Alles zu Primat und Petrusdienst

Schriftexegese. Theologische & philosophische Disputationen. Die etwas spezielleren Fragen.
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Gamaliel
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Gamaliel »

Ralf hat geschrieben:Ein kleiner Punkt von mir dazu: mich stört schon seit längerem die Behauptung (die vielleicht sogar genuin katholisch so formuliert wird), daß eine dogmatische Aussage nur dann wahr sein kann, wenn sie schon vorher von allen immer geglaubt wurde.

Das gab es nie und wird es nie geben.

Würde obige Definition ein sine-qua-non sein, könnte man jede Konszilsaussage in die Tonne drücken, da es immer Bischöfe in apostolischer Kontinuität stehend gab, die die letztlich formulierte Mehrheitsmeinung ablehnten.
Diese syn- und diachronische Einheit, ist nicht als numerische Einheit, sondern als moralische zu verstehen. Das Ausscheren einzelner Bischöfe stellt also überhaupt kein Hindernis dar.
Ralf hat geschrieben:Können wir die Kirche Jesu Christi wirklich anhand eines historischen Studiums identifizieren?
Ja. Das leistet die Apologetik/Fundamentaltheologie.
Ralf hat geschrieben:Lebt die allumfassende Kirche nicht jetzt, ist sie nicht der lebendige mystische Leib Christi?
Die Kirche ist der mystische Leib Christi. Dieser ist heute nicht mehr oder weniger lebendig, als vor 500 oder knapp 2000 Jahren.

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Berolinensis
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Berolinensis »

@Ralf:

Das ist ja gerade der Punkt der Passage aus Fortescues Vorwort, die ich wiedergegeben habe. Man kann das natürlich alles historisch belegen (wie Gamaliel zurecht hinweist, ist das die Aufgabe der Apologetik), und das "quod semper, quod ubique, quod ab omnibus" des hl. Vinzenz von Lérins - das ja eine Definition der hl. Tradition darstellt - ist auch in dem von Gamaliel genannten Sinne zu verstehen. Aber auch darüber kann man eben lange streiten, und zwar zweifellos oft mit guten und gelehrten Argumenten. Notwendig für den Katholiken ist das alles nicht. Wir glauben dem lebendigen Lehramt der Kirche. Dafür ist es ja da.

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Sempre
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Sempre »

Eine umfassende Apologie der Unfehlbarkeit des Papstes hat Francis Xavier Weninger SJ 1869 in deutscher Sprache vorgelegt:

Die Unfehlbarkeit des Papstes als Lehrer der Kirche : und dessen Beziehung zu einem allgemeinen Concilium (1869)

Man kann sie dort online lesen, oder u.a. als PDF herunterladen.

Das Buch hat gut 400 Seiten, davon u.a. 72 Seiten Zeugniß der hl. Väter, 56 Seiten Zeugniß der allgemeinen Concilien und 54 Seiten Zeugnisse der Päpste selbst. F. X. Weninger SJ findet auch bei Augustin Zitate pro Unfehlbarkeit.

Gruß
Sempre

P.S.: Weitere Werke zum Thema online. Darunter Franz Hettinger: Die kirchliche Vollgewalt des Apostolischen Stuhles (1873) und Colin Lindsay: The evidence for the papacy : as derived from the Holy Scriptures and from primitive antiquity, with an introductory epistle (1870).
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

Kirchenjahr
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Kirchenjahr »

Sempre hat geschrieben:Eine umfassende Apologie der Unfehlbarkeit des Papstes hat Francis Xavier Weninger SJ 1869 in deutscher Sprache vorgelegt:
Sehr interessant ist das Kapital "Widerlegung der Einwände".

Gleich beim Einwurf I auf Seite 321 heißt es dort doch, dass "alle Apostel nämlich waren, wie kein Theolog es bezweifelt, als unmittelbare Organe des heiligen Geistes in Verkündigung des heiligen Glaubens unfehlbar".

Ich bin baff, so etwas zu lesen. Damit hätte ich wahrlich nicht gerechnet.

Der Einwurf V ist der einzige, der meine Fragen sowie die von orthodoxer Seite vorgetragenen Einwände behandelt. Leider wird darin die eigentliche Streitfrage zwischen Ost und West nur tangiert. Es erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem hl. Cyprian, wobei orthodoxe Christen die Argumentation des Verfassers nicht teilen. Zu bedenken ist auch, dass sich die Orthodoxie nicht auf Cyprian als eine Art "Gegenpapst" bezieht (so wie Lutheraner auf Luther). Die Orthodoxie gründet Ihre Primats- und Unfehlbarkeitskritik auf ganz andere Sachverhalte, der hl. Cyprian spielt da nur eine Randnotitz, als einer von vielen Belegen, wie der Verfasser des Buchen ebenfalls zahlreiche Belege anführt.

Das Buch baut wie viele Bücher, die den Primat und die Unfehlbarkeit behandeln, auf der heiligen Schrift auf, nämlich auf dem "Tu es petrus".

Der Streitpunkt Ost und West fängt schon bei der Auslegung dieser Schriftstelle an. Wer ist Nachfolger des Apostels Petrus? Warum ist man Nachfolger des Apostels Petrus? Dem Evangelium ist keine Sukzessionsordnung beigefügt. Der hl. Petrus soll auch anderen Gemeinden außer der von Rom vorgestanden haben und sich Nachfolger "engagiert" haben.

Ich wäre sehr dankbar, eine Buchempfehlung zu bekommen, die sich gezielt mit den orthodoxen Einwänden auseinandersetzt und nicht mit denen der innerrömischen "Modernisten" von 1871. Wie gesagt, ist das genannte Buch nicht das erste Buch, mit welchem ich mich auseinandergesetzt habe und nicht wirklich weitergeholfen hat.

Meine Fragen sind daher leider noch nicht beantwortet.

PS Das Buch riecht mir sehr nach Verfechtung eines Standpunktes und nicht nach sachlicher Auseinandersetzung mit dem Dogma.

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Sempre
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Sempre »

Kirchenjahr hat geschrieben:PS Das Buch riecht mir sehr nach Verfechtung eines Standpunktes und nicht nach sachlicher Auseinandersetzung mit dem Dogma.
Es handelt sich -wie ich ja sagte- um eine Apologie.

Ist die Verfechtung eines Standpunktes Deiner Meinung nach etwa a priori ein Gegensatz zu sachlicher Auseinandersetzung? Wo findet man denn Unparteiische, die das Thema behandeln? Ich wüsste auf Anhieb nur einen Ort, wo sich die Suche nach solchen lohnt:
www.witze-blogger.de hat geschrieben:Der Teufel besucht Petrus und fragt ihn, ob man mal ein Fußballspiel Himmel gegen Hölle planen sollte. Petrus hat dafür ein Lächeln übrig: “Glaubt ihr, ihr habt auch nur die geringste Chance? Alle guten Fußballspieler kommen in den Himmel: Pele, Beckenbauer, Müller, Maradonna, Ronaldo, Ballack,…” Der Teufel lächelt zurück: “Aber wir haben die Schiedsrichter!”
Ansonsten fällt mir noch John Henry Newman ein, aber ob Du den als unparteiisch akzeptierst?

Kirchenjahr hat geschrieben:Ich wäre sehr dankbar, eine Buchempfehlung zu bekommen, die sich gezielt mit den orthodoxen Einwänden auseinandersetzt und nicht mit denen der innerrömischen "Modernisten" von 1871.
Wo kann man denn die Orthodoxen Einwände kompakt nachlesen?

