Entsteht in D ein neoliberales Glaubensverständnis?

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otto
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Entsteht in D ein neoliberales Glaubensverständnis?

Beitrag von otto »

Gespräch zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Präsidium der CDU
...

Beide Seiten stimmten darin überein, dass weitere Reformen nötig sind, um das System der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland auf Dauer zukunftsfähig zu machen. Im Blick auf die Reform des Gesundheitssystems erläuterten die Mitglieder des CDU-Präsidiums den Kompromiss von CDU und CSU und das Modell der Gesundheitsprämie. Die Bischöfe erinnerten in diesem Zusammenhang an ihr Wort „Solidarität braucht Eigenverantwortung“ aus dem Jahr 2003. Gleichzeitig waren sich beide Seiten einig, dass Eigenverantwortung und Solidarität auch im Gesundheitssystem eine ausgewogene Balance finden müssen. Die CDU-Vorsitzende Dr. Angela Merkel betonte, dass für nötigen Reformen gilt: „Wir brauchen eine Neujustierung der Sozialen Marktwirtschaft in Richtung auf mehr Freiheit für den Einzelnen, um Solidarität und Gerechtigkeit wieder lebbar zu machen.“

...


dbk.de

Kardinal Ratzinger sieht mit großer Sorge die Ausbreitung einer "radikalen Verweltlichung".

...

Der Grund dafür liege in einer rein materialistischen Sichtweise, die immer mehr um sich greift, und darin, dass man alles nur mehr auf das Geschäft und auf die "Vorherrschaft des Marktes" reduziere.

...


Quelle

Ich sehe innerhalb der deutschen katholischen Kirche eine Entwicklung zu einem neoliberalen Theologieverständnis. „Solidarität braucht Eigenverantwortung“ das ich wie folgt beschreiben würde:

Diese Theologie wird scheinbar immer mehr in das Glaubensleben und Glaubensdenken integriert. Diese Theologie vereint Kapital – Markt – Wirtschaftsinteressen und Theologie ihre Wurzeln liegen im Kapitalismus und in der Wirtschaftsökonomie.

Sie bildet augenscheinlich eine Gegentheologie zur Theologie der Befreiung die ihre Wurzeln in sozialen Sozialismus und der Solidarität findet.

In der Neo- Liberalen Theologie wie ich sie erlebe, gibt es nur natürliche Grenzen – aber keine die von Menschen erstellt werden – die Neo- Liberale Theologie orientiert sich sehr nahe am Zeit- und Weltgeist.

So würde ich zu deren Kernaussagen folgende Forderungen zählen.

- Abschaffung des Pflichtzöllibats für Priester (kein natürliches Hemmnis)
- Frauenpriesterweihe (kein natürliches Hemmnis)
- Ehescheidung, Sexualität außerhalb der Ehe (kein natürliches Hemmnis)
- 1 € Jobs als Beschäftigungsmöglichkeit (kein natürliches Hemmnis)

In diesen wenigen Beispielen finden wir elementare Forderungen die innerhalb der katholischen Kirche gefordert und gelebt werden. Alles was nicht durch die Natur begrenzt ist soll möglich sein. Moralische Grenzen werden als Blockade der Gestaltung oder als Blockade der Freiheit des Menschen strikt abgelehnt. All diese Forderungen sind Hauptbestandteile der Neo- Liberalen Theologie.

Aber denken wir einmal weiter.


- Dann hätte die Jungfrau und Gottesmutter Maria diese natürlichen Grenzen durchbrochen
- Dann hätte Jesus mit den Wunderheilungen von Blinden, Tauben und Lahmen die natürlichen Grenzen durchbrochen.
- Die Auferstehung JESUS ist das absolute durchbrechen der natürlichen Grenzen – ein Toter der lebt.

Ich fürchte die Neo- liberale Theologie die „Solidarität braucht Eigenverantwortung“ einfordert, vergisst das sich eigenverantwortlich kein einziger Mensch erlösen könnte. Nur durch das solidarische Erlösungswerkes des „gekreuzigten Herrn“ können die Menschen die Erlösung und das Heil des Himmels erlangen.

