Erhobene Hände

Allgemein Katholisches.

Ist die Orantenhaltung bei Laien

abzulehnen, da es sich hierbei um einen liturgischen Archäologismus handelt
18
36%
abzulehnen, da es sich hierbei um ein priesterliches Reservatrecht handelt
13
26%
zu befürworten, da dies die Gebetshaltung des Christen schlechthin ist
8
16%
zu befürworten, da dies bei bestimmten Gebeten die angemessene Ausdrucksweise ist (z. B. beim Vaterunser)
11
22%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 50

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Niels
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Niels »

Bernado hat geschrieben:
Kilianus hat geschrieben: Das von allen gemeinsam gesprochene Vaterunser wird so zum eigentlichen, heimlichen Höhepunkt des eucharistischen Teils der Meßfeier.
Nur noch übertroffen vom anschließenden allgemeinen Händeschütteln und
Anlächeln.
Das wäre dann der "unheimliche" Höhepunkt... :panisch:
Iúdica me, Deus, et discérne causam meam de gente non sancta

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anneke6
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von anneke6 »

Das Vaterunser kann auch außerhalb des NOM einen herausstehenden Charakter für den Laien haben. In der Messe im außerordentlichen Ritus, die meine verstorbene Freundin gerne besuchte, war das Vaterunser die einzige Stelle, wo die Laien ihre knieende Haltung aufgaben (sprich: austanden) und das einzige Mal, daß sie auch den Mund aufmachten. In der Chrysostomusliturgie, zumindest, wie sie bei unseren orthodoxen Freunden gefeiert wird, ist es außer dem Glaubensbekenntnis der einzige Teil der von allen mitgesungen (oder gesprochen) wird. — In manchen uniierten Gemeinden ist es allerdings üblich, daß alle zusammen mit dem Chor singen.
???

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Bernado
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Bernado »

anneke6 hat geschrieben:Das Vaterunser kann auch außerhalb des NOM einen herausstehenden Charakter für den Laien haben. In der Messe im außerordentlichen Ritus, die meine verstorbene Freundin gerne besuchte, war das Vaterunser die einzige Stelle, wo die Laien ihre knieende Haltung aufgaben (sprich: austanden) und das einzige Mal, daß sie auch den Mund aufmachten.
Das wäre dann aber eine "stille Messe" in der Form gewesen, die nahe am Missbrauch entlang schrammt: Der Priester macht vorne sein Ding, und die Gläubigen knieen in den Bänken und konzentrieren sich auf den Rosenkranz.

Das mag für einzelne unter bestimmten Umständen eine sinnvolle Art der Teilnahme an der hl. Messesein - als kollektives Verhalten der Gemeinde ist es nicht wünschenswert.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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anneke6
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von anneke6 »

Meine Freundin und die anderen, die diese Messen besuchten, fanden das gerade gut. — Vielleicht die Konsequenz einer Überreizung durch "aktive Teilnahme" im NOM.
???

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Berolinensis
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Berolinensis »

anneke6 hat geschrieben:In der Messe im außerordentlichen Ritus, die meine verstorbene Freundin gerne besuchte, war das Vaterunser die einzige Stelle, wo die Laien ihre knieende Haltung aufgaben (sprich: austanden)
Auch nicht beim Evangelium? Das habe ich noch nie gehört.

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Bernado
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Bernado »

anneke6 hat geschrieben:Meine Freundin und die anderen, die diese Messen besuchten, fanden das gerade gut. — Vielleicht die Konsequenz einer Überreizung durch "aktive Teilnahme" im NOM.
Das ist denkbar. Der NOM hat ohnehin schon kollektivistische Züge, die in manchen Gemeinden bis zum Kasernenhofdrill übersteigert werden. Der alte Ritus ist da offener: Er ermutigt die Mitfeiernden zwar dazu, auch mit ihrer Körperhaltung das Geschehen am Altar zu begleiten, er ist aber (im Prinzip) auch tolerant gegenüber persönlichen Ausdrucksformen der Einzelandacht. Trotzdem würde ich es für unangebracht und in gewisser Weise sogar eine Übernahme des kollektivistischen Geistes des NOM halten, wen in einer Stillen Messe immer alle knien - um dann alle nur beim Paternoster aufzustehen.
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Robert Ketelhohn
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Berolinensis hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
da es sich hierbei um ein priesterliches Reservatrecht handelt
Allen, die hier ihr Kreuz placiert haben, muß ich leider mitteilen, daß sie einem schwerwiegenden Fehlurteil aufgesessen sind. Wie der Name „Orantenhaltung“ schon sagt, handelt es sich um einen Gebetsgestus, in keiner Weise aber um eine Haltung, die zu genuin priesterlichen Funktionen wie insbesondere dem Opfern oder auch dem Segnen gehört (es sei denn, man wollte das Gebet generell allein dem Priester zuordnen). – Man überprüfe einmal sein Priesterbild.
Deshalb habe ich ja auch diese Formulierung von ad_fontes beanstandet. Gleichwohl - ich wiederhole mich - hat sich diese Haltung nunmal bei uns zum Sondergestus des Priesters entwickelt, und die, die sie heute für die Laien propagieren, sind meist durchaus an einer Verwischung der Unterschiede von allgemeinem und Weihepriestertum interessiert, wie es ja auch LaudaSion870 gerade noch einmal gesagt hat. Und selbst wenn dies nicht gewollt ist, ist es doch das Ergebnis. Zu sagen, daß es ja aber die ursprüngliche Gebetshaltung war, zeigt sehr schön eins der Probleme des Archäologismus: Es ist wie beim stehenden Kommunionempfang. War es Spaemann, der so zutreffend gesagt hat: wenn man ein Volk, das tausend Jahre lang auf den Knien gelegen hat, aufstehen heißt, führt das - wie gut die Absichten auch sein mögen - nicht zu einer Vergrößerung der Ehrfurcht, sondern bei ihm wird instinktiv ankommen, so ernst könne das mit der Realpräsenz dann wohl doch nicht gemeint gewesen sein.
  1. Daß jene Gefahr der „Verwischung“, wovon du schreibst, keineswegs notwendig entsteht, könntest du exemplarisch in neokatechumenalen Gemeinschaften erleben. Wo sie aber auftritt, da eher aufgrund zuvor bestehender Absichten denn als Folge einer bloß instrumentalen Gebetshaltung. Einer solchen Gefahr ist zu wehren, durch Katechese und Mahnung. Grundsätzlich gilt dabei, was ich oben schon sagte: Man passe sich möglichst dem ortsüblichen Brauch an, vermeide aber jedenfalls allzu großes Aufsehen oder Ärgernis, wenn man denn schon abweichende Haltungen einnehmen zu müssen meint (in welcher Lage ich mitunter selbst bin).
     