Gruß
Sempre
Zuletzt geändert von Sempre am Dienstag 23. März 2010, 21:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Kirchenjahr
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Kirchenjahr »

Sempre hat geschrieben:Wo kann man denn die orthodoxen Einwände kompakt nachlesen?
Ich kenne leider keine kompakte Darstellung (Darstellung des ersten Jahrtausends mit Quellenangaben). Bisher kenne ich lediglich einige Schriften (z. B. von Barlaam von Kalabrien und Symeons von Thessaloniki). Vielleicht kann Robert (ja, er hat gerade keine Zeit) Dir eine Kompaktlösung bieten. Ich glaube aber, das dürfte deutlich schwieriger sein, als mit einer kritische Auseinandersetzung der römischen Kirche mit dem östlichen Palamismus aufzuwarten (und das will was heißen).

Und übe Nachsicht mit mir, denn ich kann leider kein altgriechisch oder hebräisch und lateinische Texte können ganz schön schwierig sein.

Hilfreich wäre vielleicht eine Abhandlung um die Zeit des Konzils von Florenz.

Raphael

Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Raphael »

Kirchenjahr hat geschrieben:Ich glaube aber, das dürfte deutlich schwieriger sein, als mit einer kritische Auseinandersetzung der römischen Kirche mit dem östlichen Palamismus aufzuwarten (und das will was heißen).
Was hat denn der Palamismus mit dem Unfehlbarkeitsdogma zu tun? :hmm:

Kirchenjahr
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Kirchenjahr »

Das war ein Vergleich! Ich wollte da kein neues Faß aufmachen.

Im übrigen bin ich nach einem kritischem Buch gegenüber dem Palamismus noch auf der Suche. Ich bin für jeden Rat dankbar, falls Du mir ein Buch oder eine Abhandlung empfehlen könntest.

Raphael

Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Raphael »

Kirchenjahr hat geschrieben:Das war ein Vergleich! Ich wollte da kein neues Faß aufmachen.

Im übrigen bin ich nach einem kritischem Buch gegenüber dem Palamismus noch auf der Suche. Ich bin für jeden Rat dankbar, falls Du mir ein Buch oder eine Abhandlung empfehlen könntest.
Nein, das kann ich leider nicht, weil bis dorthin reicht meine theologische (Halb-)Bildung nicht! :ikb_shy:

Eine Auseinandersetzung habe ich 'mal gelesen: DIE TATEN DES EINFACHEN GOTTES

Allerdings ist der Autor wohl mit Vorsicht zu genießen. :/

Kirchenjahr
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Kirchenjahr »

Wenn ich mir so die Vita dieses Mannes anschaue, dann kann in dem Buch nur sowas wie "Glaube ist kontrafaktisch" (Quelle H. Küng) drin stehen.

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Sempre
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Sempre »

@Kirchenjahr

Du hattest verlangt, dass derjenige, der ein Dogma verkündet, dessen Grundlagen beweisen müsse - und nicht derjenige, der das Dogma bestreitet. Das mag dem modern-aufgeklärten Geist so einleuchtend erscheinen. Weninger erklärt dazu im Kapitel "Anforderung der Vernunft" die rechte Haltung des Christen, der wenigstens ein paar grundsätzliche Dinge akzeptiert, wie u.a. Offenbarung und Kirche. (Auch Gamaliel und Berolinensis hatten dazu geschrieben.)

Du hattest erklärt, dass Dein Maßstab Kircheneinheit mit den Orthodoxen sei. Diesen Maßstab anlegend bemißt Du nun nicht den Wert irgendwelcher Dogmen der Kirche Gottes, sondern das Unfehlbarkeitsdogma, das nicht nur die Glaubenslehre selbst, sondern auch die Authorität der Vermittlung derselben betrifft und das de fide definitiva ist.

Antworten auf Deine Beweisforderung weist Du damit zurück, dass sie Deine Zweifel nicht ausräumten. Genauere Erklärungen dazu fehlen. Deine Zweifel scheinen ansonsten auf Basis Deines Maßstabes bloß postulierte Zweifel, die Du teils nicht einmal benennen kannst.

Nach meinem Verständnis von Glaube und Vernunft erwarte ich von Dir, einen Nachweis zu erbringen, dass das erste Vatikanum samt Papst Pius IX. geirrt hat. Bevor Du nicht den Ausführungen Fortescues oder Weningers u.a. zur Sichtweise der Väter Substanzielles entgegensetzt, kann ich Deinen Maßstab nicht ernst nehmen. Du bist m.E. einer (nettgemeinten) Fiktion erlegen. Aber selbst wenn Du recht hättest - was wäre denn die Konsequenz? Die Konsequenz wäre: Die "Orthodoxen" verurteilten zu recht die "Westkirche". Solches sei ferne und ist ferne. Ließe sich solches historisch sauber und redlich zeigen, dann hättest Du wohl den Beweis schriftlich vorliegen. Spätestens Johann Joseph Ignaz von Dollinger hätte ihn vorgelegt. Wo bleiben hier eigentlich die Altkatholiken? Die müssten doch den Nachweis haben!?

Gruß
Sempre
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Kirchenjahr
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Kirchenjahr »

Hallo lieber Sempre,

ich warte noch immer auf die Beantwortung folgender Fragen:

Wer ist Nachfolger des Apostels Petrus und ggf. auch aller anderer Apostel?
Gab es außer dem römischen Bischof andere Bischöfe, welche sich als Nachfolger des Apostels Petrus sahen?
Wurden solche Bischöfe aus der Kirche ausgeschlossen?
Wurde diesen Bischöfen die Sakramentengemeinschaft aufgekündigt?
Waren die Bischöfe beim Konzil von Nicäa, welche den Kanon 28 beschlossen Schismatiker?

usw usw usw (siehe vorige Beiträge)

Es ist ja gerade die Frage, inwieweit das Unfehlbarkeitsdogma de fide definitiva ist. Du unterstellst das immer. Wenn dieses Dogma ohne diese Unterstellung nicht haltbar ist, dann befindest Du Dich im Zirkelschluss. Du siehst die Aussage von Kardinal Ratzinger zur Primatsforderung an den Osten kritisch, er ist jetzt aber Papst. Ist er jetzt ein papa haeriticus, weil er sich davon bisher nicht distanziert hat?
Elias Zoghby hat geschrieben:Es bleibt indes wahr, daß das Vatikanum I, das ein Generalkonzil des Westens war, das in Abwesenheit der östlichen Orthodoxie stattgefunden hat, nicht den Glauben des Gesamtepiskopats, d. h. der ganzen Kirche, binden konnte.
Das Zitat stammt nicht von mir und ist nicht meine Privatmeinung. Es stammt auch nicht von Robert, obwohl er eine ähnliche Linie vertritt. Wo blieb der Papst, hier den Bischof zu verurteilen, wo war das Schismageschrei, wo der Häresieruf, da ein Dogma in Frage gestellt worden war? Warum kriege ich darauf keine Anworten? Nicht nur von Dir nicht, sondern auch von den anderen Schreibern?

Zu Fortescues: Ich habe keine Lust zig Seiten irgendeinen Krams zu lesen! Zitiere bitte die Stellen, die meine obigen Fragen beantworten. Sonst gehe ich in die nächste Bibliothek und werfe Dir auch zig Doktorarbeiten an den Kopf mit der Bitte um Stellungnahme.

Mir liegt es ferne hier den Westen und den Osten gegeneinander auszuspielen oder dem Westen irgendwelche Irrlehre in die Schuhe zu schieben. Aber man wird ja wohl noch nach einer vernünftigen Argumentation fragen dürfen.