Wäre es nicht klüger und sinnvoller sich von den Zwängen des Kapitals zu befreien, als sich diesen in allen Lebens- und Glaubensfragen zu unterwerfen?

Oder vielleicht wäre die Ablehnung der kapitalistisch geprägten Neo- Liberalen Theologie nur die Umsetzung der Botschaft des Herrn?
Zuletzt geändert von otto am Donnerstag 16. Dezember 2004, 01:34, insgesamt 2-mal geändert.
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Matthäus 16,24

Micha

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Zuletzt geändert von Micha am Donnerstag 3. Februar 2005, 11:21, insgesamt 1-mal geändert.

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otto
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Beitrag von otto »

Micha hat geschrieben:Jo. Geht klar. :wein: :huhu:
Was geht klar? :kratz: oder willst Du mich auf ein Glas Rotwein einladen?
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Die Pressestelle der DBK-Behörde hat geschrieben:»Beide Seiten stimmten darin überein, daß weitere Reformen nötig sind, um das System der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland auf Dauer zukunftsfähig zu machen«
Es sind allerdings diese Reformen, die die Probleme verursacht und geschaffen haben.
Die Pressestelle der DBK-Behörde hat geschrieben:»Im Blick auf den Europäischen Verfassungsvertrag bedauerten beide Seiten das Fehlen eines Gottesbezugs in der Präambel.«
Wie schon mehrfach betont, ziehe ich Bettbezüge vor, denn auf ihnen kann man sich ausruhen.
Die Pressestelle der DBK-Behörde hat geschrieben:»Die Bischöfe erinnerten in diesem Zusammenhang an ihr Wort „Solidarität braucht Eigenverantwortung“ aus dem Jahr 2003. … In ihrem Wort zur Integration von Migranten „Integration fördern – Zusammenleben gestalten“ haben die Bischöfe Anforderungen an eine integrationsförderliche Politik formuliert …«
Der diese Erklärung verbrochen hat, ist gewiß völlig überzeugt, eine tolle Gelegenheit genutzt zu haben, seine lichtvollen »Worte« zu diesem und jenem dem Volk, das im Finstern wandelt, noch bekannter zu machen.
Die Pressestelle der DBK-Behörde hat geschrieben:»Das zweistündige Gespräch fand in einer offenen und freundlichen Atmosphäre statt. Beide Seiten vereinbarten, den Dialog in regelmäßigen Abständen fortzusetzen.«
Wenn Gespräche mit Frau Dr. Angela so ergiebig sind, dann möcht’ ich den Herren doch empfehlen, sich das nächste Mal die Gesprächspartnerinnen in der offenen und freundlichen Atmosphäre eines allzeit offenen und gastfreien Hauses öffentlicher Damen zu suchen.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Micha

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Zuletzt geändert von Micha am Donnerstag 3. Februar 2005, 11:20, insgesamt 1-mal geändert.

Raphael

Beitrag von Raphael »

Micha hat geschrieben:Bettbezüge (natürlich aus Mikrofaser)... das erinnert mich an was :sleep:
Buona notte!
Nein, aus Seide sollten sie natürlich schon sein. Wir sind schließlich neoliberal .....

SCNR
Raphael

Dr. Dirk
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Beitrag von Dr. Dirk »

Ich habe gestern ein Interview gesehen mit Norbert Blüm und Hans-Jochen Vogel. Blüm sagte in diesem Interview, dass der neoliberale Virus inzwischen alle Parteien erfasst hat und er der Politik noch maximal 5 Jahre gibt, bis die Unsinnigkeit dieses Ansatzes wieder eingesehen wird. Ich muss sagen, dass ich dieser Einschätzung von Blüm einiges an Sympathie entgegenbringen kann, ich aber auch den Hinweis von Hans-Jochen Vogel nicht von der Hand weisen kann, dass die neoliberalen Lösungen der derzeitigen Politik ein erster ernsthafter Versuch wären, mit der Realität der heutigen Welt klarzukommen.

