Das Sakrale als Hinderniss

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nemesis
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Das Sakrale als Hinderniss

Beitrag von nemesis »

Der deutsch-israelische Historiker Dan Diner hat vor kurzem ein neues Buch veröffentlicht. Mit Versiegelte Zeit. Über den Stillstand in der islamischen Welt will Diner aufzeigen, was falsch läuft in der Arabischen Welt. Wenn man sein Buch, das als eine Mischung von Banalem und Ahnungslosigkeit daherkommt, auf einen Satz reduzieren wollte, so sieht Diner das Problem der Araber darin, dass sie Arabisch sprechen. Man könnte nun das Buch zuklappen und es zu dem Stapel mit Autoren legen, die über etwas schreiben, über das sie nichts wissen. Insbesondere im Bereich der islam-Literatur tumeln sich viele, die wie Diner meinen, sich zu Wort melden zu müssen - ohne etwas beizutragen zu haben. Warum über so ein Buch auch nur eine Zeile schreiben?

Weil Dan Diner kein Unbekannter ist und weil er gerade kein notorischer Islamiphobiker wie Raddatz und kein offenkundiger Rassist wie Daniel Pipes ist. Diner steht vielmehr für einen neu-alten Typus von Wissenschaftler und sein Buch steht für einen stärker werdenden Trend in der deutschen Wissenschaftslandschaft.

Der Trend ist der Orientalismus, der bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr wie früher aus den kleinen Regionalwissenschaften erwächst (eine Ausnahme wäre z.B. Tilman Nagel), sondern immer stärker aus den großen Fächern wie eben der Geschichtswissenschaft erwächst. Von Seite derjenige, welche die Orientalismusdebatte in den vergangene Jahrzehnten geführt hatten, wurde bislang zu dieser Entwicklung geschwiegen, weil sich hier eben Wissenschaftler äusserten, denen die Materie fremd war (und ist), die eben keine Expertise in Religion, Geschichte oder Sprache der Region hatten. Auch dieses Schweigen hat die Ausbreitung des Orientalismus gefördert.

Auch zu Diners aktuellem Werk sind bislang wenig kritische Stimmen zu vernehmen. Ein erster Versuch der Einordnung kommt aus der Schweiz, vom langjährigen NZZ-Nahost-Korrespondeten Arnold Hottinger. Seiner Einschätzung von Diners Orientalismus will ich mich anschließen:
In diesem Bereich steht das Buch dem von Dan Diner selbst klug angesprochenen «Orientalismus» - im kritischen Sinne des Begriffs - nahe. Er nennt diesen Begriff «eine Übertreibung». Sein eigenes Buch ergreift und definiert in durchaus «orientalistischer» Art eine «Essenz», die in seiner ausgesprochen eurozentrischen Sicht die heutige islamische und besonders die arabische Welt bestimme. Diese «Essenz» ist durch ihre Gegensätzlichkeit zu jener «des Westens» (des Motors der Entwicklung aufgrund der Trennung von Religion und säkularer Welt) umschrieben. Wenn sie, die Unterentwickelten, werden wollen wie wir, die Entwickelten, müssen sie nachholen, was wir, die Entwickelten, ihnen vorleben, ist eine Botschaft von Diners Buch.
Diner ist also Orientalist, auch wenn er nicht einfach platt vom Orientalen bzw. dem Araber an sich schreibt.

Die neue Qualität von Diners Argumentation ist, dass sie genaue Vorschriften für das Objekt ihres Orientalismus beinhalten. Diners Feststellung eines Entwicklungsunterschiedes, verbunden mit der alleinigen Verortung der Gründe hierfür bei den kulturellen Eigneheiten der Anderen (hier: die Araber) geht allerdings über reinen Orientalismus hinaus. Er bewegt sich vielmehr im Fahrwasser von C. H. Becker (Der Islam als Problem), dem Mitbegründer der deutschen Kolonialwissenschaften. Der Ansatz von Diner, den Arabern die eigene Sprache auszutreiben sind also keineswegs neu. Diese Vorstellung war eine treibende Kraft der Kulturpolitik des französischen Kolonialismus in Nordafrika. Die Verteufelung und die Negierung der kulturellen Identität der Kolonialisierten war immer ein wesentlicher Bestandteil des Kolonialismus.

