Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

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Lioba
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Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Lioba »

Angeregt von MND´s Frage nach dem Leiden Jesu möchte ich eine andere Frage im Zusammenhang mit der Person Jesu stellen, die mich immer wieder umtreibt.
Offiziell gilt das Konzil von Chalzedon sowohl im Westen als auch om Osten als Grundlage der Christologie.
Ich persönlich kann nicht verstehen, wie eine Theologie, die Jesus von Christus trennt, sich noch als auf dem Boden dieses Konziles stehend sehen kann.
Da ist der Mensch Jesus, der mal auf Erden lebte und nette Sachen sagte. Wie er so als Individuum drauf war sagen die Evangelien nicht und die Worte und Taten, die dort berichtet wurden sind bitte auch nicht als Berichte zu nehmen, sondern sie sollen irgendeine Art von spiritueller Wahrheit verdeutlichen. ( So wie ja auch Legenden und Märchen durchaus Lebensweisheiten transportieren können). Das Ergebnis davon ist der Christus der Verkündigung- was immer das sein soll.
Jede Frage. was denn nun im Endeffekt aus dem Mann Jesus wurde, wird schwammig umgangen.
Mir fällt da spontan nur noch das "Leben des Brian" ein - am Ende hatte der Bursche bloss Pech.
Da bleibt die Frage, was für ein Gottvater, wenn es ihn überhaupt gibt, solche Spielchen spielt.
Der Christus der Verkündigung dagegen erscheint mir als ein blutleeres Geschöpf, eine menschliche Konstruktion welche irgenwie irgendeine ewige Wahrheit zum Ausdruck bringt- oder so ähnlich.
Meine Fragen
Ist eine solche Sicht noch ehrlich in Einklang zu bringen mit der Lehre der Naturen Jesu?
Sind davon nicht auch die Lehren von der Realpräsenz im Sakrament und dem Wesen der Trinität mitbetroffen?
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
M. v. Ebner- Eschenbach

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Sebastian
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Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Sebastian »

Lioba hat geschrieben: Ich persönlich kann nicht verstehen, wie eine Theologie, die Jesus von Christus trennt, sich noch als auf dem Boden dieses Konziles stehend sehen kann.
Bitte kurz erläutern, welche "Theologie" Du hier genau meinst, die "Jesus von Christus trennt" und sich gleichzeitig auf diesem Konzil gegründet sieht, bzw. "auf dem Boden dieses Konzil stehen sieht" ?

Wen meinst Du?
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

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Lioba
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Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Lioba »

Ich meine die Entwicklung, die in der Leben- Jesu -Forschung begann
http://de.wikipedia.org/wiki/Leben-Jesu-Forschung
und die Theologie bis heute stark beeinflusst, wobei ich eben immer weniger in der Lage bin, dies mit den immer noch geltenden Bekenntnissen in Bezug zu setzen. es sei denn ich sehe diese auch nur noch symbolisch.
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M. v. Ebner- Eschenbach

TillSchilling

Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von TillSchilling »

Lioba hat geschrieben:Ich meine die Entwicklung, die in der Leben- Jesu -Forschung begann
http://de.wikipedia.org/wiki/Leben-Jesu-Forschung
und die Theologie bis heute stark beeinflusst, wobei ich eben immer weniger in der Lage bin, dies mit den immer noch geltenden Bekenntnissen in Bezug zu setzen. es sei denn ich sehe diese auch nur noch symbolisch.
Den "geltenden" Bekenntnissen zu folgen, ist doch auch gar nicht der Anspruch dieser Theologie.

Ignorier's doch einfach. Das Leben ist doch viel zu kurz um sich mit dem Zeugs zu beschäftigen. Hilft ja doch nichts. Weder für dieses Leben noch fürs kommende.

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Sebastian
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Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Sebastian »

:klatsch:
"Selig sind die, die nicht gesehen und doch geglaubt haben" (Joh. 20,31)

Miserere Nobis Domine
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Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Miserere Nobis Domine »

Wer sich nicht mit dem Thema beschäftigen will, kann ja woanders weiterdiskutieren.

Lioba will es aber, und ich möchte mich gerne daran beteiligen.