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Gamaliel
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Gamaliel »

Kirchenjahr hat geschrieben:Warum kriege ich darauf keine Anworten? Nicht nur von Dir nicht, sondern auch von den anderen Schreibern?
Als mögliche Antwort fiele mir dazu ein Sprichwort ein: "Ein Tor kann mehr fragen, als zehn Weise beantworten können." Ob das aber der wirkliche Grund ist, wage ich nicht zu behaupten.

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Sempre
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Sempre »

Kirchenjahr hat geschrieben:Es ist ja gerade die Frage, inwieweit das Unfehlbarkeitsdogma de fide definitiva ist. Du unterstellst das immer.
Das unterstelle nicht ich, sondern die Kirche lehrt das. Ich erwähne das nicht als Beweis dafür, dass das Dogma inhaltlich zutrifft. Ich weise nur darauf hin, dass die Kirche in die Tonne zu treten wäre, wäre das Dogma falsch. In diesem Falle gehörte Dein Maßstab "Kircheneinheit" ebenfalls in die Tonne, wer wollte denn dann den Orthodoxen Kircheneinheit mit Irrlehrern zumuten?

Kirchenjahr hat geschrieben:Wenn dieses Dogma ohne diese Unterstellung nicht haltbar ist, dann befindest Du Dich im Zirkelschluss.
Wie gesagt, ich erwähne die Kategorie de fide definitiva nicht anstelle von Beweisen. Beweise liefern Fortescue und Weninger.

Kirchenjahr hat geschrieben:Du siehst die Aussage von Kardinal Ratzinger zur Primatsforderung an den Osten kritisch, er ist jetzt aber Papst. Ist er jetzt ein papa haeriticus, weil er sich davon bisher nicht distanziert hat?
Zwischendurch war er Großinquisitor und hat zum Thema folgendes gesagt:
Joseph Kardinal Ratzinger, Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre hat geschrieben:Die bischöfliche Aufgabe, die der römische Bischof in der Weitergabe des Wortes Gottes hat, erstreckt sich auch auf das Innere der ganzen Kirche. Sie ist als solche ein höchstes und universales Lehramt;38 sie ist eine Funktion, die ein Charisma beinhaltet, nämlich einen besonderen Beistand des Heiligen Geistes für den Nachfolger Petri, wozu in gewissen Fällen auch das Vorrecht der Unfehlbarkeit gehört.39 Wie »alle Kirchen sich in voller und sichtbarer Gemeinschaft befinden, weil alle Hirten in Gemeinschaft mit Petrus und so in der Einheit Christi sind«,40 so sind in gleicher Weise die Bischöfe Zeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit, wenn sie in Gemeinschaft mit dem römischen Bischof lehren.41
[...]
38 Vgl. I. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Pastor aeternus, 4. Kap.: DH 3065-3068.
39 Vgl. ebd.: DH3073-3074; II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 25; CIC, can. 749 § l; CCEO, can. 597 § l.
40 Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint, 94.
41 Vgl. II. Vatikan. Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 25.
Kirchenjahr hat geschrieben:
Elias Zoghby hat geschrieben:Es bleibt indes wahr, daß das Vatikanum I, das ein Generalkonzil des Westens war, das in Abwesenheit der östlichen Orthodoxie stattgefunden hat, nicht den Glauben des Gesamtepiskopats, d. h. der ganzen Kirche, binden konnte.
Das Zitat stammt nicht von mir und ist nicht meine Privatmeinung. Es stammt auch nicht von Robert, obwohl er eine ähnliche Linie vertritt. Wo blieb der Papst, hier den Bischof zu verurteilen, wo war das Schismageschrei, wo der Häresieruf, da ein Dogma in Frage gestellt worden war? Warum kriege ich darauf keine Anworten? Nicht nur von Dir nicht, sondern auch von den anderen Schreibern?
Dass Päpste heutzutage Bischöfe wie auch Kardinäle nicht maßregeln, wenn sie Ketzereien verbreiten, kann mich nicht überzeugen. Das ist sicher Teil der aktuellen Katastrophe und äußerst beklagenswert, hat aber Gott sei Dank keinen Einfluss darauf, was die Kirche de fide lehrt.

Kirchenjahr hat geschrieben:ich warte noch immer auf die Beantwortung folgender Fragen:

Wer ist Nachfolger des Apostels Petrus und ggf. auch aller anderer Apostel?
Gab es außer dem römischen Bischof andere Bischöfe, welche sich als Nachfolger des Apostels Petrus sahen?
Wurden solche Bischöfe aus der Kirche ausgeschlossen?
Wurde diesen Bischöfen die Sakramentengemeinschaft aufgekündigt?
Waren die Bischöfe beim Konzil von Nicäa, welche den Kanon 28 beschlossen Schismatiker?

usw usw usw (siehe vorige Beiträge)
Es macht keinen Sinn diese allgemeinen Fragen zu beantworten. Du müsstest schon konkret Sachverhalte aus der Geschichte benennen, die eindeutig zeigen, dass und inwiefern Deine Fragen hier von belang sind. Dass es im Laufe der Geschichte einige Wirren gab und dass die Kirche nicht immer sofort geradlinig reagiert hat, sei unbestritten.

Kirchenjahr hat geschrieben:Mir liegt es ferne hier den Westen und den Osten gegeneinander auszuspielen oder dem Westen irgendwelche Irrlehre in die Schuhe zu schieben. Aber man wird ja wohl noch nach einer vernünftigen Argumentation fragen dürfen.
Klar. Dazu wurden Fortescue und Weninger genannt, die u.a. zeigen, dass Roma locuta causa finita in den ersten 5 Jahrhunderten anerkannt war.

Gruß
Sempre
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Raphael

Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Raphael »

Kirchenjahr hat geschrieben:Wenn ich mir so die Vita dieses Mannes anschaue, dann kann in dem Buch nur sowas wie "Glaube ist kontrafaktisch" (Quelle H. Küng) drin stehen.
Nein, das ist wirklich nicht der Fall!

Gerechterweise muß man ja auch zur Kenntnis nehmen, daß er dieses Buch (seine Dissertation) zu einer Zeit geschrieben hat, in der er seine zunächst gefällte Lebensentscheidung, nämlich Priester zu werden, noch nicht umgeworfen hatte. Sein Lebensweg schient mir nicht so ganz untypisch für die Wirren nach dem Vaticanum II zu sein.

Ende des OT :zirkusdirektor:

Kirchenjahr
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Kirchenjahr »

Sempre hat geschrieben:Ich weise nur darauf hin, dass die Kirche in die Tonne zu treten wäre, wäre das Dogma falsch. In diesem Falle gehörte Dein Maßstab "Kircheneinheit" ebenfalls in die Tonne, wer wollte denn dann den Orthodoxen Kircheneinheit mit Irrlehrern zumuten?
Meiner Meinung nach wäre die Kirche nicht in die Tonne zu treten. Die Plage des Arianismus hat ja auch nicht dazu geführt, dass die Kirche anschließend in der Tonne lag. Sicherlich könnte man zwar dann das Kirchenverständnis der röm-kath. Kirche auf dem 1. und 2. vatikanischen Konzil in Frage stellen. Aber nähmen wir an, das Dogma wäre falsch, wäre es ja nicht das erste Mal, das ein Papst oder Konzil geirrt hätten. Es gab zahlreiche Päpste und Konzilien, welche Häresien und Irrtümer verbreitet haben. Und die Irrtum verbreitenden Konzilien haben für sich ebenfalls die Wahrheit für sich beansprucht. Und ist die Kirche durch den Irrtum von Päpsten, Bischöfen oder Kirchenvolk bisher untergegangen?