Das ideologische Umfeld von Diner ist also deutlich. In einem Rückblick auf Diner´s Versiegelte Zeit wird man einst urteilen, dass dieses Buch die Wiederbelebung der deutschen Kolonialwissenschaften markierte.

Die Essays beschreiben die auffällige Resistenz der islamischen Welt gegen die Modernisierung, besonders schlagend anhand der verspäteten Einführung des Buchdrucks; erst 1822 wurde in Bulaq bei Kairo die erste Druckerei dauerhaft installiert. Allerdings ist das nun auch schon bald zwei Jahrhunderte her, und man fragt sich, ob denn nicht seitdem einiges geschehen ist. Nur am Anfang erwähnt Diner das Trauma der kolonialen Erfahrungen kurz; die Ursachen sucht und findet er tiefer und früher. Er verweist zu Recht auf das Fehlen dessen, was der Westen als bürgerliche Gesellschaft bezeichnet. Dass sich in den arabischen Städten eine zivile Selbstverwaltung und eine auf Selbstverantwortung beruhende Autorität der Bürger nicht entwickelt haben, mag man in der Tat an dem Schrumpfen des öffentlichen Raumes ablesen. Auch die Rolle der Militärkasten, die sich im 9. Jahrhundert gebildet und die muslimischen Gesellschaften bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts dominiert haben, wird angesprochen. Beides wären Ansatzpunkte für eine historische Analyse, bei der allerdings auch die vielerorts fortbestehenden tribalen Strukturen mit ihrem System von Patronage und Klientel berücksichtigt werden müssen.

Stattdessen aber macht Diner als letzte Ursache der Stagnation das Sakrale aus, das angeblich alles imprägniert und versiegelt: Es setze sich in den Poren der Schrift und Hochsprache fest, es durchdringe die Ökonomie und die Politik; die Wirkung des Sakralen im Orient ist absolut. Diner dämonisiert das Sakrale geradezu.

Im dritten Essay macht Diner die arabische Sprache und Schrift als besondere Hemmnisse aus; das Sakrale versiegele die Sprache und verhindere ihre Entwicklung zu einem modernen Kommunikationsmittel. Diese fragwürdige These stützt sich auf dubiose Belege; die Behauptung, in der islamischen Welt gebe es einen Generalverdacht gegen das Schreiben, ein Tabu der bleibenden Verschriftlichung, gar ein Schreibverbot aus Furcht, es könne ein neuer Koran geschrieben werden, ist maßlos überzogen. verwundert fragt man sich, wie bei diesem angeblichen Horror vor dem Niedergeschriebenen die großen Bibliotheken von Bagdad, Kairo oder Córdoba oder die heute noch nach Hunderttausenden zählenden arabischen Handschriftenbestände entstehen konnten. Und dass der Koran bis heute nicht mit beweglichen Schrifttypen gedruckt, sondern entweder lithografisch oder fotomechanisch vervielfältigt werde, stimmt einfach nicht.

Auch der arabischen Hochsprache schreibt Diner eine hemmende Wirkung zu; angeblich erschwere sie wegen ihrer Kompliziertheit die Entwicklung zur Moderne. Wie die Schrift sei sie religiös versiegelt; ihr religiöses Prestige verhindere, dass sie durch die - nicht verschriftlichte - Volks- und Umgangssprache ersetzt werde. Aber es gibt nicht nur eine arabische Umgangssprache, sondern mehr als ein Dutzend; zudem ist die moderne Hochsprache viel biegsamer, als Diner annimmt; sie ist gegenüber der klassischen Arabiyya bereits stark vereinfacht und im Wortschatz modernisiert. Das Arabisch der Zeitungen, des Radios und des Fernsehens hat sich längst auch die Computer erobert; wie wenig sakral sein Gebrauch ist, zeigt ein Blick in eine beliebige arabische Tageszeitung mit ihren Sportberichten, Kleinanzeigen und Witzen.

