Es sei noch erwähnt, dass die Leib-Seele-Debatte vor allem auf die (platonische) Vorstellung rekurriert, dass die Seele aufersteht. Hier kann man dem Lehramt eine Inkonsequenz vorwerfen, da sie in diesem Punkt das Leib-Seele-Prinzip unterstützt, während die Auferstehung bei Apostel Paulus von der Einheit als Person ausgeht, die im Tod verwandelt wird. (Dann aber kann die zeitlich-räumlich gedachte Kirche nur schwer erklären, warum das Grab Jesu leer war bzw. wie man sich ein solche Auferstehung vorzustellen hat.)Juergen hat geschrieben:Damit die Seele den Leib formen kann, muß oder müßte zumindest denkerisch der Leib (ohne Seele) eine Materie sein, die ohne Form existieren könnte. Eine solche Idee wird von Thomas v. Aquin im Anschluß an Aristoteles abgelehnt, da eine solche Materie lediglich eine reine Potentialität sein kann. Duns Scotus hingegen bejaht eine solche Materie ohne Form. Gleichzeitig kann bei Duns Scotus die Seele ohne Materie gedacht werden. Ein Beispiel für letzteres wären Engel, die bei Duns Scotus als reine Seelenwesen ohne (Engels)materie gedacht werden.Thomas + hat geschrieben:Der Punkt ist mir eben nicht ganz klar, also, inwiefern die Materie oder zumindest die Nicht-Form, die Form bestimmen soll, bzgl. "abfärben", wo doch die Seele dasjenige ist, das formt. Denn selbst, wenn gemeint ist, dass das Kompositum (die zusammengesetzte Substanz) auf eines seiner Teile formend oder bestimmend oder wie immer zurückwirkt, dann liegt das ja wohl auch an ihr als formgebendes Prinzip dieses Kompositums. Das hieße, die Seele bestimmt sich quasi selbst als das und das, allerdings nur in Verbindung mit der Materie in diesem Kompositum. Wie das nun aber bei abgetrennten Seelen aussieht oder Seelen per se betrachtet, ist so eine Frage.Raphael hat geschrieben:Diese enge Verbindung zwischen Körper und Seele bedeutet nun aber auch, daß diese ontologische Verbindung auf die Seele selber "abfärbt". Genauer gesagt: Die geschöpfliche Polarität zeigt nicht nur körperliche Folgen, sondern in der Seele - die wie schon weiter oben erwähnt die Form des Körpers ist - sind die körperliche Folgen bereits vorgeformt.
Damit kommt die Seele, die die Form des Leibes ist, gleichsam als Plus zu der formlosen Materie hinzu, wenngleich dieses Hinzutreten zumindest zeitlich nicht nachrangig ist. Die Seele ist dennoch das konkretisierende Prinzip des Menschen.
Die Psyche ist hingegen davon getrennt anzusehen. Sie ist kein Prinzip, sondern existiert nur in der Leib-Seelischen Einheit des Menschen. Nach Trennung von Leib und Seele, was gemeinhin als Tod bezeichnet wird, hört auch die Psyche auf zu existieren.
Wenn hier in der Diskussion Krankheiten der Psyche gesprochen wird, und über Heilungsmöglichkeiten bei psychischen Krankheiten nachgedacht wird, so ist die Psyche, die hier Gegenstand der Überlegungen ist, nur dann vorhanden, wenn der Mensch lebt. – Mir ist auch noch keine Psychiater begegnet, der Tote behandelt.
Wohl aber sind mir schon viele Menschen begegnen, die die Seele von Verstorbenen „behandeln“, in dem sie ihnen, sofern angenommen wird, daß sie sich im Fegefeuer befinden, z.B. durch die Zuwendung von Ablässen Gutes tun.
Allerdings ist der Begriff Person als Erklärung, was der Mensch sei, dann eindimensional, wenn es darum geht, das Menschsein in verschiedenen Dimensionen und Facetten fassbar zu machen. Natürlich stirbt die Psyche mit dem Körper. In der Psyche werden Erfahrungen verortet, beispielsweise Traumata, die nach neurowissenschaftlichen Erkenntnissen bestimmte neuronale Muster prägen, die abnorme Verhaltensweisen nach sich ziehen können. Die Übergänge zwischen dem, was noch gesund oder schon krank ist, sind von Person zu Person verschieden.
Von abnormen Verhaltensweisen ging die Diskussion ursprünglich aus. Gegenstand der Diskussion sind Studien und Anlaufstellen, die negieren, dass Homo- und Transsexualität angeboren ist. Der Exkurs über die Seele ist insofern sinnvoll, da er erklärt, dass die Psyche von der Seele getrennt gedacht werden muss, wenn es um psychologische Behandlungen geht. Wenn folglich ein Transsexueller meint, er kann sich nicht mit seinem Körper identifizieren, meint er eigentlich nicht, dass die falsch-geschlechtliche Seele in ihm steckt, sondern, dass seine Psyche gelernt hat, dass er seinen Körper ablehnt (sowie Homosexuelle den gegengeschlechtlichen Körper ablehnen). Während die Erklärung auf der Funktionsebene der Psyche griffig ist und Heilung möglich ist, ist der Diskurs, ob die Seele nun geschlechtslos oder geschlechtlich zu denken ist, diesbezüglich nicht annähernd fruchtbar.