänzung mit den armen Griechen, die nicht profitiert haben. Dabei wird wie immer übersehen, daß durch Darlehn ein vorgezogener Konsum ermöglicht wird, der zu weitaus
höheren Gehaltssteigerungen in GR führte als in anderen EU-Ländern.
Natürlich war die Rettung "alternativlos" zumindest aus Sicht der handelnden Politiker und - wenn man sich die Konsequenzen vor Augen führt (s.u.) - vermutlich auch für den größten Teil der Foranten hier.
Aber zunächst zu den Banken:
Es ist schlichtweg falsch, wenn die deutschen Banken als Hauptprofiteur der "Griechen-Rettung" dargestellt werden. Sie haben außergewöhnlich lange ihre "Wertpapiere" aus GR gehalten und fielen dadurch fast in voller Höhe in den Schuldenschnitt des Frühjahrs 212. Hier ein Bericht über den Stand von Ende 21:
Ob Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble darüber glücklich ist, dass die deutschen Banken ihm gegenüber Wort gehalten haben, muss inzwischen bezweifelt werden. Aber wie aus dem jüngsten Quartalsbericht der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hervorgeht, hielten die deutschen Kreditinstitute Ende 21 unter den internationalen Banken mit 22,7 Milliarden Dollar (15,6 Milliarden Euro) die meisten griechischen Staatsanleihen. Ein höheres Risiko gegenüber dem überschuldeten Staat haben nur die griechischen Banken. Während ausländische Institute Schuldtitel des von einem Zahlungsausfall bedrohten Eurolandes verkauft haben, blieb das Risiko der deutschen Häuser nahezu unverändert. Ende März 21 hatten sie griechische Staatsanleihen über 23,1 Milliarden Euro im Bestand.
Im Mai 21, als von der Euro-Gruppe und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) das erste, 11 Milliarden Euro umfassende Rettungspaket für Griechenland geschnürt worden war, hatte die deutsche Kreditwirtschaft dem Finanzminister versprochen, ihre Kreditlinien gegenüber der Regierung in Athen weitgehend aufrechtzuerhalten. Schäuble hatte diese Zusage damals begrüßt, weil durch die Beteiligung der Finanzwirtschaft die staatlichen Hilfen für Griechenland geringer ausfallen könnten.
(...)
Unter den deutschen Instituten hält die FMS Wertmanagement, die Abwicklungsbank der Hypo Real Estate, mit 7,4 Milliarde Euro die meisten griechischen Staatsanleihen. Danach folgen die Commerzbank mit 2,9 Milliarden Euro und die Deutsche Bank mit 1,6 Milliarden Euro, davon 1,3 Milliarden Euro von der Postbank. An dritter Stelle liegt die Landesbank Baden-Württemberg mit 1,4 Milliarden Euro. Der Versicherungskonzern Allianz ist mit 1,3 Milliarden Euro engagiert.
(Hervorhebung von mir)
http://www.faz.net/aktuell/finanzen/anl ... 1541.html
Durch den angeblich freiwilligen "haircut" im Frühjahr 212 verminderte sich die Schuldenlast von GR um 17 Mrden € - natürlich wurden die in den letzten drei Jahren wieder ausgegeben und der Schuldenschnitt, für den die Anleger Vermögensverluste und die Staaten verminderte Steuereinnahmen hinnehmen mußten, ist wirkungslos verpufft.
Der Schuldenschnitt war eigentlich
rechtlich nicht möglich, weil die Darlehnsbedingungen überwiegend keine sog. "CAC"-Klauseln (collective action clauses) enthielten. Somit hätten alle Einzelgläubiger einer Umschuldung zustimmen müssen. Um diese Schwierigkeit zu umgehen, wurden die -
privatrechtlichen- Verträge
nachträglich zuungunsten der Gläubger durch das gr. Parlament verändert und entsprechende CAC-Klauseln eingeführt. Dies galt jedoch nicht für Anleihen, die bei der EZB oder anderen staatlichen Stellen lagen. Sie erhielten eine neue Wertpapierkennnummer und nahmen am Schuldenschnitt nicht teil. Das war "notwendig", weil sonst eine - nicht zulässige - Staatsfinanzierung offenkundig gewesen wäre.
Da auch nach den neuen Klauseln eine Zustimmung von 9% der Gläubiger notwendig war, machten die EU-Regierungen auf "ihre" Banken, Versicherungen und anderen Kapitalsammelstellen Druck, einer "freiwilligen" Umschuldung zuzustimmen. Grund war allerdings nicht nur eine Verminderung der gr. Schuldenlast, denn die hätte man auch mit einer Insolvenz oder einem "haircut" erreichen können.