Die Annahme, dass nur ein einziges Prinzip, und zwar ein so abstraktes wie das Sakrale, die Geschichte der Länder von Marokko bis Indonesien seit fast anderthalb Jahrtausenden bestimme, ist doch zweifelhaft. Der Einfluss der Religion ist sicher stark, doch Autoren muslimischer Herkunft wie Navid Kermani warnen immer wieder davor, die Menschen Nordafrikas und des Nahen Ostens ausschließlich als Muslime wahrzunehmen und all ihr Tun und Trachten auf Religiöses und Sakrales zu reduzieren; gerade das aber ist Diners Perspektive. Die Macht und der Einfluss der Religion in der islamischen Welt werden von westlichen Beobachtern allzu häufig als allmächtig eingeschätzt; dadurch wird der Blick auf all die anderen sozialen, ökonomischen und politischen Wirkkräfte der Geschichte, die ganz diesseitiger Natur sind, nur verstellt.
Das deutsche Schicksal: vor einem Schalter zu stehn. Das deutsche Ideal: hinter einem Schalter zu sitzen. - Kurt Tucholsky

Tacitus
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Beitrag von Tacitus »

Hm, da ich das Buch nicht gelesen habe, fällt es mir schwer, fundierte Aussagen zu treffen. Ob die arabische Schrift die Ankunft des Islam in der Moderne verhindert hat? Diners Behauptung - wenn er sie denn so getroffen hat - scheint mir ebenfalls sehr einseitig zu sein. Fakt bleibt: im Islam gab es keine Aufklärung. Der Muslime Basam Tibi z.B. versucht dies mit großem Engagement nachzuholen. Es wird ihm nicht gelingen.

Was den Orientalismus betrifft: Lieber eine Orientalistin vom Schlage Annemarie Schimmels sel. Anged., als einen Fachwissenschaftler vom Schlage eines Udo Steinbach, der auch noch den letzten Irren versteht, solange er Muslime ist.

Es bleibt dabei: Die islamische Kultur braucht die Aufklärung, eine kulturelle Trennung von Fanum und Profanum. Wir werden alle noch viel Blutzoll zahlen müssen, bis dies geschehen ist.

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Der Islam braucht keine Aufklärung. Das bewahrt ihn vor der westlichen Dekadenz, die alles auflösen, alles zersetzen und denunzieren will.

Ein "aufgeklärter" Islam ist kein Islam.

Uwe Schmidt
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Beitrag von Uwe Schmidt »

Das Problem ist wohl, dass Bildung im islamischen Raum nicht so geschätzt wurde wie im Italien des 13./14. Jahrhunderts. Zwar gab es auch dort Widerstand von Seiten der Kirche, aber auch weltliche Bildung wurde von ihr nicht verdammt. Die Frage ist nur, warum auf dem anderen Ufer des Mittelmeeres jede weltliche Bildung unterdrückt wurde - Geld genug war doch da, der Handel mit den Christenstaaten blühte...

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Uwe Schmidt hat geschrieben:Das Problem ist wohl, dass Bildung im islamischen Raum nicht so geschätzt wurde wie im Italien des 13./14. Jahrhunderts. Zwar gab es auch dort Widerstand von Seiten der Kirche, aber auch weltliche Bildung wurde von ihr nicht verdammt. Die Frage ist nur, warum auf dem anderen Ufer des Mittelmeeres jede weltliche Bildung unterdrückt wurde - Geld genug war doch da, der Handel mit den Christenstaaten blühte...
Die Kultur und Religion des Islam hat keine "Aufklärung" erfahren; dadurch ist der Islam im ganzen intakt geblieben. Ich pfeife auf eine "Bildung", die eine Kultur & Religion zersetzt und relativiert.

Der Islam breitet sich aus und erstarkt - wir bauen ab. Unsere Frauen wollen keine Kinder mehr und entwickeln sich zu sterilen, "emanzipierten" Blaustrümpfen.