Gerade im Zusammenhang mit dem Arianismus wird aus tradionalistischen Kreisen immer wieder betont, nur ein einziger Bischof (ggf. auch mit Gemeinde) sei erforderlich um den wahren apostolischen und katholischen Glauben zu bewahren. Diese fortgespinnt würden weder ein häretischer Papst, Patriarch von Konstantinopel, noch die Mehrzahl aller Irrlehrer-Bischöfe den Fortbestand der Kirche gefährden.
Sempre hat geschrieben:Dass Päpste heutzutage Bischöfe wie auch Kardinäle nicht maßregeln, wenn sie Ketzereien verbreiten, kann mich nicht überzeugen. Das ist sicher Teil der aktuellen Katastrophe und äußerst beklagenswert, hat aber Gott sei Dank keinen Einfluss darauf, was die Kirche de fide lehrt.
Ja und diese aktuelle Katastrophe begann was das konkrete Thema angeht spätestens nach dem Konzil von Chalkedon (Kanon 28). Vom V. und VI ökumenischen Konzil wollen wir besser gar nicht sprechen. Die damaligen Päpste haben da kein sehr gutes Bild abgegeben. Bis zum endgültigen Bruch zwischen Ost und West (1054? Konzil von Florenz?) hat der Westen den Osten wohl an der langen Leine der Häresien gehalten. Umgekehrt gilt das genauso. Der Westen hat dem Osten die Kirchengemeinschaft nicht aufgekündigt, der Osten dem Westen aber genauso wenig.

1871 kommt das 1. Vatikanum daher und anathemisiert knüpft das Heil an die Dogmen des Primats und der Unfehlbarkeit. Nochmal die Frage: Haben die Päpste des ersten Jahrtausends seit Chalkedon den Osten vom Dogma des Primats befreit?

Seit Tagen möchte ich auf diese Fragen konkrete Antworten. Bisher kam da leider keine Antwort. Aber wenn ich mir so einige Beiträge hier durchlese ggf. auch in der Sakristei beschleicht mich das Gefühl, dass es hier ein paar Schreiber gibt, die sich in ihrer kuscheligen Ecke eingerichtet haben, ob orthodox oder römisch-katholisch und an einer Kircheneinheit überhaupt nicht interessiert sind, da dann ggf. eine Seite sich geirrt hätte und umkippen würde. Die Wiederherstellung der Kircheneinheit war nie ein Moment, in dem die Bewahrer der Wahrheit anschließend schadenfreudig auf die Ex-Häreitker gezeigt haben und gesungen haben "Wir hatten Recht, hahahahah". Ein seltsames Denken.

Ralf

Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Ralf »

Hallo Kirchenjahr.

A. Einstein soll mal gesagt haben, daß man Sachverhalte so einfach wie möglich erklären soll - aber nicht einfacher.

Wenn Du nicht gewillt bist, Dich in empfohlene und einschlägige Literatur einzulesen, dann kann zumindest ich der Ernsthaftigkeit Deiner Suche nicht viel abgewinnen.

Ernsthaftigkeit ist mühsam.

Dazu muß ich noch anmerken, daß Du eine m.E. nach nicht korrekte Vorstellung von einem Dogma bzw. der Bedeutung eines solchen hast. Ein Dogma dient der Klarstellung, soweit das mit menschlichen Worten möglich ist.

"Um das noch mal klarzustallen" (weil es aufs Tablett kam) wäre hier in der Tat die richtige Wortwahl zur Beschreibung eines Dogmas. Wären die Adventisten im 3. Jahrhundert eine große Gruppe gewesen, hätte man vielleicht die Feier des 1. Tages der Woche auch in einem Konzil behandelt (die A. halten ja am Sabbat fest) - so war das nie nötig.

Daher trifft deine Frage
Haben die Päpste des ersten Jahrtausends seit Chalkedon den Osten vom Dogma des Primats befreit?
nicht den Wesenskern eines Dogmas.

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Sempre
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Sempre »

Kirchenjahr hat geschrieben:Meiner Meinung nach wäre die Kirche nicht in die Tonne zu treten. Die Plage des Arianismus hat ja auch nicht dazu geführt, dass die Kirche anschließend in der Tonne lag. Sicherlich könnte man zwar dann das Kirchenverständnis der röm-kath. Kirche auf dem 1. und 2. vatikanischen Konzil in Frage stellen. Aber nähmen wir an, das Dogma wäre falsch, wäre es ja nicht das erste Mal, das ein Papst oder Konzil geirrt hätten. Es gab zahlreiche Päpste und Konzilien, welche Häresien und Irrtümer verbreitet haben. Und die Irrtum verbreitenden Konzilien haben für sich ebenfalls die Wahrheit für sich beansprucht. Und ist die Kirche durch den Irrtum von Päpsten, Bischöfen oder Kirchenvolk bisher untergegangen?

Gerade im Zusammenhang mit dem Arianismus wird aus tradionalistischen Kreisen immer wieder betont, nur ein einziger Bischof (ggf. auch mit Gemeinde) sei erforderlich um den wahren apostolischen und katholischen Glauben zu bewahren. Diese fortgespinnt würden weder ein häretischer Papst, Patriarch von Konstantinopel, noch die Mehrzahl aller Irrlehrer-Bischöfe den Fortbestand der Kirche gefährden.
Mal angenommen, das erste Vatikanum hätte geirrt - welchen Bischof schlägst Du vor, der den wahren apostolischen und katholischen Glauben bewahrt hat?

Es nutzt ja nichts, nur theoretische Überlegungen zu pflegen. Solche machen nur Sinn, wenn sie zur tatsächlichen Geschichte passen.

Kirchenjahr hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Dass Päpste heutzutage Bischöfe wie auch Kardinäle nicht maßregeln, wenn sie Ketzereien verbreiten, kann mich nicht überzeugen. Das ist sicher Teil der aktuellen Katastrophe und äußerst beklagenswert, hat aber Gott sei Dank keinen Einfluss darauf, was die Kirche de fide lehrt.
Ja und diese aktuelle Katastrophe begann was das konkrete Thema angeht spätestens nach dem Konzil von Chalkedon (Kanon 28). Vom V. und VI ökumenischen Konzil wollen wir besser gar nicht sprechen. Die damaligen Päpste haben da kein sehr gutes Bild abgegeben. Bis zum endgültigen Bruch zwischen Ost und West (1054? Konzil von Florenz?) hat der Westen den Osten wohl an der langen Leine der Häresien gehalten. Umgekehrt gilt das genauso. Der Westen hat dem Osten die Kirchengemeinschaft nicht aufgekündigt, der Osten dem Westen aber genauso wenig.

1871 kommt das 1. Vatikanum daher und anathemisiert knüpft das Heil an die Dogmen des Primats und der Unfehlbarkeit. Nochmal die Frage: Haben die Päpste des ersten Jahrtausends seit Chalkedon den Osten vom Dogma des Primats befreit?

Seit Tagen möchte ich auf diese Fragen konkrete Antworten. Bisher kam da leider keine Antwort.
Das hat -soweit ich das sehe- einen ganz schlichten Grund. Du setzt a priori Kircheneinheit voraus. Nun sind aber Ost und West getrennt. Irrtümer witterst Du -soweit hier von Dir ausgeführt- im Westen. Gleichzeitig postulierst Du eine mögliche Einheit. Nur bleibt es eben beim Postulat. Nachweise römischerseits, dass das Unfehlbarkeitsdogma eine Grundlage in den ersten Jahrhunderten hat, ignorierst Du. Selbst bringst Du für Deine Ideen nur allgemeine Erwägungen und nicht etwa -wie ich es gemäß Deinen Ansprüchen erwarten würde- detaillierte Darlegungen historischer Natur, die dem vernünftigen Zeitgenossen zeigten, was Sache sei.