Ist eine solche Sicht noch ehrlich in Einklang zu bringen mit der Lehre der Naturen Jesu?
Ich denke nicht. Es ist wohl Dyophysitismus, wobei die beiden Naturen nicht nur getrennt werden, sondern implizit sogar unterstellt wird, dass nur die menschliche Natur wirklich sei, die göttliche hingegen nur durch unseren Glauben vorhanden. Jesus ist also nicht mehr unabhängig von unserem Denken Gott, sondern allein dadurch, dass wir an ihn glauben, wird er zu Gott. Das aber kann ich nicht als Gott anerkennen, denn wie könnte Gott in seiner Existenz von unserer Meinung abhängig sein? Letztendlich läuft es also darauf hinaus, dass Jesus nur Mensch war, ausser man verwendet das Wort "Gott" in der Bedeutung "Hirngespinst". Der Glaube der Kirche wird also nicht bekannt, sondern zumindest implizit als Spinnerei abgetan, auch wenn sich diese Theologen (oder doch Daimoniologen?) Mühe geben, eine nicht beleidigende Terminologie dafür zu wählen.
Sind davon nicht auch die Lehren von der Realpräsenz im Sakrament und dem Wesen der Trinität mitbetroffen?
Zur Realpräsenz: Sie ist insofern betroffen, als es dann keine vom Subjekt unabähngige Realpräsenz mehr gibt, sondern für den einen ist es eben durch den Glauben der Leib Christi, für den anderen durch den Nichtglauben mit einer Backoblate identisch.

Zur Trinität: Ich würde meinen, dass das Verhältnis der Personen untereinander unberührt ist... aber die Trinitätslehre wird dann nicht mehr als Wesen Gottes verstanden, als Redeweise im Glauben, die sich eben unter bestimmten historischen Umständen entwickelt hat...

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Lioba
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Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Lioba »

@ Till und Sebastian- ihr habt absolut recht damit, dass alles das mich nicht einen Schritt weiterbringt im Glauben.
Warum ich dennoch danach frage ist
a. dass ich erst mal klären wollte. ob ich bloss zu blöd bin, den subtilen Erkenntnissen der Theologen fogen zu können oder ob mein Denken und Empfinden nicht doch berechtigt sind.
Danke an MND, ich bin wohl doch nicht komplett daneben.
b. Weil ich verstehen möchte, was da mit der Christenheit geschieht und ob da nicht tatsächlich - trotz gegenteiliger Versicherungen- letztlich das Gebäude der christlichen Lehre unterwühlt wird.
2 Sachen haben mich da ins Nachdenken gebracht.
Beide sind Beispiele aus der RKK.
Ich möchte von vornherein sagen, dass dies nicht gegen die Katholische Kirche an sich geht.
Ich weiss, dass die Anfänge dieser unseligen Strömungen im liberalen Protestantismus liegen.
Diese Beispiele sind nur ziemlich deutlich und aktuell.
Erstens - Mitte letzten Jahrhunderts verkündet Rom das
Dogma der Unbefleckten Empfängnis und praktisch zeitgleich wird die Jungfrauengeburt entmythologisiert. Ob dann wenigstens das ²empfangen durch den Heiligen Geist" stehen bleiben durfte, weiss ich nicht .
Zweitens- Kardinal Ratzinger outet sich als erstaunlich christozentrisch, schreibt als Papst ein wirklich gutes Buch, dass den Glauben vieler Christen stärkt, in dem aber ein gewisses Vertrauen genüber dem NT zum Ausdruck kommt und schon haben gewisse Herrschaften Schaum vorm Mund ; der Spiegel gräbt einen eigentlich schon entsorgten liberalen Theologen aus, der ungeniert das Werk des Papstes zerreissen darf und nirgends ist ein echter Schulterschluss mit Ratzinger zu erkennen.
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
M. v. Ebner- Eschenbach

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Bernado
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Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Bernado »

Lioba hat geschrieben: b. Weil ich verstehen möchte, was da mit der Christenheit geschieht und ob da nicht tatsächlich - trotz gegenteiliger Versicherungen- letztlich das Gebäude der christlichen Lehre unterwühlt wird.
genau das geschieht - Dein Gefühl ist völlig berechtigt. Es geschieht in allen Konfessionen, insofern muß man daraus keine Munition für den Konfessionsstreit machen. Aber man soll es a) beim Namen nennen und sich dann b) nicht allzusehr davon beeindrucken lassen.