In diesem Sinne hat der Neoliberale Virus sicher auch die Kirche befallen. Die Kirche sollte hier sehr vorsichtig sein, denn letzlich führt der Neoliberalismus zu einer starken Entwürdigung des Menschen und zu einer Welt (und zu einer Kirche), die immer kälter wird. Die Kirche wird sicher länger brauchen, um vom neoliberalen Virus wieder geheilt zu werden. Leider.

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otto
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Beitrag von otto »

Dirk hat geschrieben:Ich habe gestern ein Interview gesehen mit Norbert Blüm und Hans-Jochen Vogel. Blüm sagte in diesem Interview, dass der neoliberale Virus inzwischen alle Parteien erfasst hat und er der Politik noch maximal 5 Jahre gibt, bis die Unsinnigkeit dieses Ansatzes wieder eingesehen wird. Ich muss sagen, dass ich dieser Einschätzung von Blüm einiges an Sympathie entgegenbringen kann, ich aber auch den Hinweis von Hans-Jochen Vogel nicht von der Hand weisen kann, dass die neoliberalen Lösungen der derzeitigen Politik ein erster ernsthafter Versuch wären, mit der Realität der heutigen Welt klarzukommen.

In diesem Sinne hat der Neoliberale Virus sicher auch die Kirche befallen. Die Kirche sollte hier sehr vorsichtig sein, denn letzlich führt der Neoliberalismus zu einer starken Entwürdigung des Menschen und zu einer Welt (und zu einer Kirche), die immer kälter wird. Die Kirche wird sicher länger brauchen, um vom neoliberalen Virus wieder geheilt zu werden. Leider.
Jesus kam, in eine kalte und dunkle Welt er brachte Wärme und Licht.

Aus dieser Erfahrung ist die Kälte des Weltgeistes keine neue Situation des 21. Jahrhunderts, das ist in den 2004 Jahren eher die Regel als die Ausnahme gewesen.

Das eigentlich Neue ist das sich diese Kälte auch in dem Denken und Handeln von einigen wenigen innerhalb der D katholischen Kirche verfestigt.

Aber das auch „Kirchenmänner“ dem Zeitgeist dienen, gab es in der Geschichte immer wieder (z.b. Ablasshandel)

Also bleibt es an uns, dass wir die Wärme und das Licht von dem Kind in der Krippe in die Welt hinaus strahlen lassen, auch wenn uns ein eisiger Wind in das Gesicht bläst und uns die Dunkelheit ängstigt.
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Matthäus 16,24

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otto
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Beitrag von otto »

Die Frage ist nach wie vor offen.
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otto
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Beitrag von otto »

Der Berliner Erzbischof, Kardinal Georg Sterzinsky, hat die Hartz-IV-Reformen verteidigt. Sie seien notwendig, damit die wirtschaftliche Talfahrt beendet werden könne, erklärte Sterzinsky heute im ZDF-Morgenmagazin. "Wir sollten nicht so tun, als ob wir gerade die allerschwersten Zeiten durchmachen würden", so Sterzinsky.

Quelle: ZDF-Morgenmagazin und www.radiovaticana.de

Natürlich nicht den Herrn Kardinal fehlt es an nichts. Welcher Kardinal bestreitet seinen Lebensunterhalt mit 345/331 € + angemessene Miete pro Monat?

Ist Kardinal Georg Sterzinsky ein Zyniker?

Kann Hartz IV die wirtschaftliche Talfahrt beenden?

Bofinger: Hartz IV löst die Probleme nicht.

Die Hartz-IV-Reform ist nach Ansicht des "Wirtschaftsweisen" Peter Bofinger so nutzlos für die Arbeitslosen wie eine Bypass-Operation für einen Asthmakranken.