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Uwe Schmidt hat geschrieben:Das Problem ist wohl, dass Bildung im islamischen Raum nicht so geschätzt wurde wie im Italien des 13./14. Jahrhunderts.
Alles klar, Uwe. Nach Deinen CDLXX Beiträgen endlich mal eine Bombenerkenntnis. Der Name Abu Ali al-Husain ibn Abdullah ibn Sina sagt Dir nichts? Oder Abu Ali al-Hasan ibn al-Haitham? Die Bezeichnungen Algebra, Alkohol, Algorithmus...? Ich glaub', Du mußt wenigtens nochmal den "Medicus" lesen... 8)

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Werner001
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Beitrag von Werner001 »

Nietenolaf hat geschrieben:
Uwe Schmidt hat geschrieben:Das Problem ist wohl, dass Bildung im islamischen Raum nicht so geschätzt wurde wie im Italien des 13./14. Jahrhunderts.
Alles klar, Uwe. Nach Deinen CDLXX Beiträgen endlich mal eine Bombenerkenntnis. Der Name Abu Ali al-Husain ibn Abdullah ibn Sina sagt Dir nichts? Oder Abu Ali al-Hasan ibn al-Haitham? Die Bezeichnungen Algebra, Alkohol, Algorithmus...? Ich glaub', Du mußt wenigtens nochmal den "Medicus" lesen... 8)
Die Frage ist ja, warum die Araber in der Anfangszeit der vergleichsweise barbarischen Christenheit so sehr überlegen waren was Wissenschaft und fortschritt anging, sie dann aber plötzlich stagnierten und sich nicht mehr weiterentwickelten, während die christliche Welt sich exponentiell weiterentwickelte.

Es mag mit dem unterschiedlichen Herangehen an die jeweiligen heiligen Schriften zu tun haben.

Die Exegese und immer wieder neue Auslegung der Schriften hat im Christentum Tradition, neue Erkenntnisse und Fortschritt werden als "normal" angesehen.

Der Koran dagegen gilt im Islam als in Stein gemeiseltes Wort Gottes, jeder Versuch einer Interpretation wäre schon Gotteslästerung. Dazu gilt der Koran nicht nur als religiöse Schrift, sondern als Grundlage das gesammten menschlichen Zusammenlebens.

Vor 1400 Jahren war der Koran sicherlich sehr modern und revolutionär im Sinne der Regelung des Zusammenlebens, die Befolgung ermöglichte es den Arabern, in kürzester Zeit ein Weltreich nicht nur zu erobern sondern vor allem zu halten und zu verwalten.

Inzwischen schreiben wir jedoch das Jahr 2005 und die Rezepte des Koran funktionieren heute nicht mehr so wie damals.

Trotzdem ist es ja nicht möglich, die Texte im Sinne der heutigen Zeit auszulegen.

Uns ginge es mit der Bibel nicht anders, wenn wir sie wörtlich nähmen.

Wir würden Augen ausstechen und Hände abhacken, vor 4000 Jahren ein Fortschritt, heute eine Barbarei.

Ich glaube, das ist das Hauptproblem des Islam.

Werner

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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

Werner001 hat geschrieben:
Die Frage ist ja, warum die Araber in der Anfangszeit der vergleichsweise barbarischen Christenheit so sehr überlegen waren was Wissenschaft und fortschritt anging, sie dann aber plötzlich stagnierten und sich nicht mehr weiterentwickelten,
Diese Frage kann man nicht beantworten. Die Römer, die Deutschen und die Griechen haben sich auch zurückentwickelt und keiner weiß warum, es ist eben so. Liegt am wahrscheinlichsten daran, dass jede ethnische Gruppe im Wechsel schlaue Kinder gebiert

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Nietenolaf
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Beitrag von Nietenolaf »

Werner001 hat geschrieben:Die Frage ist ja, warum die Araber in der Anfangszeit der vergleichsweise barbarischen Christenheit so sehr überlegen waren was Wissenschaft und fortschritt anging, sie dann aber plötzlich stagnierten und sich nicht mehr weiterentwickelten, während die christliche Welt sich exponentiell weiterentwickelte.

Es mag mit dem unterschiedlichen Herangehen an die jeweiligen heiligen Schriften zu tun haben.
Wissenschaft wird möglich, wo die Schöpfung entmythologisiert wird, das heißt konkret: die Natur muß desakralisiert werden, damit man sie (vom religiösen Standtpunkt betrachtet) erforschen "darf". Das geschieht nur im Monotheismus, oder genauer im Postulat einer creatio ex nihilo. Insoweit haben die Gebiete der monotheistischen Religionen erst einmal gleiche Chancen, und so erklärt man sich die Möglichkeit der Wissenschaft im islamischen Mittelalter. Natürlich ist es dort auch nicht unwesentlich, daß die Araber durch ihre Eroberungen zu wesentlichen Erben der griechischen Klassik wurden.