Kirchenjahr hat geschrieben:Aber wenn ich mir so einige Beiträge hier durchlese ggf. auch in der Sakristei beschleicht mich das Gefühl, dass es hier ein paar Schreiber gibt, die sich in ihrer kuscheligen Ecke eingerichtet haben, ob orthodox oder römisch-katholisch und an einer Kircheneinheit überhaupt nicht interessiert sind, da dann ggf. eine Seite sich geirrt hätte und umkippen würde. Die Wiederherstellung der Kircheneinheit war nie ein Moment, in dem die Bewahrer der Wahrheit anschließend schadenfreudig auf die Ex-Häreitker gezeigt haben und gesungen haben "Wir hatten Recht, hahahahah". Ein seltsames Denken.
Was für Probleme hast Du denn? Wenn einer recht hat, hat er recht. Ob er dann ggf. hämische Gesänge anstimmte oder auch nicht. Dafür hätte er sich zu verantworten, wie wir alle für alles. Aber wie auch immer: wer recht hat, hat recht.

Wir Katholiken glauben, dass wahr ist, was die Kirche uns zu glauben vorlegt. Und wir glauben, dass unser Glaube nicht im Widerspruch zu den historischen Tatsachen steht. Nimm Dir alle Muße darzulegen, dass unser Glaube nicht den historischen Tatsachen entspricht. Aber bitte konkret und im Detail. Was Du bisher ausführst, sind vage Andeutungen.

Robert Ketelhohn hatte zurecht ausgeführt, dass diverse Hirten uns in die Irre leiten, dass sie Falsches und Widersprüchliches von sich geben. Der Heilige Geist hat aber trotz aller Katastrophe bis heute dafür gesorgt, dass das Lehramt nicht offenbar Irrtümliches verpflichtend zu Glauben vorgelegt hätte.

Du erwähnst derweil allgemeine Imperfektionen der Kirche im Laufe der Geschichte, weist aber keine konkreten Fehler nach, insbesondere auch nicht in bezug auf das Unfehlbarkeitsdogma, das Du anhand vager Überlegungen in Frage stellst.

Gruß
Sempre
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Kirchenjahr
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Kirchenjahr »

Nochmal: Ich beziehe wir weder für den Westen noch für den Osten Position. Es ist richtig, dass ich die Kircheneinheit des ersten Jahrtausends als Maßstab nehme. Da laß ich mir keinen Vorwurf draus machen, zumals sich ja auch der Osten am ersten Jahrtausend messen lassen muss (Energienlehre, Palamismus, etc). Diese Brocken sind für den Osten mindestens genau so schwer zu schlucken wie ein für den Westen eine von der bisherigen Auffassung abweichenden Primats- und Unfehlbarkeitsvorstellung.

Daß ich hier gar nichts vorbringe, stimmt nicht. Außerdem warte ich immer noch auf die Beantwortung meiner Fragen. Aber darauf scheint hier keine antworten zu wollen. Ich werde ja schon mit meinen Fragen abgewimmelt.

Ich habe z. B. den Kanon 28 des Konzils von Chalkedon geannt, welcher den römischen Primat (nicht die Unfehlbarkeit) auf die Hauptstadt Rom bezog. Mir ist auch bekannt, dass der damalige Papst Leo widersprchen hat. Nur stand damals weder die Kircheneinheit noch die Sakramenengemeinschaft zur Debatte. Und dass obwohl der Kanon 28 den Primat (wie er auch immer ausgestaltet gewesen sein mag) ausdrücklich nicht als göttliches Recht sah. Aus Sicht von Pastor Aeternus war der Kanon 28 Häeresie. Historisch betrachtet durfte der Osten an dieser Häresie bis zur Kirchentrennung festhalten.

Ich habe auch das zweite Konzil von Konstantinopel erwähnt, auf welcher ein römischer Bischof sich dem ökumenischem Konzil beugen mußte. Die Art und Weise sollte man da auch nicht außer Acht lassen. Das Bild eines Papstes, der sich vor niemandem zu verantworten hat, auch nicht vor einem ökumenischen Konzil, sieht vielleicht ein ganz kleines bißchen anders aus.

Aber wie gesagt, mir geht es in erster Linie um die Beantwortung meiner Fragen. Und da lese ich auch nicht zig Bücher, die hier mal so schnell verlinkt sind, wenn ich nicht mit gewisser Wahrscheinlichkeit weiß, dass diese auch meine Fragen behandeln. Ich benötige keine Antworten auf Fragen eines Lutheraners. Zudem habe ich bereits diverse Abhandlungen gelesen, die die Auseinandersetzung beim Primat und der Unfehlbarkeit zwischen Ost und West ausklammern. Der Regelfall ist leider der Aufbau auf dem "Tu es petrus". Wenn man den auslegt, wie das 1. Vatikanum dies macht, brauche ich gar nichts zu lesen. Dann ist das Begründung genug. Es gibt aber auch andere Begründungen. Ich habe einfach dannach gefragt, ob und ggf. wann die anderen Begründungen anathemisiert worden sind (möglichst im ersten Jahrtausend und nicht zu Zeiten Luthers oder dannach). Auch darauf habe ich keine Antwort erhalten.

Aus meiner Sicht führt die Debatte bisher leider nicht weiter, was mich angesichts der Bedeutung des Themas und der Schwierigkeit der Materie auch nicht sehr verwundert. Es hätte ja sein können, dass da jemand mal neue Aspekte vorbringt.

Raphael

Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Raphael »

Kirchenjahr hat geschrieben:Nochmal: Ich beziehe wir weder für den Westen noch für den Osten Position.
Gegen eine solche indifferente Haltung Deinerseits anzudiskutieren mag demjenigen, der zuviel Zeit hat, eine intellektuelle Befriedigung bereiten.
Mir jedoch erscheint diese indifferente Haltung so unsinnig wie der Versuch des voraussetzungslosen Denkens oder der gedanklichen Entleerung wie er bspw. im Zen-Buddhismus ausprobiert wird.

Mir persönlich ist das Unfehlbarkeitsdogma schon alleine aus den historischen Gegebenheiten heraus plausibel. Denn im 19. Jahrhundert wurde eine philosophische Attacke gegen die Theologie geritten, wie dies seit dem Abschluß der Allgemeinen Offenbarung noch nicht geschehen war. Die Kirche hat, auch um diesen fehlgeleiteten und nur vorgeblich Vernünftigen zu begegnen, einen Pfeil aus ihrem Köcher gezogen, und diesen Pfeil gezielt eingesetzt.
Denn bei dem Unfehlbarkeitsdogma geht es - wie bei allen anderen Dogmen der Katholischen Kirche auch - um die Wahrheit. Mit dem Unfehlbarkeitsdogma bestätigt die Katholische Kirche, daß der Mensch in der Lage ist, die Wahrheit zu erkennen, zu denken und auszusprechen; dies insbesondere dann, wenn es der Papst ist, der ex cathedra spricht.

Jegliche Philosophie, die diesem theologisch begründeten Wahrheits-Anspruch nicht genügt, verdient letztlich den Namen Philosophie nicht, sondern ist ein mehr oder weniger sprachlich ausgefeiltes System aus menschlicher Hybris und/oder bewußter Lüge.


Die eingangs erwähnte Plausibilität ist nun sicherlich nicht der einzige Grund, der mich glauben macht, daß es mit dem Unfehlbarkeitsdogma seine Richtigkeit hat. Es ist aber ein Grund, der auch für Außenstehende nachvollziehbar erscheinen muß.
Demzufolge soll diese Plausibilität auch nicht die theologische Begründung, welche ja detalliert in Pastor Aeternus gegeben wird, ersetzen.