Die Hartz-IV-Reform ist ungeeignet, , sagte der Wirtschaftsweise Bofinger der "Berliner Zeitung". Hartz IV komme ihm vor "wie eine Bypass-Operation für einen Asthmakranken. Dem Patienten wird viel zugemutet, doch er profitiert davon nicht."

"Größerer Druck hilft nicht, wenn es keine offenen Stellen gibt"
Bofinger, der Volkswirtschaft in Würzburg lehrt, stellte den Ansatz der Reform in Frage: Hartz IV gehe davon aus, dass es den Arbeitslosen an Arbeitsanreizen fehlt. Daher werde nun der Druck erhöht. "Größere Anreize oder stärkerer Zwang helfen nichts, wenn es keine offenen Stellen gibt", sagte Bofinger. Im Osten etwa kämen zurzeit 32 Erwerbslose auf eine freie Stelle. "Selbst wenn die Hälfte von denen keine Lust zu arbeiten hätte, würden sich immer noch 16 um den einen Job bewerben."

Heftige Kritik übte der Wirtschaftsweise an der für 2005 geplanten Absenkung des Spitzensteuersatzes von 45 auf 42 Prozent.

Quelle: Wirtschaftsweiser "Hartz IV löst Probleme nicht"


Es ist die „Mitte der Gesellschaft“, es sind auch und gerade die (derzeit) Beschäftigten, die
Hartz IV betrifft: Sie geraten immer weiter unter ökonomischen und psychischen Druck.
Der Abbau von gesellschaftlicher Fairness und sozialem Ausgleich am Arbeitsmarkt macht
auch ihnen Angst. Damit wächst der Druck, gesellschaftlich notwendige, für das europäische
Modell unverzichtbare Arbeits- und Sozialstandards aufzugeben.

Quelle: Hartz IV – zukunftsfähige „Reform“ am Arbeitsmarkt
oder Kapitulation vor der Massenarbeitslosigkeit?
Einspruch zugunsten von Arbeit für alle zu neuen Bedingungen


Die Herren, Kardinäle sollten wie die Schuster bei ihren Leisten bleiben.

Nicht jeder gute und fromme Theologe ist ein genau so guter „Wirtschaftsweiser“

Wenn die katholischen Christen nicht bald erwachen, verursachen einige fehlgeleitete großen Schaden innerhalb der katholischen Kirche.
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Matthäus 16,24

Uwe Schmidt
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Beitrag von Uwe Schmidt »

Prof. MOTSCHMANN (Politikwissenschaftler in Berlin) schreibt in der Weihnachtsausgabe der "JUNGEN FREIHEIT", dass der Liberalismus von folgenden Prämissen ausgeht
-die Wirtschaft eines Landes entwickele sich am besten, wenn man sie ganz in Ruhe lässt, sie ihren eigenen Gesetzen überlässt, alle Eingriffe von außen, auch des Staates, unterlässt oder minimiert
-der Staat solle lediglich für "gute Münze, gute Straßen und gute Gesetze" sorgen (also in heutiger Diktion für Währung, Infrastruktur und ein funktionierendes Rechtswesen): der Staat als "Nachtwärterstaat"
-wie in der Natur stelle sich dann auch in der Wirtschaft eine harmonische Balance ein (also Darwinismus! Die Großen fressen die Kleinen!)
DAS GANZE FUNKTIONIERT ABER NICHT, WENN DIESES FREIE SPIEL DER KRÄFTE STÄNDIG GESTÖRT [Punkt] Durch was gestört wird? Durch:
-ZWÄNGE, DIE DIE TRADITION (Sitte und Moral) DEM MENSCHEN ZUFÜGT (Traditionen, die dem Menschen über Jahrhunderte bestimmt haben!)
-RELIGIÖSE ZWÄNGE (die Kirche ist der ärgste Feind des Liberalismus, weil sie Barmherzigkeit und Nächstenliebe predigt und verlangt)
-STAATLICHE ZWÄNGE.
"Das allein maßgebliche Motiv für alle wirtschaftl. Tätigkeiten sollte das persönliche Interesse, DER EIGENNUTZ und das EGOISTISCHE STREBEN NACH GEWINN UND EIGENTUM sein." Dieser radikale Wandel von einem transzendenten zu einem immanenten Weltbild wurde im 19.Jh. vollzogen.
HEUTE GELTEN DESHALB FAMILIE, KIRCHE, NATION ("Seins-Strukturen") VIEL WENIGER ALS EIGENTUM, REICHTUM, EINKOMMEN ("Haben-Strukturen") (DAVID RIESMAN:"Die einsame Masse"1958), man kann also auch sagen, dass in unserem westlichen "System" die LEISTUNG DES EINZELNEN für seine gesellschaftliche Stellung verantwortlich ist; man fragt nicht, woher jemand kommt, sondern danach, wieviel er verdient.