  2. Vor dem hier immer beliebter werdenden Schlagwort des „Archäologismus“ möchte ich nun doch einmal warnen. Einige gebrauchen es mittlerweile als Keule, genau wie anderswo die Leute mit der „Fundamentalismus“-Keule zuschlagen. Der Hinweis auf die Gefahr eines „Archäologismus“ enthebt nicht der Pflicht zur Argumentation in der Sache, wird aber nicht selten genau dazu benutzt, sich der Mühe weiterer Sachargumentation zu entziehen.

    Es gibt solchen „Archäologismus“, der darin besteht, echte oder vermeintlich Phänomene in ferner Vergangenheit vorzufinden oder anzunehmen und sie ganz kontextfrei und anachronistisch in die Gegenwart verpflanzen zu wollen (meist, eingestanden oder nicht, um hier ungeliebte heutige Phänomene auszutreiben).

    Das ist verfehlt und kein Kennzeichen konstruktiver Kirchlichkeit. Ebenso verfehlt ist es jedoch, umgekehrt ein heutiges Phänomen (z. B.: Kommunionempfang im Knien, im Stehen, Mädchen als Ministranten, Orantenhaltung nur des Priesters, Kelchkommunion nur des Klerus, Azymen als eucharistische Brotsgestalt, Volkshändeschütteln als „Friedensgruß“ etc. pp.) für unantastbar zu erklären, weil es durch eine Tradition von zehn Jahren, achtzig, fünfhundert, achthundert Jahren beglaubigt und verewigt sei. Vielmehr ist, was immer wir über die Jahrhunderte an menschlichem Beiwerk den heiligen Riten beigefügt haben, immer wieder auf seine Angemessenheit hin zu betrachten, und was sich als vielleicht einmal gut gemeinte und womöglich auch hilfreiche Zutat entpuppt, die aber zeitgeistgebunden war und, längst veraltet, nun mehr hindert als recht orientiert und aufs Ziel hin befreit, das muß auch – mit Maß und Umsicht – wieder abgetragen werden.
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Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:… La reformatio, quella che è necessaria in ogni tempo, non consiste nel fatto che noi possiamo rimodellarci sempre di nuovo la “nostra” Chiesa come più ci piace, che noi possiamo inventarla, bensì nel fatto che noi spazziamo via sempre nuovamente le nostre proprie costruzioni di sostegno, in favore della luce purissima che viene dall’alto e che è nello stesso tempo l’irruzione della pura libertà.

Lasciatemi dire con un’immagine ciò che io intendo. Un’immagine che ho trovato in Michelangelo, il quale riprende in questo da parte sua antiche concezioni della mistica e della filosofia cristiane. Con lo sguardo dell’artista, Michelangelo vedeva già nella pietra che gli stava davanti l’immagine-guida che nascostamente attendeva di venir liberata e messa in luce. Il compito dell’artista – secondo lui – era solo quello di toglier via ciò che ancora ricopriva l’immagine. Michelangelo concepiva l’autentica azione artistica come un riportare alla luce, un rimettere in libertà; non come un fare.

La stessa idea applicata però all’ambito antropologico, si trovava già in san Bonaventura, il quale spiega il cammino attraverso cui l’uomo diviene autenticamente sé stesso, prendendo lo spunto dal paragone con l’intagliatore di immagini, cioè con lo scultore. Lo scultore non fa qualcosa, dice il grande teologo francescano. La sua opera è invece una ablatio: essa consiste nell’eliminare; nel toglier via ciò che è inautentico.

In questa maniera, attraverso la ablatio, emerge la nobilis forma, cioè la figura preziosa. Così anche l’uomo, affinché risplenda in lui l’immagine di Dio, deve soprattutto e prima di tutto accogliere quella purificazione, attraverso la quale lo scultore, cioè Dio, lo libera da tutte quelle scorie che oscurano l’aspetto autentico del suo essere, facendolo apparire solo come un blocco di pietra grossolano, mentre invece inabita in lui la forma divina.

Se la intendiamo giustamente, possiamo trovare in questa immagine anche il modello guida per la riforma ecclesiale. Certo la Chiesa avrà sempre bisogno di nuove strutture umane di sostegno, per poter parlare e operare ad ogni epoca storica. Tali istituzioni ecclesiastiche, con le loro configurazioni giuridiche, lungi dall’essere qualcosa di cattivo, sono al contrario, in un certo grado, semplicemente necessarie e indispensabili.