Kirchenjahr
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Kirchenjahr »

Hallo Raphael,
Raphael hat geschrieben:
Kirchenjahr hat geschrieben:Nochmal: Ich beziehe wir weder für den Westen noch für den Osten Position.
Gegen eine solche indifferente Haltung Deinerseits anzudiskutieren mag demjenigen, der zuviel Zeit hat, eine intellektuelle Befriedigung bereiten.
Mir jedoch erscheint diese indifferente Haltung so unsinnig wie der Versuch des voraussetzungslosen Denkens oder der gedanklichen Entleerung wie er bspw. im Zen-Buddhismus ausprobiert wird.
Wer die Wahrheit sucht, das Ergebnis aber schon vorgefaßt hat (Der Osten hat Recht, ich suche jetzt mal nach der Wahrheit / der Westen hat Recht, ich suche nach mal nach der Wahrheit) der geht da nicht unvoreingenommen heran. Ich verstehe daher Deine Antwort auf die ziterte Passage nicht. Die unvoreingenommene Suche nach Wahrheit ist meiner Meinung nach alles andere als eine indifferente Haltung, umso mehr, als dass es im konkreten Fall um die Einheit von Westen und Osten geht, und die Kircheneinheit ein sehr hohes Gut darstellt. Daß Pastor Aeternus die Kircheneinheit zwischen Ost und West eher hinderlich ist, ist im Forum wohl unbestritten.
Raphael hat geschrieben:Mir persönlich ist das Unfehlbarkeitsdogma schon alleine aus den historischen Gegebenheiten heraus plausibel. Denn im 19. Jahrhundert wurde eine philosophische Attacke gegen die Theologie geritten, wie dies seit dem Abschluß der Allgemeinen Offenbarung noch nicht geschehen war. Die Kirche hat, auch um diesen fehlgeleiteten und nur vorgeblich Vernünftigen zu begegnen, einen Pfeil aus ihrem Köcher gezogen, und diesen Pfeil gezielt eingesetzt.
Denn bei dem Unfehlbarkeitsdogma geht es - wie bei allen anderen Dogmen der Katholischen Kirche auch - um die Wahrheit. Mit dem Unfehlbarkeitsdogma bestätigt die Katholische Kirche, daß der Mensch in der Lage ist, die Wahrheit zu erkennen, zu denken und auszusprechen; dies insbesondere dann, wenn es der Papst ist, der ex cathedra spricht.
Du ziehst die historischen Gegebenheiten heran. Die philosophischen Attacken kennzeichnen den Kampf der römischen Kirche im Besonderen, insbesondere gegen den agressiven Atheismus und den zunehmenden Relativismus. Den Osten haben diese Attacken nicht wirklich beeindruckt. Der Osten brauchte keine Scholastik zu verteidigen, da er auf Spiritualität, Orthopraxis, Palamismus, Platon und mir sonst unbekannte Mittel "gesetzt" hatte. Die Antwort des 1. Vatikanums galt dem Treiben in den eigenen Reihen. Vor diesem Hintergrund vertrat eben auch ein Elias Zoghbi als Bischof eine Meinung, bei der Sempre gleich die Haare zu Berge stehen, die man aber ohne Kenntnis der Argumentation des Bischofs nicht sofort als Irrlehre brandmarken muß. Gerade der Umstand daß Elias Zoghbi Bischof der melkitisch griechisch-katholischen Kirche war, läßt mich umso brennender interessieren, was an der von mir schon öfters verlinkten Angelegenheit dran ist viewtopic.php?f=21&t=1330&start=288. Da stellt sich mir eben auch die Frage, ob das 1. Vatikanum ökumenisch war oder doch eher eine Lokalsynode.
Raphael hat geschrieben:Jegliche Philosophie, die diesem theologisch begründeten Wahrheits-Anspruch nicht genügt, verdient letztlich den Namen Philosophie nicht, sondern ist ein mehr oder weniger sprachlich ausgefeiltes System aus menschlicher Hybris und/oder bewußter Lüge.
Der Wahrheitsanspruch einerseits und die Dogmen des 1. Vatikanum andererseits sind nicht so über einen Kamm zu scheren. Der Wahrheitsanspruch hätte auch weiterhin Bestand, selbst wenn die Dogmen selbst irrelevant sein sollten.

Sei es drum. Ich werde mich weiterhin um einen geeigneten Theologen bemühen müssen, der mir weiterhelfen kann. Vielleicht könnt Ihr einen empfehlen (aber bitte keinen Thomisten. Da bin ich womöglich voreingenommen).

Raphael

Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Raphael »

Kirchenjahr hat geschrieben:Sei es drum. Ich werde mich weiterhin um einen geeigneten Theologen bemühen müssen, der mir weiterhelfen kann. Vielleicht könnt Ihr einen empfehlen (aber bitte keinen Thomisten. Da bin ich womöglich voreingenommen).
Nun, Kirchenjahr, ich fürchte, daß wir so nicht "zu Potte kommen"! :achselzuck:

Einerseits willst Du "unvoreingenommen auf der Suche nach der Wahrheit" sein, andererseits gibst Du zu, (womöglich) gegen den Thomismus voreingenommen zu sein. Diese Aporie in Deiner Denke ist meinerseits nicht auflösbar.

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Sempre
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Sempre »

Kirchenjahr hat geschrieben:Der Wahrheitsanspruch einerseits und die Dogmen des 1. Vatikanum andererseits sind nicht so über einen Kamm zu scheren. Der Wahrheitsanspruch hätte auch weiterhin Bestand, selbst wenn die Dogmen selbst irrelevant sein sollten.
Worauf basiert denn der Wahrheitsanspruch Deiner Meinung nach? Welche Basis hat er, wenn er auch dann Bestand haben könnte, wenn das Unfehlbarkeitsdogma wahrheitswidrig wäre?

Gruß
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Kirchenjahr
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Kirchenjahr »

Raphael hat geschrieben: Nun, Kirchenjahr, ich fürchte, daß wir so nicht "zu Potte kommen"! :achselzuck:

Einerseits willst Du "unvoreingenommen auf der Suche nach der Wahrheit" sein, andererseits gibst Du zu, (womöglich) gegen den Thomismus voreingenommen zu sein. Diese Aporie in Deiner Denke ist meinerseits nicht auflösbar.
Nee, wir kommen hier nicht zu Potte. Die Diskussionen gehen wie so oft ohne Lösung zu Ende. Das erinnert mich an die Diskussion zwischen Dir und Gamaliel betreffend den Rechtfertigungsgrund (Notstand) bei den Bischofsweihen der FSSPX. Aber ich möchte hier der Diskussion nicht so holterdiepolter fernbleiben.

"Die Bedeutung des Thomismus im ersten Jahrtausend der ungeteilten Kirche" (Doktorarbeit von Un. B. Kant :D ) Die Sprache sollte diejenige sein, welche beide Seiten verstehen und sprechen können. Die Sprache der Väter und zwar die Sprache, welche West und Ost im ersten Jahrtausend vereint hat.
Sempre hat geschrieben:Worauf basiert denn der Wahrheitsanspruch Deiner Meinung nach? Welche Basis hat er, wenn er auch dann Bestand haben könnte, wenn das Unfehlbarkeitsdogma wahrheitswidrig wäre?
Hinsichtlich des Wahrheitsanspruchs habe ich mich auf Raphaels Posting bezogen. Die Basis der Wahrheit ist Jesus Christus. Jesus Christus hat auch Bestand, wenn das Dogma der Unfehlbarkeit wahrheitswidrig wäre. Daß die in Vatikanum I und II verwendete römisch-katholische Definition von Kirche Schaden nehmen würde, würde weder Jesus Christus selbst, noch die Kirche ("auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen") als solche gefähren. Die römische-Kirche müßte dann "nur" ihr Kirchenverständnis ggf. das der eigenen "Exklusivität" aufgeben. Damit würde nicht die Kirche die "Exklusivität" aufgeben, sondern lediglich die römische Ortskirche. Östliche Theologen können aus ihrer Sicht genau sagen, wo Kirche ist. Du könntest Dich in der Sakristei ausgiebig informieren. Häufig ist dort zu lesen, dass östliche Theologen meiden zu sagen, wo Kirche nicht ist. Aber bedenke, das orthodoxe Kirchenverständnis ist nicht mit denen der Protestanten zu verwechseln.