Uwe Schmidt
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Beitrag von Uwe Schmidt »

Ein ganz wesentliches Merkmal des Liberalismus scheint mir aber auch die FLEXIBILITÄT zu sein, die Anpassungsfähigkeit, das Virtuose, das ein Lebewesen im Überlebenskampf in der Wildnis braucht. Da kommt es nicht auf Wahrheit und Edelmut oder gar Liebe an (Werte, für die Jesus Christus ans Kreuz gegangen ist), sondern auf Schnelligkeit, Intelligenz und Anpassungsfähigkeit.
Jetzt kommen wir zum liberalen Flügel in der Kirche: auch diese Leute wollen die Kirche ja an die Gegebenheiten, den Zeitgeist anpassen und manche von ihnen erweisen sich tatsächlich als richtige Virtuosen in dem Bereich - und sie glauben sogar, sie würden Gott und Kirche damit einen Dienst erweisen! Hier mal etwas nachgeben, da voll vorpreschen mit einer neuen Initiative usw.
Für mich ist so etwas Verrat. Weil Jesus eben unflexibel war, jedenfalls, wenn es um höhere Werte ging! Wir haben als Christen keine Wahl, wir müssen Reaktionäre werden (die Reaktionäre waren im 19.Jh. die Gegner der Liberalen - sie wollten einen starken Staat und eine starke Kirche, eben um die Schwachen und auch sich selber vor den starken raffzähnigen Kapitalisten zu schützen).

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cathol01
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Beitrag von cathol01 »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Wie schon mehrfach betont, ziehe ich Bettbezüge vor, denn auf ihnen kann man sich ausruhen.
Es gibt auch noch andere Dinge, die man beziehen kann...
"Das Wahre ist nicht sicherer als das Wahrscheinliche."
(Diogenes Laërcius)

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ja, aber man kann’s auch lassen.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

John-Paul
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Beitrag von John-Paul »

otto hat geschrieben:Die Herren, Kardinäle sollten wie die Schuster bei ihren Leisten bleiben.
Das kann ich nur unterschreiben. Die Kirchenführer sollten nicht so viele Positionspapiere zu irgendwelchen Zeitfragen veröffentlichen, sondern das Evangelium verkünden und durch eigenes Handeln bezeugen.
otto hat geschrieben: Nicht jeder gute und fromme Theologe ist ein genau so guter „Wirtschaftsweiser“
Inhaltlich kann ich den ökonomischen Ausführungen der Theologen aber durchaus zustimmen. Bofinger schmückt sich zwar mit dem Etikett des "Wirtschaftsweisen", widerspricht sich aber ständig. Einerseits unterschreibt er die Gutachten des Sachverständigenrats mit und veröffentlicht dann andererseits Bücher, die das glatte Gegenteil vertreten. Seine - seit rotgrünen Zeiten nicht einmal mehr besonders neoliberalen - Kollegen im Sachverständigenrat sind darüber gar nicht fröhlich:

http://focus.msn.de/hps/fol/newsausgabe ... m?id=10080


Ich muß allerdings gestehen, daß ich noch immer nicht begriffen habe, was ein neoliberales Glaubensverständnis ist und warum sich Neoliberalismus und Glaube überhaupt einander ausschließen sollten.

