hauen. Laß ich aber. Statt dessen lies erst einmal noch die Parallel-
stelle bei Marcus, welcher dieselbe Begebenheit berichtet:
Jesus fordert nicht. »Du weißt die Gebote«: Er erinnert nur an das,Marcus (10,17-22) hat geschrieben:
17 Und als er auf den Weg hinausging, lief einer herzu,
fiel vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister,
was soll ich tun, um das ewige Leben zu ererben?
18 Jesus aber sprach zu ihm: Was nennst du mich gut?
Niemand ist gut, als Gott allein! 19 Du weißt die Gebote:
Du sollst nicht töten! Du sollst nicht ehebrechen! Du
sollst nicht stehlen! Du sollst nicht falsches Zeugnis
reden! Du sollst nicht rauben! Ehre deinen Vater und
deine Mutter! 20 Er aber antwortete und sprach zu ihm:
Meister, dies alles habe ich gehalten von meiner Jugend
an. 21 Da blickte ihn Jesus an und gewann ihn lieb und
sprach zu ihm: Eins fehlt dir! Gehe hin, verkaufe alles,
was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen
Schatz im Himmel haben; und komm, nimm das Kreuz
auf dich und folge mir nach! 22 Er aber ward traurig
über diese Rede und ging betrübt davon; denn er hatte
viele Güter.
was „unter dem Gesetz“ galt. Das ist die erste wichtige Beobach-
tung.
Die zweite: Jesus nennt hier nur Gebote der Menschenliebe, nicht
der Gottesliebe. Das lasse ich erst einmal so stehen.
Die dritte Beobachtung: Was Jesus dem jungen Mann rät, ist gerade
keines der Gebote des Gesetzes.
Nein, genau das nicht. Was Jesus rät, geht über das Gesetz weitRaphael hat geschrieben:ER verlangte jedoch auch keine Werkgerechtigkeit von
nämlichem Jüngling, sondern »Werke der Liebe« auf der
Grundlage der Gesetze
hinaus. »Verkaufe, was du hast« – wo stünde das im Gesetz?
»Gib den Armen« – ja, das kennen wir wieder. Doch das ist auch
kein „Gebot“, das ist eins der Gott besonders wohlgefälligen Werke
der Liebe und der Buße, neben dem Gebet und dem Fasten. Soviel
sagst du selbst. Du ergänzt aber: »auf der Grundlage der Gesetze«.
Nein, Raphael, das steht nicht da. Vielmehr auf Grundlage eines
ganz eigenartigen Aktes: »Verkaufe, was du hast«.
Jesus rät das dem jungen Mann nicht, weil das im Gesetz stünde.
Da steht es nicht. Das ist kein sittliches Gebot. Er rät ihm das, um
ihm den Weg in die Freiheit zu weisen. Ich sagte es oben schon:
Folgt der Mann dem Rat Jesu, dann wäre das eine Art Exorzismus.
Die Absage an Satan.
Denn Jesus hatte des Mannes eigentliches Problem erkannt – »da
blickte ihn Jesus an und gewann ihn lieb« –, nämlich: den Reich-
tum. Nicht der Reichtum an sich ist schlecht. Schlecht ist er als
Mammon, als Götze, der neben oder an die Stelle Gottes tritt. Denn
keiner kann zwei Herren dienen.
Nun erklärt sich auch, weshalb Christus den Mann nicht nach den
Geboten der Gottesliebe fragte. Er hätte wohl auch bejaht: ja, die
halte er. Er hätte nicht verstanden, daß und warum er sie nicht hielt.
Er hätte noch nicht verstanden.
Da Jesus ihm aber empfiehlt, seine Güter zu verkaufen: da versteht
er. Und geht traurig weg. Er brachte es nicht fertig, Satan-Mammon
zu widersagen.
Genau dasselbe ist auch der wahre Sinn des Almosengebens. Ja, na-
türlich ist es auch für die Armen gut, ihnen zu geben. Aber sie blei-
ben doch arm. Um ihre Armut aufzuheben, wenigstens ihr Dasein
etwas aus der Armut zu heben, gründest du besser eine Partei oder
einen Verein.
Eigentlich geht es beim Almosengeben um dich. Wie beim Gebet
und beim Fasten. Die falsche Sicherheit – nämlich Mammon – weg-
geben und auf den Herrn bauen.
Nun aber sagt Jesus dem Jüngling, mir und dir nicht: »Gib was ab«,
sondern: »Verkaufe, was du hast, und gib es weg.«
Noch einmal: Keine Moral, kein Gebot, keine ethische Verpflichtung,
sondern der Weg in die Freiheit.