Bei einer Staatspleite wären die überwiegend us-amerkanische Hedgefonds dazu gebracht worden, ihre offenen Forderungen gegen GR einzutreiben. Das hätte noch viele Jahre zu Schlagzeilen geführt, ähnlich wie im Falle Argentiniens. Ich erinnere an die Pfändung des Segelschulschiffes in Afrika und die Beitreibungsversuche auf der Buchmesse in Frankfurt. An solchen Berichten über einen "Partner" kann keinem EU-Politiker gelegen sein - insbesondere nicht, wenn es sich um die "stolzen" Griechen handelt, denen u.U. die Präsidentenmaschine weggepfändet würde.
Teilweise wurde diese Drohung wahrgemacht. Einige Geierfonds (z.B.
der bekannte Elliot-Hedgefond) haben sich nicht an dem Schuldenschnitt beteiligt. Sie kauften gezielt einige Anleiheemissionen auf bzw. erwarben eine Sperrminorität und stimmten dem Schuldenschnitt nicht zu. Diese Anleihen
wurden inzwischen bezahlt, die Fonds haben ihr Geld bekommen und einen guten Gewinn gemacht.
Es war also nicht die Angst, vor einem "Zusammenbruch" der - deutschen - Banken, wie sich auch aus der Schuldenverteilung ergibt:
Von den griechischen Schulden werden 19 Milliarden Euro außerhalb und 137 Milliarden Euro von Investoren innerhalb des Landes gehalten. Griechische Banken halten 45 Milliarden Euro Anleihen und 18 Milliarden Euro Kredite. Nach einer Berechnung von Goldman Sachs würde eine Schuldenabschlag („haircut“) von 6 Prozent etwa 8 Prozent des Kernkapitals griechischer Banken auffressen, hingegen nur einen sehr geringen Teil des Kernkapitals anderer europäischer Banken. Eine Umschuldung mit Abschlag wäre also für europäische Banken möglicherweise tragbar, nicht aber für griechische. Sie müssten vor jeglicher Umschuldung mit 3 bis 4 Milliarden Euro Kapital ausgestattet werden, schätzt die amerikanische Investmentbank.
Die griechische Notenbank hält 15 Milliarden Euro Staatsschulden und andere griechische Investoren haben 59 Milliarden auf den Büchern. Von den 19 Milliarden Euro im Ausland befinden sich etwa 43 Milliarden Euro auf den Büchern der Banken, 32 Milliarden Euro werden vom IWF und von der EU gehalten, 5 Milliarden Euro vom System der Europäischen Zentralbank und 65 Milliarden Euro von institutionellen und privaten Anlegern.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/z ... 57689.html
Es handelte sich also verhältnismäßig geringe Beträge, die von den von Auslandsbanken gehalten wurden. Bei den deutschen Banken, die nach den obigen Ausführungen angeblich "gerettet" wurden, haben ihre Forderungen 211 abgeschrieben. Der Soffin wurde hier mit 6 Mrden belastet - für 5% Abschreibung..... Die beiden Privatbanken Commerzbank und Deutsche Bank haben ihre Griechenpapiere in 211 mit 1,2 bzw. 1,4 Mrden auf 5% wertberichtigt und natürlich waren die Landesbanken auch mit dabei.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/z ... 57689.html
Die "Rettung" deutscher Banken fand also nicht statt; gezahlt hat der Staat über geringere Steuereinnahmen und die Aktionäre über eine geringere Dividende.
Herr Blessing hat dazu bemerkt:
Schon als die Griechenland-Krise einige Monate alt war, hatte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble versprochen: "Es geht nicht um Umschuldung, das ist kein Thema." Blessing hat sich das gemerkt. "Wenn heute noch mal ein Politiker zu mir käme und verlangte, wir sollten unsere Staatsanleihen in den Büchern halten, dann antworte ich: Trau, schau, wem", sagte er schon im vergangenen Oktober.
Zur "Alternativlosigkeit":
Ich habe immer darauf hingewiesen, daß für die Euroländer eine "Rettung" ihrer Banken viel preiswerter gewesen wäre, als das Geld nach GR zu schicken. Gleichwohl wurde die "Rettung" als "alternativlos" angesehen. Die Gründe lagen nicht in den Banken und vermutlich auch nicht in der Furcht vor dem Verlust eines Mitglieds im Euroverbund. Man hatte wahrscheinlich Angst vor der Berichterstattung.