Die Grundkonzeption des Neoliberalismus in Deutschland stammt von der Freiburger Schule des Ordoliberalismus, deren Mitglieder allesamt überzeugte Christen waren (Walter Eucken, evangelischer Neukantianer; einer seiner Doktoranden war Joseph Höffner). Sie vertraten die Auffassung, daß der Wirtschaft eine Regelordnung vorgeben werden sollte, die dafür sorgt, daß die Ergebnisse des wirtschaftlichen Handelns dem kategorischen Imperativ/der Goldenen Regel entsprechen - und damit die Würde des Menschen im Wirtschaftsleben institutionell gesichert wird.

Umgekehrt laufen übrigens auch praktisch alle theologischen Ansätze der katholischen Sozialethik darauf hinaus, den Neoliberalismus (= die Soziale Marktwirtschaft) zu rechtfertigen (z.B. Johannes Messner, Arthur F. Utz, Joseph Höffner u.a.).

Ist daran irgendetwas unvernünftig?

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otto
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Beitrag von otto »

John-Paul hat geschrieben: Ich muß allerdings gestehen, daß ich noch immer nicht begriffen habe, was ein neoliberales Glaubensverständnis ist und warum sich Neoliberalismus und Glaube überhaupt einander ausschließen sollten.

Die Grundkonzeption des Neoliberalismus in Deutschland stammt von der Freiburger Schule des Ordoliberalismus, deren Mitglieder allesamt überzeugte Christen waren (Walter Eucken, evangelischer Neukantianer; einer seiner Doktoranden war Joseph Höffner). Sie vertraten die Auffassung, daß der Wirtschaft eine Regelordnung vorgeben werden sollte, die dafür sorgt, daß die Ergebnisse des wirtschaftlichen Handelns dem kategorischen Imperativ/der Goldenen Regel entsprechen - und damit die Würde des Menschen im Wirtschaftsleben institutionell gesichert wird.

Umgekehrt laufen übrigens auch praktisch alle theologischen Ansätze der katholischen Sozialethik darauf hinaus, den Neoliberalismus (= die Soziale Marktwirtschaft) zu rechtfertigen (z.B. Johannes Messner, Arthur F. Utz, Joseph Höffner u.a.).

Ist daran irgendetwas unvernünftig?
Neoliberalismus

1938, also noch vor dem Beginn des 2. Weltkriegs, wurde auf einer Konferenz in Paris unter dem
Vorsitz des amerikanischen Publizisten Walter Lippmann, an der verschiedene Repräsentanten der
sich neu formierenden liberalen Bewegung teilnahmen, der Name Neoliberalismus geprägt.

Kernstück der neoliberalen Wirtschaftsordnung ist der Marktwettbewerb. Er soll sowohl
wirtschaftliche Effizienz als auch die Verwirklichung individueller Freiheit garantieren.
Voraussetzung der Realisierung neoliberaler Ordnungsvorstellungen ist der starke und von allen
Einflüssen gesellschaftlicher Gruppen unabhängige Staat.

Dem Neoliberalismus wird eine Reihe von ökonomischen Theorien zugerechnet, die sich auf gewisse, vor allem ökonomische, klassisch liberale Forderungen stützen, genauer bestimmt wurden diese im Washington Consensus, der im Groben Liberalisierung des Kapitalmarktes und den Abbau sozialstaatlicher Einrichtungen postuliert. Im Neoliberalismus sind die politischen Forderungen aus den vorgelagerten ökonomischen Grundannahmen entstanden, während im klassischen Liberalismus Grundannahmen der Ökonomie und Politik (Philosophie) reflexiv erwuchsen.