Ma esse invecchiano, rischiano di presentarsi come la cosa più essenziale, e distolgono così lo sguardo da quanto è veramente essenziale. Per questo esse devono sempre di nuovo venir portate via, come impalcature divenute superflue. Riforma è sempre nuovamente una ablatio: un toglier via, affinché divenga visibile la nobilis forma, il volto della Sposa e insieme con esso anche il volto dello Sposo stesso, il Signore vivente. …
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Berolinensis
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Berolinensis »

Auch hier fehlt mir im Moment die Zeit für eine eingehende Entgegnung, deshalb nur kurz zwei Punkte: ich habe ja schon einige Gründe genannt, die für die überlieferte Gebetshaltung sprechen, insofern sehe ich den Vorwurf, ich entöge mich der Argumentation in der Sache, eigentlich als unbegründet an. Umgekehrt stelle ich fest, daß die Befürworter der Orantenhaltung bisher hauptsächlich die Argumente der Gegner kritisieren. Was spricht denn nun positiv für die Orantenhaltung? Die Beweislast sollte ja eigentlich bei dem liegen, der die Tradition ändern will.

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lifestylekatholik
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von lifestylekatholik »

Berolinensis hat geschrieben:Was spricht denn nun positiv für die Orantenhaltung? Die Beweislast sollte ja eigentlich bei dem liegen, der die Tradition ändern will.
Vielleicht sollte man deutlich machen, dass es um zwei verschiedene Dinge geht: In welcher Haltung ich allein im stillen Kämmerlein oder in Waldeinsamkeit oder als pater familias bete, ist die eine Sache.

Davon ist zu unterscheiden, ob man allen Laien in der Messe eine neue Gebetshaltung nahelegen will.
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

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Berolinensis
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Berolinensis »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Berolinensis hat geschrieben:Was spricht denn nun positiv für die Orantenhaltung? Die Beweislast sollte ja eigentlich bei dem liegen, der die Tradition ändern will.
Vielleicht sollte man deutlich machen, dass es um zwei verschiedene Dinge geht: In welcher Haltung ich allein im stillen Kämmerlein oder in Waldeinsamkeit oder als pater familias bete, ist die eine Sache.

Davon ist zu unterscheiden, ob man allen Laien in der Messe eine neue Gebetshaltung nahelegen will.
Im stillen Kämmerlein kann natürlich ohnehin jeder machen, was er will. (Wobei ich persönlich auch hier nie auf die Idee kommen würde, eine andere Haltung als gefaltete Hände einzunehmen. Käme viel zu exaltiert vor.)

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Marion
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Marion »

Berolinensis hat geschrieben:... Wobei ich persönlich auch hier nie auf die Idee kommen würde, eine andere Haltung als gefaltete Hände einzunehmen. ...
Hier ebenfalls. Weder beim Tischgebet noch im stillen Kämmerlein, noch sonst irgendwo
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Marion
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Marion »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Daß jene Gefahr der „Verwischung“, wovon du schreibst, keineswegs notwendig entsteht, könntest du exemplarisch in neokatechumenalen Gemeinschaften erleben.
Nennen sie irgendeinen Grund dafür warum sie nicht normal beten?
Wer hat diese Haltung eigentlich eingeführt (von mir aus auch wiedereingeführt)?
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anneke6
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von anneke6 »

Berolinensis hat geschrieben:
anneke6 hat geschrieben:In der Messe im außerordentlichen Ritus, die meine verstorbene Freundin gerne besuchte, war das Vaterunser die einzige Stelle, wo die Laien ihre knieende Haltung aufgaben (sprich: austanden)
Auch nicht beim Evangelium? Das habe ich noch nie gehört.
Auch nicht zum Evangelium. Letzteres wurde auch nicht in der Volkssprache vorgetragen, wie es sonst meist üblich ist. Stattdessen eben Rosenkranzgebet oder das Lesen von "Meßandachten".
???

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ad-fontes
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von ad-fontes »

Berolinensis hat geschrieben: Zu sagen, daß es ja aber die ursprüngliche Gebetshaltung war, zeigt sehr schön eins der Probleme des Archäologismus: [...].
Der Archäologismus-Vorwurf kann aber auch zum Eigentor werden.

Ist es z.B. nicht auch Archäologismus zu den Gebräuchen von vor 1965 zurückkehren bzw. diese wiederherstellen zu wollen?

(Unbeschadet der Tatsache, je entfernter ein idealisierter Zustand zurückliegt, dieser umso mehr zur Projektion eigener Wünsche "einlädt".)
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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Berolinensis
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Berolinensis »

Damit wir wissen, wovon wir reden, erlaube ich mir noch einmal die entsprechenden Abschnitte aus der Enzyklika Mediator Dei (die auch von den Vätern des II. Vaticanums als Magna Charta der Liturgie angesehen wurde) wiederzugeben:
261. Gleich zu beurteilen sind die Versuche und Bestrebungen, alle möglichen alten Riten und Zeremonien wieder in Gebrauch zu bringen. Ganz gewiß, die Liturgie der alten Zeit ist zweifelsohne verehrungswürdig. Aber ein alter Brauch ist nicht allein schon deshalb, weil er Altertum ausstrahlt, in sich oder für spätere Zeiten und neue Verhältnisse als geeigneter und besser zu betrachten. Auch die neueren liturgischen Riten sind ehrfürchtiger Beobachtung würdig, weil sie unter Eingebung des Heiligen Geistes entstanden sind, der immerdar der Kirche beisteht bis zur Vollendung der Zeiten[52]; und auch sie sind gleichberechtigte Werte, mit deren Hilfe die ruhmreiche Braut Christi die Menschen zur Heiligkeit anspornt und zur Vollkommenheit führt.