Nicht immer, wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen, und es klingt hohl, liegt es am Kopf.
Zuletzt geändert von Bernado am Freitag 16. Oktober 2009, 22:01, insgesamt 1-mal geändert.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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ad-fontes
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Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von ad-fontes »

Wenn Christus nicht mehr der fleischgewordene Sohn Gottes ist, können wir gleich Moslems werden.

Bei den Bonner Unionskonferenzen, den ersten im modernen Sinn ökumenischen Zusammenkünften, wurde als Punkt eins der Prinzipien, die zugrunde gelegt wurden, aufgestellt:
1. Die Gottheit Christi.
Dann folgen die Quellen des Glaubens (Hl. Schrift, ök. Konzilien, Kirchenväter), schlußendlich als Methode die historische.
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Lioba
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Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Lioba »

Puuh, ich danke euch.
Was mir ein mieses Gefühl gibt sind viel weniger die offenen Gottesleugner als die Versicherungen der Modernisten, dass doch alles in Ordnung sei. Kennt ihr noch den alten Thriller "Das Haus der Lady Alquist" ? ( Gaslicht) Irgendwie fällt mir der bei dem Thema immer ein.
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M. v. Ebner- Eschenbach

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Nassos
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Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Nassos »

Liebe Lioba,

darf ich Dich bitten, diese Frage evtl. auch in der Sakristei aufzumachen, da ich nicht weiß, ob jeder Orthodoxe hier liest?
Ich finde die Frage sehr spannend (z.B. ist die Frage nach der Dreieinigkeit auch ein wahrhaft ewiges Thema), und eine gute Diskussion erhebt das Bewußtsein für eine bestimmte Sache.
Desweiteren sind es doch eigentlich die "ewigen Fragen", bei denen man auf dem Weg zur Antwort so manche gute Frucht dazuerhält, mit der man zuvor nicht rechnete.
Wer weiß?

Ich habe mich darüberhinaus z.B. bisher nicht tiefer mit den zwei Naturen des Menschensohns befasst. Ihr?

Gruß,
Nassos

P.S.: die evangelische Sicht zu den Konzilien ist ja jetzt total unbehelligt geblieben. Hmmmm
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

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Lioba
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Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Lioba »

Hallo, Nassos.
Ich weiss nicht, inwieweit die Orthodoxie sich im Inneren bereits mit diesen theologischen Strömungen auseinandersetzen muss, daher fühle ich mich nicht wirklich "fit" .
Allerdings hatte ich ja sowieso noch vor, einen Strang in der Sakristei zu eröffnen, sofern sich ein brauchbares Thema ergibt. Sicher sind die Konzilien immer wieder mal in einem anderen Zusammenhang erwähnt worden, aber einen eigenen Strang hatten sie wohl noch nicht .Auch wollte ich vorher eigentlich mal an einem orthodxen Gottesdienst teilnehmen, aber es hat aus Termingründen noch nicht geklappt.
Ach, ich probier es einfach mal. :)
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M. v. Ebner- Eschenbach

Ralf

Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Ralf »

Lioba,

vielleicht kennst Du die erweiterbare Zusammenfassung liberaler Theologie. Da passen auch die von DIr genannten fragwürdigen Meinungen gut rein:

Liberale Theologie heißt: ein Gott ohne Zorn bringt Menschen ohne Sünde in ein Königreich ohne Gericht durch Vermittlung eines Christus ohne Kreuz.

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Sebastian
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Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Sebastian »

Nassos hat geschrieben:darf ich Dich bitten, diese Frage evtl. auch in der Sakristei aufzumachen, da ich nicht weiß, ob jeder Orthodoxe hier liest?
Ich lese hier regelmäßig und gerne mit :ja: (ich komme auch nicht nur zum Stänkern hier her ;-) )
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Lutheraner
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Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Lutheraner »

Hallo Lioba,

ich glaube nicht, dass Du hier eine befriedigende Antwort finden wirst. Ich denke, Du solltest Deine Frage in einem liberalen Forum (z.B. mykath) stellen.
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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Lioba
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Re: Das Konzil von Chalzedon und die moderne Theologie

Beitrag von Lioba »

Liberale Antworten habe ich seit meiner frühesten Jugend bekommen und sie haben mich nicht befriedigt.
Die Herrschaft über den Augenblick ist die Herrschaft über das Leben.
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