Raphael

Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Raphael »

Kirchenjahr hat geschrieben:Nee, wir kommen hier nicht zu Potte. Die Diskussionen gehen wie so oft ohne Lösung zu Ende. Das erinnert mich an die Diskussion zwischen Dir und Gamaliel betreffend den Rechtfertigungsgrund (Notstand) bei den Bischofsweihen der FSSPX. Aber ich möchte hier der Diskussion nicht so holterdiepolter fernbleiben.
Wenn Du nichts außer Fragen beizutragen hast, kannst Du auch der Diskussion fernbleiben. Denn Fragen hat auch die Aufklärung aufgeworfen, die nicht zuletzt auf I. Kant (der Dir nicht ganz unbekannt sein sollte! :pfeif: ) zurückgeht, aufgeworfen.

Nebenbei: Die Diskussion mit Gamaliel drehte sich um juristische und disziplinäre Fragen, ab nicht um solche mit dogmatischer Natur.
Kirchenjahr hat geschrieben:"Die Bedeutung des Thomismus im ersten Jahrtausend der ungeteilten Kirche" (Doktorarbeit von Un. B. Kant :D ) Die Sprache sollte diejenige sein, welche beide Seiten verstehen und sprechen können. Die Sprache der Väter und zwar die Sprache, welche West und Ost im ersten Jahrtausend vereint hat.
Die "Sprache der Väter" kann schlechterdings nicht eingefroren werden, ohne eminent wichtige Qualitäten zu verlieren!
Es handelt sich bei Sprache schließlich um etwas Lebendiges ...............

Im Übrigen halte ich die Sprache der Kirche nachwievor für gut verständlich, selbst wenn sich mancherlei Kakophonie eingeschlichen hat.

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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Sempre »

Kirchenjahr hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Worauf basiert denn der Wahrheitsanspruch Deiner Meinung nach? Welche Basis hat er, wenn er auch dann Bestand haben könnte, wenn das Unfehlbarkeitsdogma wahrheitswidrig wäre?
Hinsichtlich des Wahrheitsanspruchs habe ich mich auf Raphaels Posting bezogen. Die Basis der Wahrheit ist Jesus Christus. Jesus Christus hat auch Bestand, wenn das Dogma der Unfehlbarkeit wahrheitswidrig wäre. Daß die in Vatikanum I und II verwendete römisch-katholische Definition von Kirche Schaden nehmen würde, würde weder Jesus Christus selbst, noch die Kirche ("auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen") als solche gefähren. Die römische-Kirche müßte dann "nur" ihr Kirchenverständnis ggf. das der eigenen "Exklusivität" aufgeben. Damit würde nicht die Kirche die "Exklusivität" aufgeben, sondern lediglich die römische Ortskirche. Östliche Theologen können aus ihrer Sicht genau sagen, wo Kirche ist. Du könntest Dich in der Sakristei ausgiebig informieren. Häufig ist dort zu lesen, dass östliche Theologen meiden zu sagen, wo Kirche nicht ist. Aber bedenke, das orthodoxe Kirchenverständnis ist nicht mit denen der Protestanten zu verwechseln.
Du hattest gesagt, dass Du auf der Suche nach der Wahrheit bist, und dass Du Kircheneinheit voraussetzt. Bereits diese beiden Dinge vertragen sich nicht. Entweder ist das Unfehlbarkeitsdogma häretisch oder eben nicht. Das Unfehlbarkeitsdogma als räumlich/zeitlich beschränkt einzustufen bedeutet, es zu negieren. Es kann weder erst ab 1870 noch nur im Westen gelten.

Es würde mich interessieren, was Du unter Wahrheit verstehst. Was Du schreibst, klingt nach Pilatus, Relativismus, Agnostizimus. Du nennst zwar den Herrn Jesus Christus als "Basis der Wahrheit", scheinst aber die Wahrheitsfähigkeit des Menschen eher in Frage zu stellen. Was sollte uns Menschen eine "Basis der Wahrheit" nutzen, wenn wir nicht wahrheitsfähig sind?

Deine Forderung nach historischen Beweisen kann ich angesichts Deines mindestens merkwürdigen Wahrheitsverständnisses überhaupt nicht recht einordnen. Was soll ich von Beweisen halten, denen kein realistisches Wahrheitsverständnis zugrundeliegt?

Du bekennst hier auch parteiisch (Du wolltest doch unparteiisch sein!) die Orthodoxe Sichtweise: Jeder Bischof sei Petrus-Nachfolger. Die Kirche halte den Pforten der Hölle auch dann stand, wenn der römische Petrus-Nachfolger überwunden sei.

Auf den Kanon 28 von Chalkedon kannst Du Dich unparteiisch nicht berufen. Der Patriarch von Konstantinopel Anatolios und Papst Leo der Große saßen dem Konzil vor (Leo vertreten durch einen Legaten). Der Kanon 28 wurde auf dem Konzil nicht, von Papst Leo nie und von Rom überhaupt nie anerkannt.

Die spätere östliche Idee, jeder Bischof sei Petrus-Nachfolger, ist ein perfider Versuch eines Ausweges aus der prekären Situation, in die der oströmische Kaiser Markion die Kirche im Osten brachte. Markion sowie der Patriarch von Konstantinopel Anatolios bemühten sich um Anerkennung des Kanons in Rom, erhielten sie aber nicht. Markion verordnete ihn dann kraft weltlicher Macht.

Du vertrittst nun hier diese Idee, jeder Bischof sei Petrus-Nachfolger. Kannst Du denn dafür wenigstens zwei oder drei historische Belege aus den ersten 5 Jahrhunderten anführen?

Gruß
Sempre
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Kirchenjahr
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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Kirchenjahr »

Hallo Sempre,

immer wieder soll ich mich rechtfertigen.

Ich gehe deshalb ins erste Jahrtausend zurück, da zwischen Ost und West trotz unterschiedlicher Auffassung über das Primat (Du forderst ja selbst nur Beweise für die ersten 500 Jahre und siehst Probleme beim Osten ab Chalkedon) Kircheneinheit bestand. Ich suche die Wahrheit nicht abstrakt wie Pilatus sondern im ganz konkreten Fall des Primats und der Unfehlbarkeit. Ich untersuche die Angelegenheit historisch nicht philosophisch. Hast Du Angst, dass die Geschichte dem Glauben der römischen Kirche widerspricht? Ich hoffe nicht.
Sempre hat geschrieben:Die spätere östliche Idee, jeder Bischof sei Petrus-Nachfolger, ist ein perfider Versuch eines Ausweges aus der prekären Situation, in die der oströmische Kaiser Markion die Kirche im Osten brachte. Markion sowie der Patriarch von Konstantinopel Anatolios bemühten sich um Anerkennung des Kanons in Rom, erhielten sie aber nicht. Markion verordnete ihn dann kraft weltlicher Macht.