Mit Geist und Herz zu den Quellen der heiligen Liturgie zurückzukehren, ist sicher weise und sehr lobenswert, da das Studium dieses Wissenszweiges durch Zurückgreifen auf dessen Anfänge nicht wenig dazu beiträgt, die Bedeutung der Feste und den Sinn der verwendeten heiligen Texte und Zeremonien tiefer und genauer zu erforschen; dagegen ist es nicht weise und nicht lobenswert, alles um jeden Preis auf das Altertum zurückzuführen. So würde z. B. vom rechten Weg abweichen, wer dem Altar die alte Form der Mensa, des Tisches, wiedergeben wollte; wer die liturgischen Gewänder nie in Schwarz haben wollte; wer die Heiligenbilder und Statuen aus den Kirchen entfernen wollte; wer die Nachbildung des gekreuzigten Erlösers so machen ließe, daß sein Leib die bitteren Qualen, die er erduldete, nicht zum Ausdruck brächte; wer endlich den polyphonen (mehrstimmigen) Gesang mißbilligte und ablehnte, auch wenn er den vom Heiligen Stuhl gegebenen Weisungen entspräche.

262. Denn wie kein vernünftiger Katholik in der Absicht, zu den alten, von den früheren Konzilien gebrauchten Formeln zurückzukehren, die Fassungen der christlichen Lehre ablehnen kann, welche die Kirche unter der Leitung des Heiligen Geistes in der neueren Zeit zum größten Nutzen der Seelen vorgelegt und als verbindlich erklärt hat, oder wie kein vernünftiger Katholik die geltenden Gesetze ablehnen kann, um zu den aus den ältesten Quellen des kanonischen Rechtes geschöpften Bestimmungen zurückzugreifen, so ist gleichermaßen, wenn es sich um die heilige Liturgie handelt, offensichtlich von keinem weisen und gesunden Eifer getrieben, wer zu den alten Riten und Bräuchen zurückkehren und die neuen ablehnen wollte, die doch unter dem Walten der göttlichen Vorsehung mit Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse eingeführt worden sind.

263. Diese Denk- und Handlungsweise läßt jene übertriebene und ungesunde Altertumssucht wiederaufleben, der die unrechtmäßige Synode von Pistoja Auftrieb gegeben hat, und ebenso trachtet sie, die vielfachen Irrtümer wieder auf den Plan zu rufen, welche die Ursache zur Einberufung jener Synode waren und zum großen Schaden der Seelen sich aus ihr ergaben, und welche die Kirche, die immer treue Hüterin des ihr von ihrem Stifter anvertrauten Glaubensgutes, mit vollem Recht verworfen hat[53]. Denn solch verkehrtes Beginnen geht nur darauf aus, die heiligmachende Tätigkeit zu beeinträchtigen und zu schwächen, durch welche die Liturgie Gottes Gnadenkinder auf dem Wege des Heils dem himmlischen Vater zuführt.
Der Vergleich mit der außerordentlichen Form zieht überhaupt nicht, schon weil Papst Benedikt ja festgestellt hat, sie sei "numquam abrogatum", und in der Tat wurde sie ja ununterbrochen gefeiert. Im übrigen wird man einen Zeitraum von 14 Jahren (Einführung des Novus Ordo bis Quatuor abhinc annos) wohl kaum als ausreichend ansehen können, um die Zeit davor als "Altertum" in dem beschriebenen Sinne ansehen zu können.

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Re: Erhobene Hände

Beitrag von ad-fontes »

Berolinensis hat geschrieben: Der Vergleich mit der außerordentlichen Form zieht überhaupt nicht, schon weil Papst Benedikt ja festgestellt hat, sie sei "numquam abrogatum", und in der Tat wurde sie ja ununterbrochen gefeiert. Im übrigen wird man einen Zeitraum von 14 Jahren (Einführung des Novus Ordo bis Quatuor abhinc annos) wohl kaum als ausreichend ansehen können, um die Zeit davor als "Altertum" in dem beschriebenen Sinne ansehen zu können.
Das ist eine Perspektivenfrage: rk-gesamtkirchlich magst du wohl recht haben, ortskirchlich bis hin zur Ebene der Parochien jedoch nicht.

Vielleicht resultiert aus dieser unterschiedlichen Perspektive auch eine unüberrückbare Differenz bei der Beantwortung der Frage, was "archäologistisch" und was "überliefert" ist.
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Bernado »

ad-fontes hat geschrieben:
Berolinensis hat geschrieben: Zu sagen, daß es ja aber die ursprüngliche Gebetshaltung war, zeigt sehr schön eins der Probleme des Archäologismus: [...].
Der Archäologismus-Vorwurf kann aber auch zum Eigentor werden.

Ist es z.B. nicht auch Archäologismus zu den Gebräuchen von vor 1965 zurückkehren bzw. diese wiederherstellen zu wollen?
So etwas sollte "ad fontes" nicht passieren. Der Archäologismus-Vorwurf Pius XII. ist schon wörtlich zu nehmen: im Rahmen der "liturgischen Erneuerung" setzten jede Menge Leute den Spaten an irgendwelchen Grabhügeln an, um nach vemeintlichen Kostbarkeiten aus längst vergangenen Zeiten zu suchen - dabei förderten sie meistens Dinge zu Tage, die zu Recht ausgestorben und vergessen worden waren. Der Ritus von ~650 - 1969 ist nie ausgestorben, sondern er war Opfer eines Mordversuches, den er freilich überlebt hat. Viele Gläubige, die ihn in ihrer Kindheit und Jugend gelebt und geliebt haben, sind ihm bis auf den heutigen Tag treu geblieben, neue Anhänger sind dazu gekommen. Von Archäologismus kann also überhaupt nicht die Rede sein.