Die spätere exponentielle Entwicklung der Wissenschaft in Europa nun wieder hat m.E. gewaltig etwas mit dem Fehlen eines eucharistischen Dogmas in den protestantischen Ländern zu tun. Der Mechanizismus trat seinen Siegeszug an. Das Tridentinum nun ist dadurch bekannt, daß es - als Stütze gegen den grassierenden Protestantismus - die Transsubstantiation beschrieb, was auf den ersten Blick vollkommen "unwissenschaftlich" war, in der Folge aber zu solchen großen Dingen führte wie der Wellentheorie des Lichts, beschrieben vom Jesuitenpriester Francesco M. Grimaldi, sowie dem Modell des expandierenden Universums ("Urknall") des Abbé Georges Lemaître. Beides sind Modelle von katholischen Geistlichen, welche die Physik des Universums mit dem eucharistischen Dogma des Tridentinum in Einklang zu bringen versuchten.

Im Gegenzug dazu gab es im Islam scheinbar nicht genügend Häretiker, welche die apologetischen Geister forderten. Ich schätze auch, daß es mit der politischen Struktur zu tun hat, daß dort die Wissenschaft "stagnierte" (was man, denke ich, so nicht pauschalisieren kann).

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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Lieber Nietenolaf, eine Frage an Dich:
Könnte man den Islam als einen Zweig der Spätantike ansehen, die sich bis in die Gegenwart hinübergerettet hat?

Da würde m.E. u.a. erklären, weshalb im Islam bis heute keine Aufklärung stattgefunden hatte.

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

Im Gegenzug dazu gab es im Islam scheinbar nicht genügend Häretiker, welche die apologetischen Geister forderten. Ich schätze auch, daß es mit der politischen Struktur zu tun hat, daß dort die Wissenschaft "stagnierte" (was man, denke ich, so nicht pauschalisieren kann).
Ich finde auch das es genau das ist. Dem Islam (im Osten) fehlen die eigenen "Verschlimmbesserer".
Dadurch sind sie nie wirklich gezwungen sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und zu hinterfragen. Was dazu führt das sie träge im Denken und in der Erkentnis von Irtümern selbst in ihrem (irrenden) Glaubenskonstrukt sind.
Lieber nen Irtuum zuviel geäusert als wie einen Irtuum oder eine Wahrheit nicht erkannt.

LG
Fiore

PS: Übrigens ist unsere "Beweglichkeit" im Glauben und ihn immer wieder "neu" zu formulieren (neu verständlich nicht neu machend) ein Zeichen das das Christentum doch die Wahrheit ist. Denn unser Gott ist damit wirklich ein Gott der "Lebenden" und nicht der Toten (Mohameds) und damit scho selber a Leich.
Einer ist Gesetzgeber und Richter, er, der die Macht hat, zu retten oder zu verderben. Wer aber bist du, daß du den Nächsten richtest? (Jak4,12)
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Knecht Ruprecht
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Beitrag von Knecht Ruprecht »

FioreGraz hat geschrieben:
Ich finde auch das es genau das ist. Dem Islam (im Osten) fehlen die eigenen "Verschlimmbesserer".
Dadurch sind sie nie wirklich gezwungen sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und zu hinterfragen. Was dazu führt das sie träge im Denken und in der Erkentnis von Irtümern selbst in ihrem (irrenden) Glaubenskonstrukt sind.
Lieber nen Irtuum zuviel geäusert als wie einen Irtuum oder eine Wahrheit nicht erkannt.

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PS: Übrigens ist unsere "Beweglichkeit" im Glauben und ihn immer wieder "neu" zu formulieren (neu verständlich nicht neu machend) ein Zeichen das das Christentum doch die Wahrheit ist. Denn unser Gott ist damit wirklich ein Gott der "Lebenden" und nicht der Toten (Mohameds) und damit scho selber a Leich.
Nicht jede Glaubensgemeinschaft hat vor unterzugehen wie die EKD.