Hier geht es weiter

Soziale Marktwirtschaft

Um die sozialen Folgen eines ungehemmten Kapitalismus zu mildern, wurde in der Bundesrepublik Deutschland die Soziale Marktwirtschaft entwickelt. Dabei fällt in einem marktwirtschaftlichen System dem Staat die Rolle zu, auf sozialen Ausgleich hinzuwirken. Die Soziale Marktwirtschaft gilt heute als Grundlage der deutschen Wirtschafts- und Sozialordnung und hat große Erfolge erzielt.

Der Begriff Soziale Marktwirtschaft beschreibt die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Ihr Grundelement ist die Verbindung "des Prinzips der Freiheit auf dem Markt mit dem des sozialen Ausgleichs". Die Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft wurde als Alternative zu einer staatlich gelenkten Wirtschaft für den Wiederaufbau der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt. Ihre politische Durchsetzung in den Jahren 1947 bis 1949 ist mit den Namen Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack verbunden. Müller-Armack hat auch den Begriff "Soziale Marktwirtschaft" geprägt.Die wichtigsten Elemente in der Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft: Privateigentum an Produktionsmitteln und freie Preisbildung; Herstellung einer Wettbewerbsordnung und Sicherung des Wettbewerbs (z.B. durch das Kartellgesetz, Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb); bewusste Konjunktur- und Wachstumspolitik; Sicherung der Vollbeschäftigung; Außenhandelsfreiheit, freier Währungsaustausch; Politik des stabilen Geldwertes (z.B. durch unabhängige Notenbank); soziale Sicherheit, soziale Gerechtigkeit und sozialer Fortschritt (durch staatliche Umverteilungsmaßnahmen in Form von Sozialhilfeleistungen, Sozialrenten und Ausgleichszahlungen, Subventionen, Zuschüssen, progressiver Einkommensteuer usw.; durch die Systeme der Sozialen Sicherung: Renten-, Kranken- Arbeitslosen und Pflegeversicherung, Unfallversicherung; durch eine Arbeits- und Sozialordnung).

Quelle

Neoliberalismus (= die Soziale Marktwirtschaft) diese Gleichung geht nicht auf - Soziale Marktwirtschaft und Neoliberalismus unterscheiden sich wie Feuer und Wasser das eine schließt das andere aus.

Die katholische Sozialethik kennt weder das eine noch das andere als Ideal an. Die katholische Sozialethik ist kein Entwurf für ein Wirtschaftssystem sondern ein "Messbecher" der christlichen Sozialethik in dem aktuellem Wirtschaftssystemen.

Ich denke die neoliberale Wirtschaftslehre widerspricht der katholischen Glaubenslehre in sehr sensiblen Bereichen. Vor allem in dem Verständnis der sozialen Moral und den Grenzen des moralisch Vertretbaren.
"Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." Matthäus 16,24

John-Paul
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Beitrag von John-Paul »

Hallo Otto,

aus Zeitgründen im Moment nur kurz: Deine Definition von Neoliberalismus aus Wikipedia ist in der Volkswirtschaftslehre (völlig) unüblich und findet sich in keinem Lehrbuch.

Standard ist demgegenüber die folgende Definition, wie sie die Bundeszentrale für politische Bildung gibt:
2. Grundlagen, Konzeption und Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft (SM)
Die SM basiert auf Vorstellungen, die in durchaus unterschiedlicher Akzentuierung von einer Reihe von Wissenschaftlern schon in den 30er und 40er Jahren entwickelt und unter dem Begriff Neoliberalismus subsumiert worden sind. Innerhalb des Neoliberalismus spielte für Deutschland der "Ordoliberalismus" der Freiburger Schule eine besondere Rolle, als dessen wichtigster Repräsentant der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler W. Eucken gilt.
http://www.bpb.de/wissen/07366806922938 ... litik.html


"Neoliberalismus" hat sich allerdings in einigen (über die Theorie der Wirtschaftspolitik schlecht informierten) linken Kreisen seit einigen Jahren auch als Kampfbegriff gegen jede Form marktlicher Allokation entwickelt.

Gruß
JP

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

»Sozialen Marktwirtschaft (SM)«
Das paßt! :lol:
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