Auf die Wiederbelebung der Orantenhaltung trifft dieser Vorwurf wohl schon eher zu - sie war im Westen wohl seit 1000 Jahren ausgestorben und es ist schwer vorstellbar, wie sie anders als auf dem Wege einer ziemlich willkürlichen "Re-Konstruktion" in einigen Kreisen wieder in Übung gekommen sein sollte.

Inwieweit es sich dabei um eine Verwischung des Unterschiedes zwischen Priester und Mitfeiernden handelt, wid man wohl nach den konkreten Umständen beurteilen müssen. Gravierender in dieser Hinsicht empfinde ich die in den USA in einigen Gemeinden aufgekommene Unsitte, daß die Gläubigen bei einigen Segenshandlungen und wenn ich recht gesehen habe sogar bei der Konsekration quasi "konzelebrierend" den rechten Arm ausstrecken.
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ad-fontes
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von ad-fontes »

Ich habe geschrieben: "kann"; dabei weder auf die gesamtkirchliche Perspektive noch die normative Ebene Bezug nehmend, sondern auf die Situation vor Ort: Der gemeine Katholik würde es als Archäologismus empfinden, wenn er einen Pfarrer vorgesetzt bekäme, der zu ihm sagt: "So, wir kehren jetzt hier vor Ort zu Liturgie von vor 1965 zurück".

Das Erschreckende am Zustand der Kath. Kirche ist ja, daß eine Kompatibilität (Offenheit) der (Anhänger der) beiden "Formen des gleichen Ritus" (zueinander) nicht geben ist. Wenn z.B. eine Pfarrkirche renoviert wird, die dortige Gemeinde nicht in das nächstgelegene Gotteshaus (indem nach ao. Form ebenfalls regelmäßig zur gleichen Zeit eine Sonntagsmesse angeboten wird) verwiesen (im Sinne von eingeladen) wird, sondern diese es vorzieht, "ihre" [NOM-]Messe im Pfarrheim zu zelebrieren.
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Berolinensis »

ad-fontes hat geschrieben:Ich habe geschrieben: "kann"; dabei weder auf die gesamtkirchliche Perspektive noch die normative Ebene Bezug nehmend, sondern auf die Situation vor Ort: Der gemeine Katholik würde es als Archäologismus empfinden, wenn er einen Pfarrer vorgesetzt bekäme, der zu ihm sagt: "So, wir kehren jetzt hier vor Ort zu Liturgie von vor 1965 zurück".
Der "gemeine Katholik" hat keine Ahnung, was Archäologismus ist, und hat diesen Begriff auch noch nie gehört. Er (wenn man damit den schlecht bis gar nicht katechsierten Nachkonzilsgläubigen meint, dessen objektive Katholizität ohnehin fraglich ist) würde dies wohl als "zurück vor das Konzil" empfinden, aber darüber sprachen wir hier ja nicht. Man kann nicht mitten im Argument die Bezugsgröße ändern.
ad-fontes hat geschrieben:Das Erschreckende am Zustand der Kath. Kirche ist ja, daß eine Kompatibilität (Offenheit) der (Anhänger der) beiden "Formen des gleichen Ritus" (zueinander) nicht geben ist. Wenn z.B. eine Pfarrkirche renoviert wird, die dortige Gemeinde nicht in das nächstgelegene Gotteshaus (indem nach ao. Form ebenfalls regelmäßig zur gleichen Zeit eine Sonntagsmesse angeboten wird) verwiesen (im Sinne von eingeladen) wird, sondern diese es vorzieht, "ihre" [NOM-]Messe im Pfarrheim zu zelebrieren.
Wobei das allerdings genauso passiert, wenn in der Nachbarpfarrei derselbe 0815-NOM mit den übllichen Mißbräuchen zelebriert wird. Das liegt an den heute vorherrschenden falschen Kirchenbild, nach dem die Kirche wesebnltich lokale Gemeinde ist, und die Gesamtkirche ein außen übergestülpter Verwaltungsapparat ("Amtskirche"), während sie in Wirklichkeit natürlich die eine universale Kirche, die unteilbare Braut Christi ist, und die Gemeinden bloße nichtkonstitutive Unterteilungen. Das ist ja eins der Lieblingsthemen von Card. Ratzinger, die in seinen Schriften immer wieder auftauchen.

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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Bernado »

ad-fontes hat geschrieben:Ich habe geschrieben: "kann"; dabei weder auf die gesamtkirchliche Perspektive noch die normative Ebene Bezug nehmend, sondern auf die Situation vor Ort: Der gemeine Katholik würde es als Archäologismus empfinden, wenn er einen Pfarrer vorgesetzt bekäme, der zu ihm sagt: "So, wir kehren jetzt hier vor Ort zu Liturgie von vor 1965 zurück".
Auch das sehe ich nicht so. Der gemeine Katholik hat von "Archäologismus" noch nie etwas gehört und könnte, selbst wenn man ihm den Begriff erklären wollte, kaum etwas damit anfangen, weil ihm das gesamte Denkgebäude, dem dieses Wort entstammt, fremd geworden ist.