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nemesis
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Beitrag von nemesis »

FioreGraz hat geschrieben:Ich finde auch das es genau das ist. Dem Islam (im Osten) fehlen die eigenen "Verschlimmbesserer".
Dadurch sind sie nie wirklich gezwungen sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und zu hinterfragen. Was dazu führt das sie träge im Denken und in der Erkentnis von Irrtümern selbst in ihrem (irrenden) Glaubenskonstrukt sind.
Lieber nen Irtuum zuviel geäusert als wie einen Irtuum oder eine Wahrheit nicht erkannt.
Da sind soviele Fehler drin, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Die sogenannten "Verschlimmbesserer" hat es auch in der islamischen Geschichte gegeben. Was ganz leicht nachzuschauen ist. Auch in dieser Geschichte ging man mit ihnen oft nicht zart um, aber die "abendländische" zärtlichkeit konnte es bei weitem nicht erreichen. Wenn man bedenkt, wie lang die islamischen Welt in der Wissenschaft federführend war, erübrigt sich auch dieser Quatsch von Selbsthinterfragung, den es auch im Westen nicht gegeben hat, außer man hat gleich die Kirche mithinterfragt.
Lieber nen Irrtumm äußern? Du hälst das wohl für eine akademische Seminaraufgabe im warmen Stübchen, außer du meinst der Umgang mit Irrtumäußernden im Abendland war vorbildlich. Nun ja nicht gerade ein Beweis für die Kentniss der eigenen Geschichte
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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

Wenn man bedenkt, wie lang die islamischen Welt in der Wissenschaft federführend war, erübrigt sich auch dieser Quatsch von Selbsthinterfragung, den es auch im Westen nicht gegeben hat, außer man hat gleich die Kirche mithinterfragt.
Eine Hiterfragung im Westen gab es immer, wenn auch nicht ala "laß uns Nachdenken", sondern als Reaktion auf Häresien, dabei wurden auch Irrtümer in den eigenen Reihen beseitigt und Warheiten festgestellt.
Was die Wissenschaft betrifft so waren sie federführend dennoch meiner Theorie zum einschlafen des Denkens entegenet das noch immer nichts. Das einzig große Schisma-Suniten Schiiten würde ich wie auch bei uns RK und Orthodox eher als politische Posse beschreiben. Richtige größere häretische Strömungen die auch überregional bedeutung hatten gab es im Islam meines Wissen nicht wirklich und den Suffismus (oder gar den universalen Suffismus) würde ich nicht gerade als große Strömung bezeichnen.
Lieber nen Irrtumm äußern? Du hälst das wohl für eine akademische Seminaraufgabe im warmen Stübchen, außer du meinst der Umgang mit Irrtumäußernden im Abendland war vorbildlich. Nun ja nicht gerade ein Beweis für die Kentniss der eigenen Geschichte
Habe ich irgenwo behauptet das die Kirche zimperlich mit den Leuten umging (im Gegenteil in zig Threads wirst du von mir was anderes finden und sicher nicht unbedingt etwas Positives).
Wobei nicht alle "Irrenden" gleich am Scheiterhaufen landeten, die theologischen Studien waren ziemlich frei, deiner Ansicht nach hätte ein Thomas v. A. gleich nach seinem ersten Satz am Galgen baumeln müssen. Andere wurden einfach nur vereuteilt (siehe Meister Eckehardt, Fiore, etc.). Gegen große Strömungen ging man aber mit aller Brutalität vor, das bestreite auch keiner, dennoch regten sie gleichzeitig an. Denn zum Verurteilen und warum die jetzt niedergeschlachtet werden bedarf es immerhin einer Begründung und das führt zum hinterfragen bzw. nachdenken der eigenen und der anderen Position.

LG
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Uwe Schmidt
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Beitrag von Uwe Schmidt »

Ewald Mrnka hat geschrieben:
Uwe Schmidt hat geschrieben:Das Problem ist wohl, dass Bildung im islamischen Raum nicht so geschätzt wurde wie im Italien des 13./14. Jahrhunderts. Zwar gab es auch dort Widerstand von Seiten der Kirche, aber auch weltliche Bildung wurde von ihr nicht verdammt. Die Frage ist nur, warum auf dem anderen Ufer des Mittelmeeres jede weltliche Bildung unterdrückt wurde - Geld genug war doch da, der Handel mit den Christenstaaten blühte...
Die Kultur und Religion des Islam hat keine "Aufklärung" erfahren; dadurch ist der Islam im ganzen intakt geblieben. Ich pfeife auf eine "Bildung", die eine Kultur & Religion zersetzt und relativiert.