Im Falle einer Staatspleite wäre die Geldversorgung in GR zusammengebrochen, das Land wäre kollabiert. Man hätte nichts mehr kaufen können, da der Euro als Zahlungsmittel nicht mehr zur Verfügung stand und die eigene Währung nicht oder nur zu Minimalwerten getauscht worden wäre.
Dem Gesundheitswesen wären die Medikamente ausgegangen, die Supermärkte wären leer geworden und an den Tankstellen hätte es keinen Sprit gegeben. GR muß die meisten Güter - sogar Lebensmittel - importieren, selbst Saatgut für eine neue Ernte wäre nicht ausreichend vorhanden. Die entsprechenden Fernsehbilder und -berichte kann sich jeder vorstellen. Ein Brennpunkt hätte den nächsten gejagt und zwischendurch die Nachrichten über die "Bankenrettung" mit x Mrden €.
Jeder kann sich die Reaktion auf der Straße oder hier im Forum vorstellen - die "armen" Griechen hungern, erhalten keine lebensnotwendigen Medikamente und die Banken werden "gerettet". Traurige Einzelgeschichten hätten den Bildschirm und die Gazetten gefüllt und daneben auf der Seite ein grinsender Herr Ackermann und ein arroganter Herr Blessing, wie sie mit Herrn Schäuble über die "Rettungskredite" feilschen....
Dazu kam noch der Zeitpunkt: Die erste "Griechen-Rettung" erfolgte im Frühjahr 21 (Landtagswahl NRW!). Wer wäre denn im Sommer 21 nach GR in Urlaub gefahren bei den Fernsehbildern von demonstrierenden Griechen, leeren Läden und Suppenküchen? Und außer Tourismus hat GR doch keine florierende Verdienstmöglichkeit.....
Da GR bei einem Schuldenschnitt zunächst vollkommen von allen Kreditmöglichkeiten ausgeschlossen gewesen wäre, der Staatshaushalt aber ein Defizit von über 1% auswies, hätte man in einer Radikalkur die Ausgaben kürzen müssen. Gehälter und Renten wären nur vermindert ausgezahlt worden, die Rechnungen wären offen geblieben. Dabei ist es egal, ob die Auszahlung in Euro oder Drachme erfolgt wäre - das Geld war einfach nicht da, denn GR wäre nur auf seine Steuereinnahmen angewiesen. Das es diese nicht in vollständiger Höhe beitreiben will und stattdessen lieber auf Kredite zurückgreift, hat sich ja bis heute nicht geändert.
Ich halte die damalige Entscheidung nach wie vor für falsch, kann die Gründe aber nachvollziehen.
Tritonus hat geschrieben:
(Poss' Äußerung und diverse ähnliche stehen vermutlich nicht in der FAZ, weil es einigen hier mächtig die Laune verderben könnte, dafür ist die englische und US-amerikanische Presse voll davon.)[/size]
Auch die FAZ hat verschiedene Stimmen zu Wort kommen lassen, ob der Bundestagsabgeordnete Poß (mit "ß" nicht "ss") dabei war, weiß ich nicht mehr.
Er gehört zwar zu den finanzpolitischen Spitzenleuten seiner Partei - was allerdings einen Rückschluß auf die dort versammelte Qualität zuläßt. Aber das Sozen noch nie mit Geld umgehen konnten ist bekannt und das Eingeständnis, daß man in fünf Jahren ca. 8 Mrden € (ohne Target-II-Salden) in GR versenkt hat und jeden Deutschen mit 1. € zur Kasse bitten muß, will man natürlich so lange wie möglich hinauszögern, auch wenn dadurch nur der Betrag, nicht aber die Rückzahlungswahrscheinlichkeit steigt.
Im übrigen solltest Du Dich nicht nur auf Herrn Poß berufen, da gibt es doch sogar
Nobelpreisträger (z.B. Krugman), die D. die Schuld geben. Das auch
Herr Soros in das gleiche Horn bläst, sollte einem eigentlich zu denken geben.
Ich wiederhole gern, daß mE eine Währungsunion mit so unterschiedlichen (Mentalität, Industrie, Geldgeschichte) Ländern wie D. und GR oder Finnland und Portugal nicht funktionieren kann.
Zum Glück ist man ja
noch nicht gezwungen, seine Ersparnisse deutschen Banken bzw. dem Bundesfinanzminister zinslos zur Verfügung zu stellen, damit sie nach GR oder in die Peripherie weitergeleitet werden.