Der "gemeine Katholik", um dabei zu bleiben, neigt dazu, die Einführung von Messdienerinnen gut zu finden, weil das modern und der Zeit entsprechend sei, und er neigt ebenfalls dazu, die Gewandung dieser Messdienerinnen in Alben (wogegen nichts einzuwenden ist) deshalb gut zu finden, weil die Albe in der alten Kirche das Taufgewand gewesen sei. Auch die Feier der Messe "ad populum" findet der "gemeine Katholik" überaus gut, weil das - so sagt man ihm - die Sitte der alten Kirche gewesen sei. Daß ihm sein Priester nur noch selten wenn überhaupt von der Notwendigkeit der Beichte predigt, findet er auch gut - und wenn ihm jemand sagen würde (was aber keiner tut), daß die alte Kirche da sehr streng war und für viele Verfehlungen öffentliches sündenbekenntnis und Buße verlangte, bevor der Sünder wieder zur Kommunion zugelassen wurde, würde er sagen, daß man da heute gottseidank viel moderner ist.

Das Verhältnis zur Tradition ist absolut unhistorisch und instrumental: Was gefällt, wird als traditionsgemäßl verklärt, was misfällt, wird als traditionell abgelehnt.

Die alternativlose Einführung der alten Messe wäre kanonisch für Pfarreien nicht möglich. Aber auch das Angebot einer einzigen Sonntagsmesse im alten Ritus würde der "gemeine Katholik" nicht als Anzeichen von "Archäologismus" werten, sondern er würde sagen (so konnte man es oft genug hören und lesen): Das bedeutet einen Schritt zurück hinter die segensreichen Errungenschaften des Konzils.

Die Frontstellung/Fremdheit zwischen den Anhängern der alten Liturgie und denen der neuen überzeichnest Du etwas. Völlige Funkstille herrscht zwischen Piusbruderschaft und WSK-nahen Kreisen, das ist klar. Aber auch Leute, die normalerweise die Messe etwa bei der Petrusbruderschaft besuchen, gehen im Urlaub am Sonntag natürlich in eine NO-Messe, wenn das die einzig erreichbare ist. Und immer mehr "normale" Katholiken, die in ihren NO-Pfarreien verwurzelt sind, besuchen alle paar Wochen mit einiger Regelmäßigkeit eine Sonntagsmesse im alten Ritus. In den USA mehr als in Deutschland, wo man das wohl noch an einer Hand abzählen kann, gehen NO-Pfarrer doch öfter dazu über, auch eine Sonntagsmesse im alten Ritus anzubieten. Novh viel mehr versuchen sich an der "Reform der Reform" - wenn auch meist in dr Mindestversion ad orientem und auf Latein. Das Blog "The New Liturgical Movement" hat, wenn man das so verkürzt sagen kann, die "versöhnte Verschiedenheit" zwischen beiden Formen sogar zur programmatischen Grundlage - wobei es aber ganz klar Anforderungen an eine "Reform der Reform" stellt.
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ad-fontes
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von ad-fontes »

Richtig ist: In der Liturgie feiert die (Orts-)Gemeinde nicht sich selbst; sie tritt hinzu und hat (erhält An-)Teil am opus divinum, an der göttlichen Liturgie des Herrn in seinem unsichtbaren himmlischen Reich, das jenseits der Kirchentüre sichtbar vergegenwärtigt wird.

Das ist nicht mehr klar. Wer im Diesseitsrahmen klemmt, mag je nach ästhetischen Anspruch und Geschmack entweder die eine oder die andere Form nicht. Dabei geht es doch nicht um die Form, sondern um die actio, die hier vergegenwärtigt wird, sofern man in der Kath. Kirche die Kirche Jesu Christi sieht. Aber wenn es für beide "Lager" eine Zumutung ist, am Gd. der jeweils anderen "Gruppe" teilzunehmen, es also eine Spaltung gibt, die zwar nicht institutionell zutage tritt, wohl aber für den aufmerksamen Beobachter wahrnehmbar ist, so muß ich an das Herrenwort denken:
Jedes Reich, das in sich gespalten ist, hat keinen Bestand.


Man könnte natürlich dagegen argumentieren und sagen: "die einen sind eben abgefallen". Aber glaubt Ihr tatsächlich, man kann die Kirche (von Dt., CH etc.) von innen reformieren, zur Katholizität zurückführen, wo seit mind. drei Jahrzehnten ein Geist vorherherrscht, der die Kirche ebenfalls als gespalten darstellt und empfindet (in "wir hier" und "Amtskirche dort"), wo die die Mehrzahl der Katholiken sich eingerichtet hat in einer soziologischen Realität und einem Verständnis von Kirche als selbstreferenzielle und eben nicht als übernatürliche, himmlische Größe, wo ihre eigentliche Existenzform liegt?
Christi vero ecclesia, sedula et cauta depositorum apud se dogmatum custos, nihil in his umquam permutat, nihil minuit, nihil addit; non amputat necessaria, non adponit superflua; non amittit sua, non usurpat aliena. (Vincentius Lerinensis, Com. 23, 16)

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lifestylekatholik
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von lifestylekatholik »

ad-fontes hat geschrieben:Aber glaubt Ihr tatsächlich, man kann die Kirche (von Dt., CH etc.) von innen reformieren, zur Katholizität zurückführen, wo seit mind. drei Jahrzehnten ein Geist vorherherrscht, der die Kirche ebenfalls als gespalten darstellt und empfindet ... ?
Ad fontes:
Zyprian hat geschrieben:Beglückwünschen darf man sich, wenn solche Glieder aus der Kirche ausscheiden, damit sie nicht die Tauben, damit sie nicht die Schafe Christi durch ihre unheilvolle und giftige Berührung zu Fall bringen. Ein Zusammenhang und eine Verbindung ist unmöglich zwischen bitter und süß ... Glaube keiner, daß die Guten von der Kirche sich zu trennen vermögen! Den Weizen weht kein Wind davon, und den Baum, der durch starke Wurzeln mit dem Grunde verwachsen ist, stürzt kein Sturm um: Nur die leere Spreu ist es, die vom Winde hin und her getrieben wird, nur die kraftlosen Bäume werden durch den Anprall eines Wirbelwindes entwurzelt.
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