Du vertrittst nun hier diese Idee, jeder Bischof sei Petrus-Nachfolger. Kannst Du denn dafür wenigstens zwei oder drei historische Belege aus den ersten 5 Jahrhunderten anführen?
Ich haber nicht die These vertreten, jeder Bischof sei Petrus-Nachfolger. Ich habe dannach gefragt, ob dies so sei. Bisher blieb man mir die Anwort, wie so viele Antworten schuldig. Ich würde gerne: "Nein, gab es nie" "Ja, gab es und zwar dann, und dann, und dann" hören. Ggf. gibt es auch Quellen "Ja, gab es, aber aus dem Kontext heraus ist das ganz anders gemeint, aus diesen oder jenen Gründen". Dann kann man sich getrost unter Umständen auch mehrere Monate Zeit lassen und nach den Belegen suchen und studieren. Welche Seite auch immer da dann "getürkt" hat (ob Ost oder West), tritt dann klar zu Tage, eventuell ist das sogar belanglos. Und diese meine Fragen betreffen nicht nur die Nachfolge des Petrus, sondern auch die Schriftauslegung des "tu es petrus" und aller anderen Fragen. Auf den Kanon 28 habe ich mich sachlich bezogen, und ausdrücklich hingewiesen, dass er vom römischen Bischof nicht akzeptiert worden ist.

So bleibt es mir ohnehin ein Rätsel, den Primat i. S. des 1. Vatikanum vorausgesetzt, wie die römische Kirche zwischen Chalkedon und 1054 oder gar dem Konzil von Florenz der Haeresie solch freien Lauf lassen konnte. Noch rätselhafter ist mir der Dreikapitelstreit mit Papst Vigilius, der vom ökumenischen Konzil im wahrsten Sinne des Wortes vorgeführt worden ist. Pastor aeternus spricht da eine andere Sprache.

Wie dem auch sei, die Diskussion zieht sich hier schon ewig hin, ohne dass konkret geantwortet wird. Da wird plötzlich mit Wahrheit, Wahrheitsbegriff, Kirchenverständnis und sonst was argumentiert ohne dass man beim Primat / der Unfehlbarkeit bleibt. Ich setze daher vorläufig aus, bis sich hier neue Gedanken ergeben. Euren Rat befolgend werde ich weiter nach den Antworten auf meine Fragen suchen. Im Gegensatz zu Euch bin ich da aber ergebnisoffen und brauche keinen Standpunkt zu verteidigen. Das ist sicherlich von Vorteil.

Ralf

Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Ralf »

Natürlich hast Du einen Standpunkt, Kirchenjahr. Dein Standpunkt ist: die Eine Kirche des ersten Milleniums ist das Maß aller Dinge - und diese hat aufgehört zu existieren. Das wiederum glauben weder Ost noch West (jeder mit seinem Standpunkt). Gleichzeitig scheinst Du zu meinen, diese Kirche des Ersten Milleniums sei wiederherzustellen (obowhl sie schon sehr heterogen war). Das wiederum suggeriert, der Hl. Geist habe aufgehört Seine Kirche zu leiten.

Raphael

Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Raphael »

Kirchenjahr hat geschrieben:immer wieder soll ich mich rechtfertigen.
Ist das ein Problem für Dich?
Kirchenjahr hat geschrieben:Ich untersuche die Angelegenheit historisch nicht philosophisch.
Du machst also das, was die historisch-kritischen Exegeten mit der Hl. Schrift machen, mit der Historie?
Kirchenjahr hat geschrieben:So bleibt es mir ohnehin ein Rätsel, den Primat i. S. des 1. Vatikanum vorausgesetzt, wie die römische Kirche zwischen Chalkedon und 1054 oder gar dem Konzil von Florenz der Haeresie solch freien Lauf lassen konnte. Noch rätselhafter ist mir der Dreikapitelstreit mit Papst Vigilius, der vom ökumenischen Konzil im wahrsten Sinne des Wortes vorgeführt worden ist. Pastor aeternus spricht da eine andere Sprache.
Beim Dreikapitelstreit ging es um eine Einflußnahme der politschen Macht in der Person des Kaisers Justinian I. auf die kirchliche Lehre. Für Konziliaristen mag diese Auseinandersetzung ein Prunkstück der Demonstration ihrer Macht sein, für die Geschichte des Christentums handelt es sich um ein eher dunkles Kapitel.
Kirchenjahr hat geschrieben:Wie dem auch sei, die Diskussion zieht sich hier schon ewig hin, ohne dass konkret geantwortet wird. Da wird plötzlich mit Wahrheit, Wahrheitsbegriff, Kirchenverständnis und sonst was argumentiert ohne dass man beim Primat / der Unfehlbarkeit bleibt.
Wer die Bausteine der kirchlichen Lehre ausschließlich einzeln betrachtet, verkennt die dahinterliegende Statik.
In aller eigentlich nicht angebrachten Kürze: Die Begriffe der dogmatischen Definitionen sind eingebettet in die vorausliegenden Definitionen der Begriffe wie Wahrheit und/oder das Selbstverständnis der Kirche.
Kirchenjahr hat geschrieben:Ich setze daher vorläufig aus, bis sich hier neue Gedanken ergeben. Euren Rat befolgend werde ich weiter nach den Antworten auf meine Fragen suchen. Im Gegensatz zu Euch bin ich da aber ergebnisoffen und brauche keinen Standpunkt zu verteidigen. Das ist sicherlich von Vorteil.
Indifferenz ist nicht von Vorteil! :doktor:

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Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Sempre »

Kirchenjahr hat geschrieben:Ich haber nicht die These vertreten, jeder Bischof sei Petrus-Nachfolger. Ich habe dannach gefragt, ob dies so sei.
Du hattest geschrieben:
Kirchenjahr hat geschrieben:Die Basis der Wahrheit ist Jesus Christus. Jesus Christus hat auch Bestand, wenn das Dogma der Unfehlbarkeit wahrheitswidrig wäre. Daß die in Vatikanum I und II verwendete römisch-katholische Definition von Kirche Schaden nehmen würde, würde weder Jesus Christus selbst, noch die Kirche ("auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen") als solche gefähren. Die römische-Kirche müßte dann "nur" ihr Kirchenverständnis ggf. das der eigenen "Exklusivität" aufgeben. Damit würde nicht die Kirche die "Exklusivität" aufgeben, sondern lediglich die römische Ortskirche. Östliche Theologen können aus ihrer Sicht genau sagen, wo Kirche ist.
Welchen anderen Ausweg siehst Du denn für den hypothetischen Fall, dass der (römische) Fels irrt? Dann müsste der Fels sich doch irgendwo anders finden!? Bei Deiner Voraussetzung der Kircheneinheit von Ost und West, bliebe nur der Osten für die Suche übrig. Und der Osten ist der Auffassung, jeder Bischof sei Petrus-Nachfolger (Metropolitan Hilarion Alfeyev). Wenn Du nun annimmst, dass die dort auch irren, bleibt doch nur Einheit im Irrtum!?

Gruß
Sempre
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Ralf

Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Ralf »

Florianklaus hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Die Evidenz.
Ich habe nicht gefragt, was entscheidet, sondern wer (welche Person oder welcher Personenkreis) entscheidet.
Da würde mich Roberts Antwort auch noch interessieren, wenn er wieder Zeit hat.

Ralf

Re: Gedanken zur Primatsausübung

Beitrag von Ralf »

Sempre hat geschrieben:Und der Osten ist der Auffassung, jeder Bischof sei Petrus-Nachfolger (Metropolitan Hilarion Alfeyev).
Habe ich auch nie verstanden. Ist dann der Nachfolger des Apostels Andreas eigentlich ein Nachfolger des Petrus? Oder gilt Andreas=Petrus, weil beide dasselbe glaubten?

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