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Trotzdem mag ich Bildung und du ja auch, man kann ja gläubig Bildung betreiben, nur muss man aufpassen, dass man der Vernunft nicht den Primat einräumt.

Uwe Schmidt
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Beitrag von Uwe Schmidt »

Nietenolaf hat geschrieben:
Uwe Schmidt hat geschrieben:Das Problem ist wohl, dass Bildung im islamischen Raum nicht so geschätzt wurde wie im Italien des 13./14. Jahrhunderts.
Alles klar, Uwe. Nach Deinen CDLXX Beiträgen endlich mal eine Bombenerkenntnis. Der Name Abu Ali al-Husain ibn Abdullah ibn Sina sagt Dir nichts? Oder Abu Ali al-Hasan ibn al-Haitham? Die Bezeichnungen Algebra, Alkohol, Algorithmus...? Ich glaub', Du mußt wenigtens nochmal den "Medicus" lesen... 8)


Doch Avicenna kenne ich schon (wer ist al-Haitham? und was ist "Medicus"?), aber mit Avicenna war dann aber auch Schluss im islamischen Bereich mit Philosophie und Forschung; fortentwickelt wurde das alles dann ja in Salerno, wenn ich mich nicht irre (hatte nicht Thomas von Aquin dort studiert?).

Uwe Schmidt
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Beitrag von Uwe Schmidt »

Fiore, es gab auch im Islam extrem viele Häresien (und auch kurzzeitig eine Art Inquisition unter einem Kalifen), aber wir müssen auch bedenken, dass der Islam nicht als Kirche organisiert ist, dass wie im Protestantismus die Schrift die Hauptautorität darstellt. Auch heute noch gibt es etwa 70 Gruppen oder Strömungen im Islam, da ist man schon tolerant.

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FioreGraz
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Beitrag von FioreGraz »

Uwe Schmidt hat geschrieben:Fiore, es gab auch im Islam extrem viele Häresien (und auch kurzzeitig eine Art Inquisition unter einem Kalifen), aber wir müssen auch bedenken, dass der Islam nicht als Kirche organisiert ist, dass wie im Protestantismus die Schrift die Hauptautorität darstellt. Auch heute noch gibt es etwa 70 Gruppen oder Strömungen im Islam, da ist man schon tolerant.
Na in dem Fall bitte ich meine Posts wegen falscher Schlussfolgerung aufgrund Wissensneutralität zu ignorieren.

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Fiore
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Ewald Mrnka
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Beitrag von Ewald Mrnka »

Uwe Schmidt hat geschrieben: Trotzdem mag ich Bildung und du ja auch, man kann ja gläubig Bildung betreiben, nur muss man aufpassen, dass man der Vernunft nicht den Primat einräumt.
Lieber Uwe Schmidt,
unser Bildungsbegriff ist es u.a., der uns in den Untergang führt. Die Vergötzung der Aufklärung und die Verabsolutierung abstrakter Begriffe bilden die wichtigsten Voraussetzungen zum kollektiven Selbstmord.

Ich möchte Dir ein Beispiel geben.

Am 5. Oktober 1978 notiert Ernst Jünger:

Demokratie als Pforte zur Gewalt. Zunächst sind alle gleich, Reiche und Arme, Schwarze und Weiße und so fort. Dann wird verziffert, es kommt zur Abstimmung. Die schwarze Majorität ist enorm. Nun sind die Schwarzen schwärzer und die Weißen weißer als je zuvor. Der weiße Mann als Sklave seiner Ideen hat sich die Schlinge um den Hals gelegt. Es gibt intelligentere Arten des Selbstmordes".

Im Islamischen Kulturkreis ist man von der Aufklärung verschont geblieben. In den vergangenen Jahrhunderten bedeutete das zunächst eine Schwäche gegenüber dem Westen. Das ist aber lange vorbei. Der Westen ist zum Opfer seiner eigenen humanitären Phrase (man kann es durchaus "Bildung"nennen) geworden - und geht unter.

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