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incarnata
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von incarnata »

Berolinensis hat geschrieben:
lifestylekatholik hat geschrieben:
Berolinensis hat geschrieben:Was spricht denn nun positiv für die Orantenhaltung? Die Beweislast sollte ja eigentlich bei dem liegen, der die Tradition ändern will.
Vielleicht sollte man deutlich machen, dass es um zwei verschiedene Dinge geht: In welcher Haltung ich allein im stillen Kämmerlein oder in Waldeinsamkeit oder als pater familias bete, ist die eine Sache.

Davon ist zu unterscheiden, ob man allen Laien in der Messe eine neue Gebetshaltung nahelegen will.
Im stillen Kämmerlein kann natürlich ohnehin jeder machen, was er will. (Wobei ich persönlich auch hier nie auf die Idee kommen würde, eine andere Haltung als gefaltete Hände einzunehmen. Käme viel zu exaltiert vor.)
Im stillen Kämmerlein hab ich schon manchmal solch exsaltierte Anwandlungen und auch schon in orante-Haltung gebetet;in der Messe allerdings käme ich gar nicht auf die Idee.Wenn der Priester bei der Präfation die Arme hebt,dann bin ich im Geiste dabei;stelle mir manchmal auch die Engelscharen vor,die sich um den Altar sammeln-selbst mit den Armen wackeln,um "abzuheben" wäre der Andacht aber kontraproduktiv !
Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende
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Bernado
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Bernado »

ad-fontes hat geschrieben:Man könnte natürlich dagegen argumentieren und sagen: "die einen sind eben abgefallen". Aber glaubt Ihr tatsächlich, man kann die Kirche (von Dt., CH etc.) von innen reformieren, zur Katholizität zurückführen, wo seit mind. drei Jahrzehnten ein Geist vorherherrscht, der die Kirche ebenfalls als gespalten darstellt und empfindet (in "wir hier" und "Amtskirche dort"), wo die die Mehrzahl der Katholiken sich eingerichtet hat in einer soziologischen Realität und einem Verständnis von Kirche als selbstreferenzielle und eben nicht als übernatürliche, himmlische Größe, wo ihre eigentliche Existenzform liegt?
Ja, das ist der Kern der Frage, und obwohl es hier heftig ot ist, will ich ganz kurz darauf eingehen - vielleicht setzen wir es einmal anderswo fort.

Diese Reform wird nicht von innen erfolgen, sondern vor allem unter äußerem Druck. Einer der wichtigsten Faktoren ist der schwindende finanzielle Spielraum: Mit dramatisch zurückgehender Teilnahme an den Sakramenten sinkt die Zahl der Kirchensteuerzahler in wenigen Jahrzehnten auf vielleicht 20% von 1950. Das wird nicht ohne Auswirkungen auf den Teil des Personals bleiben, der heute in der Kirche vor allem einen pflegeleichten Arbeitgeber sieht. Und auf die nicht-besoldeten, die dessen Dienste als Animateure schätzen.

Dazu kommt Meinungsdruck wie jetzt in der Missbrauchs-Diskussion: Noch weiter der Gesellschaft entgegenkommen (Perspektive:Homo-Verpartnerung für Priester, damit sie die Messbuben in Ruhe lassen) oder ihr entschlossener widerstehen - und die Sanktionen in Kauf nehmen.

Wer abgefallen ist und wer nicht - das entscheidet sich nicht an der Liturgie (auch wenn diese manchmal Indikatorfunktion hat) - das entscheidet sich daran, wie die Hierarchien und die Gemeinden mit dem zunehmenden Druck aus der Gesellschaft umgehen. Am Ende des Entscheidungsprozesses wird es die katholische Kirche als Volkskirche nicht mehr geben. Wahrscheinlich gibt es überhaupt keine volkskirchen-ähnlichen Gemeinschaften mehr, weil weder die Protestanten noch die Modernistenfraktion die Kraft und die Geschlossenheit haben, eigenständige Großorganisationen zu bilden. Die Kirche wird Minderheitskirche sein - und in dieser Minderheitskirche wird man sich nicht über Fragen der Liturgie zerstreiten. Ein (in Maßen re-formierter) Novus Ordo, der nicht mehr als Schutzschild und Treiber für modernistische Zielsetzungen funktionalisiert wird, bietet keinen Grund für Spaltungen.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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Robert Ketelhohn
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Robert Ketelhohn »

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Berolinensis
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Berolinensis »

Was möchtest du uns sagen, hast du die Stigmata empfangen? :kugel:

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anneke6
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von anneke6 »

Nee, Robert identifiziert sich eher mit Katharina…
???

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Robert Ketelhohn
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Romano Guardini, Von heiligen Zeichen, Mainz 1927, hat geschrieben:Die Hand

Der Körper ist Werkzeug und Ausdruck der Seele. Sie hält sich nicht bloß in ihm auf, wie ein Mensch in seinem Hause sitzt, sondern wohnt und wirkt in jedem Glied und jeder Faser. Sie spricht aus jeder Linie und Form und Bewegung des Leibes. In besonderer Weise aber sind Antlitz und Hand Werkzeug und Spiegel der Seele.

Vom Antlitz ist es ohne weiteres klar. Aber beobachte einmal bei irgendeinem Menschen – oder bei dir selbst –, wie eine Bewegung des Gemütes, Freude, Überraschung, Erwartung sich in der Hand kundtun. Verrät nicht oft ein rasches Heben oder ein leises Zucken der Hand mehr, als selbst das Wort? Scheint das gesprochene Wort nicht zuweilen grob neben ihrer leisen, so viel sagenden Sprache?

Nach dem Antlitz ist sie der geistigste Teil des Leibes. Gewiß fest und stark, Werkzeug der Arbeit, Waffe zu Angriff und Abwehr, aber doch auch fein gebaut, vielgegliedert, beweglich und von empfindlich fühlenden Nerven durchzogen. So recht ein Organ, in welchem der Mensch die eigene Seele offenbaren kann. Und die fremde aufnehmen; denn auch das tut er mit der Hand. Oder ist es nicht ein Aufnehmen der fremden Seele, wenn Einer die entgegengestreckte Hand des Begegnenden ergreift? Mit allem, was aus ihr an Vertrauen, Freude, Zustimmung, Leid spricht?

So kann es gar nicht anders sein, als daß die Hand auch dort ihre Sprache hat, wo die Seele so besonders viel sagt – oder vernimmt –: vor Gott; wo sie sich selbst geben und Ihn empfangen will: im Gebet.

Wenn Einer sich in sich selbst sammelt, in seinem Innern mit Gott allein ist, dann schließt die eine Hand sich fest in die andere, Finger verschränkt sich mit Finger, als solle der innere Strom, der ausfluten möchte, von einer Hand in die andere geleitet werden und ins Innere zurückströmen, damit alles drinnen bleibe, bei Ihm. Ein Sammeln seiner selbst ist das; ein Hüten des verborgenen Schatzes. Es sagt: »Gott ist mein, und ich bin sein, und wir sind miteinander allein im Drinnen.«

Ebenso tut die Hand, wenn irgendeine große Not, ein heftiger Schmerz auszubrechen drohen. Wieder schließt sich Hand in Hand; darin ringt die Seele mit sich selbst, bis sie sich bezwungen, beruhigt hat.

Steht aber jemand in verehrender Haltung des Herzens vor Gott, dann legt sich wohl die gestreckte Hand flach auf die andere. Ein wohlgeordnetes Sprechen des eigenen Wortes drückt sich so aus, und, wenn Er es schenkt, ein aufmerksam bereites Hören des göttlichen. Auch Ergebung tut sich so kund, Hingabe, wenn wir die Hände, mit denen wir uns 'Wehren, gleichsam gebunden in Gottes Hände geben.

Zuweilen geschieht es wohl, daß die Seele sich ganz vor Gott erschließt, in großem Jubel oder Dank. Daß sich in ihr, der Orgel gleich, alle Register auftun, und die innere Fülle strömt. Oder die Sehnsucht sich erhebt und ruft. Dann öffnet der Mensch die Hände und hebt sie mit gebreiteter Fläche, damit der Seelenstrom frei fluten, und die Seele voll empfangen könne, wonach sie dürstet. Und es kann sein, daß Einer sich selbst mit allem, was er ist und hat, zusammenfaßt, um sich in lauterer Hingabe Gott darzubringen, wissend, daß es zu einem Opfer geht. Dann verschränkt er wohl Hände und Arme auf der Brust im Zeichen des Kreuzes.

Schön und groß ist die Sprache der Hand. Von ihr sagt die Kirche, Gott habe sie uns gegeben, daß wir »die Seele darin tragen«. So nimm diese heilige Sprache ernst. Gott hört auf sie. Sie redet vom Innern der Seele. Sie kann auch von Herzensträgheit Zerstreutheit und anderem Unguten reden. Halte die Hände recht und sorge, daß dein Inneres mit diesem Äußeren in Wahrhaftigkeit übereinstimme!

Es war eine zarte Sache, von der wir da gesprochen haben. Man sagt dergleichen eigentlich nicht gern; etwas regt sich dagegen. Um so sorgsamer wollen wir damit umgehen. Es darf kein eitles, geziertes Spiel daraus werden, sondern eine Sprache, durdJ die der Leib in lauterer Wahrhaftigkeit Gott sagt, was die Seele meint.
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anneke6
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von anneke6 »

Ein sehr interessanter Text! :daumen-rauf:
???

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Christiane
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Christiane »

Berolinensis hat geschrieben:Was möchtest du uns sagen, hast du die Stigmata empfangen? :kugel:
:kugel: :kugel: :kugel:
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Robert Ketelhohn
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Berolinensis hat geschrieben:Was möchtest du uns sagen, hast du die Stigmata empfangen? :kugel:
Das wäre vielleicht noch nicht mal völlig falsch. Zeigen wollte ich allerdings, daß die Orantenhaltung als Gebetsgestus des Gläubigen über die Jahrhunderte niemals aus dem Bewußtsein des gläubigen Volks völlig verbannt war, auch als sie sich liturgisch ganz auf den Priester zurückgezogen hatte (was ich übrigens eher im 13. bis 14. Jht. ansetzen würde als schon vor tausend Jahren).
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Lioba
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Re: Erhobene Hände

Beitrag von Lioba »

Kurzer Ausflug zu der erhobenen rechten Hand. Gibt es das nur bei den katholischen Amis oder auch anderweitig dort? Ich meine nämlich auch mal eine ähnliche Geste bei Extrempfingstlerischen gesehen zu haben und mir kam da eine Gänsehaut, denn ausserhalb eines klaren liturgischen Zusammenhangs erinnert mich das eher an den Hitlergruss.
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